Ratschlag für die sehende Begleitung

Werbung
Gemeinsam gehen
Zusammenarbeit
eines sehgeschädigten Menschen
und einer sehenden Begleitung
Von Lisbeth Hallestad, The Institute for the Blind and Partially
Sighted
Veröffentlicht vom The Institute for the Blind and Partially
Sighted and the Visual Impairment Knowledge Centre Denmark
2009
Herausgeber: The Visual Impairment Knowledge Centre,
Rymarksvej 1, 2900 Hellerup, Denmark
Tel. +45 39 46 01 01, fax: +45 39 61 94 14, e-mail:
[email protected]
www.visinfo.dk
The Institute for the Blind and Partially Sighted, Rymarksvej 1,
2900 Hellerup, Denmark
Tel. +45 39 45 25 45, Fax: +45 39 45 25 25
Email: [email protected]; www.ibos.dk
Text:
Lisbeth Hallestad, The Institute for the Blind and Partially Sighted
Editing:
Dorte H. Silver, Visual Impairment Knowledge Centre
Deutsche Übersetzung:
Karin Edigkaufer, M.A.; Landesförderzentrum Sehen, Schleswig
Lutherstr. 14, 24837 Schleswig
Tel. +49 4621 8075, Fax: +49 4621 807 405
Email: [email protected]; www.LFS-Schleswig.de
Illustrationen:
Neel de Thurah Simonsen
ISBN: 978-87-91637-63-6
Januar 2010
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1
Ratschlag für die sehende Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2
Ratschlag für den sehgeschädigten Menschen . . . . . . . . . . . . . 3
Besondere Aufgaben
Grundgriff
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4
Durch Engen gelangen
............................7
Seitenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8
Richtungsänderung (via Angesicht)
...................9
Durch Türen gehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Trepp auf-/abwärts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Platz nehmen
. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 15
Unbekannte Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Badezimmer/Toiletten
Freie Räume
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Autotüren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Einkaufen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .18
Rolltreppen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Führhunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .19
Rollstühle
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Abriss Orientierung & Mobilität
. . . . . . . . . . . . . . . . 21
Eine Bemerkungen zur verwendeten Terminologie: Aus
praktischen Gründen wird sich auf den sehgeschädigten
Menschen mit „er“ und die sehenden Begleitung mit „sie“ im
gesamten Text bezogen. Dies ist auch eingehaltenes Prinzip in
dem dieser Veröffentlichung dazugehörigen Video der Fall.
Einführung
Dieses Heftchen richtet sich speziell an Menschen mit einer
Sehschädigung und deren Familie, Freunde, Mitarbeiter, Kollegen
sowie an Fachleute, die gelegentlich mit Menschen mit einer
Sehschädigung zu tun haben.
Für einen Menschen mit einer Sehschädigung ist die
Zuhilfenahme einer sehenden Begleitung häufig ein guter Ansatz.
Es ist eine sichere und effiziente Möglichkeit von einem zum
anderen Punkt zu gelangen, besonders in unbekannten
Umgebungen oder wenn es zeitweise Änderungen in bekannten
Umgebungen gibt. Geht ein sehgeschädigter Mensch mit einer
sehenden Begleitung ist es von Vorteil ein gemeinsames
Verständnis von den Dingen zu haben, die man miteinander
erlebt. Als Beispiel: Wie gelangt man durch Türen, wie kann man
Treppen gehen, etc.
Dieses Heftchen liefert eine Kurzvorstellung grundlegender
Techniken die hilfreich für beide sind und mit denen sich beide
vertraut machen sollten. Diese Herangehensweise wird allgemein
als Sehende Begleitungstechnik bezeichnet. Sollten sie öfter so
miteinander gehen, kann es durchaus sein, dass sie für sich
einige Modifizierungen und eigene Herangehensweisen
entwickeln. Viele sehgeschädigte Menschen haben ein gewisses
Restsehen, was bei der Orientierung hilfreich ist. Viele haben nur
in der Dunkelheit Schwierigkeiten oder wenn die Beleuchtung
unzureichend ist. Es mag daher von den jeweiligen Umständen
abhängen, ob jemand Hilfe benötigt oder es alleine bevorzugt zu
gehen.
