Schulze - Evangelische Akademie Tutzing

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Früh-kindliche Entwicklung
Salutogenetische Aspekte aus kinder- und
jugendpsychiatrischer Sicht
Dr. Ulrike M.E. Schulze
Evangelische Akademie Tutzing, 06.04.2005
Leitfrage Aaron Antonovskys
Weshalb bleibt der Mensch unter dem
Einfluss widriger Lebensumstände gesund
oder wird wieder gesund bzw. welche
Kräfte bringen ihn dazu gesund zu bleiben
und gesund zu werden?
Extrempole
„Die salutogenetische Sicht definiert den
Menschen auf einem Weg, der als ein
„Gesundheits-Krankheits-Kontinuum“ mit vielen
verschiedenen Betrachtungsdimensionen zu sehen
ist und sich von der dichotomen Sicht Gesundheit
vs. Krankheit abwendet… Für Antonovsky kommt
es also auf die Fragestellung an, ob eine Position
ausschließlich an der Möglichkeit des Scheiterns
festgemacht wird oder ob – in welcher Situation
auch immer – Faktoren gefunden werden können,
die bei allen gegebenen Widrigkeiten des Lebens
gute Ergebnisse ermöglichen, gute Perspektiven
begründen.“
- Lorenz 2004 -
Salutogenetisches Modell: Einflussgrößen
• generalisierte Widerstandsressourcen
(individuell, sozial, kulturell)
• allgegenwärtige Stressoren, nicht zwangsläufig
gesundheitsschädigend, erste Reaktion:
physiologische Anspannung
• Kohärenzgefühl (SOC)/dispositionale Orientierung
– Verstehbarkeit (geordnete, strukturierte Welt)
– Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (Lösung,
Ressourcen )
– Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit (Leben emotional
sinnvoll, Probleme und Anforderungen werden für Wert
befunden, dass man Energie in sie investiert)
Gesundheitsförderung und Prävention
„… leitet sich die Forderung ab, Kindern und
Jugendlichen eine Umwelt zu schaffen, die
ihnen ausreichend Ressourcen bietet, ein
starkes Kohärenzgefühl herausbilden zu
können… Maßnahmen… sollen Kindern und
Jugendlichen wiederholt konsistente
Erfahrungen ermöglichen sowie eine
Balance zwischen Über- und
Unterforderung herstellen…“
- Bengel et al. 2003 -
Kognitionen
• spielen eine wesentliche Rolle bei:
–
–
–
–
depressiven Verarbeitungsmustern
Ängsten und Zwängen
Selbstwertproblemen
Krankheitsverarbeitung…
… und können im Rahmen der Psychotherapie bearbeitet
werden:
kognitive Verhaltenstherapie
begleitend-stützende Therapiegespräche
Training der sozialen Kompetenz
Psychoedukation (Eltern, Kinder)
Überforderung/Unterforderung
• sollten im Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen Basis-Diagnostik nicht übersehen
werden und können Ausdruck finden in:
–
–
–
–
–
–
–
Konversionsstörungen
Schulangst
aggressivem Verhalten
„Schulversagen“
depressiven Symptome
generalisierter Ängstlichkeit
sozialen Ängsten (Aussenseiterposition)…
Bewältigkbarkeit: Weg der kleinen Schritte
(Verstärkerpläne, Therapievereinbarungen…)
Umweltfaktoren
• sind wesentlich beteiligt an der Entstehung
und Aufrechterhaltung von Störungsbildern
(Umgang mit Besonderheiten, Abweichungen)
• sind ein zentraler Punkt auch im Anschluss
an bzw. Rahmen eine(r) Behandlung
– z.B. Entlassung wohin?
– Beschulung wie und wo?
– Belastbarkeit hinsichtlich sozialer
Anforderungen gegeben?
