Psychodynamische Aspekte beruflichen Belastungserlebens Klaus Peter Krieger und Udo Simson – Gelderland-Klink, Geldern psychische Grundbedürfnisse Bindung Kontrolle Selbstwert Lustgewinn verbunden sein wertvoll sein geliebt sein frei sein (Schulz von Thun) (Grawe) • Erfolg, Ansehen • Bindung an Freunde, Partner, Kinder • soziale Rolle erfüllen • Unabhängigkeit (Maslow 1943) das bio-psycho-soziale Modell der ICF Gesundheitsproblem Gesundheitsstörung oder Krankheit Angststörungen, Depression somatoforme Störungen Essstörungen, Substanzmissbrauch Körperfunktionen und -Strukturen Aktivitäten Umweltfaktoren Wertschätzung? Integration? Handlungsspielraum? Emotionsarbeit? Teilhabe AU / AF EU / LF personenbezogene Faktoren Selbstwertregulation Bindungsmuster Autonomiebestreben Emotionsregulation Das Drei-Säulen-Modell nach Mentzos Selbstwertgefühlregulation reifes Gewissen reifes Idealobjekt reifes Idealselbst ödipales Über-Ich Leitbilder Größenphantasien archaisches Über-Ich Eltern-Imagines Größenselbst (mod. nach Mentzos 2011) Der Glanz in den Augen der Mutter (Kohut) sich die eigene Messlatte nicht zu hoch legen Störungen der Selbstwertregulation im Beruf • • • • • • • Arbeitsverdichtung; „shifting baselines“ ungenügende Ausbildung unrealistische Zielvorgaben geringes Gehalt Arbeitsplatzunsicherheit; Arbeitslosigkeit ausbleibende Beförderung Mehrfachbelastung – Pflege von Angehörigen – Kindererziehung • biologische Faktoren – hohes Alter – somatische Erkrankungen • fehlende Wertschätzung Modell der Gratifikationskrise (effort-reward imbalance model, Siegrist 1996 ) Gehalt Anerkennung Karriere Arbeitsplatzsicherheit Belohnung Anforderungen Verpflichtungen Aufwand Folgen psychischer beruflicher Belastungen • für Gratifikationskrisen und auch Stress im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells konnte ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Depression gezeigt werden (Stansfeld et al. 1999; Kivimäki et al. 2006; Steptoe & Kivimäki 2012) Grundsätzliche Differenzierung arbeits- und berufs- bezogener seelischer Beeinträchtigungen • 1.Berufsbezogene Stressreaktionen (eher geringerer Krankheitswert) • 2. Psychische Störung(Erkrankung) mit berufsbezogenem Auslöser Faktoren der Depressionsgenese nach Mentzos • Im Mittelpunkt steht die gestörte Selbstwertregulation • Das Selbstwertregulationssystem dekom-pensiert z.B. bei fehlender Anerkennung und Bewunderung von außen, Verlust eines geliebten Menschen, Kritik und Verunsicherung „ Ich habe alles gegeben! Jetzt kann ich nicht mehr!“ Therapeutische Antwort: Anerkennung der realen Belastung des Patienten In seinem spezifischen Arbeitskontext! Gefahr: einseitige Identifikation mit der „Opfer-position“ des Patienten und Kampf an seiner Seite gegen die schlimme und unzumutbare Arbeitswelt! AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens-und Erlebensmuster) • Erlaubt Aussagen über gesundheitsförderliche Verhaltensund Erlebensweisen bei der Bewältigung von arbeits- und berufsbezogenen Anforderungen • Mehrdimensionales, persönlichkeitsdiagno-stisches Selbsteinschätzungsverfahren • Erfasst 3 inhaltliche Bereiche: Arbeitsengage-ment, psychische Widerstandskraft, berufsbe- gleitende Emotionen (U.Schaarscmidt,A.W.Fischer) Vorschläge zur Gestaltung von Arbeitsplätzen • Tätigkeiten sollten anspruchsvoll, aber nicht überfordernd sein • gute Leistung sollte mit Erfahrung von Erfolg und sozialer Anerkennung einhergehen (materieller und nichtmateriell) • Tätigkeit sollte mit Sinn erfüllt sein • es sollte ein sicherer Kontext bestehen (modifiziert nach Siegrist 2013) stressverschärfende Denkmuster • Personalisieren – man fühlt sich als Person gemeint, wenn man es nicht ist (z.B. beim mürrischen Gesicht eine anderen) • Sei perfekt! – übertriebener Wunsch nach Selbstbestätigung durch Leistungen – Stress entsteht in Situationen, in denen Misserfolg und Versagen drohen – durch perfektionistisches Leistungsverhalten wird versucht, Fehler um jeden Preis zu vermeiden, was