Die Techniken der sehenden Begleitung sind nicht schwierig. Der
wichtigste Aspekt hierbei ist die Zusammenarbeit:
Eine sehende Person sollte niemals einen sehgeschädigten
Menschen vor sich her schubsen oder plötzlich irgendwohin
ziehen. Sehende Begleitung sollte eine Zusammenarbeit auf
gleicher Augenhöhe zwischen zwei Menschen sein. Häufig sind
beide Partner jedoch unsicher, was zu tun ist.
Aus diesem Grunde beginnt dieses Heftchen mit grundlegenden
Bemerkungen für beide. Anschließend folgen eine Übersicht über
grundlegende Techniken der sehenden Begleitung, sowie ein
Blick auf spezielle Situationen.
Einige der aufgeführten Punkte zeigen darüber hinaus
Variationen für das Gehen mit sehgeschädigten Menschen auf,
die zusätzliche Unterstützung z.B. wegen Schwindel benötigen.
Ratschlag für die sehende Begleitung
• Begegnet man einem sehgeschädigten Menschen, so sagen Sie
ihm, wer Sie sind.
Es kann durchaus schwierig sein jemanden allein an Geräuschen
oder dem Klang der Stimme allein zu erkennen.
• Sollten Sie die Hand zum Handschlag nehmen wollen, so
kündigen Sie dies vorher an.
• Gebrauchen Sie immer den Namen des sehgeschädigten
Menschen wenn Sie ihn in einer Menschengruppe ansprechen; so
weiß er, dass Sie mit ihm sprechen.
• Wenden Sie sich der Person zu, wenn Sie mit ihr sprechen.
• Gebrauchen Sie das Wort "sehen" so, wie Sie es unter
normalen Umständen auch tun.
• Kündigen Sie immer an, wenn sie den Raum verlassen oder
betreten (und nennen sie ihren Namen wenn sie dies tun). Es ist
nicht schön rätseln zu müssen, wer sich im Raum befindet – oder
mit jemandem zu sprechen, der schon längst das Zimmer
verlassen hat.
• Wenn Sie einem sehgeschädigten Menschen etwas zeigen
möchten, so führen Sie nicht seine Hände. Besser ist es, dass der
sehgeschädigte Menschen mit seinen Händen an Ihrem Arm
entlang zu dem Gegenstand gelangt.
• Lassen Sie keine Türen halbgeöffnet und schieben Sie Stühle an
den Tisch heran, wenn Sie aufstehen, da andernfalls der
sehgeschädigte Mensch in diese Hindernisse hineinlaufen könnte.
• Wenn Sie einen sehgeschädigten Menschen warnen möchten,
vermeiden Sie "alarmierende Ausdrücke" wie beispielsweise
"Vorsicht!", es sei denn die Situation ist in der Tat eine
Notsituation. Bieten Sie lieber hilfreiche Leitungen wie
beispielsweise "Direkt vor deiner Hand ist eine Kaffeetasse" an.
• Zusätzlich zur persönlichen Namensnennung bei einer
Vorstellung von Mitarbeitern, Krankenhauspersonal oder Personal
in Pflegeeinrichtungen sollte nicht nur der Name, sondern auch
die Stellung im Haus genannt werden.
• Lassen Sie niemals einen blinden Menschen ganz alleine im
freien Raum stehen ohne dass dieser sich an etwas
festhalten/anlehnen könnte. Besser ist es, den sehgeschädigten
Menschen zu einem Stuhl, einer Wand oder einer bekannten
Umgebung zu bringen.
• Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob ein sehgeschädigter Mensch
Ihre Hilfe möchte, fragen Sie!
Ergreifen Sie niemals einfach den sehgeschädigten Menschen
oder machen etwas für ihn, meist zieht der sehgeschädigte
Mensch es vor Dinge selbst zu erledigen.
Ratschlag für den sehgeschädigten Menschen
• Sprechen Sie! Lassen Sie Ihr Umfeld wissen, ob Sie Hilfe
benötigen oder eher nicht.