Schnittstellen: nichts ist statisch
•
•
•
•
•
Entwicklungsaspekt
Bindungsforschung
Resilienzforschung
Prävention
Ressourcenaktivierung (z.B. kognitiv-behaviorale
Therapie, Familientherapie; Umweltfaktoren)
• Anerkennen einer Begrenztheit therapeutischer Möglichkeiten: Akutbehandlung,
Übergänge, Freiwilligkeit
Ätiologie kinder- und
jugendpsychiatrischer Störungsbilder
• individuelle Vulnerabilität (Schwangerschaftsund Geburtsanamnese, Geschlecht,…)
• Bindungserfahrungen
(Resilienz, protektive
Faktoren, organische „Spuren“)
• genetische Faktoren (Erblichkeit, familiäre
Häufung)
• neuroanatomische/neurobiologische
Veränderungen (Anlage, Trauma)
• akute Belastungsfaktoren (z.B. Traumatisierung,
Trennung, Entwicklungsschub)
• Umweltbedingungen (Familie, Schule, Peers)
Multiaxiale Diagnostik in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie (MAS)
I: klinisch-psychiatrisches
Syndrom
II: spezifische
Entwicklungsstörungen
III: Intelligenz
IV: körperlichneurologische Erkrankung
V: psychosoziale
Belastungsfaktoren
VI: psychosoziale
Adaptation
• (akutes) Störungsbild
• Entwicklungsstand
(altersbezogen)
• Problembewältigung
• organische Einflussgrößen
• peristatische Faktoren
(Familie, Erziehung,
sozialer Kontext)
• Bewältigungsstrategien
bzw. -fähigkeiten
Multimodale Therapie – Interaktionen
auf dem Boden von Vorerfahrungen
• Psychotherapie: einzeln, Gruppe, Familie
• non-verbale Cotherapie: Musik-, Ergo-, Kunst-,
Reittherapie…
•
•
•
•
Milieutherapie: Leben auf Station
Pharmakotherapie (wenn notwendig)
Training der sozialen Kompetenz
Zukunftsplanung: Vernetzung u.U. mit
Jugendhilfe (Hilfen zur Erziehung, Fremdunterbringung, Eingliederungshilfe), z.B. bei
(drohender) seelischer Behinderung
Entwicklung als Prozess gegenseitiger
Einflussnahme
• Entwicklung ist das Ergebnis aktiver und
zielgerichteter Interaktionen mit der sozialen und
gegenständlichen Umwelt
• Bereits der Säugling gestaltet diese Interaktionen
aktiv mit, mit zunehmendem Alter auf der
Grundlage immer weiter fortgeschrittener
Entwicklungskompetenzen
• Dadurch beeinflussen sich die daran beteiligten
Partner fortlaufend und verändern sich im Sinne
organisierter Anpassungsprozesse (Sroufe, 1996)
Unterschiedliches Zusammenspiel von kindlichem
Temperament und elterlichem Verhalten
gelingende sozial-emotionale Entwicklung
(Einhalten von Regeln, moralische Standards) bei
• ängstlichen Kindern  zurückhaltendes, wenig
eingrenzendes elterliches Verhalten
• wenig ängstlichen Kindern  feste, klare
Grenzen gepaart mit positiver, kooperativer
Interaktion (sichere Bindung; Kochanska,1991, 1993,
1995)
Vernachlässigung, Misshandlung
• betrifft existentielle Basisbedürfnisse (basic
needs)
• gefährdet tiefgreifend den Entwicklungsprozess (Bolger und Patterson 2003)
• begünstigt die Entwicklung von emotionalen Problemen, Verhaltensproblemen
und Anpassungsproblemen
Entwicklungsrisiken bei
Vernachlässigung, Misshandlung
• Internalisierende Probleme – depressive
Störungen und Angststörungen (Lynch und Cicchetti,
1998, McGee, Wolfe und Wilson 1997, Toth, Manly und Cicchetti 1992)
• externalisierende Probleme – Störungen des
Sozialverhaltens (Aggression, antisoziales Verhalten,
Delinquenz; Herrenkohl, Egolf und Herrenkohl 1997, Widom 1989)
• Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter;
Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter
(AWMF-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und
Jugendpsychiatrie)
Bindung: Auswirkungen auf die Selbstwertund Persönlichkeitsentwicklung
oder: Konsistenz/Kontinuität und Verlässlichkeit
• sichere Bindung als Schutzfaktor für gelingende
sozial-emotionale Entwicklung
• unsichere Bindung als Risikofaktor für
Selbstwertentwicklung, soziale Kompetenzen
• hochunsichere Bindung als Risikofaktor für
Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten - in Kumulation und in Wechselwirkung mit
anderen psychosozialen Risikofaktoren!
