Kinder brauchen Grenzen und grenzenlose Freiheit – auf den

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Kinder brauchen Halt und Grenzen,
aber auch grenzenlose Freiheit – auf
den Zeitpunkt kommt es an!
Entwicklungspsychologische
und frühpädagogische Aspekte
zum Thema „Grenzen“
Ein Download der vollständigen
Präsentation (von 60 Folien)
steht auf meiner Webseite bereit
www.hartmut-kasten.de
Grenzen für Kinder im Wandel
der Zeiten
• Das Bild vom Kind hat sich gewandelt
• Zwangskorsette für Kinder in historischen
Zeiten, als sie wie kleine Erwachsene behandelt
wurden
• Kindheit in den Nachkriegsjahren: Gab es
damals weniger Grenzen und mehr Freiheit für
Kinder?
• Erziehungsstile und Erziehungsmethoden früher
und heute
• Mehr Eingrenzungen und Planquadrate für
Kinder (durch „Helicopter-Eltern“) heute?
Grenzen für Kinder im Wandel
der Zeiten (2)
• Im Vergleich zu früher wird das Heranwachsen der
Kinder von Anfang an viel stärker von äußeren
Leitlinien bestimmt und vorstrukturiert und
individualisiert
• Grund: Die Gesellschaft hat einen Wertewandel
vollzogen – von Uniformität, Anpassung und
Einordnung zu mehr Selbstbestimmung und
persönlicher Sinnfindung
• nicht zuletzt durch wirtschaftlich Faktoren bedingt
finden immer noch enorme Beschleunigungs-,
Automatisierungs- und Verdichtungsprozesse statt,
die sich auf die Kindererziehung direkt auswirken
Grenzen für Kinder in anderen
Ländern und Kulturen
• Ist „Grenzen setzen“ etwas typisch Deutsches (und
wurzelt im sprichwörtlich autoritären Charakter der
Deutschen)? Das kann man nicht sagen:
• In Irland, Polen und anderen europäischen Ländern wird
z. B. großer Wert darauf gelegt, dass Kindern elementare soziale Regeln beigebracht werden: Von sich aus
grüßen, ihre Jacke aufhängen, Essmanieren zeigen,
Gespräche der Erwachsenen nicht einfach unterbrechen, Respekt vor dem Eigentum anderer zeigen,
anderen auch einmal den Vorrang lassen, höflich und
bescheiden sein.
• Es gibt aber auch Länder, in denen man lockerer
unterwegs ist und natürlich schicht- und
erziehungsstilabhängige Variationen.
Grenzen setzen – aber wie?
• Kindern richtig Grenzen zu setzen, stellt für viele
Eltern eine große Herausforderung dar. Manche
scheinen heute unsicherer zu sein als früher
Elterngenerationen. Woher kommt diese
Unsicherheit? Gibt es eindeutige Regeln, nach
denen man Kinder erziehen kann?
• Allgemeingültige, verbindliche Regeln für eine gute
Erziehung gibt es nicht
• Tipps und Empfehlungen finden sich in
sogenannten RATGEBERN
• Fakten und Informationen, die mir persönlich
erwähnenswert scheinen, erhalten Sie im Folgenden
Erziehung und Beziehung
• Erziehung ist Beziehung (Rainer Dollase)
• Beziehung statt Erziehung: Aus Beziehung
wird Erziehung (Jesper Juul)
• Meine Meinung: Ohne Beziehung kann
Erziehung nicht gelingen. Beziehung
besitzt das Primat!
Beim Grenzen setzen ist jede
Familie anders
• Die in deutschen Familien praktizierten
Erziehungsmethoden (und die dahinter
stehenden Erziehungsstile und pädagogischen
Werte) variieren heutzutage über ein breites
Spektrum:
• In der Mitte sind die (mehr oder weniger)
demokratisch und partnerschaftlich orientierten
Erziehungsstile angesiedelt, rechts außen
lassen sich die autoritären, links außen die
(mehr oder weniger) gewähren lassenden
(permissiven) Erziehungsstile verorten.
