0_-_6_Jahre - Hartmut Kasten

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Die frühe Kindheit (0-6 Jahre)
Entwicklungspsychologische
Grundlagen und
frühpädagogische Konsequenzen
Der „rote Faden“ - Gliederung des
Vortrags
Das kleine Einmaleins –
Entwicklungspsychologische und
frühpädagogische Grundbegriffe
Chronologische Orientierung an
Entwicklungsabschnitten (Fötus,
Kleinkind, Kindergartenkind,
Vorschulkind)
Selektion auf ausgewählte
Funktionsbereiche Präsentation
entwicklungspsychologischer
Befunde und Diskussion ihrer
frühpädagogischen Konsequenzen
Für den Altersabschnitt frühe Kindheit
bedeutsame entwicklungspsychologische und
frühpädagogische Konzepte und Begriffe
Entwicklungsaufgaben
Wechselwirkungen Anlage + Umwelt, Epigenetik
Reifung – Prägung – Lernen
Sensible Entwicklungsphasen
Zone der proximalen Entwicklung
Bonding
Bindung + Bindungsqualität
Kritische Lebensereignisse + Coping
Motoren der Entwicklung: Motivation + Interesse
Für den Altersabschnitt frühe Kindheit
bedeutsame entwicklungspsychologische und
frühpädagogische Konzepte und Begriffe (2)
Risiko- und Schutzfaktoren in der
Entwicklung, Resilienz
Entwicklungsstörungen
Zuwendungs- und Orientierungsreaktion
Neuropädagogik und Hirnforschung
Bindung und Bildung
Bedeutung von Zeit und Zuwendung
Säuglinge sind Traglinge
Kinder brauchen Zeit und Zuwendung
Entwicklungsaufgaben in den
ersten drei Lebensjahren
- Physiologische Stabilität und Rhythmen aufbauen
-
(Spannungsregulation; Schlaf-Wach-Zyklen)
Selbständig Nahrung aufnehmen
Körperausscheidungen kontrollieren
Abstillen, Entwöhnen
Bonding und Bindung ausgestalten
Laufen lernen
Sprechen lernen
Begriffe und Vorstellungen erwerben
(Symbolgebrauch)
Abnabeln (symbiotische Beziehung lösen )
Entwicklungsaufgaben in den
nachfolgenden drei Jahren
- Aufbau des Ich und des Selbstkonzeptes
- Gut und Böse unterscheiden lernen
(„Gewissen“)
- Bindungen zu weiteren Bezugspersonen
ausbauen und gestalten
- Innenwelt und Außenwelt differenzieren
- Schein und Sein unterscheiden
- Differenzierung zwischen sozialem
Umfeld und physischer Umgebung
- Geschlechtsrollen differenzieren
Anlage und Umwelt
Was ist wichtiger für die individuelle
Entwicklung? Die Anlagen oder die
Umwelteinflüsse?
Wie groß ist z. B. der Anteil der vererbten
Anlagen bei der körperlichen Entwicklung
(Körperbau, Muskulatur),
bei der kognitiven Entwicklung (z.B.
Intelligenz),
bei der emotionalen Entwicklung (z.B.
Temperament), und
bei der sozialen Entwicklung (z.B. Geselligkeit)
?
Anlage und Umwelt können nicht
auseinanderdividiert werden
Es bestehen immer enge Anlage-UmweltWechselwirkungen, die im Detail noch
lange nicht hinreichend erforscht sind
Erst seit einigen Jahren weiß man, das
epigenetische Prozesse als
Vermittlungsglied zwischen Anlage- und
Umweltfaktoren eine bedeutsame Rolle
spielen.
Drei Arten der Wechselwirkung (WW), die
in der Entwicklung aufeinander aufbaue,
sind:
Drei Arten der Wechselwirkung
(WW)
- Passive (ohne Initiative des Kindes in Gang
gebrachte) WW – vorwiegend in den ersten
Lebensmonaten
- Vom Kind provozierte WW – im 2.