• Erklären Sie welche Art Hilfe Sie benötigen. Die meisten
Menschen freuen sich helfen zu können aber viele sind unsicher
und ängstlich etwas falsch zu machen.
• Sollte eine sehende Person Sie einfach ergreifen und
irgendwohin bringen wollen, sagen Sie ihr, dass Sie lieber ihren
Arm nehmen.
Grundgriff
Hauptpunkt ist, dass die sehende Begleitung ein wenig voran
gehen sollte, um für den sehgeschädigten Menschen quasi wie
ein Schutzschild zu fungieren.
Es soll stets die sehgeschädigte Person sein, die die sehende
Begleitung anfasst, nicht anders herum. Die sehende Begleitung
kann den sehgeschädigten Menschen wissen lassen wo sie ist,
indem die Handrückenseite des sehgeschädigten Menschen leicht
berührt wird.
Der sehgeschädigte Mensch ergreift den Arm der sehenden
Begleitung gerade oberhalb des Ellenbogens in einem
Klammergriff oder C-Griff, mit dem Daumen außerhalb des Arms
und den vier übrigen Fingern zum Körper der sehenden
Begleitung gerichtet.
Das Handgelenk sollte gestreckt sein. Der Arm, den der
sehgeschädigte Mensch bei der sehenden Begleitung ergreift,
wird meist als „Führarm“ bezeichnet; die Hand an dieser Seite
wird als die "greifende Hand" bezeichnet.
Der Führarm kann sowohl gestreckt als auch gebeugt gehalten
werden, jedoch sollten beide ihren Oberarm eng am Oberkörper
lassen – dadurch können Bewegungen besser wahrgenommen
werden.
Die sehende Begleitung geht einen halben Schritt vor dem
sehgeschädigten Menschen.
Dadurch kann die sehende Begleitung durch ihre Bewegungen
und Worte signalisieren, was passiert. Gleichzeitig ermöglicht es
dem sehgeschädigten Menschen eine aktive Rolle zu haben,
beispielsweise beim Anpassen des Gehtempos, dem Schließen
der Türen und wenn man das Gehen mit sehender Begleitung
beenden möchte.
Die sehende Begleitung sollte stets versuchen gerade Strecken
zu gehen und rechtwinklige Ecken. Hierdurch wird dem
sehgeschädigten Menschen die Orientierung erleichtert.
Vergessen Sie nicht, dass Sie zwei Personen breit sind, wenn Sie
miteinander gehen.
Sollte ein beträchtlicher Höhenunterschied zwischen der
sehgeschädigten und der sehenden Person bestehen, so ist es
angebracht, dass der sehgeschädigte Mensch seine Hand auf die
Schulter der sehenden Begleitung legt oder den C-Griff am
Handgelenk der sehenden Begleitung anwendet.
Zusätzliche Hilfen
Sollte die geführte Person eine Gehbeeinträchtigung haben oder
sich unsicher fühlen, kann die sehende Begleitung zusätzliche
Hilfe durch einen unterstützenden Griff bieten: Die sehende
Begleitung legt ihren Arm unter den Arm des sehgeschädigten
Menschen und ergreift seine Hand, so die Armlänge passt,
andernfalls um das Handgelenk oder den Arm.
Zusätzlich zu dem unterstützenden Arm, kann die sehende
Begleitung unter Umständen auch herüberreichen und die andere
Hand halten.
Durch Engen gelangen
Die beste Möglichkeit durch enge Stellen, oder Bereiche mit
hohem Menschenaufkommen zu gelangen besteht darin, dass der
sehgeschädigte Mensch hinter die sehende Begleitung tritt, ohne
dabei deren Arm los zu lassen. Dadurch gehen beide
hintereinander.
Die sehende Begleitung kann auf eine bevorstehende enge Stelle
hinweisen, indem der ausgestreckte Führarm hinter sich gebracht
wird. Hierdurch wird der sehgeschädigte Mensch im wahrsten
Sinne des Wortes hinter die sehende Begleitung geschoben und
beide gehen hintereinander durch die entsprechend enge Stelle.