Hochunsichere Bindung
• Zusammenbruch der
kindlichen
Bewältigungsstrategien
• bizarr anmutendes
Verhalten gegenüber der
Bindungsperson
• organisierte
Anpassungsstrategie fehlt
(Desorganisation)
• kontrollierende
Bindungsstrategien
• Verhaltensstrategien
verlieren ihren
Anpassungswert
Bindungsstörungen
- Lieberman und Zeanah 1995 fehlende Bindung •
mit sozial undifferenzierter
Aufgeschlossenheit
•
mit emotionaler Zurückgezogenheit
Bindungsstörung •
mit Gehemmtheit
•
mit Selbstgefährdung
•
mit Rollenumkehr
Verlust von Bindungen •
Trauerreaktionen nach Verlust
Bindungsstörung als Deprivationsfolge
- Ziegenhain und Fegert 2004 „In der kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis werden die
beiden Bindungsstörungsdiagnosen fast ausschließlich auf
schwer vernachlässigte früh misshandelte Kinder
angewandt. Es geht also um massive Deprivationsfolgen.
Diese Störungsbilder haben trotz intensiver Förderung,
die diese Kinder meist später von professioneller Seite
aber auch im häuslichen Milieu, z. B. durch
Pflegefamilien, bekommen, eine eher ungünstige
Prognose. Bei sehr vielen ursprünglich als
Bindungsstörung mit Enthemmung diagnostizierten
Kindern wird dann im späten Jugendalter oder jungen
Erwachsenenalter die Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung gestellt“.
Kategorial versus dimensional
Verhaltensprobleme kategoriale Auffassung
Verhaltensprobleme –
dimensionale Auffassung
• Klinisch relevante und
extreme Abweichungen im
Verhalten des Kindes
• umschriebenes Verhalten
und vom Verhalten
anderer Kinder unterschieden
• Störung abhängig von der
Intensität/Ausprägung von
Verhalten
• Verhalten nur im
Beziehungskontext
interpretierbar
• keine individuelle
Zuschreibung
Resilienzforschung
(Rutter 2000)
• eine Schlüsselerklärung für interindividuelle Unterschiede
in Reaktionen auf psychosoziales Risiko betrifft die
Anzahl der Risikofaktoren und die Dauer, der ein Mensch
diesen Risiken ausgesetzt ist (resiliente Kinder – weniger
Risikofaktoren für eine kürzere Zeit)
• genetische Einflüsse funktionieren über ihren Einfluss auf
individuelle Unterschiede in der Empfindsamkeit
gegenüber Umweltbelastungen
• einer der Gründe, warum psychiatrische Störungsbilder
persistieren, liegt darin, dass auch die schädigenden
Umweltbedingungen fortbestehen
• einige Risiko- und Schutzfaktoren funktionieren über
einen breiten Bereich, andere sind sehr spezifisch in
ihrer Wirkung
Prävention
• sollte all diese Einflussfaktoren
berücksichtigen
• Überschneidungen mit dem SalutogeneseModell gegeben: Ressourcenorientierung
• begrenzt in ihrem Erfolg, z.B. durch noch
unzureichende Interdisziplinarität
beteiligter Berufsgruppen
Was bringt das Kind denn mit?