Lebenshalbjahr immer häufiger
- Aktive, vom Kind (mit)gestaltete AnlageUmwelt-WW – schon vom 2. Lebensjahr an
Hervorhebenswert im Wechselspiel zwischen
Anlage- und Umweltfaktoren ist zum einen (1)
die Rolle der engen Bezugspersonen des
Kindes zum anderen (2) das Kind selbst, das
im Laufe des Heranwachsens zunehmend
aktiver das Wechselspiel mitbestimmt.
Die Macht der Gene – oder doch
nicht?
Eineiige Zwillinge, die gemeinsam
aufwachsen oder separat bei
Adoptiveltern
Wenn sie im Alter von 25 Jahren
miteinander verglichen werden
Welches Zwillingspaar ähnelt sich mehr
zu diesem Zeitpunkt (z.B. im Hinblick auf
Persönlichkeitsmerkmale, Intelligenz)?
Begriffsklärung:
Reifung, Prägung und Lernen
Reifung erfolgt aufgrund
genetischer Programme
Prägung bedeutet relativ
dauerhafte Verfestigung von
Strukturen (Irreversibilität?)
Lernen heißt Erwerb neuer
Kompetenzen aufgrund von
Erfahrungen
Sensible Phasen
Werden aufgrund innerer
Reifungsprozesse meist
schubartig in Gang gebracht und
dauern eine gewisse Zeit an.
Während dieser Zeit ist das Kind
besonders empfänglich für
jeweils besondere Anregungen.
Sensible Phasen sind für die
Frühpädagogik von besonderer
Bedeutung, denn
Sensible Phasen - Folie 2
es sind Entwicklungsabschnitte, in denen
spezifische äußere Einflüsse maximale (positive,
aber auch negative!) Wirkung entfalten können.
Es ist nicht leicht, eine sensible Phase wirklich
exakt zu bestimmen: Im Hinblick auf den Erwerb
des räumlichen Sehens ist das relativ einfach:
Wir lernen es i. d. R. im ersten Lebenshalbjahr.
Was den Spracherwerb betrifft, so wissen wir,
dass Kinder eine Sprache (meist zuerst ihre
Muttersprache) nur dann erwerben, wenn sie zur
richtigen Zeit angemessene Anregungen und
Hilfen erhalten. .
Sensible Entwicklungsphasen –
Folie 3
Wie sind sie zu erkennen?
Warum sind sie so wichtig für
die Kleinkinderziehung?
Was ist, wenn sie unbeachtet
bleiben?
Wie sieht eine optimale
Förderung während einer
solchen Phase aus?
Das Bonding-Phänomen
Anscheinend hat es die Natur so eingerichtet,
dass das Neugeborene (trotz aller
Strapazen, die die Geburt mit sich bringt)
direkt danach noch für eine Weile besonders
ansprechbar ist in seinem Nahbereich, sei
es nun für Hautkontakt, Lageveränderungen,
Geruchs- und Geschmackseindrücke oder
visuelle und akustische Reize.
Während dieser kurzen Zeit kann eine
fundamentale positive Zuneigung der
Mutter (Eltern) zu ihrem Kind begründet
werden (Mutterinstinkt), die für die spätere
Bindungsentwicklung sehr bedeutsam ist.
