Sonnenberger Leitlinien zur psychiatrischpsychotherapeutischen Versorgung von Migranten in Deutschland (Machleidt 2002; Machleidt et al 2005, 2006, 2009) Abteilung Sozialpsychiatrie & Psychotherapie Medizinische Hochschule Hannover Ethno-Medizinisches Zentrum e.V., Hannover Referat für Transkulturelle Psychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Deutsch-Türkische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosoziale Gesundheit e.V. (DTGPP) Die 12 Sonnenberger Leitlinien 1. Erleichterung des Zugangs zur psychiatrisch-psychotherapeutischen und allgemeinmedizinischen Regelversorgung durch Niederschwelligkeit, Kultursensitivität und Kulturkompetenz. (1) Haltungsänderung der Behandler gegenüber Migranten Qualitativ hochrangige Prävention, (Früh-)Diagnostik, (Früh-)Behandlung und Nachsorge Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) Erfassung der Inanspruchnahme psychiatrischpsychotherapeutischer Einrichtungen durch Migranten (Basisdokumentation Item „Migrationshintergrund“, Gesundheitsberichtserstattung) Die 12 Sonnenberger Leitlinien 1. Erleichterung des Zugangs zur psychiatrisch-psychotherapeutischen und allgemeinmedizinischen Regelversorgung durch Niederschwelligkeit, Kultursensitivität und Kulturkompetenz. (2) Einrichtung von Kompetenzzentren (Ethnomedizinisches Zentrum Hannover (EMZ), Kölner Gesundheitszentrum für Migranten u.a.) Organisation interkultureller Betreuungsvereine (Institut für transkulturelle Betreuung e.V. (ITB), Hannover) Wahrung des Gleichstellungsprinzips in der Sozialgesetzgebung (Dolmetscher Initiative der Aktion Psychisch Kranke (APK) und Referat für Transkulturelle Psychiatrie der DGPPN) Die 12 Sonnenberger Leitlinien 2. Bildung multikultureller Behandlerteams aus allen in der Psychiatrie und Psychotherapie tätigen Berufsgruppen unter bevorzugter Einstellung von MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund und zusätzlicher Sprachkompetenz Bewältigung von Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung z.B. in Behandlerteams Reflektion des „fremden Blicks“, Entfremdung des Fremden Muttersprachlichkeit / Mehrsprachigkeit Die 12 Sonnenberger Leitlinien 3. Organisation und Einsatz psychologisch geschulter FachdolmetscherInnen als zertifizierte Übersetzer und Kulturmediatoren „Face-to-Face“ oder als TelefondolmetscherInnen Sprache ist „eine Verkörperung des Seelenlebens“ (Norbert Elias 1969) Organisation von Dolmetscherdiensten / (Bild-) Telefondolmetscherdiensten Sprachfortbildungen im Behandlungsangebot Die 12 Sonnenberger Leitlinien 4. Kooperation der Dienste der Regelversorgung im gemeinde psychiatrischen Verbund und der Allgemeinmediziner mit den Migrations-, Sozial- und sonstigen Fachdiensten sowie mit Schlüsselpersonen der unterschiedlichen Migrantengruppen, -organisationen und Migrantenverbänden. Spezielle Behandlungserfordernisse können Spezialeinrichtungen notwendig machen Integrationsfunktion der Psychiatriekoordinatoren Jährliche Gesundheitsberichtserstattung durch SPV Regionale psychosoziale Arbeitsgemeinschaften (PSAG) ermitteln Bedarf für die Versorgung von Migranten Migrationsspezifische Angebote (Migrantenambulanz, Abhängige Aussiedler, Sinti und Roma u.a.) Integrationshilfen für Migranten im psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem Psychiatriekoordinatoren Migrationsbeauftragte PSAG Multiplikatoren Primärversorgung Hausärzte Virtuelle Kompetenzzentren Angebote der Regelversorgung Psych./ psychoth. Interne Angebote KlinikEinzel- konzepte fallarbeit Freie u. kirchl. Träger KOMPETENZVERBESSERUNG © Machleidt 2008 Funktionen eines Migrationsbeauftragten (1) Entwicklung migrationsspezifischer Behandlungsansätze mit den Behandlerteams für Einzel-, Gruppen- u. Regelversorgung (Vor- u. Nachsorge) Empfehlungen für Behandlungsleitlinien Beratung (Supervision) aller MitarbeiterInnen in Migrationsfragen Initiierung von interkulturellen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, Sprachkursen etc. © Machleidt 2004 Funktionen eines Migrationsbeauftragten (2) Vertretung der Kliniken/Dienste in und Vernetzung mit migrationsspezifischen Institutionen und Gremien Beschaffung/Erstellung mehrsprachiger Formulare und Informationen Mitwirkung an der Stellenbesetzung („Quotenregelung“) Mitwirkung an der institutionellen Gesundheitsberichtserstattung (migrationsbezogene Items) © Machleidt 2004 Interkulturelle Kompetenzverbesserung im gemeindepsychiatrischen Versorgungssystem Grundhaltung Gesundheitsberichterstattung Kompetenzzentren PSAG Wissenstransfer Psychiatriekoordinatoren Vernetzung Klinikkonzepte Regelversorgung Migrationsbeauftragte © Machleidt 2004 Die 12 Sonnenberger Leitlinien 5. Beteiligung der Betroffenen und ihrer Angehörigen an der Planung und Ausgestaltung der versorgenden Institutionen Aufnahme von Migranten in Angehörigenverbände Aufnahme von Betroffenen in Betroffenenverbände Kontaktaufnahme zwischen Betroffenen-, Angehörigenund Migrantenverbänden Die 12 Sonnenberger Leitlinien 6. Verbesserung der Informationen durch muttersprachliche Medien und Multiplikatoren über das regionale gemeindepsychiatrische klinische und ambulante Versorgungsangebot und über die niedergelassenen PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen sowie Allgemeinärztinnen/ärzte Mehrsprachige Informationsfaltblätter über das regionale sozialpsychiatrische Versorgungssystem (SPV) Mehrsprachige Internetinformation (www.psychiatrie.de) Kontakte zwischen Multiplikatoren der Migrantengruppen und den gemeindepsychiatrischen Einrichtungen Öffentlichkeitsarbeit, Internet Die 12 Sonnenberger Leitlinien 7. Aus-, Fort- und Weiterbildung für in der Psychiatrie u. Psychotherapie und in der Allgemeinmedizin tätige MitarbieterInnen unterschiedlicher Berufsgruppen in Transkultureller Psychiatrie und Psychotherapie unter Einschluß von Sprachfortbildungen. (1) Erwerb interkultureller Diagnostik- und Behandlungskompetenz (Diversity Training) Erwerb von Kulturkompetenz und basalen Sprachkenntnissen Veranstaltung interkultureller Workshops, Symposien und Kongresse Die 12 Sonnenberger Leitlinie 7. Aus-, Fort- und Weiterbildung für in der Psychiatrie und Psychotherapie und in der Allgemeinmedizin tätige MitarbeiterInnen unterschiedlicher Berufsgruppen in transkultureller Psychiatrie und Psychotherapie unter Einschluß von Sprachfortbildungen. (2) Weiterbildungs-Curricula in Transkultureller Psychiatrie für Fachärztinnen/ärzte Fachreferate für Transkulturelle Psychiatrie in den nationalen und internationalen Fachgesellschaften Fachzeitschriften (Soziale Psychiatrie, Die Kerbe, Sozialpsychiatrische Informationen, Psychiatrische Praxis, „Ethnicity and Mental Health“,) Die 12 Sonnenberger Leitlinien 8. Entwicklung und Umsetzung familienbasierter primär und sekundär präventiver Strategien für die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien Bilingual-bikulturelle Orientierung HIPPY-Programme zur Einübung von Kulturtechniken Gewaltprävention in Familien Teilnahme an Vorsorge- und Früherkennungs-Massnahmen Förderung von qualifizierenden Abschlüssen in Schule und Beruf Die 12 Sonnenberger Leitlinien 9. Unterstützung der Bildung von Selbsthilfegruppen mit oder ohne professionelle Begleitung Interkulturelle Selbsthilfegruppen (SHG) initiieren, wie z.B. durch SEKIS Berlin, KISS Köln und SHZ München Professionelle Anleitung und anschliessende Verselbständigung Namensänderung in „Solidaritätsgruppe“, „Gesundheitsgruppe“ etc. zur Senkung von Barrieren Die 12 Sonnenberger Leitlinien 10. Sicherung der Qualitätsstandards für die Begutachtung von Migranten im Straf-, Zivil- (Asyl-) und Sozialrecht Strafrecht § 20/21 bei psychisch kranken Migranten Zivilrecht Traumatisierte Asylsuchende Sozialrecht Rentengutachten Die 12 Sonnenberger Leitlinien 11. Aufnahme der transkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie in die Curricula des Unterrichts für Studierende an Hochschulen Curriculumsvorschläge für die Psychiatrie-/PsychotherapieVorlesungen in der Mediziner- u. Psychologenausbildung in der Ausbildung von Diplom-SozialpädagogInnen in der Sozialpsychiatrischen Zusatzausbildung (SPZA) Die 12 Sonnenberger Leitlinien 12. Initiierung von Forschungsprojekten zur seelischen Gesundheit von MigrantInnen und deren Behandlung Epidemiologie psychischer Morbidität bei Migranten Ursachen und Psychopathologie psychischer Störungen Erprobung interkultureller Behandlungskonzepte (IA, Psychotherapie u.a.) Inanspruchnahme und Integration in das psychiatrischpsychotherapeutische Versorgungssystem Prävention bei Migranten (MIMI, Suchtprävention, Bündnis gegen Depression) Welche Barrieren gibt es?