ESSENTIAL SLIDE KIT DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE Autoren: Dr. med. Andreas Baumann, Langenthal Dr. med. Guido Schwegler, Schlieren PD Dr. med Patrice Lalive d’Epinay, Genf Letzte Aktualisierung: Oktober 2014 Zur Verfügung gestellt durch:* Novartis Pharma Schweiz AG * Dieses Essential Slide Kit wurde von einem unabhängigen Team von Neurologen erstellt und dient ausschliesslich Informationszwecken. Vorwort Die Multiple Sklerose ist die häufigste nicht traumatisch bedingte Ursache für eine Behinderung im frühen Erwachsenenalter. Früher stigmatisiert als Krankheit mit unweigerlichem Ende im Rollstuhl, kann heute für die meisten Patienten eine günstige Prognose gestellt werden dank medizinischem Fortschritt. An dieser Krankheit vollzieht sich der Paradigmenwechsel in der Neurologie auf eindrucksvolle Weise: der Neurologe hat in den vergangenen 2 Jahrzehnten seine Rolle vom Diagnostiker mit der des Therapeuten vertauscht. Die Diagnostik bereitet im Zeitalter des MRI‘s keine grossen Schwierigkeiten mehr, die Behandlung hingegen ist immer wirksamer, aber auch immer anspruchsvoller. Im folgenden Überblick über die MS wird demgemäss der Therapie besonders viel Raum zugemessen. Die Fortschritte in der Therapie haben eine erhebliche Dynamik bekommen, sodass es schier unmöglich ist, die Behandlungsgrundsätze aktuell zu halten. Um den Umfang des Vortrages nicht zu sprengen, kann nur teilweise auf die Therapeutika eingegangen werden, die noch in der wissenschaftlichen und klinischen Erprobung sind. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 2 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 3 Gebrauchshinweise Ansichtsoptionen des Slide Kits Folien Bildschirmansicht: Klicken Sie im Menü ‚Ansicht‘ auf ‚Normalansicht‘. Folien und Notizenseiten mit Hintergrundinformationen Bildschirmansicht: Klicken Sie im Menü ‚Ansicht‘ auf ‚Notizenseite‘. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 4 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 5 1. Definition Definition Die Multiple Sklerose ist eine chronische entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, histologisch gekennzeichnet durch multifokale lymphozytäre Infiltration und Demyelinisierung sowie progredienten axonalen Untergang und astrozytäre Gliose. Verschiedene Aspekte desselben MSbetroffenen Hirns MRI (FLAIR) Makropathologie Luxol blauFärbung Myelin=blau [Frohmann et al., 2006] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 6 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 7 2. Epidemiologie Epidemiologie Prävalenz pro 100’000 Einwohner >100 >100 40 60 40 <5 15 10 30 0 30 3 60 [McAlpine`s, 2006] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 8 2. Epidemiologie Epidemiologie Prävalenz pro 100’000 Einwohner Erhöhtes Risiko von Immigranten aus der Karibik, Afrika und Indien, wenn sie vor 15 Jahren nach England ausgewandert sind. Migrationsstudien: Kritisches Alter 15 Jahre >100 >100 Antillen: 30 Insel geborene Holländer 3 Holländische Immigranten 59 30 Südafrika 3 60 Alle Nordeuropäer 51 In Australien Immigranten <14 Jahre 13 geborene Englischstämmige Immigranten>14 Jahre 66 Immigranten von England 68 122 [McAlpine`s, 2006] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 9 2. Epidemiologie Epidemiologie Frauen : Männer 2:1 Prävalenz (CH) 110-150/100‘000 Anzahl MS-Betroffene in der Schweiz ca. 9‘000-12‘000 Anzahl Neuerkrankungen pro Jahr in der Schweiz ca. 500 [Kesselring et al., 1993] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 10 2. Epidemiologie Epidemiologie Beginn der MS Schubförmige und primär progrediente Formen zusammen genommen Risikogruppe: Junge Frauen Durchschnittlicher Beginn: RRMS/SPMS: 29 Jahre PPMS: 41 Jahre [Confavreux et al., 2000;2003;2006] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 11 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 12 3. Klassifikation Klassifikation DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 13 3. Klassifikation Klassifikation Klinisch (Schub) und im MRI manifeste Läsion Klinisch bestätigte MS Nur im MRI manifeste Läsionen DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 14 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 15 4. Natürlicher Verlauf Natürlicher Verlauf Mittel Kaplan Meyer Überlebens-Kurve: Ca. 50% der Patienten haben nach dem ersten Schub innert der nächsten 2 Jahren mind. einen erneuten Schub erlitten [Confavreux et al., 2003]. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 16 25-30% der Betroffenen haben einen gutartigen, ca. 10-15% einen malignen Langzeitverlauf. [Phadke, 1990] [Poser et al., 1982] [McAlpine‘s, 2006] 4. Natürlicher Verlauf Natürlicher Verlauf Zunahme der Behinderung: Die MS schränkt die Mobilität ein. Nach 30 Jahren ist die Hälfte aller MS Patienten mit MS (RRMS und PPMS) auf den Rollstuhl angewiesen, nur noch 13 % haben keine relevante Mobilitätseinschränkung (EDSS 4). EDSS 4: Gehstrecke limitiert. Kann aber noch 500 Meter am Stück zurücklegen. EDSS 6: Braucht Gehhilfe(n), um mehr als 100 Meter zu gehen. EDSS 7: mehrheitlich im Rollstuhl. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE [Confavreux et al., 2000;2003] 17 4. Natürlicher Verlauf Natürlicher Verlauf Zunahme der Behinderung Der wichtigste Faktor zur individuellen Prognoseabschätzung ist die Verlaufsform der MS. Die schubförmige MS hat eine bessere Langzeitprognose als die primär chronisch progressive MS. [Confavreux et al., 2000;2003] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 18 4. Natürlicher Verlauf Natürlicher Verlauf Sekundär chronisch progrediente Multiple Sklerose (SPMS) • Ähnliche Progression wie primär chronisch progrediente MS [Confavreux et al., 2006] • Schlechteres Ansprechen auf verlaufsmodifiziernde Therapie als schubförmige MS [Kappos et al., 2004; SPECTRIMS study group, 2001] 18-22 Jahre Mediane Zeit bis eine schubförmige MS in eine sekundäre Progression übergeht (ohne verlaufsmodifizierende Therapie) [Koch et al., 2010; Tremlett et al., 2008] Risikofaktoren der Transition in eine sekundäre Progredienz •EDSS > 3 •Zunahme der T2-Läsionen im MRI (?) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE [Fisniku et al., 2008] 19 4. Natürlicher Verlauf Natürlicher Verlauf Prädiktoren für einen günstigen Langzeitverlauf Vermutete Prädiktoren für einen guten Langzeitverlauf Schubförmige Verlaufsform • Wenig Läsionen im initialen MRI • Jüngeres Alter bei Beginn der MS • • Lange Abstände zwischen den Schüben Nur geringe Zunahme der Läsionen in den ersten Jahren • Komplette Erholung vom ersten Schub • Wenig / keine spinalen oder Hirnstammläsionen • Optikusneuritis als Erstsymptom [Mc Alpine‘s, 2006 ] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 20 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 21 5. Pathophysiologie Pathophysiologie Verwandte(r) mit MS Genetische Prädisposition Eineiige Zwillinge Geschwister und beide Eltern Geschwister und 1 Elternteil Zweieiige Zwillinge Geschwister 1 Elternteil Onkel, Tante Cousin, Cousine Allgemeine Bevölkerung 0 5 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 10 15 20 25 Risiko, an MS zu erkranken 22 30 35 % [adaptiert von Compston and Coles, 2008] 5. Pathophysiologie Pathophysiologie MS im MRI Signalhyperintense (helle) Bezirke: Oedem und Demyelinisierung Kontrastmittelaufnahme: Offene BlutHirn-Schranke: akute Entzündung Baseline Monat 1 Monat 2 [www.diagnosticimaging.com] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 23 5. Pathophysiologie Pathophysiologie Hirnatrophie DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 24 5. Pathophysiologie Pathophysiologie Axonverlust in demyelinisiertem Hirngewebe abhängig von Entzündungsreaktion Typischer MS-Plaque in einem histologischen Schnittbild: Der demyelinisierte helle Bezirk wird von normal myelinisiertem Gewebe (dunkelblau) abgegrenzt. Aktive MS-Läsion: Partiell demyelinisierte Axone (Pfeilspitzen). Wo das Myelin (rot) fehlt, schimmert das grün gefärbte Axonskelett durch. Der Pfeil zeigt ein Axon-Ovoid, das eine axonale Transsektion anzeigt. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE Mikrogliazellen (rot) haben Kontakt zu den Axon-Ovoiden, nicht aber zu den normal grün gefärbten Axonen. [aus: Trapp et al., 1998] 25 5. Pathophysiologie Wie entsteht eine MS-Plaque? Immunpathogenese 1) Antigenerkennung von naiven CD4+T Zellen in sekundären lymphatischem Gewebe (Lymphknoten, Milz). Das enzephalitogene Antigen ist noch unbekannt. → Differenzierung der CD4+ T Zellen in T-Helfer Zellen (Th1, Th2, Th17) → Verlust der Kontrolle der regulatorischen T Zellen (T reg, Nk Zellen) über die autoreaktiven T-Helfer Zellen 2) Aktivierte T Zellen penetrieren die Blut-Hirn-Schranke. Dabei spielen die Adhäsionsmoleküle VLA-4 (Angriffsort Natalizumab) und LFA-1 eine Schlüsselrolle. 