Stichwort „Priming“ Lorenz Sichelschmidt Constanze Vorwerg 20. Januar 2005 Priming – was ist das? allgemein to prime: to prepare, to instruct in advance (esp. in how to ask or answer difficult questions) z.B. "The witness at the trial had been carefully primed by defence lawyers.“ priming: the preparation of a system for functioning Übersetzungsvorschläge: Vorbereitung, Grundierung, Zündung… spezifisch priming: Voraktivierung (in der kognitionswissenschaftlichen Domäne) Priming – was ist das? Verschiedene Definitionen von Priming Lashley (1960: 498): “... subthreshold activation of a whole system of associations.“ Grimm & Engelkamp (1981: 41): “... bedeutet, dass durch die Produktion eines Wortes alle diejenigen Wörter in Bereitschaft gestellt, ‚vorgewärmt‘ werden, zu denen dieses Wort assoziative Beziehungen hat.“ Rickheit, Sichelschmidt & Strohner (2002: 42): „... ein Zeitmessungsverfahren, das sich auf Zeitdifferenzen, genauer: auf Reaktionszeit-Vorteile, richtet.“ Priming – was ist das nun wirklich? Arbeitsdefinition von Priming Priming bei der Sprachverarbeitung ist ein lokaler, kurzfristiger Kontexteffekt: Die Verarbeitung eines Kontext-Stimulus („prime“) beeinflusst die Verarbeitung eines nachfolgenden Ziel-Stimulus („target“). Priming als... Methode – eine experimentelle Verfahrenstechnik in der Kognitionswissenschaft Phänomen – ein bei Informationsverarbeitung auftretender Effekt (Explanans und Explanandum). 1 Priming als Methode Priming als Phänomen Der Priming-Prozess Erklärungsansätze für Priming Anwendungsbereiche von Priming Priming als Methode Hintergrund: Erforschung kognitiver Prozesse 1. Problem: Kognitive Prozesse sind nicht direkt beobachtbar. Sie sind lediglich über Input-Output-Korrespondenzen (Stimulus-Response-Korrespondenzen) zu erschließen. S ? (vgl. Scharlau, Ansorge & Neumann, 2003) R Priming als Methode Hintergrund: Erforschung kognitiver Prozesse 1. Problem: Kognitive Prozesse sind nicht direkt beobachtbar. Sie sind lediglich über Input-Output-Korrespondenzen (Stimulus-Response-Korrespondenzen) zu erschließen. S ? (vgl. Scharlau, Ansorge & Neumann, 2003) R Priming als Methode Hintergrund: Erforschung kognitiver Prozesse 2. Problem: Prozesse sind über ihr Ergebnis nur unzureichend rekonstruierbar. Prozessanalysen erfordern Maße, die während der Verarbeitung (‚on line‘) erhoben werden. S REAKTIONSZEIT R Priming als Methode Hintergrund: Erforschung kognitiver Prozesse 2. Problem: Prozesse sind über ihr Ergebnis nur unzureichend rekonstruierbar. Prozessanalysen erfordern Maße, die während der Verarbeitung (‚on line‘) erhoben werden. S REAKTIONSZEIT R Priming als Methode Hintergrund: Erforschung kognitiver Prozesse 3. Problem: Prozessverläufe sind über Reaktionszeiten nur pauschal erschließbar. Genaue Untersuchungen erfordern differenziertere Analysen („additive factors“-Ansatz). S REAKTIONSZEIT (vgl. Sternberg, 1966) R Priming als Methode Hintergrund: Erforschung kognitiver Prozesse 3. Problem: Prozessverläufe sind über Reaktionszeiten nur pauschal erschließbar. Genaue Untersuchungen erfordern differenziertere Analysen („additive factors“-Ansatz). S REAKTIONSZEIT (vgl. Sternberg, 1966) R Priming – das Prinzip Messung von Reaktionszeit-Differenzen „Priming-Effekt“: Reaktionszeit-Differenz als Maß für den Einfluss eines Kontext-Stimulus („prime“) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus („target“). S (target) (vgl. Neely, 1991) Priming – das Prinzip Messung von Reaktionszeit-Differenzen „Priming-Effekt“: Reaktionszeit-Differenz als Maß für den Einfluss eines Kontext-Stimulus („prime“) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus („target“). K (prime) S (target) Priming-Effekt (vgl. Neely, 1991) Priming-Paradigma Beispielaufgabe: Lexikalische Entscheidung