•
•
•
•
•
•
Charakter
Temperament
Bindungserfahrungen (Resilienz)
genetische Ausstattung (Vulnerabilität)
familiäres Umfeld (Rahmenbedingungen)
Peers (Anlage-Umwelt-Debatte)
Ressourcen
protektive Faktoren
Eltern: wo kann Prävention ansetzen?
• Beziehung (Streit, Harmonie,
Problemlöseverhalten,…)
• Erziehungskompetenzen
• eigene Sucht-Erkrankungen
• wirtschaftliche Lage
• Rolle des Kindes für die Beziehung
Prävention als interdisziplinäre
Herausforderung
• als zentrales Aufgabenfeld…
- Einbeziehen von SozialarbeiterInnen,
ErzieherInnen, LehrerInnen, AusbilderInnen,
Jugendschutzfachkräften in den Jugendämtern
sowie Jugendgerichtshelferinnen, PolizistInnen,
StaatsanwältInnen, RichterInnen, den Eltern
→ Befähigung zum Erkennen spezifischer Gefährdungen
→ Sensibilisieren für Probleme und Konflikte von Kindern
und Jugendlichen
→ Vermittlung von Erziehungs- und Konfliktlösungskompetenzen
→ an die Hand geben entsprechender Methoden
Peer-to-Peer-Angebote als vielversprechender Zugang!
Schizophrenie: Erkrankungsrisiko
( nach Gottesmann 1998)
Verwandschaftsgrad
%
Allgemeinbevölkerung
Vettern
Neffen/Nichten
Enkel
Halbgeschwister
Geschwister
Kinder (ein Elternteil krank)
Kinder (beide Eltern krank)
dizygote Zwillinge
monozygote Zwillinge
1
2
4
5
6
9
13
46
17
48
Ätiologie der Schizophrenie
• 30%ige Erweiterung der Seitenventrikel (Raz
and Raz 1990, Lawrie and Abukmeil 1998, Wright et al. 2000)
• geringere Volumenzunahme der dritten
Ventrikel bzw. Unterhörner
• Veränderungen im Temporallappen:
Verkleinerung des Amygdala-HippocampusKomplexes bzw. des Hippocampus um 6%
der Regio entorhinalis und des Gyrus
temporalis superior um ca. 10 Volumenprozent (Lawrie and Abukmeil 1998, Nelson et al. 1998)
• Hypofrontalität (Ingvar and Franzen 1984)
Neuropathologie
• frühkindliche Läsionen im dorsolateralen
präfrontalen Kortex → mögliche Erklärung für
prämorbide Verhaltensauffälligkeiten
hinsichtlich des Sozialverhaltens sowie
prämorbid fassbarer kognitiver Dysfunktionen
• linke Gehirnhälfte
• Ventrikelvergrößerungen: v.a. bei VEOS
• Entwicklungsverzögerungen des Spracherwerbs
und der visuell-motorischen Koordination
• keine schlichte Hyper- oder Hypofunktion
dopaminerger Strukturen (regulierend:
Glutamataktivität)
Zusammenfassung
• … „Störung des neuronalen Netzwerkes,
welches schwerpunktmäßig Strukturen des
Frontallappens, Temporallappens und
Parietallappens umfasst. Besonders
betroffen scheinen neokortikale Anteile im
Bereich der … Assoziationscortices.