3) Entzündliche Reaktivierung im ZNS: Th1 und Th17 Zellen aktivieren Makrophagen / Mikroglia und CD8+ T Zellen. TH2 Zellen aktivieren BZellen zu Plasmazellen. Es herrscht ein Proinflammatorisches Milieu mit den Cytokinen wie IFN-gamma, Il-17 u.a. Diese und andere Cytokine locken weitere Entzündungszellen an. 4) Myelinzerstörung durch aktivierte Makrophagen, Antikörper / Complement, CD8+ T Zellen (über MHC Class I- Rezeptor), CD4+-Zellen über das Oberflächen-“Todesprotein“ TRAIL und andere Mechanismen. [Holmoy et al., 2008] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 26 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 27 6. Klinik Klinik MS-Symptome Schub-Symptome Akute Entzündung an kritischer Stelle Persistierende oder progrediente fokalneurologische Defizite Paroxysmale Symptome Chronic fatigue - Trigeminusneuralgie Kognitive Defizite - Lhermitte-Zeichen Affektstörungen? Zugrundeliegend: Instabile elektrische Impulsübertragung in demyelinisiertem Gewebe DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 28 6. Klinik Klinik Der MS-Schub • Innert Tagen zunehmendes neurologisches Defizit, mindestens 24 Stunden bestehend. • Meist Korrelat im MRI: akute Läsion mit Öffnung Blut-Hirnschranke • Im Verlauf von Wochen Rückbildung des neurologischen Defizites, ganz oder partiell • Um als Schub separat gerechnet zu werden, wird ein Mindestabstand von 30 Tagen nach dem letzten schubartigen Ereignis verlangt. Kontrastmittelaufnehmender akuter demyelinisierender Herd an kritischer Stelle (roter Pfeil). Junge Patientin mit Hemi-parese rechts. Der frontale Herd (grüner Pfeil) ist klinisch stumm. [Polman et al., 2005] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 29 6. Klinik Klinik Akuter Schub Kumulierte Behinderung •Im MRI mehrere akute (kontrastmittelaufnehmende) Läsionen Nach vielen Schüben hat sich eine Behinderung kumuliert. Die Behinderung hängt teilweise zusammen mit der Hirnatrophie und sog. black holes (T1hypointense MS-Plaques), beides Ausdruck des axonalen Unterganges. •Klinisch: leichte Parese des linken Armes •Im Verlauf Rückbildung des klinischen Schubes und Rückbildung der MRIVeränderungen. Kein T1-black hole im Verlaufsbild DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 30 6. Klinik Klinik Der Schub: Was am häufigsten betroffen ist Funktionssystem Beispiele Pyramidenbahn Paraparese der Beine, Hemiparese Isolierte Beinparese Hirnstamm Doppelbilder, Nystagmus Sensibilität Parästhesien einer Körperpartie Verlust der Sensibilität und/oder der Propriozeption (Gangunsicherheit) Zerebellum Koordinationsstörung der Hand Ataktischer Gang Sehbahn Visusabnahme Skotome Blase, Mastdarm Inkontinenz, Urge-Inkontinenz Obstipation, Stuhlinkontinenz Kognition und Vigilanz Fatigue-Syndrom Konzentrations-Gedächtniseinschränkung DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 31 6. Klinik Klinik † Wie misst man die Behinderung bei MS? EDSS Leichte Beeinträchtigung Mittelschwere Beeinträchtigung 0 1 2 3 symptomfrei DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 4 5 6 7 8 Mobilitätseinschränkung 32 9 10 Animierte Grafik 6. Klinik Darstellung unter «Bildschirmpräsentation» im Powerpoint Klinik MS-Symptome mit Attackencharakter Paroxysmale Symptome kurz, stereotyp, verschwinden unter Therapie mit Antiepileptika (Carbamazepin) • Hemidystonie • Schwindelattacken • Trigeminusneuralgie • Phosphene (illusorische Lichtwahrnehmung) bei Augenbewegungen Ursache: • Instabile elektrische Impulsübertragung in unvollständig remyelinisierten Läsionen DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 33 Lhermitte-Zeichen Bei Inklination des Kopfes abwärts wandernde elektrisierende Missempfindungen 6. Klinik Klinik Uhthoff-Phänomen Bei Anstieg der Körpertemperatur verschlechtert sich der neurologische Zustand. Ursache: Verschlechterung der Leitfähigkeit demyelinisierter Axone Pseudoschub: unspezifische Verschlechterung durch Fieber (HWI?), Überhitzung DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 34 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 35 7. Diagnose und Differentialdiagnose Diagnose Das MRI: Die MS hinterlässt ein typisches Bild! Typischer Balkenbefall bei Multipler Sklerose Typisches Bild einer MS: Viele periventrikuläre, längsovale Demyelinisierungen, vereinzelt juxtacorticale Plaques (roter Pfeil) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 36 7. Diagnose und Differentialdiagnose Diagnose Weitere Zusatzabklärungen Liquorpunktion Evozierte Potentiale Oligoklonale Banden (Pfeile) in der isoelektrischen Fokussierung Visuell evozierte Potentiale: typische Verzögerung der Latenz bei gut erhaltenen Amplituden Bei >90% aller Patienten mit definitiver MS Somatosensorisch und motorisch evozierte Potentiale: nur noch von untergeordneter diagnostischer Bedeutung Nicht spezifisch für MS: kommt auch bei anderen entzündlichen ZNS-Erkrankungen und Vaskulitiden vor. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 37 7. Diagnose und Differentialdiagnose Diagnose Grundgedanke bei der Diagnose einer Multiplen Sklerose: Nachweis einer anatomischen und zeitlichen Dissemination von ZNS-Läsionen Anamnese Neurostatus MRI (Hirn, Mark) Schubverdächtiges Ereignis Fokale oder multifokale neurologische Defizite Anatomisch u. zeitlich disseminierte Demyelinisierungen MS-typische Zusatzuntersuchungen Liquor Visuell evozierte Potentiale „no better explanation“ Ausschluss anderer Differentialdiagnosen DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 38 7. Diagnose und Differentialdiagnose Diagnose MRI-Kriterien Räumliche Dissemination Zeitliche Dissemination ≥1 T2-Läsion in ≥ 2 von Hirnregionen* 2 Möglichkeiten 1) 2) 3) 4) 1) Detektion von ≥ 1 gadoliniumaufnehmenden Läsion/en oder ≥ 1 neuen T2-Läsion in einem Folge-MRI, egal in welchem zeitlichen Abstand zum baseline MRI. 2) Simultane nicht gadoliniumaufnehmende und ≥ 1 gadoliniumaufnehmende Läsion, wobei letztere nicht für die Symptomatik verantwortlich sein darf. Periventrikulär Juxtacortical Infratentoriell Myelon *Bei Patienten mit Hirnstamm- oder RückenmarkSymptomen müssen mindestens 2 Läsionen ausserhalb der betroffenen Region liegen. [Swanton et al., 2007; Polman et al., 2011] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE [Montalban et al., 2010] 39 7. Diagnose und Differentialdiagnose Diagnose Klinik MRI Liquor Diagnose MS RRMS Ja + Ja PPMS Räumliche und zeitliche Dissemination + ≥ 1 T2 Läsion 2 von 3 Ja >1 Jahr ≥2 T2-Läsionen DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE [modifiziert nach Compston and Coles, 2008] 40 7. Diagnose und Differentialdiagnose Diagnose Quintessenz 1.Zwar ist es nach revidierten McDonaldkriterien möglich, eine schubförmige MS ohne MRI oder Liquoruntersuchung zu diagnostizieren, aber zum Ausschluss anderer Differentialdiagnosen ist zumindest ein Schädel-MRI notwendig! 2.Die zur Diagnose einer MS früher obligate Lumbalpunktion ist nicht mehr nötig, obschon viele Zentren sie noch immer empfehlen. Bei geringstem Zweifel an der Diagnose oder bei pathologischen Laborwerten (Nachweis einer systemischen Vaskulitis, Infektionen) ist die Lumbalpunktion aber unbedingt indiziert. 3.Vorsicht vor minimalistischen diagnostischen Abklärungen: auch wenn nicht unbedingt für die Diagnosestellung erforderlich, so sind spinale MRI‘s und evozierte Potentiale oft wichtige Hinweise auf die Aktivität der MS und wertvolle Baseline-Parameter zur Therapiekontrolle. DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 41 7. Diagnose und Differentialdiagnose Differentialdiagnose MS-verwandte Erkrankungen ADEM (Akute disseminierte Enzephalomyelitis) • In der Regel im Anschluss an Infekt oder an Impfung, schwerer Schub, monophasischer Verlauf Ausgedehnte bilaterale Demyelinisierungen im Marklager Neuromyelitis optica (M. Devic) • Opticospinale MS 2 • Positive Aquaporin-Antikörper (Cave: nicht 100% sensitiv!) • Langstreckige longitudinale RückenmarkLäsionen (>3 Wirbelkörper) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE Raumfordernde, langstreckige Läsion im Halsmark. Erstreckt sich über >3 Wirbelkörper-Längen. 42 7. Diagnose und Differentialdiagnose Entzündliche ZNS-Erkrankungen Diagnose Merkmale Abgrenzung zur MS Neuroborreliose des ZNS Disseminierter ZNS-Befall Liquor: intrathekale Borrelienspezifische Antikörper HIV Stadium C3 Opportunistische ZNS Infektionen HIV-Test Lues Tabes dorsalis, Progressive Paralyse Serologie (TPHA, VDRL) M. Whipple Neuropsychiatrische Symptome, Myoklonien, Ophthalmoplegie PCR tropheryma whipplei Progressive multifokale Leukenezephalopathie Immundefizienz, Immunsuppressiva. Langsam progrediente fokale neurologische Defizite oder neuropsychiatrische Symptome JC Virus-PCR aus Liquor Varizella zoster Enzephalitis St.n. Zoster. Monophasischer Verlauf VZV-PCR aus Liquor Systemische Vaskulitiden Multisystembefall (Niere, Lunge, Haut, peripheres NS, Sicca Syndrom [Sjögen]) Vaskulitisscreening: • Systemischer Lupus • Panarteriitis nodosa Typisches MRI (keine oder nur minimale Kontrastmittelaufnahme) ANA, ANCA, Rheumafaktor, Anti-DNA CAVE: Seronegative Formen! • Sjögren Syndrom Neuro-Behcet Hirnstammbefall. Bipolare Aphthose Anamnese, MRI Sarkoidose Meist pulmonaler Befall (Bihiläre Lymphadenopathie) Thorax-Rx, evtl. Thorax-CT und Bronchoskopie DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 43 7. Diagnose und Differentialdiagnose Varia Diagnose Merkmale Abgrenzung zur MS Funikuläre Myelose (Vit