Bei Darbietung des Target-Stimulus so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es ein Wort ist ( ) oder nicht ( ). Ruwe t Priming-Paradigma Beispielaufgabe: Lexikalische Entscheidung Bei Darbietung des Target-Stimulus so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es ein Wort ist ( ) oder nicht ( ). Löwe t Priming-Paradigma Beispielaufgabe: Lexikalische Entscheidung Bei Darbietung des Target-Stimulus so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es ein Wort ist ( ) oder nicht ( ). Target Löwe R RT (reaction time) t Priming-Paradigma Beispielaufgabe: Lexikalische Entscheidung Bei Darbietung des Target-Stimulus so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es ein Wort ist ( ) oder nicht ( ). Tiger t Priming-Paradigma Beispielaufgabe: Lexikalische Entscheidung Bei Darbietung des Target-Stimulus so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es ein Wort ist ( ) oder nicht ( ). Löwe t Priming-Paradigma Beispielaufgabe: Lexikalische Entscheidung Bei Darbietung des Target-Stimulus so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es ein Wort ist ( ) oder nicht ( ). Prime semantische Relation Tiger SOA (stimulus onset asynchrony) Target Löwe RT (reaction time) R priming effect t Der Priming-Effekt Verarbeitungs-Unterschied („Zeitersparnis“) Die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target) modifizierender Effekt eines bestimmten Kontext-Stimulus (Prime). Manifestiert sich meist als Verarbeitungszeit-Ersparnis; erlaubt Aussagen über Informationsverarbeitungsprozesse. z.B. RT(Löwe): RT(Löwe) nach Tiger: RT(Löwe) nach Möwe: 676 ms 632 ms 639 ms (fiktive Zahlen) RT (Löwe) – RT (Tiger Löwe) semantischer Primingeffekt 44 ms RT (Löwe) – RT (Möwe Löwe) phonologischer Primingeffekt 37 ms Der Priming-Effekt Verarbeitungs-Unterschied („Zeitersparnis“) Die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target) modifizierender Effekt eines bestimmten Kontext-Stimulus (Prime). Manifestiert sich meist als Verarbeitungszeit-Ersparnis; erlaubt Aussagen über Informationsverarbeitungsprozesse. z.B. RT(Löwe): RT(Löwe) nach Tiger: RT(Löwe) nach Möwe: 676 ms 632 ms 639 ms (fiktive Zahlen) RT (Löwe) – RT (Tiger Löwe) semantischer Primingeffekt 44 ms RT (Löwe) – RT (Möwe Löwe) phonologischer Primingeffekt 37 ms Priming missverständlich Nicht immer wird Priming in der Literatur unmissverständlich dargestellt Rickheit & Strohner (1993: 112): „...führt die Versuchsperson während der Sprachverarbeitung eine Zusatzaufgabe durch, und die hierfür benötigte Reaktionszeit wird als Hinweis für die Aktivierung gemessen. Der Stimulus, dessen Aktivierung erschlossen werden soll, wird Prime genannt. Der Stimulus, der die Zusatzaufgabe hervorruft, heißt Target.“ 2 Priming als Methode Priming als Phänomen Der Priming-Prozess Erklärungsansätze für Priming Anwendungsbereiche von Priming Priming-Varianten Andere Prime-Target-Relationen phonologische bzw. graphemische Prime-Target-Relation (z.B. Mathey, Robert & Zagar, 2004) Prime phonologische Relation Möwe SOA (stimulus onset asynchrony) Target Löwe RT (reaction time) R priming effect t Priming-Varianten Andere Prime-Target-Relationen neutrale Relation, etwa durch ‚Null‘-Prime [ ], NichtWort- [KTXO] oder Pseudowort (z.B. Rodd, 2004) Prime neutrale Relation Muwe SOA (stimulus onset asynchrony) Target Löwe RT (reaction time) R priming effect t Die Priming-Technik auf einen Blick Effekt eines Kontext-Stimulus (Prime) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target). Informativ ist vor allem der... Vergleich verschiedener Prime-Target-Relationen (z.B. neutral vs. semantisch) Prime Target neutral semant. Priming-Effekt Prime-Target-Relationen Welche Relationen führen zu Priming-Effekten? Wiederholungspriming (direktes