Bindung und Bindungsqualität
Bindung wächst in der Folgezeit zwischen
dem Säugling und seiner Bezugsperson
(als Resultat der alltäglichen Erfahrungen
im Umgang miteinander)
Kann vier Ausprägungsformen annehmen
(sicher, vermeidend-unsicher, ambivalentunsicher,desorganisiert-desorientiert)
Und ist grundlegend für die gesamte
weitere Entwicklung: Urvertrauen,
Explorativität, Abnabelung
Der „Fremde Situation-Test“ als
Messinstrument
Kritische Lebensereignisse in der
Entwicklungspsychologie
Normative kritische Lebensereignisse
(Übergänge oder Transitionen)
Nichtnormative kritische Lebensereignisse
(Krankheit, Tod eines nahen Angehörigen,
Arbeitslosigkeit, Trennung der Eltern)
Risiko- und Schutzfaktoren
Bewältigungsstrategien und Coping
Resilienz – Widerstandsfähigkeit
gegenüber Entwicklungsrisiken
Resiliente Kinder verfügen über
ein angemessenes
Bewältigungsverhalten und geeignete
Problemlösungsstrategien (Coping)
Positives Selbstkonzept,
optimistische Grundhaltung
Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Zielorientierung
Faktoren, die den Aufbau und die
Aufrechterhaltung von Resilienz begünstigen
Eigene Erfahrungen von Können und Kompetenz
(Erfolgserlebnisse)
Tragfähige, stabile Beziehungen zu
Bezugspersonen (positive Bindung)
Bezugspersonen, die ein aktives Interesse am
Kind und seinen Leistungen haben
Prosoziales, an positiven Werten orientiertes
Rollenverhalten der Bezugspersonen
Kindgemäße Leistungsanforderungen
Bezugspersonen, die angemessen fördern und
anregen, Anstrengungen anerkennen und
Verantwortung übertragen (loslassen können)
Entwicklungsstörungen
Akzeleration ist eine ungewöhnlich
beschleunigte Entwicklung, aber
keine Störung der Entwicklung
Retardation: beträchtlich
verlangsamte normale Entwicklung
Vorsicht ist geboten
bei der Diagnose „Störung“
Bedeutung der Orientierungsreaktion
und der Schreckreaktion
Reflexartige Zuwendung zu neuen
Objekten ermöglicht Exploration und
(allmähliche) Habituation
Schnelle und langsame Habituierer Vorteile und Nachteile (teilweise
genetisch determinierte Unterschiede)
Wechselspiel mit Schreckreaktion
(wenn neuartige Reize zu intensiv,
neuartig oder chaotisch sind)
Entwicklung und Förderung von
Motivation und Interesse
Kinder sind von Natur neugierig, wissbegierig und
aufgeschlossen
Ihr Gehirn fragt regelmäßig im Drei-Sekunden-Takt
„was gibt´s Neues um mich herum?“
Diese grundlegende Bereitschaft gilt es feinfühlig
zu fördern (dafür sind Akzeptanz, Wertschätzung
und positive Beziehung zentral)
Drei neurobiologische Botenstoffe moderieren
Interesse und Motivation: Dopamin, die
Leistungsdroge, Endorphin (und andere Opioide),
die Wohlfühldroge und Oxytozin, die
Freundschafts- und Bindungsdroge
Interessen und intrinsische Motivation lassen sich
fördern – es gibt einige bewährte pädagogische
Konzepte
Bedeutung des Spiels für die
gesamte Entwicklung
- Spielen ist für jeden Entwicklungsbereich
höchst bedeutsam: Kinder müssen
spielen, spielen und immer wieder
spielen 
- Reihenfolge in der Entwicklung:
< sensumotorisches Spiel
< psychomotorisches Spiel
< relationales Spiel
< paralleles und kooperatives Spiel
< symbolisches Spiel (Tun „als Ob“,
Phantasiespiel, Rollenspiel)
Herausragende Bedeutung des
Als-ob-Spiels
Beim „So tun als ob“ gehen
Kinder auf spielerische Weise die
Handlungsmöglichkeiten durch,
die im Hinblick auf ihre aktuelle
Umweltsituation gerade
vorstellbar sind und üben damit
sozusagen für den Ernstfall. So
könnte es ihnen z. B. irgendwann
tatsächlich einmal nützen, sich
schlafend zu stellen, auch wenn
sie noch munter sind.
Einige neurophysiologische Fakten und
ihre frühpädagogischen Konsequenzen
Die 90er Jahre wurden in den USA zur “Dekade
des Gehirns“ proklamiert.
Auf der Grundlage innovativer, so genannter
Bild gebender Untersuchungsmethoden
(Messung biochemischer bzw. elektrophysiologischer Prozesse) wurden eine Fülle
neuer Erkenntnisse gewonnen.
Diese wurden auch in der Frühpädagogik mit
großem Interesse zur Kenntnis genommen.
Die Frage der Konsequenzen der
Forschungsergebnisse für die Erziehungspraxis
wird nach wie vor kontrovers diskutiert.