B12-Mangel) Spinales Syndrom der langen Bahnen plus peripere Neuropathie Vit-B12-Bestimmung, HoloTranscobalamin Hereditäre Spastische Spinalparalyse Paraspastik der Beine, neurogene Blasenfunktionsstörung Familienanamnese, Genetik (meist SPG4-Gen) Durale spinale Fisteln Langstreckige spinale Läsion Spinales MRI, spinale Angiographie Small vessel disease • CADASIL Oft neuropsychologische und neuropsychiatrische Auffälligkeiten. MRI ohne Balkenbefall (Ausnahme: SUSAC) • Sneddon Variable neurologische fokale Defizite Negative oligoklonale Banden Langsam zunehmende spastische Paraparese. Neuropsychologische Defizite. Nebennierenrindeninsuffizienz Bestimmung der überlangkettigen Fettsäuren Zerebrotendinomatöse Xanthomatose Xanthome, Katarakt, spastische Paraparese Cholestanol-Bestimmung Primäres ZNS-Lymphom Defizite abhängig von Lokalisation. In 10% Augenbefall. MRI pattern, Verlauf • SUSAC-Syndrom • Arteriosklerotisch • MELAS Adrenoleukodystrophie Adrenomyeloneuropathie DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 44 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 45 8. Therapie Therapie Therapie des Schubes Verlaufsmodifizierende Therapie •Kortikosteroide •(Plasmapherese) •Interferon beta - Präparate •Glatirameracetat •Fingolimod •Natalizumab •Teriflunomid •Dimethyl-Fumarat Symptomatische Therapie •Medikamentös •Physiotherapeutisch DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 46 8. Therapie Schubtherapie Hochdosierte Steroide verringern die Intensität und die Dauer des Schubs. Ungeklärte Frage: positiver Langzeiteffekt? Standard: 1000 mg Methylprednisolon i.v. während 3-5 Tagen oder 500 mg während 5 Tagen (Optional Umstellung auf orales Prednison während 2-4 Wochen) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 47 Animierte Grafik 8. Therapie Darstellung unter «Bildschirmpräsentation» im Powerpoint Verlaufsmodifizierende Therapie Dauer der MS (Jahre) [Kantarci et al., 1998] [Myhr et al., 2001] [Convfavreux et al., 2000] [Eriksson et al., 2003] [Weinshenker et al., 1989] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 48 8. Therapie Verlaufsmodifizierende Therapie 1993: Beginn eines neuen Zeitalters bei schubförmiger MS DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 49 8. Therapie Verlaufsmodifizierende Therapie: Wie misst man die Wirksamkeit? Wichtigste Studienendpunkte zur Beurteilung der Wirksamkeit von MS Therapeutika Verum gegenüber Placebo oder anderem MS Therapeutikum Primärer Klinischer Endpunkt Relative Reduktion der Schubrate (annualisiert) Sekundärer Klinischer Endpunkt Relative Reduktion der Behinderungsprogression (Δ EDSS) Radiologischer Endpunkt Relative Reduktion neuer oder neu sich vergrösserter T2-Läsionen Radiologischer Endpunkt Relative Reduktion neuer kontrastmittelaufnehmender Läsionen DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 50 8. Therapie Verlaufsmodifizierende Therapie - Wirksamkeit Reduktion der Schubrate versus Placebo P<0.001 Reduktion der Schubrate vs. Plazebo (%) 0.8 P<0.001 68% 0.7 P<0.001 53% 0.6 54% 0.5 P=0.0001 P<0.001 P=0.005 0.4 36% 32% 34% 29% P=0.002 0.3 P=0.007 18% 0.2 0.1 0.0 Interferon beta-1b Interferon beta-1a Interferon beta-1a Glatiramer- Natalizumab Fingolimod Teriflunomid Dimethylfumarat acetat 44 mcg [PRISMS Study Group. 1998; FNB Study Group, 1993; Johnson et al., 1995; Jacobs et al., 1996; Polman et al., 2006; Kappos et al., 2010; O’Connor et al., 2011; Gold et al., 2012] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 51 8. Therapie Fingolimod Erstes zugelassenes orales Medikament bei Multipler Sklerose • Wirksamkeit in drei Phase 3 Studien überzeugend** • Sicherheitsrisiko in den ersten Jahren gering in der registrierten Dosierung von 0.5 mg/d. • Weltweit Erfahrung mit >100’000 Patienten. **[Kappos et al., 2010] [Cohen et al., 2010] Postulierter Hauptwirkmechanismus Fingolimod Fingolimod führt zu Internalisierung und Degradation des S1P1-Rezeptors Fingolimod verhindert Lymphozyten-Egress aus den Lymphknoten [Novartis Pharma Schweiz AG] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 52 8. Therapie Fingolimod • Jährliche Reduktion der Schubrate von Fingolimod 0.5 mg vs.: - Plazebo: 54% über 2 Jahre (p<0.001) FREEDOMS [Kappos et al. 2010] - Plazebo: 48% über 2 Jahre (p<0.001) FREEDOMS II [Calabresi et al. 2014] - Avonex: 52% über 1 Jahr (p<0.001) TRANSFORMS [Cohen et al., 2010] • Reduktion des Risikos einer Behinderungsprogression im Vergleich zu Plazebo über 2 Jahre - 37% (6-Monate Bestätigung; p ≤ 0.01) • Reduktion der entzündlichen Aktivität im Schädel-MRI - 