Zentrale Projektgruppe Geschichte Kompetenzorientierung im Bildungsplan 2004 Kompetenzen sind… „… die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert 2001) Kompetenz ist… „… die Fähigkeit zur erfolgreichen Bewältigung komplexer Anforderungen in spezifischen Situationen. Kompetentes Handeln schließt den Einsatz von Wissen, von kognitiven und praktischen Fähigkeiten genauso ein wie soziale und Verhaltenskomponenten (Haltungen, Gefühle, Werte und Motivationen).“ (OECD 2003) Kompetenzen sind… „… Dispositionen zur Selbstorganisation menschlichen Handelns, das kreative Denkhandeln eingeschlossen; sie sind Selbstorganisationsdispositionen.“ (Erpenbeck 2003) Kompetenzen sind… „… Fähigkeiten, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werte, deren Erwerb, Entwicklung und Verwendung sich auf die gesamte Lebenszeit eines Menschen beziehen.“ (Dehnbostel/Gillen 2005) Kompetenzen sind… „… kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen“ (Klieme/Leutner 2006) Kompetenz - Performanz „Ein Fußballtorwart, dem seine Mitspieler die Bälle zum Aufwärmen zuspielen, wird im Regelfall jeden Schuss sicher abfangen. Anders sieht die Situation in einem Fußballspiel gegen eine andere Mannschaft aus, bei der eine unüberschaubare Zahl von Rahmenbedingungen und individuellen Strategien wirksam wird. Der Torwart wird im Bewährungsfall seine Kompetenz unter Beweis stellen und dabei Handlungen produzieren, die in ihrer Performanz deutlich variieren.“ (Gnahs 2007, S. 24f.) Kompetenzorientierung empirisch „Schwächen der deutschen Schüler werden insbesondere bei Aufgaben sichtbar, die das selbstständige Anwenden von Gelerntem, die Übertragung in neue Kontexte oder ein flexibles Umstrukturieren von Problemkonstellationen erfordern.“ (Weber 2003) „Je anspruchsvoller die Aufgaben sind, desto deutlicher treten Schwächen deutscher Schülerinnen und Schüler hervor.“ (Baumert 2005) Bildungsplan 2004 Kompetenzbereiche des historischen Lernens Kompetenzbereiche Sachkompetenz Methodenkompetenz Reflexionskompetenz Orientierungskompetenz Sachkompetenz Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zur Strukturierung historischer Sachverhalte mit Hilfe fachspezifischer Kategorien Sachkompetenz Grundlegendes Wissen über wesentliche Ereignisse, Personen, Entwicklungen, Epochen Grundlegendes Wissen über Begriffe und Strukturen Lernen in historischen Zusammenhängen (Kategorisierung, Strukturierung) Einordnung in Raum und Zeit Methodenkompetenz Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zur systematischen Erschließung von Quellen und Darstellungen mit Hilfe fachspezifischer Methoden Methodenkompetenz - - - Rekonstruktion und Dekonstruktion Fachgerechter Umgang mit Quellen und Darstellungen Verfahren historischer Untersuchung beherrschen (Vergleich, Längs-, Querschnitt) Narrativität (Narrative Kompetenz) Recherche, Präsentation und Nutzung neuer Medien Reflexionskompetenz Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zur Analyse, Interpretation und Beurteilung historischer Sachverhalte Reflexionskompetenz - - Historische Fragekompetenz Problemorientierung Interpretations- und Urteilskompetenz Multikausalität Multiperspektivität Kontroversität Fremdverstehen (Alterität) Zeit- und Standortgebundenheit Argumentationsfähigkeit Kritik- und Urteilsfähigkeit Selbständiges Denken Orientierungskompetenz Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zur historischen Begründung gegenwarts- und zukunftsbezogener Werturteile und Handlungen Orientierungskompetenz - - Reflexives Geschichtsbewusstsein Geschichtliche Begründung der menschlichen Existenz erkennen Identitätsbildung Perspektiven gewinnen Auseinandersetzung mit alternativen Handlungsmöglichkeiten Wertorientierung prüfen Einsicht in den Wert einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaftsordnung Auseinandersetzung mit dem kulturellen und kollektiven Gedächtnis Selbständigkeit, Selbstverantwortung, soziales Handeln Toleranz und Offenheit entwickeln Zukunft gestalten Kompetenzorientierung Beispiel: Sachkompetenz Der Erwerb von Kompetenzen „… muss beim systematischen Aufbau von intelligentem Wissen in einer Domäne beginnen.“ (Klieme 2003) Intelligentes Wissen... „...der geordnete Aufbau der im Gedächtnis gespeicherten Informationen und der darin enthaltenen oder dadurch gegebenen Möglichkeiten ihrer Nutzung in unterschiedlichen Lebenssituationen.