Neue Versorgungsformen – Von der Theorie zur Praxis B. Heinrich, Mainz B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 1 Birgit Heinrich Geschäftsführerin der LPK Rheinland-Pfalz Vorstandsmitglied des Netz für seelische Gesundheit Mainz e.V. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 2 Das Netz für seelische Gesundheit Mainz (Entstehung) Im Jahr 2000 trafen sich mehrere niedergelassene Psychiater, Psychotherapeuten und Vertreter des DPWV mit der Zielsetzung, die ambulante Versorgung psychisch Kranker im Raum Mainz zu verbessern und gründeten nach mehr als 1-jähriger Vorbereitungszeit ein Netzwerk als e.V. (12 Gründungsmitglieder) B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 3 VERSORGUNGSSITUATION: Nur etwa 1/3 aller Patienten mit Depressionen suchen ärztliche Hilfe auf. Bei diesen wird nur in 50% der Fälle eine Depression überhaupt erkannt und selbst von diesen wiederum nur ein kleiner Bruchteil adäquat behandelt. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 4 Erst bei Patienten mit schweren, therapieresistenten und chronifizierten Depressionen erfolgt dann die Überweisung zum Facharzt. Ähnliches gilt auch für die Mehrzahl der anderen psychischen Erkrankungen. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 5 Ziel muss es also sein,……. dass psychisch Erkrankte • möglichst schnell diagnostiziert werden und • eine adäquate Behandlung erfahren, • um eine Chronifizierung zu verhindern. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 6 • • • • • Dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Hausärzten, Fachärzten, Psychotherapeuten und teil-/stationären sowie komplementären Behandlungsmöglichkeiten notwendig. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 7 Welche Zwecke verfolgt das Netz? • • • • • Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Integration von medizinischen Fachgruppen (z. B. KG, Ergotherapie) Kooperation mit Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern Kooperation mit Sozialleistungsträgern Fortbildung der Mitglieder B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 8 Aktuelle Mitgliederzahl 45 (2009) • • • • • • • • 7 Psychologische Psychotherapeuten 2 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen 2 Kinder- und Jugendpsychiater/Psychotherapie 2 Fachärztinnen für Allgemeinmedizin/Psychotherapie 15 Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie und/ oder Psychotherapeutische Medizin 6 Neurologen und Psychiater/Psychotherapie 2 Hausärztlicher Internisten/Rheumatologe 1 Facharzt für Allgemeinmedizin B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 9 • 1 Facharzt für Orthopädie • 1 Hautärztin / Psychotherapie • 1 Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin/ Psychotherapie • DPWV mit Psychiatrischer Tagesklinik und PIA • 1 Sozialtherapeutische Beratungsstelle • Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gGmbH • Vorsitzende des Landesverbandes der Angehörigen der Psychiatrie-Erfahrenen • Geschäftsführerin der LPK als Einzelmitglied B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 10 Patientenzahl/Quartal • Bei den niedergelassenen Netzmitgliedern ca. 7.000 • In der PIA und der Tagesklinik ca. 470 B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 11 Die Netzmitglieder haben für sich als Möglichkeit einer verbesserten effizienten Behandlung ihrer Patienten die sektor-übergreifende Versorgung erkannt und Modelle entwickelt, diese umzusetzen. Die gesetzlichen Möglichkeiten ergaben sich aus der Integrierten Versorgung nach §§ 140a ff SGB V. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 12 • Patienten, die ausschließlich ambulant nicht mehr adäquat behandelt werden können, mussten bisher in die Klinik oder in eine Tagesklinik eingewiesen werden. • Folgen: Behandlerwechsel, Verunsicherung der Patienten, Informationsdefizite bzw. – verluste auf allen Ebenen B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 13 Unser aktuelles IV-Projekt: Im Frühjahr 2006 wurde ein Vertrag mit der Techniker Krankenkasse über eine Integrierte Versorgung zur Behandlung von Patienten geschlossen. Vertragspartner: a. TK Rheinland-Pfalz b. DPWV (Institutsambulanz und TK) als Mitglied des NSG c. niedergelassene Psychiater und Psychotherapeuten als Mitglieder des NSG B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 14 Unser aktuelles Projekt: Die Patienten können nun in der PIA oder der Tagesklinik mitbehandelt werden, ohne dass die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung durch den niedergelassenen Arzt/Psychotherapeuten unterbrochen wird. Dies ermöglicht eine Kooperation, wie sie das Kassenarztrecht zur Zeit nicht erlaubt. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 15 Kriterien zur Behandlung: • Schwer psychisch Kranke, die Behandlung durch multiprofessionelles Team einer PIA/Tagesklinik benötigen • Primärdiagnose aus F 20 – F 48.9 • TK-Mitglieder • Einschreibung in das IV-Projekt B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 16 Umsetzung • Regelmäßige Treffen der Beteiligten zu gemeinsamen Visiten und Fallkonferenzen, dabei verbindliche Absprachen! • Gemeinsame Dokumentation • Überprüfung der weiteren Notwendigkeit einer PIA/tagesklinischen Behandlung B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 17 • Information über die Teilnahme an die TK • Einbeziehung des MDK Rheinland-Pfalz: Auswertung und wissenschaftliche Begleitung angedacht bzw. begonnen • Messung der Veränderungen der Parameter (AUTage, stationäre Aufenthalte) B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 18 • Ablaufdiagramm „ambulante Krankenhausversorgung“ Techniker KK Krankenhaus Unterlagen Facharzt Hausarzt Wenn nein, Bericht an Zuweiser B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 Eingangsverfahren in der Clearingstelle 19 • Behandlung 2 Koordination und Umsetzung der Leistungen Prüfung des Verlaufs und der Zielerreichung durch den federführenden Behandler Wenn Ziel erreicht 1 Wenn Ziel nicht erreicht 2 Entlassung & Bericht an den Zuweiser B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 20 Projektbeschreibung • Ein Patient ist nur dann für die Einschreibung in dieses Projekt geeignet, wenn auf Grund seiner Erkrankung die Erbringung mehrerer Leistungskomplexe nebeneinander erforderlich ist. • Im Team soll die auf den individuellen Bedarf an Komplexleistungen abgestellte multiprofessionelle Betreuung im Rahmen ambulanter Behandlung zur Verfügung gestellt werden. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 21 Leistungskomplexe: a) b) c) d) e) f) g) h) ärztliche Behandlung psychotherapeutische Behandlung psychiatrische Pflege Ergotherapie Arbeitstherapie Soziotherapie Milieutherapie (von tagesklinischer Betreuung bis zur Betreuung im häuslichen Umfeld) Gemeinsame Visite aller Behandler und anschließende Fallbesprechung B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 22 Versorgung im NsG • Die Behandlung umfasst ausschließlich die mit der Aufnahmediagnose in Zusammenhang stehenden Leistungen einschließlich der Pharmakotherapie, die sonst auch regulär zu dem mit der Aufnahmediagnose korrelierenden Leistungsumfang gehören. • Die psychotherapeutische Behandlung umfasst sowohl die ambulante Richtlinien-Psychotherapie als auch die im Rahmen der stationären Behandlung etablierten psychotherapeutischen Verfahren! B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 23 Qualifikation der Behandler • Für niedergelassene Leistungserbringer werden u. a. festgehalten: Zulassung oder Ermächtigung, Mitgliedschaft im NsG, QM-Ausbildung (NsG hat eigenes QM durchlaufen) Regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen im und außerhalb des Netzes. • Für niedergelassene ärztliche, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zusätzlich die erforderliche Fachkunde B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 24 Qualifikation der Behandler • Für die Tagesklinik und die PIA zusätzlich die allgemein für Kliniken bzw. die Psychiatrischen Institutsambulanzen geltenden Voraussetzungen. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 25 Leistungskomplexe Die Integrierte Behandlung erfolgt auf der Grundlage eines Komplexprogramms, das für alle Beteiligten transparent und überprüfbar ist. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 26 Hilfebedarfsgruppen - Einteilung in Hilfebedarfsgruppen über die Definition und Zuordnung von wöchentlichem Zeitbedarf - Bedarfsgruppen 1 bis 7 (ca. 2,0 bis 15 Stunden pro Woche) B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 27 Vergütung • Aus der Zuordnung zu den Hilfebedarfsgruppen und der prozentualen Verteilung der Behandlungseinheiten durch die einzelnen Berufsgruppen ergibt sich eine Pauschalisierte Vergütungsregelung. • Die Vergütung wird an eine Stelle gezahlt. • Die interne Verteilung der Vergütung erfolgt zwischen den an dem Projekt Beteiligten. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 28 Was das Projekt für uns Behandler sonst noch bringt … • ist eine gute Koordination der Behandlung, eine Möglichkeit, unsere Patienten in Krisensituationen weiter zu behandeln und damit • eine punktuell größere Zufriedenheit mit unserer Arbeit trotz der schwierigen Situation des Gesundheitssystems. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 29 Was bewirkt das Projekt bei den Patienten? - erste Ergebnisse aus 2007 22 Pat.: 7 Männer, 15 Frauen Alter: 18 – 81 J. MW 45,7 J. Behandlungsdauer: 4 - 52 Wo. MW 20,6 Wo. Diagnosen: 19 von 22: Depression Zufriedenheit: alle würden sich nochmals im Projekt behandeln lassen B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 30 Es werden bei allen Patienten Testungen durchgeführt, zu Beginn, während und nach der IV-Behandlung. • SCL 90 (u. a. Somatisierung, Depressivität, Ängstlichkeit, paranoides Denken, Global Severity Index) B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 31 • SDS (Depressionsskala) • GAF (Global Assessment of Function- misst Funktionsniveau) • VEV (Veränderungsfragebogen des • Erlebens und Verhaltens) • …………. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 32 Was bewirkt das Projekt bei den Patienten? (SCL-90) 80 70 Somatisierung 60 Zwanghaftigk. 50 40 Depressivit. 