Grenzen und Grenzenlosigkeit –
Einige begriffliche Klärungen
• Die Wortwahl „brauchen Grenzen“ – was
wird damit in der Regel assoziiert und
damit suggeriert?
• Grenzen vs. grenzenlos – was ist
gemeint?
• Was ermöglicht Grenzenlosigkeit?
• Grenzen und Freiheit – oder „Freiheit in
Grenzen“ (Klaus Schneewind) ?
• Was be-grenzt unser Leben?
• Natürlich unsere Sterblichkeit, aber auch
angeborene und erworbene Be- und
Einschränkungen
Was begrenzt unser Leben?
• In erster Linie aber: Vorgaben des familialen und
sozialen Umfeldes und der Gesellschaft (z. B.
Eltern, Gruppenzugehörigkeit, Eingliederung in
Institutionen): Regeln, Gebote und Verbote,
Pflichten und Aufgaben, Verhaltensstandards,
Normen, Konventionen, Trends und Moden,
Sitten und Gebräuche usw.
• Reaktionen auf Grenzen: Akzeptanz, Gehorsam,
Unterordnung, Flüchten, Weglaufen, Abwehr,
Auflehnung, Aggression, Rebellion
• Grenzen, die HALT geben, kommen häufig zu
kurz!
Arten von Grenzen – es lassen sich
voneinander abgrenzen:
• Äußere, faktisch gegebene, physikalische Grenzen
• Innere (genetisch, biologisch, physiologisch
fundierte) Grenzen, die im Laufe der Kindheit
abnehmen und mit dem Älterwerden wieder
zunehmen (s. folgende Folien)
• Konventionelle Grenzen
- In Abhängigkeit von Alter und Geschlecht
festgelegte Grenzen
- Alter- u. geschlechtsunabhängig vorgegebene
Grenzen von Familie, Institutionen u. Gesellschaft
- Individuelle vereinbarte zwischenmenschliche
Grenzen (z. B. innerhalb einer Familie oder Gruppe)
Zwischenmenschliche Grenzen –
wann können Kinder sie lernen?
• Meilensteine in der kindlichen Entwicklung, die
man kennen muss, um „richtig“ Grenzen zu
setzen:
• Um das vollendete 2. Lebensjahr herum (das
ICH wird entdeckt)
• Gegen Ende des 4. Lebensjahr und in den
nachfolgenden ein, zwei Jahren wird realisiert,
dass sich die eigene Sicht von der Welt von der
Sicht anderer Menschen unterscheidet: Sein
und Anschein (Realität und Fiktion), Innenwelt
und Außenwelt werden entdeckt
Grenzen, die von innen kommen und von Anfang
an da sind : Biologisch fundierte Grenzen
• Neugeborene verfügen von Anfang an über
Kompetenzen und Fähigkeiten, die ihr
Auseinandersetzen mit der Umwelt in bestimmte
Bahnen lenken und sie dadurch begrenzen.
• Denn andere, nicht in ihrem Genrepertoire
festgelegte Weisen des Mit-der-Welt-in-KontaktTretens werden ausgegrenzt!
• Fazit: Angeborene Kompetenzen (z. B.
Spiegelneuronen, Orientierungs- und StartleReflex, Bindungsbereitschaft) bestimmen schon
am Anfang mit, wovon man sich abgrenzt und in
welche Richtung die Entwicklung verläuft
Grenzen, die von innen kommen und von Anfang
an da sind : Biologisch fundierte Grenzen (2)
Hervorhebenswert sind beispielsweise:
(1) Kindliche Bindungsbereitschaft im Hinblick auf
Personen, die ihnen regelmäßig und angemessen
Zuwendung und Versorgung zuteil werden lassen
Erwähnenswert: Sicher gebundene Kinder akzeptieren
Grenzen, weil sie ihre Bezugspersonen lieben und
respektieren (nächste Folie)
(2) Ihre Vorliebe für menschliche Gesichter und
sprachliche Laute (Hinwendungs- und
Abwendungsreaktion)
(3) Ihre Nachahmungsbereitschaft, die den Nährboden
für Mitgefühl und Empathie bildet, wenn sie erwidert
und zurückgespiegelt wird.