82% Gadolinium-aufnehmende Läsionen (p<0.001) - 74% Neue-T2- oder sich neu vergrössernde T2-Läsionen (p<0.001) • Reduktion des Gehirnvolumen-Verlustes - 32% über 2 Jahre (p < 0.001) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 53 8. Therapie Nebenwirkungen Fingolimod/1 Lymphozytopenie (durch Wirkmechanismus erklärt, somit keine NW im engeren Sinn) • 73% Reduktion unter 0,5 mg Fingolimod Herz: Vorübergehende asymptomatische Bradykardie am ersten Tag der Therapie • Passagerer Herzfrequenz-Abfall von 8-11 Schlägen/Min, Maximum 4 - 5 h nach erster Gabe, Normalisierung über Tage/Wochen • 0.3% der Patienten waren symptomatisch (leichtes Schwindelgefühl, moderate Schläfrigkeit am Abend) EKG-Veränderungen meistens vorübergehend • AV Blöcke Grad 1 in 4.8% • AV Blöcke Grad 2 in 0.2% DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 54 8. Therapie Nebenwirkungen Fingolimod/2 Augen: Zeit-abhängige Entwicklung von Makulaödemen • 0.3% Fälle von Makulaödem (meist innerhalb 3-4 Monate nach Therapiebeginn) • Partielle bis komplette Erholung nach Therapie-Abbruch Labor: Reversible Erhöhung der Leberenzyme • 8% ≥ 3-fache Erhöhung der Leber-Transaminasen Übrige Nebenwirkungen: • Arterielle Hypertonie (median: 2-3 mmHg syst), Infekte der unteren Atemwege • Fraglich erhöhte Inzidenz von Hauttumoren (insbesondere Basalzell-Karzinom) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 55 8. Therapie Wirkmechanismus Natalizumab 1. Lymphozytenmigration durch die Blut-Hirn-Schranke 2. Antigenerkennung und Leukozytenaktivierung 3. Modulation der Leukozytenapoptose DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 56 8. Therapie Natalizumab und PML (Progressive multifokale Leukenzephalopathie) PML: Bisher einzige schwerwiegende bekannte Nebenwirkung von Natalizumab PML (Progressive multifokale Leukenzephalopathie): • Lytische Infektion der Oligodendrozyten durch das JC-Virus • Bekannt als opportunistische Infektion bei AIDS PML: Gesamtrisiko unter Tysabri 1:400 Verlauf* Letal in 20% Outcome der Überlebenden* Schwere Behinderung 40% Mittelschwere Behinderung 50% Leichte Behinderung 10% Typische PML im MRI: subkortikale Hyperintensität (A) ohne Gadoliniumaufnahme (T1 Sequenz, B). Patientin nach 2 Jahren Tysabri: Klinisch Progrediente Dysarthrie und Hemisyndrom li. * Aus medical report Biogen Dompé Stand 3. Juli 2012 Quelle: Tan and Koralnik, Lancet Neurol 2010;9:425-37 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 57 8. Therapie Natalizumab: Risikostratifizierung PML unter Tysabri: 4 Risikofaktoren 1. JCV-Antikörper (als Zeichen einer asymptomatischen Viruspersistenz nach Primärinfektion) 2. Höhe des JCV- Antikörper-Index 3. Dauer der Therapie: Kritische Schwelle: 2 Jahre 4. Vorhergehende Immunsuppression (Mitoxantron, Azathioprin,…) JCV AK positiv JCV AK negativ Risiko minimal (1:10’000) Unabhängig von anderen Risikofaktoren JCV AK Negativ 45% JCV AK Positiv 55% Therapie-Dauer Natalizumab Keine Immunsuppression vorgängig St.n. Immunsuppression 0-2 Jahre 0.53/1000 1:1890 1.5/1000 1:670 >2 Jahre 3.9/1000 1:256 10.6/1000 1:94 JCV-AK-Test [Sorensen et al., 2012] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 58 8. Therapie Risikostratifizierung Natalizumab: JCV-Antikörper-Index Kalkuliertes PML-Risiko auf 1000 Exponierte Nur bei Patienten anwendbar ohne vorhergehende Immunsuppression Index 1-24 Monate 25-48 Monate 49-72 Monate ≤0.9 0.1 0.3 0.4 ≤1.1 0.1 0.7 0.7 ≤1.3 0.1 1.0 1.2 ≤1.5 0.1 1.2 1.3 >1.5 1.0 8.1 8.5 Die Gruppe mit Ak-Index ≤0.9 macht 28% aller JCV- Ak-positiven Patienten aus! [Piavina et al., 2013] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 59 8. Therapie Teriflunomid - Wirkmechanismus Teriflunomid Leflunomid (A77 1726, HMR1726) Teriflunomid ist der aktive Metabolit von Leflunomid [Gold & Wolinsky, 2011] • Leflunomid ist für die Behandlung der Rheumatoiden Arthritis und der Psoriasis Arthritis zugelassen [O‘Connor et al., 2011] Teriflunomid inhibiert selektiv die Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) [Limsakun et al., 2010] • Blockiert hierdurch die de novo Pyrimidin-Synthese • Hemmt die Proliferation autoreaktiver T- und B-Zellen • Beeinflusst nicht die Replikation und Funktion anderer Zellen (z.B. hämatopoetischer Zellen) • Deckung des Pyrimidinbedarfs über “salvage pathway” DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 60 8. Therapie Teriflunomid – Nebenwirkungen Placebo (n=363) Teriflunomid 7 mg (n= 365) Teriflunomid 14 mg (n= 358) Durchfall 32 (8.9) 54 (14.7) 64 (17.9) Erhöhte ALT (Alanin-Aminotransferase) 24 (6.7) 44 (12.0) 