30 20 Paranoid. D. 10 0 Beginn IV Ende IV B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 Globl Severe. Index 33 Was bewirkt das Projekt bei den Patienten? (SDS-Depressionsskala) 60 50 40 30 50,7 38 20 10 0 Beginn IV Ende IV B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 34 Was bewirkt das Projekt bei den Patienten? (GAF) 70 60 50 40 46 62 30 20 10 0 GAFA GAFE B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 35 Was bewirkt das Projekt bei den Patienten? positive Veränderungen: 177 – 280 Punkte (MW 223,2) (ab 187 p = 0,05, ab 193 p=0.01, ab 200 p=0,001) B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 36 Neue Entwicklungen Zur Zeit laufen Verhandlungen mit der TK über die Verlängerung des Vertrages Die interne Überprüfung der Ergebnisse durch die TK hat grünes Licht gegeben für die Weiterführung auch unter den geänderten Rahmenbedingungen B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 37 Aus Netzsicht muss in den Leistungsbeschreibungen teilweise nachjustiert werden und die Honorare den neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 38 Gleichzeitig laufen seit Sommer 2008 Gespräche mit dem VdEK zur Übernahme des Vertrags durch alle Ersatzkassen. Der VdEK hat am 02.04. endgültig erklärt, dass das Projekt auf alle Mitgliedskassen ausgedehnt werden soll. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 39 Der Erfolg des Netzes hat sich herumgesprochen – die Universitätskliniken (Psychiatrie sowie Psychosomatik) sind auf uns zugegangen und haben wegen einer engen Kooperation oder Netzmitgliedschaft nachgesucht. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 40 Auf Wunsch der DAK soll auch der Weiterbildungsstudiengang Psychologische Psychotherapie mit einem bereits bestehenden Vertrag integriert werden. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 41 Die Angebote werden intensiv diskutiert im Netz, weil man auch die Gefahr der Überforderung und damit des Scheiterns sieht. Nächster Verhandlungstermin ist am 16.06.09. vorher finden noch vier Treffen in zwei Arbeitsgruppen statt. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 42 Neben den Außenaktivitäten ist aber dringend auch die Innensicht immer wieder angesagt! Deshalb wird zur Zeit die Rechtsform des Netzes überprüft B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 43 Da durch den Vertrag mit der TK das Projekt auch Gewinne erwirtschaftet, ist der gemeinnützige eingetragene Verein nicht geeignet. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 44 Deshalb wird wohl eine Genossenschaft als Untergesellschaft gegründet werden. Satzung ist am 01.04. vorbesprochen und wird nach Einarbeitung der Veränderungen am 21.04. unterzeichnet. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 45 Es bleibt spannend – aber aus unserer Sicht lohnt sich der Aufwand! B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 46 Dies alles ist nur ein Anfang, aber ein guter! „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um mal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.“ (Kurt Marti) B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 47 • § 140a Integrierte Versorgung • (1) 1Abweichend von den übrigen Regelungen dieses Kapitels können die Krankenkassen Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicherten oder eine interdisziplinärfachübergreifende Versorgung mit den in § 140b Abs. 1 genannten Vertragspartnern abschließen. ……. • (2) 1Die Teilnahme der Versicherten an den integrierten Versorgungsformen ist freiwillig. ………….. • (3) Die Versicherten haben das Recht, von ihrer Krankenkasse umfassend über die Verträge zur integrierten Versorgung, die teilnehmenden Leistungserbringer, besondere Leistungen und vereinbarte Qualitätsstandards informiert zu werden B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 48 • § 140b Verträge zu integrierten Versorgungsformen • (1) Die Krankenkassen können die Verträge nach § 140a Abs. 1 nur mit • 1. • einzelnen, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten und einzelnen sonstigen, nach diesem Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften, • 2. • Trägern zugelassener Krankenhäuser, soweit sie zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind, Trägern von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 besteht, Trägern von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften, • 3. 4. 5. …………………. • abschließen. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 49 § 140c Vergütung (1) 1Die Verträge zur integrierten Versorgung legen die Vergütung fest. 2Aus der Vergütung für die integrierten Versorgungsformen sind sämtliche Leistungen, die von teilnehmenden Versicherten im Rahmen des vertraglichen Versorgungsauftrags in Anspruch genommen werden, zu vergüten. 3. (2) 1Die Verträge zur integrierten Versorgung können die Übernahme der Budgetverantwortung insgesamt oder für definierbare Teilbereiche (kombiniertes Budget) vorsehen. 2Die Zahl der teilnehmenden Versicherten und deren Risikostruktur sind zu berücksichtigen. 3Ergänzende Morbiditätskriterien sollen in den Vereinbarungen berücksichtigt werden. B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 50 Gründungsmitglieder (2001) • • • • 1 1 1 6 Psychologische Psychotherapeutin Kinder- und Jugendpsychiater/Psychotherapie Fachärztin für Allgemeinmedizin Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie/ Psychotherapeutische Medizin • 1 Nervenarzt und Psychiater/Psychotherapie • DPWV als Träger der Psychiatrischen Tagesklinik und PIA • Kassenärztliche Vereinigung Rheinhessen B. Heinrich dgvt Tübingen 04.04.2009 51