Eröffnungsrede TFA 2011 Es ist für mich eine besondere Freude, Sie zu dieser historischen Veranstaltung, der Verleihung des diesjährigen TFA, begrüßen zu dürfen - herzlichen Dank für Ihr Kommen! Erlauben Sie mir zur Eröffnung dieser Veranstaltung ein paar einleitende Worte. Das Motto des diesjährigen True Family Award ist: "Unsere Kinder brauchen uns - unsere Eltern ebenso". Der erste Teil, "Unsere Kinder brauchen uns", weist auf den Titel des Buches von Prof. Neufeld hin, und der zweite Teil bringt zum Ausdruck, dass wir als Eltern auch unsere Kinder brauchen - für unser Wachstum und unsere persönliche Entfaltung und Selbstverwirklichung. Familie hat für die überwiegende Mehrzahl der Menschen den höchsten Wert. Warum gelingt es aber nur wenigen, ihre Familie als Ort der Freude und Geborgenheit zu erleben? Was verursacht das Abgleiten der Familie in die Enttäuschung, in Neurosen und sogar Gewalt? Warum sind familiäre Beziehungen und die Beziehung zwischen Mann und Frau, die Beziehung zwischen Eltern und Kinder so sehr belastet? In den 60-er Jahren wurde ein Slogan geprägt, der da heißt: "Traue niemandem über 30!" Welche Bezugspersonen sind für Teenager über 30 Jahre alt? Die eigenen Eltern, welche noch dazu für sie verantwortlich sind! Dies war sozusagen ein erfolgreicher Misstrauensantrag gegen Eltern und jede Art von Autoritätspersonen. Damit wurde unseren Kindern, unseren Familien, ja unserer gesamten Gesellschaft das wichtigste Fundament, die Vertrauensbeziehung zwischen Eltern und Kindern, entzogen. Vertrauen ist zu einem raren Gut geworden. Diese Atmosphäre des Misstrauens und der Unsicherheit hat zu einem rasanten Anstieg der Trennungen und Scheidungen geführt. Skepsis und Misstrauen wurde durch Kulturträger und Künstler gefördert, die ein ausschließlich negatives Bild der Familie zeichneten. Sozialwissenschaftler haben diese negative und pessimistische Sicht der Familie zum Lehrsatz erhoben. Familie wurde mit Herrschaft, Zwangsmoral und Unterdrückung verbunden. Alles und jeden kritisch zu hinterfragen und keine allgemeinen Wahrheiten gelten zu lassen, wurde zur obersten Tugend erhoben. Dies führte zu einer allgemeinen Identitätskrise und im Besonderen zur Identitätskrise von Mann und Frau. Unabhängigkeit galt es anzustreben, "I do it my way", wurde zum Leitspruch einer ganzen Epoche. Seither lassen wir nur die eigenen Erfahrungen als ethisch/moralischen Maßstab gelten. Tatsache ist, dass wir uns voneinander entfernt haben, indem wir uns selbst in den Mittelpunkt gestellt haben. Was geschieht, wenn Menschen zusammenarbeiten, welche sich ihrer Identität nicht sicher sind und nur ihre eigenen Interessen verfolgen? Die Zusammenarbeit wird nicht funktionieren. Ihnen fehlen das gemeinsame Ziel und 1 die notwendige Reife. Was passiert, wenn zwei Fragezeichen heiraten? Sie werden zu einem doppelten Fragezeichen, die bald den Sinn ihrer Heirat hinterfragen. Die Überbetonung von Unabhängigkeit und Unverbindlichkeit in unserer demokratischen Gesellschaft ist der Ausdruck einer tiefen Bindungsangst. Wir sind ständig auf der Flucht vor uns selbst und dem Nächsten. Ich möchte nun ihre Aufmerksamkeit auf die Frage nach unserer Identität lenken. Wir denken alle in Bildern und unser Menschenbild entscheidet, wie wir leben und wie wir die Welt erleben. Was ist unser Selbst - und Weltbild? Sind wir, was in den meisten Lehrbüchern steht, ein Homo Sapiens, sind wir denkende Tiere? Aus der Gehirnforschung weiß man, dass der denkende Teil unseres Gehirns nur sehr klein ist. Sind wir vielleicht das Resultat eines unbewegten Bewegers? Dann wären wir nur mechanische Wesen ohne Verantwortung. Kann durch eine Explosion, einen Urknall oder einen unbewegten Beweger ein Mensch mit Bewusstsein und Individualität entstehen? Nach dem Ursache-Wirkung Prinzip ist dies nicht möglich. Das bringt mich zu der Schlussfolgerung, dass die Ursache allen Lebens Bewusstsein hat und eine Persönlichkeit ist! Damit bin ich wieder bei der Bindung angelangt. Die Frage nach Ursache und Sinn unseres Lebens ist keine Glaubensfrage, sondern eine Frage der Beziehung und Bindung. Für jeden von uns wird ein Gegenüber, ein anderes Wesen, erst dann zur Realität und von Bedeutung, wenn wir eine Beziehung zu ihm finden. Oder wie es Saint Exupery im kleinen Prinzen ausdrückt: „Man kennt nur die Dinge, die man zähmt, die man sich vertraut gemacht hat.