STIMMUNGSSCHWANKUNGEN UND HORMONE Workshop 3 16. Riehener Seminar Stimmungsschwankungen Depression und Manie 25.10.2005 Maria Hofecker, Basel Psychiatrische Poliklinik (PUP) am Universitätsspital Basel Chefärztin: Prof. Anita Riecher-Rössler Aus dem Jahresbericht 2004: • 3495 PatientInnen • 28.368 Konsultationen • 784 Konsilien auf somatischen Abteilungen 668 Konsilien auf Notfallstation • 602 Eintritte auf KIS • FEPSY, MU-KI, ADHS, Sozialpsychiatrische Angebote, Angebote für Migranten, Sucht, u.a. Programm • • • • • • Einleitung Nervensystem - endokrines System Hormonsysteme mit Einfluss auf die Psyche Beispiele Möglichkeiten der Beeinflussung Fazit Was verbinden Sie mit den Begriffen Hormone und Stimmung? Stimmung Gedanken- Gefühle -Verhalten Affekte • ernst • • • • • • • • ausgeglichen zufrieden froh „aufgestellt“ begeistert verliebt erregt manisch • • • • • • • • • • kühl distanziert • abgeflacht • gleichgültig • gefühllos traurig unglücklich entsetzt verärgert hoffnungslos leer verzweifelt suizidal Nervensystem und endokrines System • Systeme und Regelkreise, die ineinander greifen und aufeinander abgestimmt sind • chemische Substanzen als Botenstoffe • Bindung an Rezeptoren – postsynaptischer Rezeptor – Hormonrezeptor am Zielorgan Neuronale Transmission • „Reise mit dem Zug auf Schienen“ – Informationsübertragung entlang von Nervenbahnen • „digitaler Modus“ (Alles-oder-Nichts) – rascher Beginn, rasche Beendigung: millisec-sec • kurze Distanzen – synaptischer Spalt: 20-30nm (10-9m) • mehrheitlich willkürliche Reaktionen Hormonale Kommunikation • „Reise mit dem Auto auf Strassen und Wegen“ – via Blutkreislauf praktisch jede Zelle im Körper erreichbar • „analoger“ Modus (graduierlich) – Dauer: min-h-Jahre • lange Distanzen – Übertragungsstrecke: 1mm bis 2m • mehrheitlich unwillkürliche Steuerung Bearbeitung „processing“ Output Input Sinnesorgane ZNS HORMONE Effektororgane Verhalten Hormone und Stimmung: beteiligte Hormonsysteme • • • • • • • Stresshormone - Stressachse Melatonin Schilddrüsenhormone Geschlechtshormone Prolaktin Oxytocin - Vasopressin Wachstumshormon Wechselwirkungen zwischen Hormonen und Stimmung • Stressgedanken • Siegeserleben • Vorfreude • Schilddrüsenüberfunktion • Jet-Lag Stress in der Schwangerschaft: Folgen für das Kind • 3. Trimester und Neugeborenenzeit: vulnerable Periode für Entwicklung der kindlichen Stressachse • starke Ängste und Belastung auf seiten der Mutter Programmiereffekt auf Kind: dauerhaft reduzierte Belastbarkeit • geringe Stressbelastung erhöht Belastbarkeit O‘Connor et al., 2003: Maternal antenatal anxiety and behavioral/ emotional problems in children: a test of a programming hypothesis Stillen entängstigt, Babymassage ebenfalls • zahlreiche Hormone beteiligt: – Prolactin, Östrogene, Progesteron, Oxytocin, Vasopressin, Insulin, Wachstumshormon, Cortisol • während des Stillens: – Unterdrückung von Stress, Vagotonus – Oxytocin u. Prolactin anxiolytisch u. beruhigend • Babymassage: – erhöht Oxytocin bei Mutter und Kind • Streicheln, Hautkontakt, Halten: – in jedem Alter regulative Effekte auf Hormone und Stimmung Soziales Verahlten, Paarbeziehung, Eltern-Kind-Bindung Insel TR, Young LJ, 2001: The neurobiology of attachment • Oxytocin, Vasopressin, Dopamin, Endomorphine, Belohnungssystem • abhängige, zwanghafte Verhaltenskomponenten • soziales Gedächtnis, Partnerpräferenz, Initiierung der Bindung zum Kind • Saugen an Brustwarze, Anblick des Kindes • stimmungsaufhellend, entspannend • Hormonuhren, Biorhythmen, Chronobiologie Circa = ungefähr: – ciratidal (12h), circadian (24h), circalunar (29,5d), circaannual (365d) und längere Zyklen • Schlafendokrinologie: – GH und Cortisol als Gegenspieler • Jet Lag: Licht u. Melatonin als Zeitgeber • Anorexia nervosa – chronischer Nahrungsmangel unterdrückt Zyklen • Depressive Erkrankungen – veränderte Stressachse – Schlafstörungen bei Depression – Saisonale Depression, Lichttherapie Menstruationszyklus nach Thorneycroft et al., 1971 Geschlechtshormone und Gehirn Funktionen Neuromodulatoren: – Östrogene: • antidopaminerg? • serotonerg? – Progesteron: • anxiolytisch? • antiepileptisch? – Testosteron: • aktivitätssteigernd? Positive Effekte • Östrogen -Neuroprotektionshypothese Negative Effekte • Hypoöstrogenhypothese • Fluktuationshypothese • Progesteronhypothese • Testosteronhypothese Geschlechtsunterschiede bei psychischen Krankheiten • häufiger bei Frauen: – – – – – – Depressionen Angststörungen Ess-Störungen Suizidversuche Selbstverletzung häufiger in Opferrolle bei Gewalt oder sexuellem Missbrauch • bei Männern häufiger: – Alkoholismus – Drogenmissbrauch – antisoziale Persönlichkeitsstörung – vollendete Suizide – häufiger in Täterrolle bei Gewalt und sexuellem Missbrauch Affektive Störungen, die nur bei Frauen vorkommen • Prämenstruelle dysphorische Störung: PMS - LLPDD - PDD • • • • • Baby Blues peripartale Depression postpartale Psychose Perinatale Psychiatrie perimenopausal: Spätschizophrenie Androgene und affektive Störungen • Missbrauch anaboler Steroide bei Bodybuildern • Wirkungen – Muskelaufbau (Kräftegewinn etwa 5%), Kampfgeist, Euphorie, High-Gefühle, vermehrte Energie u.a. • Nebenwirkungen – Depression, Feindseligkeit, Aggression, psychotische Symptome, kognitive Defizite, Abhängigkeit – Krebs, endokrine Dysfunktionen, Immunsuppression, Herzerkrankungen, • Häufigste Todesursachen – Herzinfarkt, Suizid (nach abruptem Absetzen) Sind Frauen anders depressiv als Männer? Therapiemöglichkeiten - 1 • Substitution – natürliche versus synthetische Hormone – pulsatile Ausschüttung • Suppression Geschlechtshormone und Stimmung Yonkers KA, Bradshaw KD, Halbreich U, 2000 Östrogen • 40-400 pg/ml während Zyklus • Serotonin, MAO • 17ß-Östradiol, Östron (Ovarzellen, Androstenedion) • stimmungsaufhellender Effekt unter Therapie ohne längerfristigen Effekt • PPD, PMDD, chirurgische Menopause Progesteron • 1-50mg/ml in Lutealphase • GABA-BD-Rezeptor, Serotonin • Progesteron, Allopregnanolon (Corpus luteum) Östrogene können hilfreich sein bei Verstimmungen prämensturell und postnatal (17ß-Östradiol) und nach chirurgisch induzierter Menopause. Psychopharmakotherapie bei Frauen und Männern • Medikamentenspiegel in Follikelphase höher als in Lutealphase • Prolaktinanstieg unter Neuroleptika • Spätdyskinesien, Akathisie, Parkionsonsyndom durch Neuroleptika, sowie BB-Veränderungen (Agranulozytose) bei Frauen häufiger Therapiemöglichkeiten - 2 • Biologische Massnahmen – natürliche Biorhythmen unterstützen – Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Schlaf, Zuwendung, soziale Vernetzung u.a.) • Psychologische bzw. kognitive Massnahmen – Psychotherapie: Gedankenstress vermindern – Psychoedukation – Entspannungsmethoden Fazit • zahlreiche und komplexe Wechselwirkungen zwischen Hormonen und Stimmung • grösstenteils noch unentschlüsselt • Hormone verdienen in der Psychiatrie deutlich mehr Beachtung: • SOZIALE NEUROWISSENSCHAFT • NEUROENDOKRINOLOGIE DES EMOTIONALEN UND SOZIALEN VERHALTENS