51 (14.2) Übelkeit 26 (7.2) 33 (9.0) 49 (13.7) Verringerte Haardichte 12 (3.3) 38 (10.3) 47 (13.1) ALT-Erhöhung: nur im Bereich < 3x ULN signifikante Unterschiede Übelkeit, Durchfall und verringerte Haardichte: • meist nur zur Therapiebeginn • nur sehr selten Grund für Therapieabruch Keine schwerwiegenden oder opportunistischen Infektionen. Keine Hinweise auf ein erhöhtes Malignomrisiko. [O’Connor et al., 2011] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 61 8. Therapie Dimethyl-Fumarat – Pharmakokinetik und Wirkmechanismus Formulation: • Magensaft-resistente Tablette Metabolisierung: • Dimethyl-Fumarat wird zu Monomethyl-Fumarate hydrolysiert • Elimination über die Atemluft (geringer Teil über Urin/Stuhl) • Keine Cytochrome P450-abhängige Metabolisierung Wirkmechanismus: [Gold et al., 2012(b)] • Anti-inflammatorische Wirkung • Zyto- bzw. neuroprotektive Wirkung DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 62 8. Therapie Dimethyl-Fumarat: Primäre und sekundäre Endpunkte Reduktion der Schubrate (annualisiert): primärer Endpunkt • Dimethyl Fumarat 240mg BID vs. Plazebo: -53 %, p<0.001 (*DEPHINE Studie) • Dimethyl Fumarat 240mg BID vs. Plazebo: -44%, p<0.001 (**CONFIRM Studie) Reduktion der Behinderungsprogression über 2 Jahre: • Dimethyl Fumarat 240mg BID vs. Plazebo: -38 %, p=0.005 Anzahl neuer oder grösser werdender T2-Läsionen im MRI über 2 Jahre: • Dimethyl Fumarat 240mg BID vs. Plazebo: -85 %, p<0.0001 Anzahl Kontrastmittel-aufnehmender Läsionen im MRI über 2 Jahre: • Dimethyl Fumarat 240mg BID vs. Plazebo: -90 %, p<0.0001 *[Gold et al., 2012] **[Fox et al.2012] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 63 8. Therapie Dimethyl-Fumarat – Nebenwirkungen (DEFINE Studie*) AE, n (%) Placebo (n=408) DMF 240 mg BID DMF 240 mg TID (n=410) (n=416) Total DMF (n=826) Flushing 20 (5) 154 (38) 132 (32) 286 (35) Upper abdominal pain 28 (7) 40 (10) 52 (13) 92 (11) Abdominal pain 22 (5) 46 (11) 37 (9) 83 (10) Pruritus 19 (5) 42 (10) 34 (8) 76 (9) Vomiting 24 (6) 40 (10) 30 (7) 70 (8) Adverse events (AE), die ≥3.0 % häufiger in der 240 bid-Dimethyl-Fumarat Gruppe auftreten als in der Plazebogruppe • Keine erhöhte Infektrate im Vergleich zu Plazebo • Keine Hinweise auf ein erhöhtes Malignomrisiko *[Gold et al., 2012(a)] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 64 8. Therapie Nebenwirkungen der verlaufsmodifizierenden Substanzgruppen Substanzgruppe Beta-Interferone Neutralisierende Antikörper + (3-25%) Häufige Nebenwirkungen Potentiell schwerwiegende NW Hautreaktionen (Ausnahme Avonex), Injektionsschmerz Grippale Nebenwirkungen Keine (Langzeiterfahrung seit > 20 Jahren) Makulaödem (sehr selten) Höhergradiger AV-Block Herpesinfektionen Fingolimod - Bradykardie (erste Dosis) Blutdruckerhöhung untere respiratorische Infekte (↑) Glatirameracetat - Hautreaktionen, Injektionsschmerz keine Dimethyl-Fumarat - Flushig Magen-Darm-Probleme - Allergische NW vom Soforttyp (4%; davon <1 % schwere Anaphylaxie) PML ALT-Erhöhung, Übelkeit, Durchfall und verringerte Haardichte - Natalizumab Teriflunomid + (6%) - DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 65 8. Therapie Therapieschema RRMS 2010 Off label –Therapie für Patienten, die trotz Eskalationstherapie relevante Krankheitsaktivität aufweisen: •Rituximab •Alemtuzumab Therapie-Eskalation Natalizumab Fingolimod Dimethyl-Fumarat Basistherapie Beta-Interferone Fingolimod Glatirameracetat Teriflunomid Dimethyl-Fumarat DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 66 •Stammzelltransplantation 8. Therapie Geschwärzte Felder enthalten Fachinformationen, die für Ärzte bestimmt sind. Diese sind nur in der Datei sichtbar, die nach Registrierung als ärztliche Fachperson heruntergeladen werden kann. Verlaufsmodifizierende Therapie - Indikationsgebiete Avonex® Aubagio® Betaferon® Betaferon® Avonex® Mitoxantron® Copaxone® Betaferon® Rebif® Copaxone® Gilenya® Rebif® Tecfidera® (Tecfidera®) DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 67 8. Therapie Verlaufsmodifizierende Therapie Klinisch isoliertes Syndrom (CIS) Aber: Kein statistisch signifikanter Unterschied einer bleibenden Behinderung nach 5 Jahren [Kappos et al., 2009] Nach erstem Schub behandelt: Geringeres Risiko, einen 2. Schub zu erleiden in 5 Jahren DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 68 8. Therapie Verlaufsmodifizierende Therapie Sekundär chronisch progrediente MS (SPMS) SPMS „Neurodegeneration“ • Schleichende Verschlechterung • Hirnatrophie • Chronische Black holes im MRI Inflammation • Schübe • KM-aufnehmende Läsionen • Therapierbar • Interferon beta-1b • (Interferon beta-1a) • Mitoxantron DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE • (Noch) nicht therapierbar • Mitoxantron? 