PowerPoint Presentation - Medical-Risk

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Zum Problem ärztlicher
Fehlbehandlungen
Stephan G. Zipper
Katharina-Kasper-Kliniken gGmbH Frankfurt/Main
Akad. Lehrkrankenhaus der J. W. Goethe-Universität
Frankfurt/M
Interesse am Arztfehler
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Zunehmend kritische Patientenhaltung
Aura der Leistungsfähigkeit der modernen Medizin
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„Folie a deux“: Der Machbarkeitswahn
Entwicklung der Rechtsprechung im Sinne neuer Grundsätze des
materiellen und prozessoralen Rechts zugunsten von Patienten, z. B. bei
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Anforderungen an den medizinischen Standard
der Sorgfalts- und Fortbildungspflicht
Anscheinsbeweis und Beweislastregelung
groben Behandlungsfehlern
Dokumentationsmängeln
Verschärfung der ärztlichen Aufklärungspflicht
Tendenz zur Erhöhung des Schmerzensgeldes
Epidemiologie
(Weingart SN et al. BMJ 2000;320:774-7)
• 44.000 - 98.000 Tote durch Behandlungsfehler
pro Jahr (in USA)
– übertragen auf BRD: 16.000 - 40.000 Tote
• 1.000.000 Verletzungen durch
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Behandlungsfehler pro Jahr
1,7 Fehler/Pat und Tag
Epidemiologie 2
(Rall M et al. AINS 2001;36:321-330)
• Wahrscheinlichkeit eines Schadens im
stationären Bereich 3%
• Medizinische Fehler auf Platz 8 der
Todesursachen (=Sterblichkeit an Brustkrebs)
• Fehlerrate bei der Verabreichung von
Medikamenten höher als bei der
Gepäckabfertigung
(Reinhartsen JL BMJ 2000;320:730)
Epidemiologie 3
(Steel et al. NEJM 1981;304:638-642)
• 36 % fehlerhafte Tätigkeiten am Patienten
während der stationären Behandlung in einem
akad. Lehrkrankenhaus
• 20 % davon schwerwiegend oder tödlich
• >50 % der Fehler betrifft die
Pharmakotherapie
Epidemiologie 4
(Deming WE written communicatioon 191987)
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178 Aktivitäten an einem ICU Patienten pro Tag
1,7 Fehler pro Patient und Tag 
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= 99 % zufriedenstellende Leistungen
= 1 % fehlerhafte Leistungen
Wäre die Fehlerrate in der Industrie 0,1 % 
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2 unsichere Flugzeuglandungen in O´Hare (Chicago)
16.000 verlorene Briefe pro Stunde
32.000 Falschbuchungen bei Banken pro Stunde
Psychologischer Background
Leape LL. JAMA (1994;272:1851-7)
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Unterschätzung der Bedeutung des Problems?
Mediziner haben oft große Schwierigkeiten mit eigenen
Fehlern umzugehen
– Erziehung zur Perfektion und allumfassenden Sorge und
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Verantwortung für den Patienten
Fehlerfreies Funktionieren wird von der Gesellschaft erwartet
Wenn trotzdem Fehler unterlaufen werden sie als persönlicher
Charakterfehler aufgefaßt („... nicht sorgfältig genug“, „nicht
genug angestrengt“)
Emotionaler Impact:
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Angst, Schuldgefühle, Ärger, Wut, Minderwertigkeitsgefühle
– Selbst unbedeutsame Fehler können die Karriere erheblich
beeinträchtigen oder ruinieren (z. B. Strafverfahren)
Anachronistische Fehlerprävention in der Medizin
Leape LL. JAMA (1994;272:1851-7)
• Training
– rigide Protokolle
– Wissensanreicherung
• Bestrafung
– Blamage vor der Gruppe
– Verlust von Ansehen in der peer group
• reaktiv, meist nur „sharp end“ betreffend
• Keine adäquate Analyse von
Kausalzusammenhängen
Fehlerursachen
(Scheppokat K DÄ 2004;101:B827-8)
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Patientenschäden in 25 % iatrogen
– mangelnde Sorgfalt einzelner Personen
– Systemfehler
• Diagnostik
– Mangel an Anamnese, klinischer Untersuchung
– ungenügender Kontakt zum Patienten
– Verwechslung und Fehldeutung von Befunden
– Festhalten an früheren Diagnosen und logisch
falschen Schlüssen
Fehlerursachen
(Scheppokat K DÄ 2004;101:B827-8)
• Operationen
• Pharmakotherapie, invasive Maßnahmen
• Prozeduren
• Kommunikationsmängel begünstigen
Konflikt
Fehlerursachen
(Weltrich H Gynäkologe 1998;31:96-9)
• mangelhafte Planung
• fehlerhafte Koordination
• mangelnde Kontrolle klinischer Abläufe
• Delegationsfehler
• Fehleinschätzung der fachlichen
•
Kompetenz
fachfremde Behandlung
Allgemeine Fehlerrisiken
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Wochenende (Bell CM et al. NEJM 2001;345:663-8)
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Mortalität erhöht z. B. bei
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rupturiertes Aortenaneurysma (OR: 1,32)
akute Epiglottitis (5,47)
Lungenembolie (1,25)
allgemein: cardiovasculäre Erkrankungen (1,22)
Nierenversagen (1,34)
Leukämie (1,52)
unerfahrene Ärzte
neue Methoden
hohes Patientenalter
komplexe Versorgung
Krankenhausverweildauer
Spezielle Risiken:
Arzneimittelfehler