Im „Jahrzehnt des Gehirns“ wurden
faszinierende Erkenntnisse zu Tage gefördert
Bei der Geburt verfügt das Neugeborene bereits über
100 Milliarden Neuronen (das entspricht ungefähr
der Anzahl der Sterne in unserer Galaxis), die durch
50 Billionen Synapsen miteinander vernetzt sind.
Im Laufe der nächsten Lebensmonate (LM)
verzwanzigfacht sich die Zahl der Synapsen
(angemessene Anregungen vorausgesetzt) auf 1
Trillion (1.000.000.000.000.000).
Im 8. LM ist die Synapsendichte bis dreimal so hoch
wie beim Erwachsenen.
Dabei gilt das Gesetz: Use it or lose it!
Der Hirnstoffwechsel ist während dieser Zeit extrem
hoch.
Die Architektur unseres Gehirns wird
sehr früh festgelegt
Die im Verlaufe des ersten Lebensjahres
(insbesondere in den ersten Lebensmonaten)
entstehenden synaptischen Verbindungen bilden ein
Netzwerk oder „neuronales Grundmuster“ und
liefern sozusagen die „funktionelle Architektur
(um im Bild zu bleiben: die Zahl und Größe der
Räume, Verbindungswege/-türen und Stockwerke)
der Großhirnrinde“ (W. Singer), die nicht nur
grundlegend ist für die weitere biopsychosoziale
Entwicklung, sondern sich auch als besonders
veränderungsresistent gegenüber neuen äußeren
Einflüssen erweist.
Veränderungsresistenz
der Hardware unseres Gehirns
Die Möglichkeit einer umfassenderen
Veränderung frühkindlicher neuronaler
Verknüpfungsmuster zu einem späteren
Zeitpunkt wird von Fachleuten zwar nicht
ganz in Abrede gestellt. Sie dürfte jedoch
nur im Gefolge lang anhaltender
und/oder traumatischer Einflüsse – z.B.
durch permanenten, nicht zu
bewältigenden Stress (Angst) oder eine
extreme Krise (Bindungsverlust) -, möglich
sein.
Was passiert während der Pubertät?
Forderungen der Neuropädagogik
Das erste (halbe) Lebensjahr besonders
nutzen, denn Versäumnisse (unzureichende
Anregungen und Förderungen) können nur
sehr schwer, wenn überhaupt, wieder gut
gemacht werden
Deprivation oder Reizüberflutung führen
zwangsläufig zu veränderungsresistenten,
dauerhaften Schädigungen
Gegenpositionen dazu wiegeln ab und
führen die andauernde Plastizität und
immense Flexibilität zentralnervöser
Prozesse und Strukturen ins Feld.
Mein persönliches
frühpädagogisches Zwischenfazit
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans
nimmermehr“ trifft so nicht zu, besser
müsste es heißen:
Was Hänschen nicht lernt,
lernt Hans nur sehr schwer
(das entspricht dann eher dem
Menschenbild der modernen
Entwicklungspsychologie)
Meilensteine der vorgeburtlichen
Entwicklung
Schon gegen Ende der 8. SSW nehmen die
folgenden 5 Sinne ihre Arbeit auf, und zwar
Gleichgewichtsinn (der über die Körperlage im
Mutterleib informiert)
Eigenwahrnehmung oder Propriozeption (die
über Bewegungen von Rumpf, Armen, Beinen,
Händen, Füssen und den dazugehörenden
Gelenken und Muskeln informiert)
Tastsinn
Geschmackssinn
Gehör
Permanente Wechselwirkungen
In Funktion treten der Sinne führt zu
weiteren neuronalen Differenzierungen
in korrespondierenden Hirnarealen, die
ihrerseits differenzierte Sinneswahrnehmungen ermöglichen (beständige
Wechselwirkungen zwischen Struktur
und Funktion während der fetalen
Reifung).
Vernetzungen zwischen Nervenzellen (Synapsenbildung) beginnen
bereits im 3. SSM.
„Interfetale“ Unterschiede
Verhaltensunterschiede zwischen
Feten sind schon im 4. SSM zu
belegen - sogar zwischen eineiigen
Zwillingen!
Diese zeigen sich im Hinblick auf das
grob- und feinmotorische
Bewegungsverhalten und die
Reagibilität und Sensibilität und
wirken sich natürlich auch auf die
Qualität von Lernvorgängen aus.