“ Eingangs habe ich erwähnt, dass das wichtigste Fundament, die Vertrauensbeziehung zwischen Eltern und Kindern verloren ging. Mehr noch, das Vertrauen in den Ursprung allen Lebens, in Gott und damit das Vertrauen in unseren eigenen Wert und in unsere innewohnende Kraft ging auch verloren. Wenn Gottvertrauen wieder Einzug hält in unser Leben, finden die eigene Wahrnehmung und Intuition wieder ihren Platz. Wohlgemerkt, ich spreche hier nicht von Glauben, sondern Vertrauen und einer Erfahrung, die über unsere kategorische Vernunft, einer Idee des Philosophen E. Kant, hinausgeht. Aus der Bindungsforschung weiß man, dass jedes Kind, ja jeder Mensch, Orientierung braucht. An welchen Werten orientieren wir uns? An materiellen Werten? Wir alle haben Bewusstsein und Gewissen und wir denken meist, dass wir das Leben nach bestem Wissen und Gewissen gestalten. Wie viele Dinge tun wir aber in innerer Abwesenheit? Während wir frühstücken, denken wir an all die Termine des Tages. Wenn wir nach Hause kommen und unser Partner und die Kinder uns begrüßen, sind wir in unseren Gedanken noch immer im Büro. Wir sind einfach nicht anwesend! Unser Herz, unsere Gefühle sind gespalten und dadurch tief verletzt und durch die Uneinheit zwischen Geist und Körper, zwischen Denken und Handeln geht nicht nur die meiste Kraft verloren. 2 Warum wird die Familie die Keimzelle der Gesellschaft genannt? An welchem zentralen Ort wird Leben weitergegeben? – Dort, wo die zentralste und intimste Bindung stattfindet, die tiefste Form der Liebe erlebbar ist, zwischen einem reifen Mann und einer reifen Frau. Die Qualität der Beziehung ist also für ein neues Leben der entscheidende Faktor. Wir als Eltern arbeiten hart, um für unsere Kinder die besten Voraussetzungen für das Leben, die besten „Rahmenbedingungen“ zu schaffen. Oft zögern wir aber, ihnen eine persönliche Verbindung zu uns und unserem Leben zu ermöglichen. Um unsere Unsicherheit zu verbergen, vermeiden wir tiefere Gespräche oder halten ihnen oberflächliche Ansprachen. Kinder fordern aber echte Nähe und bringen damit auch jedes Defizit ihrer Eltern zu Tage. Wir sind daher gefordert, selber zu wachsen, geduldiger zu sein und bedingungslose Liebe zu lernen. Wenn wir selber immer wieder bereit sind zu wachsen, kann Familie zu einer gesunden Keimzelle und buchstäblichen Quelle des Lebens werden. Sozialwissenschaftler schwanken beim Thema der Zukunft der Familie zwischen Pessimismus und Zweckoptimismus. Die einen malen den Zerfall der Familie und der Gesellschaft an die Wand. Die anderen versuchen mit zahlreichen Studien zu beweisen, dass Ehe und Familie nach wie vor die häufigste Lebensform ist. Kaum jemand spricht über das Wesentliche, was Familie ausmacht und formt, nämlich die Eltern-Kind Beziehung. Daher ist es für mich eine besondere Freude, Prof. Neufeld heute bei uns zu haben. Er wird aus wissenschaftlicher Sicht über die Bedeutung der Eltern-Kind Bindung sprechen. „Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist heilig“, schreibt Prof. Neufeld in seinem Buch. Wir müssen uns dies immer wieder bewusst machen und diese Heiligkeit wahrlich spüren. Was unsere Gesellschaft heute dringend braucht, sind das Vorbild reifer, wahrer Eltern und Zeugnisse von Familien, welche die Herausforderungen des Lebens als Familie offensichtlich besser meistern als andere. In diesem Sinne ist der TFA für die heute gewürdigten Familien nicht nur eine Anerkennung ihrer Leistungen, sondern auch Ermutigung und Auftrag zugleich, sich weiterhin für die Gesundung der Keimzelle Familie einzusetzen. Ich wünsche Ihnen eine unvergessliche True Family Award Veranstaltung und danke für Ihre Aufmerksamkeit! 3 Toast auf die Familie Die Familie kann als Schule des Lebens betrachtet werden, meinen Philosophen. Wenn dem so ist, ist die Ehe eine Art Elite-Universität. Hier stehen wir vor den schwierigsten Prüfungen, hier können wir am meisten lernen und wachsen – aber auch am meisten empfangen. Eine wichtige Voraussetzung, um in dieser Universität zu graduieren, ist eine bestimmte Reife, in erster Linie aber die Bereitschaft und der Entschluss, sich zu binden. Ich kenne ihre Situation nicht, nur sollten Sie die geringsten Zweifel haben, ob ihr Partner der Richtige ist oder sogar Trennungsgedanken hegen, lassen Sie diese Gedanken rasch los. Diese sind bereits das Problem – oder würden Sie sich von Ihren Kindern scheiden lassen wollen? Tief im inneren Kern der Ehe liegt die herausforderndste Dynamik des Lebens verborgen. Das Beste, was wir für unseren Partner und für unsere Kinder machen können ist daher, uns täglich von neuem mit der Quelle des Lebens zu verbinden – dann wird die Beziehung und Bindung zum Partner und unseren Kindern lebendig sein und wachsen. Denn Bindung ist die Freiheit, auf die man sich verlassen kann! Ich lade Sie jetzt ganz herzlich zu dieser Zeremonie ein: Sie drehen sich zu Ihrem Partner und der Mann nimmt zuerst das Glas. All jene, deren Partner heute nicht anwesend ist, bzw. Singles, können dies im Gedenken an ihren Partner, bzw. zukünftigen Partner tun. Trinken Sie nun die Hälfte und geben Sie das Glas Ihrem Partner, damit er die 2. Hälfte trinken kann. Singles setzen nach der Hälfte ab und trinken dann die 2. Hälfte in Gedenken an ihren Partner, bzw zukünftigen Partner. Herzlichen Dank! 4