Die sehende Begleitung kann auch gegebenenfalls die enge Stelle
verbal ankündigen.
Der sehgeschädigte Mensch geht hinter die sehende Begleitung
und streckt dabei seinen Arm aus, damit nicht in die Fersen der
sehenden Begleitung versehentlich getreten wird.
Die sehende Begleitung sollte sich nicht einfach umdrehen oder
ihren Körper verdrehen, da dies den sehgeschädigten Menschen
durcheinander bringen kann. In einigen Situationen,
beispielsweise wenn man durch Sitzreihen in einem Theater geht,
muss man unter Umständen nebeneinander gehen.
Sobald Sie außerhalb der engen Stelle sind, sollte die sehende
Begleitung ihren Arm wieder in die Ausgangsstellung bringen und
wie zuvor weiter gehen.
Zusätzliche Hilfen
Sollte zusätzliche Hilfe notwendig sein, so könnte die sehende
Begleitung sich umdrehen und rückwärts gehen, während sie
zusätzliche Hilfe bietet, indem beide Vorderarme der
sehgeschädigten Person ergriffen werden.
Seitenwechsel
Wenn Sie einen Seitenwechsel vornehmen möchten, so geht der
sehgeschädigte Mensch am Rücken der sehenden Begleitung auf
die andere Seite.
In manchen Fällen ist es angenehmer die Seite zu wechseln,
damit beispielsweise der sehgeschädigte Mensch durch eine Tür
gehen, das Geländer festhalten, durch enge Stellen gelangen
oder eine schwere Tasche tragen kann.
Beiden Personen mag ein Wechsel angenehm erscheinen. Man
kann während des Gehens wechseln oder auch eine Pause
einlegen, um zu wechseln. Der sehgeschädigte Mensch soll dabei
niemals von der sehenden Begleitung lassen.
Um einen Wechsel zu vollziehen, gleitet der sehgeschädigte
Mensch mit seiner freien Hand am Rücken der sehenden
Begleitung entlang, ergreift den anderen Arm, um dann den
ursprünglichen Griff los zu lassen.
Nun kann man wie zuvor weiter gehen, lediglich in einer leicht
geänderten Konstellation.
Um dem sehgeschädigten Menschen die Orientierung und den
Richtungssinn zu erleichtern, sollte die sehende Begleitung ihre
Gehrichtung beibehalten und es vermeiden ihren Oberkörper zu
drehen.
Dies ist auch der Grund, warum es am sehgeschädigten
Menschen ist die Seite entlang des Rückens der sehenden
Begleitung zu wechseln, während diese an ihrer Stelle verharrt.
Richtungsänderung (via Angesicht)
Sollten Sie sich umdrehen und in die entgegengesetzte Richtung
in einer relativ beengten Umgebung gehen wollen, beispielsweise
in einem Geschäft, so halten Sie kurz an, drehen sich beide mit
dem Gesicht zueinander. Der sehgeschädigte Mensch sollte dabei
nicht von der sehenden Begleitung lassen.
Der sehgeschädigte Mensch ergreift nun den freien Arm der
sehende Begleitung mit seiner freien Hand. Dabei ist wichtig,
dass der alte Griff nicht gelöst wird, bis der neue Griff
aufgenommen wurde.
Nun drehen sich beide weiter in die Richtung, aus der man kam.
Sobald weiter gegangen wird, nehmen beide wieder die
Grundhaltung ein, die zuvor auch eingenommen worden war. Das
bedeutet, der sehgeschädigte Mensch geht wieder einen Schritt
hinter der sehenden Begleitung.
Durch Türen gehen
Die beste Möglichkeit durch Türen zu gelangen besteht darin,
dass die sehende Begleitung die Tür öffnet und zuerst hindurch
geht, anschließend geht der sehgeschädigte Mensch durch die
Tür und schließt diese hinter sich, ohne dabei die sehende
Begleitung los zu lassen.