Priming) phonologisches oder orthographisches Priming syntaktisches Priming semantisches Priming • Synonyme • "semantische" vs. "assoziative" Relationen • Homonymie und Polysemie crossmodales Priming ( Wort-Bild-Interferenz) perzeptives Priming und konzeptuelles Priming (Lernen) affektives Priming Primes für die Maus Sprachliches Priming: „Maus“ wird geprimt durch… Wiederholungs-Priming Phonologisches Priming Orthographisches Priming Syntaktisches Priming Assoziatives Priming Semantisches Priming Evaluatives Priming MAUS HAUS HANS HIER KOMMT DIE… ELEFANT KATZE IGITT! Modalitätsübergreifendes Priming Gesprochen - geschrieben Bildliches Priming /maus/ Priming-Varianten Priming: Der Effekt eines Kontext-Stimulus (Prime) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target). Dabei zahlreiche Realisierungsmöglichkeiten in Bezug auf... Aufgabe (Art der Reaktion auf Target) Prime Target Reakt. Priming-Effekt Variation der Aufgabe Lexikalische Entscheidung (Wort / Nicht-Wort) über… ja / nein (z.B. Meyer & Schvaneveldt, 1971) go / no-go (z.B. Perea, Rosa & Gomez, 2002) Semantische Entscheidung (Validierung), etwa zu... ⊕ ⊝ belebt / unbelebt (z.B. Raaijmakers, 2004) ⊕ ⊝ richtig / falsch (z.B. Halldorson & Singer, 2001) Verbalisieren ( ) je nach Target als… CAT lautes Lesen (z.B. Schiller, 2004) Bildbenennen (z.B. Meyer, Roelofs & Levelt, 2003) diverse andere, darunter Silbenschätzen (z.B. Damian & Rahman, 2003) Evaluation (z.B. Storbeck & Robinson, 2004) Priming-Varianten Priming: Der Effekt eines Kontext-Stimulus (Prime) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target). Dabei zahlreiche Realisierungsmöglichkeiten in Bezug auf... Aufgabe (Art der Reaktion auf Target) Prime-Präsentation Prime Maske Target Priming-Effekt Variation der Prime-Präsentation Komplexität des Kontext-Stimulus * Wort-Prime (z.B. Ferretti, McRae & Hatherell, 2001) ** Satz-Prime (z.B. Ferretti, McRae & Hatherell, 2001) *** Text-Prime (z.B. Halldorson & Singer, 2002) Salienz des Kontext-Stimulus f Prime-Frequenz (z.B. Borowsky & Besner, 1993) P Signal-Rausch-Kontrast (z.B. Balota & Paul, 1996) Maskierung des Kontext-Stimulus Prime-Überlagerung (z.B. Lupker & Kinoshita, 2003) Verarbeitung des Kontext-Stimulus ? Umgang mit Prime (z.B. Butler, Berry & Helman, 2004) Priming-Varianten Priming: Der Effekt eines Kontext-Stimulus (Prime) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target). Dabei zahlreiche Realisierungsmöglichkeiten in Bezug auf... Aufgabe (Art der Reaktion auf Target) Prime-Präsentation Dauer der SOA (stimulus onset asynchrony) Prime Target SOA Priming-Effekt Die Priming-Technik auf einen Blick Effekt eines Kontext-Stimulus (Prime) auf die Verarbeitung des Ziel-Stimulus (Target). Informativ ist vor allem der... Vergleich verschiedener Prime-Target-Relationen (z.B. neutral vs. semantisch) Vergleich verschiedener SOAs (Intervall zwischen Prime- und Target-Beginn) Prime Target Priming-Effekt 3 Priming als Methode Priming als Phänomen Der Priming-Prozess Erklärungsansätze für Priming Anwendungsbereiche von Priming Grundannahme Verarbeitung heißt: Aktivierung. Sobald ein Wort gelesen wird, werden automatisch die entsprechenden Wortknoten (im mentalen Lexikon) und die entsprechenden Begriffsknoten (im semantischen Gedächtnis) aktiviert. Sobald ein Wort gelesen... Der Priming-Prozess Wann und wie lange wirkt ein Prime? Vergleich des Priming-Effekts bei verschiedenen SOAs erlaubt Rückschlüsse auf den Zeitverlauf von Aktivierung. Ein Priming-Effekt heißt: Zum Zeitpunkt der Verarbeitung des Targets war die Aktivierung des Prime hoch. Priming-Effekt Der Priming-Prozess Wann und wie lange wirkt ein Prime? Vergleich des Priming-Effekts bei verschiedenen SOAs erlaubt Rückschlüsse auf den Zeitverlauf von