zu Erschöpfung führen kann (Kaluza 2007) Grundelemente der Bindungstheorie • „Bindungsstreben“ – jegliches Verhalten, das darauf ausgerichtet ist, die Nähe eines vermeintlich kompetenteren Menschen zu suchen und zu bewahren • „Fürsorge“ – komplementär zum Bindungsstreben • „Umweltexploration“ – Streben nach Umweltexploration (Bowlby 1995) John Bowlby 1907 -1990 Einfluss elterlichen Verhaltens • Bowlby ging von einem starken Einfluss des elterlichen Verhaltens auf das kindliche Bindungsmuster und nannte folgende Bindungsmuster: – sichere Bindung – ängstlich-ambivalente Bindung – ängstlich-vermeidende Bindung – unstrukturierte Variante der ängstlich-ambivalenten Bindung (Mary Ainsworth 1967) sichere Bindung • die Kinder wissen, dass ihre Eltern ihnen in stress- / angstauslösenden Situationen emotional zur Seite stehen • in den ersten Lebensjahren ist die Bezugsperson feinfühlig auf die Signale des Kindes eingegangen, hat sich ihm liebevoll zugewendet, hat es beschützt bzw. getröstet • der o.g. Rückhalt ist dem Explorationsdrang förderlich ängstlich-ambivalente Bindung • die Kinder wissen nicht, ob und wenn wann ihre Eltern ihnen zur Seite stehen • in den ersten Lebensjahren gab es reale oder angedrohte Trennungen von Bezugsperson oder nur vereinzelt Unterstützung • die o.g. Unsicherheit fördert Trennungsängste und Anklammern; sie ist dem Explorationsdrang nicht förderlich ängstlich-vermeidende Bindung • die Kinder wissen, dass sie von ihren Eltern Ablehnung zu erwarten haben • in den ersten Lebensjahren ist die Bezugsperson ablehnend mit dem Kind umgegangen • die o.g. Ablehnung fördert das Streben nach psychischer Autarkie, so dass die Betroffenen versuchen, auf fremde Hilfe und Zuneigung von außen zu verzichten Störungen des Bindungsstrebens im Beruf • Mobbing – konflikthafte Kommunikation am Arbeitsplatz, – unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, bei der eine Person von einer oder einigen Personen – systematisch oft (mindestens einmal pro Woche) und während längerer Zeit (mindestens über 6 Monate) – mit dem Ziel des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis – direkt oder indirekt angegriffen wird • Zeitarbeit Vorschläge zur Gestaltung von Arbeitsplätzen • Zusammenarbeit sollte transparent und gerecht organsiert sein • es sollte ein sicherer Kontext bestehen (modifiziert nach Siegrist 2013) Wege zum Aufbau von Resilienz • soziale Beziehungen pflegen (vergl. Diegelmann und Isermann 2012) • Supervision • Gruppenpsychotherapie Anforderungs-Kontroll Modell (Demand/Control Model, Kasarek 1979) Arbeitsanforderungen psychological demands Handlungsspielraum decision latitude, control gering hoch low high hoch Unterforderung high low strain harter Job, Bewältigungschance Fähigkeitsentwicklung learning motivation to develop new behavior patterns active gering low Unterforderung, Monotonie passive massiver Stress high strain Fehlbeanspruchung risk of psychological strain and physical illness Arbeitsverhalten (modifiziert nach Neuberger 2006) Regeln befolgen Dienst nach Vorschrift extraproduktives Arbeiten Betriebsziele fördern Betriebszielen schaden kontraproduktives Arbeiten eigenverantwortliches Handeln Regeln verletzen Gelderland-Klinik Vorschläge zur Gestaltung von Arbeitsplätzen • Autonomie, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten sollten gegeben sein (modifiziert nach Siegrist 2013) Wege zum Aufbau von Resilienz • • • • • eigene Ziele anstreben aktiv werden eine breitere Perspektive behalten optimistisch und hoffnungsvoll bleiben für sich sorgen (vergl. Diegelmann und Isermann 2012) Bestandteile der Stressgeschehens Stressaspekt Bewältigungsstrategie Stressoren Stress mindern: Zeitmanagement, Selbstmanagement, Problemlösestrategien, Alltag stressärmer gestalten persönliche Reaktionsmuster kognitive Stress-bewältigung (VT): förderliche Gedanken entwickeln Psychodyn. Psychotherapie Stressreaktion Regeneration: Erholung, Entspannung: Sport, Genießen (modif. nach Kaluza 2007)