Am leichtesten ist es, wenn der sehgeschädigte Menschen an
dem Führungsarm geht, an dem auch die Scharniere der Tür
sind. Das bedeutet, dass es unter Umständen notwendig ist einen
Seitenwechsel zu machen, bevor man durch Türen geht (siehe
Seite XX).
Wenn der sehgeschädigte Mensch an der entsprechenden Seite
der sehenden Begleitung ist, öffnet die sehende Begleitung die
Tür und lässt ihre Hand am Türgriff. Der sehgeschädigte Mensch
kann daraufhin am Arm der sehenden Begleitung entlang zum
Türgriff gleiten und den Türgriff ergreifen.
Der sehgeschädigte Mensch gleitet am Arm der sehenden
Begleitung hinunter zum Türgriff. Sollte sich die Tür nach außen
hin offen, ergreift der sehgeschädigte Mensch erst dann den
Türgriff, wenn beide durch die Tür hindurch gegangen sind.
Nun geht man hintereinander durch die Tür, zunächst die
sehende Begleitung, dann der sehgeschädigte Mensch, der auch
die Tür schließt.
Zu keiner Zeit soll der sehgeschädigte Mensch dabei den Arm der
sehenden Begleitung los lassen.
Zusätzliche Hilfen
Die sehende Begleitung geht rückwärts (vor dem
sehgeschädigten Menschen), während sie die Hände und
Unterarme des sehgeschädigten Menschen hält.
oder
Die sehende Begleitung behält die stützende Hilfe bei, während
sie neben dem sehgeschädigten Menschen geht – hier wird dann
seitlich durch die Tür gegangen.
Die sehende Begleitung hantiert mit der freien Hand die Tür.
Sollte die Tür zu eng sein, geht die sehende Begleitung
rückwärts.
Trepp auf-/abwärts
Das Augenmerk in der Bewältigung von Treppen liegt darin, dass
die sehende Begleitung stets einen Schritt vor dem
sehgeschädigten Menschen gehen muss und diesem stets wissen
lassen muss, ob es nun treppauf oder treppab geht.
Erreicht man eine längere Treppe, bleibt die sehende Begleitung
direkt vor dem Treppenabsatz stehen und sagt dem
sehgeschädigten Menschen, ob es nun auf oder ab geht.
Die sehende Begleitung sollte nicht vor Erreichen des
Treppenabsatzes die Treppe erwähnen, sondern erst, wenn dort
angekommen.
Die sehende Begleitung betritt die erste Stufe und wartet, bis der
sehgeschädigte Mensch den Treppenabsatz erreicht hat. Die
sehende Begleitung ist dabei immer noch einen Schritt vor dem
sehgeschädigten Menschen. Gemeinsam geht man nun die
Treppe hinauf oder die Treppe herab. Sobald der sehgeschädigte
Mensch alle Stufen hinter sich gelassen hat, hält die sehende
Begleitung kurz an.
Sollte ein Treppengeländer vorhanden sein, kann die sehende
Begleitung dem sehgeschädigten Menschen das Treppengeländer
zeigen wo dies ist, so dass dieser es mit seiner freien Hand das
Geländer ergreifen kann. Um das Treppengeländer zu finden,
kann der sehgeschädigte Mensch einfach am Arm der sehenden
Begleitung hinunter gleiten.
Sollte die Treppentiefe unterschiedlich sein, beispielsweise bei
Wendetreppen, sollte der sehgeschädigte Mensch dort gehen, wo
die Treppenstufen am tiefsten sind.
Aus diesem Grunde hält die sehende Begleitung drei Mal an:
• Einmal, wenn sie am Treppenabsatz angekommen sind.
• Einmal, wenn die sehende Begleitung die erste Stufe betreten
und der sehgeschädigte Mensch den Treppenabsatz erreicht hat.
• Einmal, wenn die sehende Begleitung gesehen hat, dass der
sehgeschädigte Mensch alle Stufen gegangen ist.
Treppabwärts / Treppaufwärts
Wichtig: Die sehende Begleitung unterbricht nicht ihren Gehfluss,
bis sie am Ende des Treppenabsatzes angelangt ist.