Aktivierung. Kein Priming-Effekt heißt: Zum Zeitpunkt der Verarbeitung des Targets war die Aktivierung des Prime noch nicht oder nicht mehr hoch. Priming-Effekt Vergleich verschiedener SOAs Priming-Effekt: 300 ms 600 ms 2000 ms Maximum bei lexikalischer Entscheidung bei ca. 600 ms (Neely, 1976) Vergleich verschiedener SOAs Priming-Effekt: Aber nicht nur bahnende Effekte („Zeitersparnis“), sondern auch hemmende („negatives Priming“). (Neely, 1976) Außerdem: Unterschiedliche Maxima für unterschiedliche Priming-Arten (vgl. Logan, 1990). Ist Priming automatisch? „Semantisches Priming ist ein automatischer Prozess“ Dafür spricht: Die Aufgabe „lexikalische Entscheidung“ erfordert keinerlei semantische Analyse Auch bei sehr kurzen SOAs (ca. 30 ms) PrimingEffekte; das reicht nicht für bewusste Analyse. Dagegen spricht: Die Aktivierungsverläufe können durch Erwartungen beeinflusst werden. Auch bei semantisch nicht verwandten Stimuli sind Priming-Effekte zu beobachten. Ist Priming automatisch? Neely (1977): Manipulation von Erwartungen: „Wenn BODY erscheint, kommt als Testwort ein Gebäude“ erwartet: BODY - DOOR unerwartet, aber verwandt: BODY – KNEE Ergebnis: Bei erwarteten Stimuli: positives Priming bei kurzer SOA und bei langer SOA. Bei unerwarteten Stimuli: positives Priming bei kurzer SOA, negatives Priming bei langer SOA. Bei priming automatische und kontrollierte Prozesse: automatisch: Aktivationsausbreitung; kurzfristig kontrolliert: Erwartungssteuerung; langfristig 4 Priming als Methode Priming als Phänomen Der Priming-Prozess Erklärungsansätze für Priming Anwendungsbereiche von Priming Erklärungsansätze zu Priming Unterscheidung direktes Priming = Wiederholungspriming (identische Stimuli) indirektes Priming = assoziatives Priming (verschiedene Relationen) „The two kinds of priming do not seem to have much in common” (Tulving & Schacter, 1990: 305). „Interestingly, associative and repetition priming differ considerably in their time course” (Humphreys, 1994: 282) Erklärungsansätze zu Priming Wiederholungspriming assoziatives Priming auch bei längerem Intervall zwischen Prime und Target (1 Tag .. 1 Jahr) nur bei kurzem Intervall zwischen Prime und Target (bis ca. 5 s) Effekte sind additiv (Wilding, 1986) „These results suggest that associative and repetition priming reflect different processes. Associative priming may reflect temporary activation within an associative or contextual recognition system. Repetition priming may reflect longer term persistence within a perceptual recognition system.“ (Humphreys, 1994: 282) Erklärungsansätze zu Priming Perzeptives Priming (direktes Priming) Aufgabe z.B. fragment completion, Erkennung von Wörtern oder Objekten bei kurzer Präsentation unbewusste Form des menschlichen Gedächtnisses, zur Erkennung von Wörtern und Objekten (Tulving & Schacter, 1990) implizites Gedächtnis: weitere Gedächtnisform neben semantischem, episodischem und prozeduralem Gedächtnis perzeptives Repräsentationssystem (PRS) auf präsemantischer Ebene (dabei Subsysteme) Wiederholungspriming ist i.d.R. wesentlich größer innerhalb derselben Modalität als zwischen Modalitäten perzeptive Erkennungssysteme modalitätsspezifisch Erklärungsansätze zu Priming Konzeptuelles Priming (direktes Priming) Aufgabe z.B. Beispiel für semantische Kategorie nennen (Vogel Adler; Assoziationen zwischen unrelatierten Wörtern) Modifikation des semantischen Gedächtnisses semantisches Lernen (Tulving & Schacter, 1990) Assoziatives Priming Assoziatives Priming (indirektes Priming) Prime dient als Kontext für Target; temporäre Aktivierung innerhalb eines assoziativen oder kontextuellen Erkennungssystems (Humphreys, 1994) (vgl. McNamara & Holbrook, 2003) Assoziatives Priming: Erklärung Hintergrund ist eine Theorie der Struktur des semantischen Gedächtnisses (Collins & Loftus, 1975). Grundannahmen: 1. 