“ (Weinert 2001) „Intelligentes Wissen“ ist kohärent Intelligentes Wissen ist strukturiert abgespeichert, sodass es bei Bedarf rasch abgerufen werden kann (Chunking) Begriffe sind Bausteine intelligenten Wissens (kategoriales Lernen) Begriffshierarchien sind besonders effiziente Ordnungsprinzipien für Wissenselemente (Vernetzung) Intelligentes Wissen ist flexibel und anschlussfähig: Die kognitive Struktur kann a) neues Wissen integrieren (Assimilation, Insert) b) bei variablen Anforderungen rasch umstrukturiert werden (Akkomodation, Update) Nachhaltiges Lernen Additives Lernen: Partialisierung von Lernerfahrungen in einzelne, wenig verknüpfte Segmente („Insel-Wissen“) Kumulative Wissensstrukturen: aufeinander aufbauend durch Begriffshierarchien vernetzt aktiv gehalten durch regelmäßig wiederholte, variable Anwendungen nutzbar über längere Zeiträume Folge: Herstellung von Kohärenz Kohärenz empirisch „Werden die Stoffgebiete eines Faches kohärent – aufeinander aufbauend und miteinander verzahnt – unterrichtet, so ist eine kumulative Verstärkung von Leistungsunterschieden zu erwarten. Dieser Effekt lässt sich tatsächlich nachweisen, er ist jedoch klein. Dieser Befund spricht für eine relativ geringe fachinterne Kohärenz der Unterrichtsstoffe. Mit jedem Thema beginnt dann der Unterricht neu...“ (Baumert/Lehmann 1997) Kompetenzorientierung Vom „trägen Wissen“… … zum „intelligenten Wissen“ Historische Sachkompetenz Begriffskompetenz: „Begriffskompetent ist, wer fachspezifische Begriffe und die dahinter stehenden Konzepte kennt [und] daraus semantische Netze bilden kann...“ Strukturierungskompetenz: „Strukturierungskompetent ist, wer Domänenspezifisches theorie-, subjekt-, inhalts- und methodenbezogen systematisieren und hierfür strukturierende Begriffe auf verschiedenen Abstraktionsniveaus nutzen kann.“ (Körber/Schreiber/Schöner 2007) Begriffslernen im Geschichtsunterricht… „… ist in der Literatur bislang arg vernachlässigt worden.“ (Rohlfes 1997) „Begriffsbildung im Geschichtsunterricht ist ein in der Geschichtsdidaktik lange vernachlässigtes und deshalb empirisch und theoretisch kaum erfasstes Gebiet.“ (Alavi 2004) „Die Erkundungen zum Begriffsgebrauch […] haben gezeigt, dass es bislang keinen systematischen und strukturierten Zugang zu historischen Begriffen gibt.“ (Beilner/Langer-Plän 2006) Begriffslernen in der kognitiven Lernpsychologie „Da unser Denken, Problemlösen und Erkennen weitgehend auf begrifflichen Schemata beruht, […] ist der Aufbau begrifflicher Schemata von besonderem didaktischem Interesse.“ (Messner 1978, S. 67) Kognitive Schemata intelligenten Wissens... „...hierarchisch aufgebaute, mehr oder minder abstrakte Repräsentationen des Wissens, in die einerseits neue Informationen integriert („assimiliert“) werden, die sich aber andererseits unter dem Einfluss des Lernens auch verändern („akkomodieren“) und differenzieren können.“ (Weinert 2001) Das Klieme-Gutachten 2003 „Die Bildungsstandards sollen die Kernideen der Fächer bzw. Fächergruppen besonders klar herausarbeiten, um Lehren und Lernen zu fokussieren. Zu diesen Kernideen gehören: die grundlegenden Begriffsvorstellungen […], die damit verbundenen Denkoperationen und das ihnen zuzuordnende Grundlagenwissen.“ (Klieme 2003) Kernideen im Fach Geschichte Historische Grundbegriffe Begriffe im Bildungsplan 2004 Bürger, Vollbürger, Nichtbürger, Sklave Adel, Patrizier, Bürgertum, Bauern, Arbeiterschaft Stände, Ständekämpfe, Zunftkämpfe Klassen, Klassenkampf, Klassengesellschaft Feudalismus, Merkantilismus, Marktwirtschaft, Soziale Marktwirtschaft, Frühkapitalismus, Kapitalismus Isonomie, Demokratie, Aristokratie, konstitutionelle Monarchie, parlamentarische Monarchie, Absolutismus, Republik, Diktatur Nationalismus, Militarismus, Imperialismus Liberalismus, Marxismus, Sozialismus, Kommunismus Frauen, Frauenbewegung Europäische Identität Neolithische Revolution, Französische Revolution, Industrielle Revolution, Revolution von 1848/49, Oktoberrevolution Polytheismus, Monotheismus, Christentum, Judentum, Islam Rassismus, Antisemitismus Naturrecht, Menschen- und Bürgerrechte Partizipation, Volkssouveränität, Gewaltenteilung Geschichtliche Grundbegriffe sind… „… Schlüsselworte der politischen, der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen Organisation…“ „… durch deren Anwendung Strukturen und große Ereigniszusammenhänge erschlossen werden können.“ (Brunner/Conze/Koselleck 2004) Dimensionen im Geschichtsunterricht Politik Wirtschaft Gesellschaft Kultur Leitkategorien im Geschichtsunterricht Herrschaft, Partizipation Staat, Staatsbildung, Staatsfunktionen Soziale Ungleichheit Recht, Rechtssysteme Wirtschaftsformen, -modelle, -systeme Religion, Frömmigkeitsformen Krieg und Frieden, Expansion Identität und Alterität; Selbst- und Fremdwahrnehmung Bildung, Bildungssysteme Geschlechterverhältnisse, Familienformen