Zusätzliche Hilfen
Sollte zusätzliche Hilfe notwendig sein, so kann die sehende
Begleitung die stützende Griffhaltung einnehmen und die selbe
Stufe wie der sehgeschädigte Mensch neben ihr gehen.
Alternativ kann die sehende Begleitung rückwärts auf den Stufen,
vor dem sehgeschädigten Menschen gehen und dabei den
Verbindungsgriff zwischen sehender Begleitung und
sehgeschädigtem Menschen beibehalten, während beide am
Treppengeländer gehen.
Menschen mit einem Langstock bevorzugen es in der Regel mit
sehender Begleitung zu einem Treppenabsatz gebracht zu
werden, um diesen dann alleine hinauf- oder hinab zu gehen.
Besonders ängstliche Menschen ziehen es unter Umständen vor
rückwärts die Treppe zu gehen, während sie sich am
Treppengeländer festhalten und die sehende Begleitung einige
Stufen unterhalb von ihnen geht um ggf. helfend eingreifen zu
können.
Jegliche Stufenformen und Hänge (zum Beispiel Kantsteine oder
Schlaglöcher), sowie extreme Veränderungen der Oberfläche
(beispielsweise von Übergänge von Fliesen zu Grass oder wenn
der Untergrund abschüssig wird), werden in der Führtechnik wie
Treppen gehandhabt.
Platz nehmen
Wenn der sehgeschädigte Mensch Platz nehmen möchte, zeigt
die sehende Begleitung den Stuhl, indem sie ihre Hand von
hinten möglichst auf die Rückenlehne oder Armlehne des Stuhles
legt. Der sehgeschädigte Mensch gleitet dann am Arm der
sehenden Begleitung entlang hinunter zum Stuhl. Die sehende
Begleitung erklärt dann kurz, wie der Stuhl im Raum steht und
überlässt alles Weitere dem sehgeschädigten Menschen. Der
sehgeschädigte Mensch muss dabei stets daran denken vor dem
Hinsetzen selbst zu überprüfen, ob die Sitzfläche leer ist. Bei
Stuhlreihen, wie in Theatern und Flugzeugen, gehen beide
seitlich, wobei die sehende Begleitung zuerst geht. Der
sehgeschädigte Mensch fährt die Sitzreihen mit seiner freien
Hand entlang.
Zusätzliche Hilfen
Der sehgeschädigte Mensch steht vor einem Stuhl und berührt
diesen mit der Rückseite seiner Knie.
Ihm wird die Armlehne oder ein Tisch gezeigt, um sich darauf
abstützen zu können, während er sich hinsetzt, bzw. hingesetzt
wird.
Die sehende Begleitung schaut dabei den sehgeschädigten
Menschen an während sie den sehgeschädigten Menschen an den
Händen und Oberarmen stützt um zu setzen, oder sie steht
hinter dem sehgeschädigten Menschen um zu verhindern, dass
der Stuhl während des Sitzens wegrutscht.
Unbekannte Räume
Wenn sie sich in einem Zimmer befinden, dass dem
sehgeschädigten Menschen nicht bekannt ist, sollte die sehende
Begleitung diesen Raum kurz beschreiben, so der sehgeschädigte
Mensch interessiert ist. Hierdurch wird die Orientierung des
sehgeschädigten Menschen unterstützt und kann hilfreich für ihn
sein. Die sehende Begleitung kann die Größe des Raumes, die
Stelle an der sich die Fenster befinden sowie die Aufstellung des
Mobiliars beschreiben. Es kann sein, dass der sehgeschädigte
Mensch in dem Raum selbst herumgehen möchte, um einen
Eindruck zu gewinnen. Darüber hinaus kann es gut sein zu
wissen, wie Fenster geöffnet und geschlossen und wie die
Raumtemperatur verändert werden kann.
Badezimmer/Toiletten
Vor der Nutzung eines unbekannten Badezimmers oder einer
unbekannten Toilette kann es sein, dass der sehgeschädigte
Mensch eine kurze Beschreibung der Raumstruktur, wo das
Toilettenpapier zu finden ist, wie die Spülung funktioniert, wo
sich das Waschbecken mit Seife und Handtuch befindet, benötigt.
