Hirnentwicklung und Umwelt oder Wie Wissen erworben und gespeichert wird Wolf Singer Max Planck Institut für Hirnforschung Frankfurt Ein epistemisches Caveat Erkenntnistheoretische Warnung • Wir können nur erkennen, erdenken, uns vorstellen, was die kognitiven Leistungen unserer Gehirne zu fassen erlauben • Diese kognitiven Leistungen verdanken sich evolutionären Prozessen, für die nur jene Aspekte der Welt relevant waren, die für Überleben wichtig sind • Folglich müssen unsere kognitiven Leistungen begrenzt und eklektisch sein - und sie sind es! Die Behauptungen der Neurobiologie • Alles Wissen über die Welt residiert in der funktionellen Architektur des Gehirns • Die Regeln, nach denen dieses Wissen erworben, verhandelt und angewandt wird, residieren ebenfalls in dieser funktionellen Architektur • Alle, auch die höchsten mentalen Funktionen beruhen auf neuronalen Prozessen • Neuronale Prozesse gehorchen den Naturgesetzen • Kein Raum für ontologischen Dualismus AllesWissen und die Verarbeitungsprogramme residieren in der funktionellen Architektur des Gehirns Architekturen werden determiniert durch: Evolution (Gene) Entwicklung(frühe Prägung) Lernen In der Anordnung und Vernetzung von Hirnrindenarealen ist Wissen über die Welt gespeichert Die Verschaltung der sensorischen Hirnrindenareale Punkte:Einzelne Areale Linien:Verbindungsbahnen Emotionale Bewertung Tasten Hören Sehen Die Großhirnrinde, die letzte bahnbrechende „Erfindung“ der Evolution Mehr vom Gleichen macht den großen Unterschied Angepaßte Verarbeitungsstrategien werden konserviert Sie determinieren: Sensorische Kategorien Objektdefinitionen Lernregeln Regeln logischen Schließens Beispiele für implizites a priori Wissen Die spezifische Auslegung von Verarbeitungsstrukturen legt fest wie wir wahrnehmen und kategorisieren A und B sind gleich hell Der Schatten wird berücksichtigt Die Modifikation von Verschaltungen durch frühkindliche Erfahrung Neuronale Aktivität bestimmt, welche Verbindungen konsolidiert und welche wieder gelöst werden Das visuelle System als Modell Die hier entdeckten Prinzipien der erfahrungsabhängigen Anpassung neuronaler Architekturen gelten auch für alle anderen Systeme Die Verschaltung der Sehbahn Primaten Niedere Vertebraten Die Auswirkungen fehlender oder abnormer sensorischer Signale Tiefgreifende und irreversible Veränderungen der neuronalen Verschaltungen Nur die Verbindungen bleiben erhalten, die gebraucht werden „Neurons wire together if they fire together“ Zusammenfassung der Modifikationsregeln Der entscheidende Kontrollparameter ist die zeitliche Korrelation der Aktivität verbundener Neuronen. Die gleichen Regeln gelten für Lernprozesse im ausgereiften Gehirn Erfahrung hat auch einen wesentliche Anteil bei der Auswahl der Myriaden von Assoziationsverbindungen in der Großhirnrinde Hier liegen die meisten Freiheitsgrade, da nur die generellen Rahmenbedingungen genetisch festgelegt sind Funktionelle Gliederung der Sehrinde in kolumnäre Systeme Warum geht die Natur das Risiko ein, daß Umwelteinflüsse Hirnarchitekturen nachhaltig und irreversibel zerstören können? Die Steuerbarkeit des Entwicklungsprozesses durch Erfahrung muß bedeutende Vorteile bieten Die Lösung von Korrespondenzproblemen als Beispiel Anpassung von Architekturen an die realen Gegebenheiten Aber das reifende Gehirn behält die Kontrolle über seine Entwicklung und entscheidet selbst,welche Informationen es zur Optimierung seiner Verschaltungen heranzieht Interne Bewertungssysteme, die auch mit der Steuerung von Aufmerksamkeit befaßt sind, überwachen aktivitätsabhängige Änderungen der Verschaltung Verschiedene Hirnrindenareale reifen unterschiedlich schnell, Verschiedene Prägungsphasen für unterschiedliche Funktionen Motorik Körperschema Aufmerksamkeit Planen Moral Raum Sprache Hören Sehen Objektidentifikation Wenn Erwachsene lernen ändert sich nur noch die Effizienz bestehender Verbindungen Die Veränderungen erfolgen an den Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen,den Synapsen, Es gelten die gleichen Regeln wie in der Entwicklung Der bedingte Reflex als Beispiel für assoziatives Lernen Verbindungen werden verstärkt,wenn Neuronen häufig gleichzeitig aktiv sind The principles of circuit formation Similarities with Darwinian selection Attraction and repulsion Cooperation and competition Trial and error