Markscheidenreifung
- schnellere neuronale Verbindungen
Die Markscheidenreifung (ein sehr
stoffwechselintensiver
Prozess) setzt im 5.
SSM ein. Die damit
verbundene
Ummantelung der
Nervenfasern (Axone)
isoliert die Leitungen
voneinander und
macht sie schneller.
Kommunikation zwischen Mutter
und Kind beginnt
Um diese Zeit herum spüren die
werdenden Mütter die
Bewegungen ihres Kindes
immer deutlicher – die von nun
an stattfindende Kommunikation
zwischen Mutter und Kind
stimuliert weitere Lernvorgänge.
Ein Satz zum Merken:
Es finden sich zahlreiche Belege
dafür, dass der Fetus in jeder
Hinsicht davon profitiert, wenn es
der werdenden Mutter körperlich
und seelisch gut geht während der
Schwangerschaft und sie sich
richtig auf das Kind freuen kann!!!
Grundlegende Orientierung bereits
direkt nach der Geburt möglich
Wenn es auf die Welt kommt, kann das
Neugeborene sich mit Hilfe seiner
Nahsinne und Fernsinne bereits
grundlegend orientieren.
Hautsinn: Der Säugling liebt es,
gestreichelt zu werden, insbesondere in
den Phasen, in denen er entspannt und
aufmerksam ist. Seine angeborene
Empfänglichkeit für Haut- und
Körperkontakt bildet eine wichtige
Voraussetzung für das Bonding.
Angeborene Vorliebe für
sprachliche Laute
Hören: Neugeborene erkennen die Stimme
ihrer Mutter wieder, besonders wenn sie
ihnen mit Hilfe elektronischer Filter so
dargeboten wird, wie sie sie im Mutterleib
gehört haben.
Neugeborene wenden sich sprachlichen
Lauten generell stärker zu als anderen
Klangmustern, die für sie anscheinend
weniger interessant sind. Offenbar wird eine
Vorliebe für sprachliche Laute oder zumindest
für den entsprechenden Frequenzbereich
schon intrauterin erworben und hat
möglicherweise sogar genetische Wurzeln.
Bevorzugung von Gesichtern
Schon Neugeborene bevorzugen in
ihrer Wahrnehmung Gesichter und
gesichtsähnliche Formen, die sie
besonders lang betrachten. Viele
Forscher vermuten deshalb einen
genetisch gesteuerten Mechanismus,
der es — biologisch höchst sinnvoll —
Säuglingen ermöglicht, sich
Artgenossen bevorzugt zuzuwenden.
Bevorzugung bewegter Objekte
Bewegte Objekte, z. B. den Mund der
Mutter, erkennen Säuglinge besser als
unbewegte Dinge. Schon wenige Tage
nach der Geburt folgen sie einem
bewegten Gesicht in ihrem Blickfeld eine
kleine Strecke mit den Augen. Ihr Blickfeld
ist aber noch sehr begrenzt und es dauert
einige Wochen, bis es sich auf ca. 90 Grad
erweitert. Zusätzliche Kopfbewegungen
vergrößern nach und nach den visuell
erfassbaren Raum.
Unterscheidung von Lebendigem
und unbelebten Objekten
Säuglinge verfügen anscheinend sogar
schon (angeborenermaßen, so wird
vermutet, weil es sich in der Evolution als
nützlich erwies) über ein vorläufiges
Konzept von unbelebten Objekten
(Dingen, Gegenständen) und Lebendigem
(Menschen, Tiere).
Darauf aufbauend gelingt es ihnen schon
sehr bald auch zwischen Menschen und
Tieren zu unterscheiden.
Mimisches Ausdrucksrepertoire
Basisemotionen: Bereits Neugeborene
können die wichtigsten Gefühle mimisch
ausdrücken.
Sie verfügen über emotionale
Grundmuster, um Angst, Ärger, Ekel,
Erstaunen, Freude, Traurigkeit zu zeigen.
Diese Gefühle gelten als Basisemotionen,
weil sie in den unterschiedlichsten
Kulturen vorkommen und überall
verstanden werden.