2. 3. 4. 5. Konzepte sind netzartig, doch nicht hierarchisch strukturiert. Zusammen mit einem Konzept sind dessen semantische Merkmale gespeichert. Die Konnektionen der Konzepte repräsentieren Assoziationsstärken. Wird ein Konzept aktiviert, breitet sich die Aktivierung entlang der Kanten auf Nachbarknoten aus. Die Aktivierung eines Konzepts verfällt im Lauf der Zeit. Klassisch: Aktivierungsausbreitung „spreading activation“ – Aktivierungsausbreitung (Collins & Loftus, 1975) Struktur des semantischen (Langzeit-) Gedächtnisses: Konzepte als Knoten in Netzwerk repräsentiert, Merkmale als differenzierte (‚labeled‘) relationale Verbindungen (Pointer) vom Knoten zu anderen Konzeptknoten, Verbindungen sind selbst Konzepte Priming: Aktivierung eines Konzepts führt zu einer sich entlang der Verbindungen ausbreitenden Aktivierung (unbestimmter Tiefe) mit abnehmendem Gradienten (umgekehrt proportional zur Assoziationsstärke), Zusatzannahmen: Aktivierungsabnahme mit Zeit, Schwellwert für das Feuern, Summation der Aktivierung Priming durch Aktivierungsausbreitung Collins & Loftus (1975) 1. 2. 3. Sobald das Kontextwort gelesen wird, werden automatisch die entsprechenden Wort- bzw. Begriffsknoten aktiviert. Wenn das Target mit dem Prime verbunden ist (direkt oder über wenige ‚Zwischenstationen‘), kann sich Aktivierung vom Prime in Richtung Target so schnell ausbreiten, dass der dem Target entsprechende Begriffsknoten voraktiviert wird. Wenn dann das Zielwort gelesen wird, wird dieses wegen der Voraktivierung schnell als Wort erkannt. Alternativ: Gedächtnisabruf „retrieval“ – Gedächtnisabruf (Ratcliff & McKoon, 1988; Dosher & Rosedale, 1989) Struktur: Aktuelle Inhalte im Arbeitsgedächtnis (KZG) haben Relation mit bestimmter Stärke zu entsprechenden Elementen im Langzeitgedächtnis (LZG). Kombination multipler Cues (Hinweisreize) im KZG zu einem komplexen, integrierten Cue. Priming: Bei Abruf wird Cue im KZG mit Information im LZG verglichen (globaler, passiver Prozess); Prime dient als Abrufhilfe. Zusatzannahmen: Erkennung basiert auf Vertrautheitsurteil zu komplexem Cue; beeinflusst RT. Priming durch „compound cue“ Ratcliff & McKoon (1988) Konzepte im Arbeitsgedächtnis bilden einen ‚compound retrieval cue‘, der mit allen Inhalten des Langzeitgedächtnisses abgeglichen wird. Infolge dieser cue-Bildung werden semantisch verbundene Prime-Target-Paare leichter aus dem LTM abgerufen als unverbundene. Die Leichtigkeit des Abrufs wird über Konnektionen unterschiedlicher Stärke zwischen STM- und LTM-Inhalten modelliert: Besonders stark sind Konnektionen zwischen STMInhalten und den semantisch mit ihnen assoziierten LTM-Inhalten. Je höher die Summe aller Konnektionsstärken, desto deutlicher fällt der Priming-Effekt aus. Priming durch „compound cue“ Empirische Indizien für den ‚compound cue‘-Ansatz (Ratcliff & McKoon, 1988): Versuchspersonen lasen Passagen wie The still life would require great accuracy. The painter searched many days to find the color most suited to use in the painting of the ripe tomato. Dadurch wurden spezifische Eigenschaften von Tomaten ‚geprimt‘ (tomatoes are red), irrelevante aber nicht. Kritische Einwände gegen den ‚compound cue‘-Ansatz (Walenski, 2003): Nimmt für alle items gleiche Zahl von Konnektionen an. Führt bei Wiederholungs-Priming zu falschen Resultaten. Semantisches Priming Semantisches Priming (indirektes Priming) 3 theoretische Mechanismen (Neely, 1991): "automatic spreading activation" (ASA): automatische interne Erregungsausbreitung entlang assoziativer und semantischer Pfade; auch bei kurzem SOA "expectancy-based priming": von bewussten Erwartungen und Strategien abhängige kontrollierte Erregungsausbreitung (z.B. Anderson, 1983); nur bei längerem SOA (Effekte der Informativität des Primes) "post-lexical": postlexikalische Prozesse, z.B. Integration von Prime- und Targetinformation Offene Fragen Was ist mit der Annahme von Aktivierungsausbreitung oder von Konnektionsstärken gewonnen? Wie ist das Zusammenspiel von automatischen und kontrollierten Prozessen zu modellieren? Woran ist der Unterschied semantisch – assoziativ empirisch und theoretisch festzumachen? Wie verhält sich (kurzfristiges) Priming zu (längerfristiger) Habituierung („routinization“)? Welches Kontext-Konzept steckt hinter der hier propagierten Definition von Priming als Kontexteffekt? Noch mehr offene Fragen Symmetrie bei Priming? Negative SOAs? Erklärungen für „backward priming“? Reichweite von „remote priming“? Ist syntaktisches Priming wirklich syntaktisch? und und und… 5 Priming als Methode Priming als Phänomen Der Priming-Prozess Erklärungsansätze für Priming Anwendungsbereiche von Priming Einige Anwendungsbereiche Verarbeitung von (lexikalischer oder syntaktischer) Ambiguität Worterkennung Leseforschung (Kontexteinflüsse, Inferenz) Sprachproduktion (Objektbenennung, lexikalischer Zugriff) kognitive Verarbeitung bei bestimmten Erkrankungen (z.B. Aphasie, Schizophrenie) selektive Aufmerksamkeit Bilingualität (mentales Lexikon, lexikalischer Zugriff) Dialog Beispiel: Ambiguität Zahlreiche übereinstimmende Evidenzen (z.B. Swinney, 1979), dass bei Homonymen zunächst alle Bedeutungen aktiviert werden: Es gibt Priming-Effekte z.B. bei SCHLOSS – KETTE und auch bei SCHLOSS – PALAST. Erst bei SOAs > 500 ms setzt kontextspezifische Hemmung ein. Beispiel: Textverstehen Priming und Textrezeption (Keenan & Jennings, 1995) Im ‚Konstruktions-Integrations‘-Ansatz (Kintsch 1988) werden zwei Mechanismen postuliert, um Konzepte zu aktivieren, die nicht explizit im Diskurs angesprochen werden: Assoziation und Inferenz (hier: „word-based priming“) Konsolidierung (hier: „text-based priming“) Word-based priming setzt in der Konstruktionsphase früh und abrupt ein; die Effekte sind kurzlebig. Text-based priming setzt in der Integrationsphase spät und allmählich ein; es hat langfristige Effekte. Beispiel: Textverstehen KonstruktionsIntegrationsAnsatz (nach Kintsch, 1988) (aus Rickheit, Sichelschmidt & Strohner, 2002) Beispiel: Textverstehen Keenan & Jennings (1995) Die Bank hat keine Zweigstellen. Text-basedpriming: Word-basedpriming: (bank, sitzen) (bank, geld) Sitzgelegenheit geblockt Geldinstitut konsolidiert (vielen Dank an Philip Schröder!) Priming und Dialog: Pickering & Garrod Alignment as a result of a largely automatic process Priming syntaktischer Strukturen im Dialog (Branigan, Pickering & Cleland, 2000) vergleichbar zu Priming bei isolierter Satzproduktion (Bock, 1986) Priming im Dialog: Verarbeitung einer Äußerung aktiviert bestimmte Repräsentation und erhöht so die Wahrscheinlichkeit, dass die Person in der Folge eine Äußerung produziert, welche auf dieser Repräsentation beruht Ein ressourcenfreier und automatischer Prozess Aktivierung ähnlicher Repräsentationen: Alignment auf verschiedenen Ebenen Priming und Dialog: Pickering & Garrod Alignment as a result of a largely automatic process Priming aktiviert Repräsentationen (nicht nur Verstehensoder Produktionsprozeduren) Priming läuft auf verschiedenen Ebenen ab (lexikalisch, syntaktisch etc.) Alignment auf einer Ebene führt zu Alignment auf einer anderen Ebene (gleiche Wortwahl oder semantische Relationen verstärken syntaktisches Priming) Aber: „fully specified theories of how such priming operates are not available for all levels“ (Pickering & Garrod, 2004: 176) Priming: zentraler Mechanismus bei Alignment Literatur (1) Anderson JR (1983). 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