Sollte das Handtuch nicht sauber sein, sollte die sehende
Begleitung dies dem sehgeschädigten Menschen mitteilen und ihn
seine eigenen Lösungen machen lassen.
Freie Räume
Beim Gehen auf einem Fußweg oder einem Bürgersteig ist es
wichtig dass der sehgeschädigte Mensch auf einer ebenen
Oberfläche geht. Das Gehen über unebene Oberflächen, wie
beispielsweise Kopfsteinpflaster oder kleinen Fliesen, kann
unangenehm sein. Sollte es auf der Strasse zu geschäftig sein, so
ist es angenehmer für den sehgeschädigten Menschen auf der
Seite der ihm entgegenkommenden Fußgänger zu gehen.
Autotüren
Das Wichtigste hierbei ist, dem sehgeschädigten Menschen den
Türgriff zu zeigen und ihn alles weitere selbst machen zu lassen.
Wenn der sehgeschädigte Mensch in das Auto möchte, legt die
sehende Begleitung ihre Hand an den Türgriff. Der
sehgeschädigte Mensch gleitet dann mit seiner freien Hand am
Arm der sehenden Begleitung hinunter und öffnet die Tür.
Dann zeigt die sehende Begleitung dem sehgeschädigten
Menschen das Autodach. Der sehgeschädigte Mensch legt eine
Hand auf das Autodach und die andere Hand oben auf die
geöffnete Autotuer und setzt sich hinein.
Der sehgeschädigte Mensch sollte nicht einfach die Autotür
öffnen oder schließen, sondern erst dann, wenn die sehende
Begleitung dies als sicher angekündigt hat (erst dann, wenn es
keine Fahrradfahrer oder andere Autos gibt, die in die Quere
kommen könnten, bzw. keine Finger eingeklemmt werden
könnten). Dies ist immer wichtig, sowohl beim Einsteigen in ein
Auto als auch beim Aussteigen aus einem Auto.
Der sehgeschädigte Mensch sollte stets überprüfen, ob die
Sitzfläche frei ist, bevor er sich hinsetzt.
Einkaufen
In Supermärkten ist es hilfreich, dass der sehgeschädigte Mensch
den Einkaufswagen schiebt und die sehende Begleitung vorne
geht und den Einkaufswagen lenkt.
Die sehende Begleitung sollte nicht zulassen, dass Gespräche des
Supermarkt-Personals (oder auch zum Beispiel beim Postamt)
mit dem sehgeschädigten Menschen über sie laufen, sondern
vielmehr direkt mit dem sehgeschädigten Menschen selbst.
Gleiches gilt für Personal in Restaurants.
Rolltreppen
An Rolltreteppen erklärt die sehende Begleitung, ob es sich hier
um eine aufwärts- oder abwärts fahrende Rolltreppe handelt.
Dann zeigt die sehende Begleitung dem sehgeschädigten
Menschen wo der Handlauf ist. Es kann sein, dass der
sehgeschädigte Mensch sich entscheidet die sehende Begleitung
los zu lassen, um alleine die Rolltreppe hinter der sehenden
Begleitung zu nutzen.
Es mag sein, dass der sehgeschädigte Mensch seine Füße auf
zwei Stufen stellt, damit er merkt, wann die Rolltreppe zu Ende
geht. Dabei können die Zehen des vorderen Fußes leicht
angehoben sein. Am oberen Ende der Rolltreppe angekommen
(gekennzeichnet am Handlauf und durch die auf eine Ebene
gekommenen Stufen), sollte die sehende Begleitung den
sehgeschädigten Menschen in Empfang nehmen und sofort weiter
gehen, damit der Weg für die nachfolgenden Menschen nicht
blockiert wird.
Führhunde
Sofern der sehgeschädigte Mensch einen Führhund besitz, sollte
die sehende Begleitung sich von der anderen Seite nähern, an
der der Führhund nicht ist. Die sehende Begleitung darf
keinesfalls das Führgeschirr oder die Hundeleine ergreifen, da
immer der Füherhundnutzer derjenige zu sein hat, der den Hund
kontrolliert.