Angeborenes
Nachahmungspotential
Sie besitzen die Fähigkeit zur
Nachahmung mimischer Gesten (Öffnen
des Mundes oder das Herausstrecken der
Zunge). Vermutlich handelt es sich dabei
um eine angeborene Kompetenz
(Spiegelneuronen!?), die allererste
Kontaktaufnahmen ermöglicht. Das
Neugeborene ist also genetisch so
vorprogrammiert, dass es gleichsam
automatisch sozial reagiert.
Verhaltensrepertoire
Neugeborener
Das beachtliche Verhaltensrepertoire
des Neugeborenen umfasst neben
physischen Funktionen
(Nahrungsaufnahme, Schlaf-WachPhasen),
Reflexen/reflexartig ablaufenden
Bewegungsmustern
auch schon spontane Bewegungen, die
den Anschein von Zielgerichtetheit
haben.
Meilensteine der Entwicklung im
Laufe des 1. Lebensjahres
Motorische Entwicklung
1.-5. LM: Vorbereitung des Sitzens
Ab 5. LM: Greifen wird immer
zielgerichteter
6.-10. LM: Sitzen und Krabbeln
Ab 10. LM: Vorbereitung des Gehens
(Stehen, Gehen mit Unterstützung)
Kognitive Entwicklung im 1.
Lebensjahr
Vom Tun (sensumotorische
Verhaltensketten) zum
Begreifen (und Denken)
Vorläufer von Vorstellungen
Ausbildung von Objekt- und
Personpermanenz
Soziale und emotionale
Entwicklung im 1. Lebensjahr
Soziales Lächeln
Fremdeln
Basisemotionen (Angst,
Freude,
Überraschung/Staunen, Ärger)
Symbiotische Verbundenheit
mit der Mutter
Motorische Entwicklung im 2.
Lebensjahr
Vom Gehen zum Laufen
Mit Richtungswechseln
Treppe steigen
Kurz auf einem Bein stehen, hüpfen
Feinmotorisch: z.B. mit dem Löffel essen,
mit einem Stift kritzeln, Klötze in einen
Behälter tun
Eingeschränkte Trainings- und
Übungseffekte
Kognitive Entwicklung im 2.
Lebensjahr: Das ICH wird entdeckt!
Sprachentwicklung (Intrauterin, Der erste Schrei,Ein-WortSätze, Wörter lernen, eigenen Namen benutzen, Zwei-WortSätze) –
Angeborenes Modul plus Modelle plus Anregung und
Förderung
Begriffsentwicklung (Symbole verwenden)
Ich-Entwicklung (neuronale
Voraussetzungen)
3 Phasen (aufgeregt-aktiv; Playmate und
Verunsicherung, Gehemmtheit; allmählich
sich im Spiegel erkennen) bei den SpiegelIch“-Untersuchungen
„Rouge-Test“
Motorische Entwicklung im 3.
Lebensjahr
Behender hüpfen und springen, schneller
rennen, werfen, fangen (noch unsicher)
Feinmotorisch: z.B. mit Gabel essen, vier
Bauklötze aufeinander stellen, größere
Perlen aufreihen auf Schnur, Flüssigkeit in
einen anderen Becher umgießen
Übungs- und Trainingseffekte teilweise
belegbar
Kognitive Entwicklung im 3.
Lebensjahr
Das Ich und Selbst wird
differenzierter (was kann ich?)
„Mein“ und „Dein“: Konzepte
von Besitz und Eigentum
entstehen
Sozial-emotionale Entwicklung im
Laufe des 3. Lebensjahres
Allmähliche Lockerung der engen
symbiotischen Beziehung zur Mutter
(wechselseitiger Prozess!)
Vorübergehende Trennung kann besser
ausgehalten werden
Weitere Bindungen stabilisieren sich
(Vater, Geschwister, Großeltern,
Krippenerzieherin)
Bedeutung der Kontinuität der zentralen
Bezugspersonen
Die Trotzphase und ihre Wurzeln (prägende
Erfahrungen)
Kognitive Entwicklung von 4-6
Jahren (1)
Fundamental ist der neurophysiologische
Entwicklungsschub, der in der 2. Hälfte des 4.