69 8. Therapie Unvollständige Remission der Schübe - Behinderungen Symptome Prävalenz Paresen (mit oder ohne Spastik) ca. 80% Sensibilitätsstörungen ca. 80% Ataxie (gliedkinetische und axiale) ca. 70% Miktionsprobleme (meist Urgesymptomatik) 60-75% Visusstörungen 45-70% Cognitive Einschränkung 30% Fatigue 70-90% Sexualfunktionsstörung ? Depression ca. 30% [McAlpine‘s, 2006] [Poser et al., 1979] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 70 8. Therapie Symptomatische Therapie Symptom Therapie 1. 2. 3. 4. 1. 2. 3. 4. 5. Physiotherapie (regelmässig) Baclofen 5 mg bis max 80 mg/d Tizanidin 2 mg bis max. 24 mg/d Sativex Spray Lifestyle-Änderungen SSRI Modafinil 2 x 100 mg/d (bis 2 x 200 mg/d) 4-Aminopyridin 10-20 mg/d Amantadin 100-200 mg/d Intentionstremor 1. 2. Clonazepam 0.5 mg bis max. 3 mg/d Propanolol 40mg bis max. 160 mg/d Erektile Dysfunktion Sildenafilum ut Sildenafili citras, Tadalafil, Vardenafil Spastik Fatigue Hyperreaktive Blase (Restharn <100-150 ml) 1. 2. 3. 4. 5. Tolterodin L-tartrat 4mg/d Fesoterodinfumarat 4 mg bis max 8 mg/d Trospiumchlorid 2 x 1Drg./d Oxybutynin Pflaster 2 x Woche Botulinumtoxin lokal DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 71 8. Therapie 4-Aminopyridin und Mobilität Retardiertes 4-Aminopyridin in der Dosis von 2 x 10 mg verbessert in >1/3 der MS-Patienten mit variablem Grad von Gehbehinderung die Mobilität. Fampridine= 4-Aminopyridin responder Verbesserung der Laufgeschwindigkeit (T25FW) um median 25% nonresponder Subjektive Scores verbessert (MSWS-12, SGI,CGI) Sowohl PPMS als auch RRMS/SPMS Patienten können profitieren! [Goodman et al., 2009] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 72 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 73 9. Prognose Prognose Lebensdauer der MS-Patienten insgesamt um 5-10 Jahre verkürzt Prognose abhängig von: • Aktivität der MS • Verlaufsform (PPMS mit schlechter Prognose) • Erfolgreicher Behandlung • Frühem Behandlungsbeginn [Goodin et al., 2012] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 74 [McAlpine’s, 2006] Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 75 10. Ausblick Ausblick Noch nicht in der Schweiz zugelassene MS Therapeutika mit abgeschlossener oder laufender Phase 3 Studie Oral Antikörper Laquinimod Alemtuzumab Ocrelizumab (Anti-CD20-AK) Daclizumab DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 76 10. Ausblick Neue orale MS Therapeutika im Vergleich Dimethyl-Fumarat 2x240 mg* Laquinimod 0.6 mg Fingolimod 0.5 mg* Teriflunomid 14 mg* Rel. Schubreduktion 53% 44% 23% 54% 48% 31% 36% Reduktion der Behinderungsprogression 34% 21% 36% 37% 22% 30% 31% Reduktion neuer T2Läsionen 85% 30% 75% 67% Reduktion Gd+ Läsionen 90% 74% 37% 82% 67% 80% *zugelassen [Killestein et al., 2011, Calabresi et al.2014; Confavreux et al.2014; Fox et al. 2014] DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 77 10. Ausblick Ausblick Patientenselektion: welches Medikament für welchen Patienten? Risiko der MS Risiko der Therapie Zuverlässige prognostische Faktoren Risikoeinschätzung •MRI •Biomarker? •Klinik •Patientenregister •Biomarker DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 78 Inhalt 1. Definition Seite 06 2. Epidemiologie 08 3. Klassifikation 13 4. Natürlicher Verlauf 16 5. Pathophysiologie 22 6. Klinik: Anamnese und Befunde, Zusatzuntersuchungen 28 7. Diagnose und Differentialdiagnose 36 8. Therapie 46 9. Prognose 74 10. Ausblick 76 11. Referenzen 80 DIAGNOSE UND THERAPIE DER MULTIPLEN SKLEROSE 79 11. Referenzen Referenzen/1 Cadavid D et al. Neurology 2009;72:1976-83 Goodman AD et al. Lancet 2009;373:732-38 Calabresi PA et al. Lancet Neurol. 2014 Jun;13(6):545-56 Goodin DS et al, Neurology 2012;78:1315-22 Cochrane Database Syst Rev. 2013 May 31;5:CD002127 Hartung HP et al. Lancet 2002;360:2018-25 Cohen JA et al. N Engl J Med 2010;362;402-16 Holmoy T et al. Curr Opin Infect Dis 2008;21:271-78 Coles A et al. Ann Neurol 1999;46(3):296-304 Jacobs LD et al. Ann Neurol 1996;39:285-294 Coles A et al. N Engl J Med 2008;359:1786-91 Johnson KP et al. Neurology 1995;45:1268-1276 Comi G et al. Lancet Neurol 2012;11(1):33-41 Junker A et al. Brain 2007;130:2789-99 Compston A, Coles A. Lancet 2008;372:1502-17 Kantarci O et al., Neurology 1998;51:765-772 Confavreux C et al. N Engl J Med 2000;343:1430-38 Kappos L et al. 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