Die sehende Begleitung geht stets an der Seite, an der der Hund
nicht geht. Einige Führhundnutzer ziehen es unter Umständen
vor mit der sehenden Begleitung zu gehen, ohne diese am Arm
zu fassen, stattdessen sich vom Hund führen zu lassen.
Sollte der Führhundnutzer sich von der sehenden Begleitung
führen lassen wollen, so lässt er in diesem Falle das
Führhundgeschirr los und gebraucht stattdessen die Hundeleine,
da der Hund jetzt arbeitsfrei hat. In vereinzelten Fällen mag es
sein, dass die sehende Begleitung vorweg geht und der Hund
folgt.
Ausschließlich der Führhundnutzer ist es, der dem Führhund
Befehle erteilt, so dass der Hund niemals zweifelt wer hier der
Verantwortliche ist.
Sollten der Führhundnutzer und die sehende Begleitung auf
Wegen oder über Plätze gehen, die der Ausbildung des Hundes
entgegen gehen (Beispielsweise das diagonale Überqueren
großer Plätze oder mitten auf der Strasse gehen), so sollte der
Führhundnutzer auch hier das Führhundgeschirr loslassen und
den Hund an der Leine halten, so dass der Führhund weiß, dass
er nicht mehr für die Sicherheit des Führhundnutzers zuständig
ist.
Rollstühle
Benutzt der sehgeschädigte Mensch einen Rollstuhl, so sollte die
sehende Begleitung das Gefühl der Sicherheit geben und ihn
wissen lassen, was vor sich geht indem sie über den Weg spricht
und erzählt an was man auf dem Weg vorbei kommt. Die
sehende Begleitung sollte stets erklären, was Grund und Ziel des
Weges sind.
Wählen sie immer die selbe Route und die selben
Orientierungspunkte (beispielsweise Geräusche, Licht, Gerüche
sowie Gegenstände, die vom Rollstuhl aus erreicht werden
können). Die sehende Begleitung sollte stets versuchen neunzig
Grad-Drehungen zu machen. Hierdurch wird die Orientierung
erleichtert. Vermeiden sollte sie, den Rollstuhl rückwärts zu
ziehen, da dies von sehgeschädigten Menschen als sehr
unangenehm empfunden wird. (Es ist jedoch unvermeidlich wenn
man Bordsteinkanten bewältigen muss.)
Die sehende Begleitung sollte erklären, was auf dem
eingeschlagenen Weg passiert und kurz anhalten, wenn sich
Änderungen auf der Gehebene oder andere gravierende
Änderungen ergeben, die den sehgeschädigten Menschen
verunsichern könnten.
Führen braucht seine Zeit! Die sehende Begleitung sollte sich auf
den sehgeschädigten Menschen konzentrieren und es daher
vermeiden währenddessen mit anderen Menschen gleichzeitig zu
sprechen.
Die sehende Begleitung muss den sehgeschädigten Menschen in
Kenntnis darüber setzen, wenn eine andere sehende Begleitung
übernimmt.
Das Fussbrett am Rollstuhl sollte nicht zum Öffnen von Türen
missbraucht werden. Je nach Möglichkeit kann der
sehgeschädigte Mensch selbständig durch eine Tür fahren,
während die sehende Begleitung ihm diese offen hält. Andernfalls
kann die sehende Begleitung den Rollstuhl hindurchschieben.
Sollte es notwendig sein sich von dem Menschen im Rollstuhl zu
entfernen, so darf dieser niemals frei im Offenen stehen gelassen
werden, ohne ihm etwas zum dran Festhalten zu geben, was als
Orientierungspunkt dient.
Abriss Orientierung & Mobilität
Dieses Heftchen beschreibt Techniken der sehenden Begleitung –
Möglichkeiten, wie ein sehgeschädigter Mensch mit einer
sehenden Begleitung gehen kann. Die Fähigkeit sich selbständig
fortzubewegen (ohne Begleitung) wenn jemand eine gravierende
Sehschädigung hat, bezeichnet man als Orientierung & Mobilität.
Herunterladen