Lebensjahres einsetzt
Explizites Gedächtnis (Strategienerwerb:
Wiederholen, Ordnen, selektive Aufmerksamkeit)
Kausales Denken (allmähliche Lockerung der
engen raumzeitlichen Nähe zwischen Ursache und
Wirkung)
Problemlösen (z.B. durch analoges Denken, einer
Wurzel von Kreativität – Pfirsichkerne statt Steine)
Begriffe hierarchisieren (Lebewesen – Säugetiere
–Nagetiere - Mäuse): Differenzierung und Integration
der kognitiven Strukturen
„Theorien im Hinterkopf“ bilden sich aus:
Kognitive Entwicklung von 4-6
Jahren (2) – Theorien über die Welt
Welt der äußeren Dinge und Ereignisse
(naive Theorie der Physik), z.B.
Vorstellungen von der Erde
Innenwelt (naive Theorie der
Psychologie) – Differenzierung
zwischen eigener und fremder
Innenwelt – und Außenwelt werden
allmählich unterschieden
Welt des Lebendigen (Wachstum,
Fortpflanzung, Vererbung)
Theorien über die materielle Welt
Gewicht ist fühlbare Schwere
Dichte wird noch nicht verstanden
Vorstellungen von der Welt, z. B. Erde als
Scheibe
Raum, Zeit, Zahl als Teilbereiche der
Theorie, die sich in stetiger
Wechselwirkung ausdifferenzieren
Geschwindigkeit, Entfernung und Zeit:
komplizierte Beziehungen
Hartnäckigkeit der Annahmen über die
Beschaffenheiten der materiellen Welt
Theorie über die innere Welt
(Psychologie)
Unterscheidung zwischen innerer
und äußerer Welt – ein Meilenstein
Qualitativer Wandel: Unterscheidung
zwischen eigener und fremder innerer
Welt (Wahrnehmungen, Wissen,
Gefühle) gegen Ende des 4.
Lebensjahres
Lügen, Mogeln, Täuschen – Schein
und Wirklichkeit
Theorie über die lebendige Welt
(Biologie)
4-Jährige kennen schon wesentliche
Merkmale des Lebendigen: sich bewegen,
essen, trinken, atmen, schlafen, wachsen
Herausragende Bedeutung besitzt die
Eigenbeweglichkeit, die z.B. auch Wolken
und Gestirne zeigen
Pflanzen sind für 4-Jährige noch unbelebte
Objekte
Genauere Kenntnisse über weitere
biologische Merkmale, wie Stoffwechsel,
Vermehrung, Vererbung werden erst von
Schulkindern erworben
Sozial-kognitive und soziale
Entwicklung im 4. Lebensjahr
Empathie und Rollenübernahme (RÜ)
als Schlüsselkonzepte der sozialkognitiven Entwicklung:
Sich emotional und rational in die Lage
einer anderen Person versetzen
Förderung (und Erschwerung) von
Rollenübernahme (s. nächste Folie)
Zunahme von prosozialem Verhalten,
aber auch von Verwerfungen im Laufe
der Kindergartenjahre
Sozial-kognitive Entwicklung
zwischen 4 und 6 Jahren
Rollen- und Perspektivenübernahme
(bereitet sich z. T. schon im 3.