Funktionell wird dieses Netzwerk im
Rahmen des limbischen Systems
zusammengefügt… “
(Falkai und Vogeley, 2002)
Verlauf und Prognose: Einfluss
salutogenetischer Faktoren
Prädiktoren:
prämorbide Merkmale (Primärpersönlichkeit,
soziale Situation)
Erkankungsalter: sehr früher Beginn –
erhöhtes Risiko der Rehospitalisierung schlechtere
Prognose, Beginn in Adoleszenz – negative
Auswirkungen auf soziale Prognose
familiäres Kommunikationsklima (Vorbelastung)
Dauer der unbehandelten Psychose
Akuität des Erkrankungsbeginns: schleichender Verlauf
– schlechtere Prognose
Vollremission: 20-30% der Erkrankten
Störungen des Sozialverhaltens Leitsymptome
• ein Übermaß an Ungehorsam, Streitlust und
tyrannisierendes Verhalten
• übermäßig häufige und schwere Wutausbrüche
• die Entfaltung von Grausamkeit gegenüber
anderen Menschen und Tieren
• erhebliche Zerstörungswut gegenüber Eigentum
• Zündeln, Stehlen, häufiges Lügen und Betrügen
• Schuleschwänzen
• unangemessenes Weglaufen von zu Hause
Verlaufsformen
(Moffit, 1993)
• Beginn im Vorschulalter: early starter (5-10%)
–
–
–
aggressives, oppositionelles und
delinquentes Verhalten
Tendenz zur Verschlechterung
hohe Persistenz (antisoziale Pers.-St.)
• auf das Jugendalter begrenzt: late starter (25%)
–
–
–
erstmals im Pubertätsalter
auftretende oppositionelle und
delinquente Verhaltensprobleme
episodenhaft
Remission spätestens mit Erreichen des
Erwachsenenalters
Störung des Sozialverhaltens Psychosoziale Risikofaktoren
• Persönlichkeitsmerkmale der Eltern (z.B. Depression,
Erregbarkeit, emotionale Distanzierung)
• Psychiatrische Störungen bei den Eltern
(Persönlichkeitsstörungen, Suchtverhalten)
• Delinquenz der Eltern, eheliche Disharmonie mit
offen ausgetragenen Konflikten und aggressiven
Verhaltensweisen
• wiederholter Wechsel der Elternfiguren
• Misshandlung
• niedriger sozialer Status
• allein erziehende Elternteile (mit Einschränkungen!)
• soziale Isolierung der Familie
Störungen der Impulskontrolle
(zentrale Reifungsschritte scheinen beeinträchtigt)
• scheinen vergesellschaftet mit Defiziten in
den sog. exekutiven Funktionen (Arbeitsgedächtnis):
–
–
–
–
–
–
Willensbildung
Planen
zielorientiertes intentionales Handeln
Resistenz gegenüber Ablenkung
Problemlösen und Konzeptentwicklung
Flexibilität und Veränderung von Routinen
nach situativen Voraussetzungen (Selbstregulation!)
– Aufrechterhaltung einer Zielorientierung und
einer Selbstaufmerksamkeit auch unter Stress
Comorbide Störungen
• Aufmerksamkeitsstörungen und
Hyperaktivität
• Depressive Störungen
• Angststörungen
• Lese- Rechtschreibstörungen
• Sprachstörungen
Entwicklungsmodell
• Bei der Entwicklung von expansiven Störungen
scheint eine Wechselwirkung von biologischen
und psychosozialen Risiken vorzuliegen
(Längsschnittstudien).
• Temperament und Umweltvariablen scheinen in
additiver und multiplikativer Weise
zusammenzuwirken.
• Transaktionen zwischen Eltern und Kindern
äußern sich in spezifischen reziproken
Verhaltensweisen, die schließlich das Verhalten
der Kinder verfestigen lassen.