(Schnurrer JU et Frölich JC Internist 2003;44:889-95)
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5,7% aller stationären Pat. erleiden ein unerwünschtes
Arzneimittelereignis (UAE)
10-15% aller >65 j. Pat. erleiden UAE
Sterblichkeitswahrscheinlichkeit um Faktor 2 erhöht
Inzidenz tödlicher UAE 0,95%
(Ebbesen J et al. Arch Intern Med 2001;161:2317-2323)
hochgerechnet BRD: ca. 28.000 potentiell vermeidbare
Todesfälle wegen UAE
aber: ärztliche Verdachtsmeldung nur in 16%
Spezielle Risiken:
Typische Fehler
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ZNA
– Übersehenes Polytrauma, Wirbelsäulenfrakturen, Übersehene
Hirnblutungen
CHIR
– hinterlassene Fremdkörper, Nervenschäden, übersehenes
Kompartment-Syndrom
Anästhesie (Anaesth Intensive Care 2004;32:47-58)
– Zahnverlust, intraoperative Wachheit, PDA,
Lagerungsschäden, postoperative Komplikationen
Innere
– Diagnosefehler (falsche oder unterlassene Diagnostik),
Medikationsfehler, verhinderbarer Herzstillstand
GYN
– Geburtsschäden (Plexuslähmung, cerebrale Hypoxie,
Schwangerschaft nach Tubenligatur)
Spezielle Risiken:
Neurologie
• Diagnosefehler
• Übersehene Frakturen
• Übersehene SAB
• Myelonschäden
• traumatisch
• nicht traumatisch
• Dokumentationsmangel
• Mangelnde Kommunikation
• Dekubitusprophylaxe
Systemcharakter der Fehler
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Fehlhandlungen im komplexen Zusammenhang sehen
(„don´t blame the sharp end“)
Patientensicherheit ist nicht einfach das Resultat eines
sorgfältig arbeitenden Arztes
Das Eintreten eines schweren Zwischenfalls kann in der
Regel nicht mit mangelnder Sorgfalt oder
Qualifizierung eines Einzelnen gleichgesetzt werden
Patientensicherheit wird vom gesamten System der
Krankenversorgung bestimmt
Fehlerkultur
• Der „Fehler“ wird assoziert mit
• Schuld
• Inkompetenz
• Versagen
• Vermeidbarkeit
• Fahrlässigkeit
• Verantwortungslosigkeit
• Ignoranz
• Selbstüberschätzung
• Verstoß gegen Anordnugen
Fehlerkultur
(Sexton JB et al. BMJ 2000;320:745-9)
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Zustimmung:
Piloten
Chirurgen
„Stress, Ermüdung
führt zu
Fehlerhäufung“
74%
30%
„Ablehnung strenger
Hierarchie“
97%
55%
1/3 des ICU Teams berichtete von adäquatem
Fehlermanagement
1/3 des ICU Teams war der Auffassung, keine
Fehler zu machen
Ca. 50% des ICU Teams halten es für schwierig,
über Fehler zu sprechen
Allgemeine Fehlerprävention
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Da nicht alle Fehler vermieden werden können, gilt es
zu verhindern, daß eine Fehlerkaskade abläuft und zu
einem Schaden führt
Sammeln von Informationen über
Fehlerkonstellationen, die nicht unmittelbar zu einem
Schaden führen
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Identifikation von verschiedenen Fehlertypen
Vorhersage, wie stark sich ein Fehler auswirken kann
Training und Umgestaltung der Arbeitsumgebung, um die
Aufdeckung von Fehlern frühzeitig zu entdecken
Verhinderung der Umwandlung von errors in accidents
Spezielle Fehlerprävention
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Schnittstellenproblematik (Kommunikation)
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–
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Datenübermittlung
konkrete Zuständigkeiten (z. B. Lagerungs-, Transfusions-,
Strahlenschutzverantwortlicher)
Koordinationsdefizite (z.B. mit niedergel. Ärzten, andere
Fachabteilungen etc.)
Facharztstandard („Anfängeroperation“)
Leitlinien - Clinical Pathways
Aufklärung
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–
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individuell dokumentieren
Zeitpunkt dokumentieren
ggf. Vormundschaftsgericht
Dokumentation
–
Anamnese, Befund, Abweichung von Standardverfahren,
Anfängeroperation, Aufklärung
1. Hilfe bei Arzthaftpflichtproblemen
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Schadenminimierung (z. B. Info Weiterbehandler)
Patientenvorwürfen sachlich begegnen
Empathisches Zuhören, erklären, nicht entschuldigen
Sich offen für Kritik zeigen, dabei sachlich und freundlich bleiben
Gespräch mit Zeugen, Gespräch dokumentieren
Kein blindes Agieren
Keine Schuldeingeständnisse, selbst wenn Fehler offensichtlich (cave
Versicherungsschutz)
Gedächtnisprotokoll über das Ereignis anfertigen
Daten sichern (Fotokopien)
Nie nachträglich ohne entprechende Kennzeichnung Eintragungen in
Patientenakte vornehmen
Information Vorgesetzter, Kliniksleitung, Träger
Sofortige offene Kontaktaufnahme mit Haftpflichtversicherer
ggf. Coaching
nur in Strafrechtlichen Verfahren: sofort RA
Take Home Messages
• errare humanum est - shit happens
• Eine offene Fehlerkultur hilft Fehler verhindern
• Medical-Risk-Management hilft
– Patienten
– Ärzten
– Ökonomen
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Berufshaftpflichtversicherung !
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