Lebensjahr vor: Marcy und das
Schaukelpferd)
Formen und Komponenten von RÜ
Empathie und Einfühlung
Wurzeln prosozialen Verhaltens
(Alters- und
Geschlechtsunterschiede)
Entwicklung moralischen
Urteilsvermögens
Stufenförmig, an kognitive
Entwicklung gekoppelt
Es zählen die Folgen, nicht die
Absichten
Vorbilder wirken besser als
Sanktionen
Urteilen und Handeln: keine hohen
Korrelationen
Männliche und weibliche Moral
Bedeutung des Spiels für die
gesamte Entwicklung
- Spielen ist für jeden Entwicklungsbereich
höchst bedeutsam: Kinder müssen spielen,
spielen und immer wieder spielen 
- Reihenfolge in der Entwicklung:
< sensumotorisches Spiel (Funktionsspiel, z.B. mit
Rassel oder Ball)
< psychomotorisches Spiel (innere Repräsentation
des Spielobjekts wird vielfältiger)
< relationales Spiel (Einbezug mehrerer Objekte
und spielen nach ihren physikalischen
Eigenschaften)
< paralleles und kooperatives Spiel
< symbolisches Spiel (Tun „als Ob“,
Phantasiespiel, Rollenspiel)
Herausragende Bedeutung des
Als-ob-Spiels
Beim „So tun als ob“ gehen Kinder
auf spielerische Weise die
Handlungsmöglichkeiten durch, die im
Hinblick auf ihre aktuelle
Umweltsituation gerade vorstellbar
sind und üben damit sozusagen für
den Ernstfall. So könnte es ihnen
irgendwann tatsächlich einmal
nützen, sich schlafend zu stellen,
auch wenn sie noch munter sind..
Grundlegende Empfehlungen für die
Frühförderung
 Feinfühlig sein für die Signale, die das
Kind von Anfang an zeigt
 Vor allem durch gelungene Interaktionen
– wirklich wechselseitiges sich
aufeinander Beziehen – baut sich eine
gute Beziehung auf
 Dem Kind Ihr volles Vertrauen
schenken - Ihr Vertrauen in das Kind
festigt sein Selbstvertrauen
Grundlegende Empfehlungen für die
Frühförderung (2)
Sich differenzierte Kenntnisse verschaffen
über die entwicklungspsychologischen und
pädagogischen Grundlagen der Kindheit – und
sich nicht verunsichern lassen durch manchmal
widersprüchlich erscheinende Befunde
Ihre eigene Sicherheit vermittelt auch den
Kindern Sicherheit und Vertrauen in das
eigene Können
Sich Zeit nehmen zum zum Spielen, zum
Anregen, zum Schmusen – Kinder brauchen
Zeit
Die Frustrationstoleranz der Kinder stärken
und ihre Widerstandsfähigkeit (Resilienz)
ausbauen
Grundlegende Empfehlungen für die
Frühförderung (3)
Ihrem Gefühl und Ihrer Intuition können Sie in
aller Regel vertrauen
Der Aufbau und die Erhaltung einer guten
Beziehung ermöglicht den Kindern Neugier
und selbständiges Explorieren
Die gesamte Entwicklung wird besonders
vorangebracht durch Einüben von
Perspektivenwechsel (Dezentrieren) und
analogem Denken (Gemeinsamkeiten finden
zwischen Dingen, die auf den ersten Blick
unverbunden erscheinen)
Wenn Sie einem Kind die entsprechenden
Gelegenheiten und Zeit geben, stellt sich bei
ihm oft wie von selbst ein FLOW-Zustand her
Eckdaten der Entwicklung im
Laufe des 5. Lebensjahres
Dezentrierung und die Folgen
(Perspektiven-Übernahme, Entdeckung der
Innenwelt)
Strategisches Mogeln, Schummeln und
Lügen
Moralisches Vorstellungsvermögen
Sich vergleichen, Konkurrieren,
Leistungsmotivation
Aufklärung steht an (Interesse an
Fortpflanzung)
Die ganz lange Leine ist nun nötig
Eckdaten der Entwicklung im
Laufe des 6. Lebensjahres
Freundschaften werden immer wichtiger
Eltern und erwachsene Bezugspersonen
rücken in den Hintergrund
Erweiterung des sozialen Wissens und des
sozialen Radius
Sprachlich kompetent
Werteerziehung (Ethik, Religion,
Benimmregeln, Moden, Trends)
Schule wirft ihre Schatten voraus: der
Übergang
Entwicklung und Förderung von
Motivation und Interesse
Kinder sind von Natur neugierig,
wissbegierig und aufgeschlossen
Angeborene Zeittakte des Gehirns (alle
2-3 Sekunden wird gefragt „was gibt´s
Neues?“)
Diese grundlegende Bereitschaft gilt es
feinfühlig zu fördern
Umrisse einer frühpädagogischen
Interessenförderungskonzeption (PIT):
Aufbau intrinsischer, sich selbst
verstärkender Motivation ist zentral)
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