Hyperkinetische Störung des
Sozialverhaltens
= Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung /
AD(H)S + Störung des Sozialverhaltens
• meist im Verbund mit affektiver
Symptomatik
• biologische Grundlage → AD(H)S +
Sekundärsymptomatik (Bindungserfahrungen, Interaktionen) dissozialen
Verhaltens und ggf. depressiver Symptome
(„Verarbeitung“) → ggf. Aggravation
aggressiver Verhaltensmuster…
Erfahrungen innerhalb einer Studienpopulation: 2
Patienten mit hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens, 11
und 14 Jahre alt:
Pat. 1:
Intelligenzminderung,
zurückliegende Missbrauchs- und Misshandlungserfahrungen,
Erziehung in einer
Institution, stationärer
Aufenthalt mit beginnender Stabilisierung,
bedingter Erfolg der Medikation, nach wie vor deutlich begrenzte Beschulbarkeit und Gruppenfähigkeit
Pat. 2:
überdurchschnittliche
Intelligenz, Realschüler
mit schlechtem Fortkommen und sozialer
Außenseiterposition,
Mutter bulimisch,
fraglich selbst AD(H)S,
Medikation ohne Erfolg
(abgesetzt), seit Unterbringung in Internat mit
gymnasialer Beschulung
deutliche Stabilisierung
und Entlastung
Hochunsichere Bindung und suizidales Verhalten Fallbeispiel (Jacobsen, Huss und Ziegenhain, 1994)
• Vorstellung in einer kinderpsychiatrischen
Ambulanz
Peter, 7 Jahre, zwei Selbstmordversuche
- Sprung vom Dach eines Spielhauses mit einem am
Dach befestigten Strick um den Hals
- Sprung in den Kanal auf dem Weg von der Schule
nach Hause; wurde von einem Passanten herausgezogen,
tauchte 4 Stunden später mit nassen Kleidern zu Hause auf
• Stimmungsschwankungen: gedrückt, unglücklich
(„Mama, liebst Du mich überhaupt?“ „Warum bin ich überhaupt
geboren worden“) versus clownhaftes und
manieriertes Verhalten
Hochunsichere Bindung und suizidales
Verhalten - Fallbeispiel
Bindungsmessungen
• 12. Monat: unsicher-vermeidend (Fremde
Situation)
• 18. Monat: unsicher-vermeidend
Situation)
(Fremde
• 6 Jahre: hochunsicher-kontrollierend
(Fremde Situation)
: hochunsicher
: hochunsicher
(Separation Anxiety Test)
(Zeichnung der Familie)
Hochunsichere Bindung und suizidales
Verhalten - Fallbeispiel
hochunsichere Bindung
• körperliche und psychologische
Schutzlosigkeit
• Gefühle des Alleingelassenseins
• hohe emotionale Verletzbarkeit
 suizidales Verhalten: Angst und
(selbstgerichteter) Ärger über die
(emotionale) Unerreichbarkeit der
Bindungsperson
Gruppentherapie – Definition von Zielen
•
•
•
•
•
besser gehen
Probleme besprechen, Lösungen finden
Zufriedenheit mit sich selbst
Sinn finden
sich trauen, Dinge zu machen, die ich
möchte, ohne sich dabei durch andere
schlecht zu fühlen
Leitbild unserer Klinik
(Präambel)
Als Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie wollen wir Entwicklungen erkennen,
beschreiben und fördern:
 Individuelle Entwicklungen von Kindern, Jugendlichen und ihren
Familien
 Diagnostik, Beratung, Betreuung und Therapie
 Weiterentwicklung des Faches durch
 Lehre, Aus- und Weiterbildung aller Berufsgruppen im
multiprofessionellen Team
 Grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung
 Weiterentwicklung der Institution und ihres Umfeldes
Stellung beziehen wollen wir zu Gunsten förderlicher
gesellschaftlicher Entwicklungsbedingungen für
behinderte und nichtbehinderte Kinder und ihre Familien.
Grundhaltung und Arbeitsgrundlagen
Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, Familien und
Mitarbeitern unterschiedlicher Professionen ist geprägt
von Wertschätzung, Transparenz, Partizipation,
Entwicklungsförderung und Ressourcenorientierung. Wir
bemühen uns um einen gerechten Zugang zu adäquater
Krankenversorgung für alle Kinder und Jugendlichen in
unserem Versorgungsgebiet.
Zentrale Grundlagen unserer Arbeit sind:
– wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zur Entstehung,
Diagnostik, Vorbeugung und Behandlung kinder- und
jugendpsychiatrischer Störungsbilder,
– das Erfahrungswissen jedes Mitarbeiters,
– Kenntnisse über Beziehungen, Systeme, Strukturen und rechtliche
Rahmenbedingungen.
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