Bindungsqualität und von von außen Grenzen
setzen - Sicher gebundene Kinder
• akzeptieren auch unbequeme Grenzen eher, weil sie
ihre Bezugspersonen lieben und respektieren
• sie lernen schneller als unsicher gebundene Kinder
Verhaltensregeln zu verinnerlichen (so entsteht das
“Gewissen“) und Versuchungen zu widerstehen
(Untersuchungen zum „Widerstand gegen
Versuchung“), auch wenn die Bezugspersonen nicht
anwesend sind
• sie erkunden die Welt furchtlos und voller Selbstvertrauen (und Urvertrauen), vergewissern sich zwischendurch aber hin und wieder (Blickkontakt), dass ihre
Bezugsperson in Reichweite bleibt
• Damit gilt: eine sichere Bindung ist fundamental für
den weiteren Bildungsweg
Bindungsqualität und von von außen Grenzen
setzen - Unsicher gebundene Kinder
• Unsicher gebundene Kinder tun sich schwerer mit
der Akzeptanz von Grenzen (ein Grund dafür,
dass die Fragen nach dem Wann, Wo und Wie
des Grenzensetzens in jüngerer Zeit häufiger
gestellt werden)
• Sie erkunden die Welt nur zaghaft, haben wenig
Selbstvertrauen und kleben am Rockschoß ihrer
Bezugsperson oder sie entfernen sich von dieser
(ohne Blickkontakt zu wahren) und verlieren sie
aus den Augen und geraten dann in Panik
• Fakt ist: Der Anteil unsicher gebundener
Kinder wächst
Spiegelneuronen – Wurzeln von
Empathie und Mitgefühl
• Schon Neugeborene spiegeln Mimik und
Ausdruck wider, weil sie Spiegelneuron besitzen
• Eltern sollten darauf reagieren und so etwas wie
einen Resonanzboden für die Gefühle ihrer
Kinder zu Verfügung stellen: Emotionale
Resonanz ist vonnöten, wenn ihre Spiegelneuronen nicht verkümmern sollen und gefühlskalte,
zu keinem Mitgefühl fähige Erwachsene
resultieren.
• So sorgen sie dafür, dass ihr Kind zu einem
mitfühlendem Menschen heranwächst
Biologisch fundierte Grenzen – Begrenzungen, die
im Laufe des 1. Lebensjahres dazukommen (3)
• Begrenzung auf Nahwahrnehmung und nicht
räumliches Sehen
• Begrenzung durch noch nicht zielgerichtet greifen
können
• Begrenzung durch sich nicht verständlich machen
können
• Begrenzung durch Beschränkung auf relativ kurze
Phasen des Wach- und Aufmerksam-sein-Könnens
• Begrenzung durch nicht zeigen können, was man gern
haben möchte
• Begrenzung durch nicht sagen können, was man gern
haben möchte
• Begrenzung durch nicht hinlaufen können, um sich zu
holen, was man gern haben möchte
Biologisch fundierte Grenzen – Grenzen, die im
Laufe des 2. Lebensjahres verschwinden und neue
Grenzen, die dazukommen
• Begrenzungen, die entfallen: Zu Beginn des zweiten
Lebensjahres kann das Kleinkind Dinge scharf
wahrnehmen, die weiter entfernt sind; es kann räumlich
sehen, zielgerichtet greifen, ist länger wach und
aufnahmefähig und kann sich durch die Zeigegeste und
weitere nonverbale Kommunikation verständlich machen
können
• Begrenzungen, durch Grenzen, die weiter bestehen
bzw. neu dazukommen:
(1) Sein Radius ist noch begrenzt
(2) Dasselbe gilt für sein sprachliches
Ausdrucksvermögen
(3) Nach der Entdeckung des Ich lernt es im Laufe des
dritten Lebensjahres die Grenzen seines Willens kennen
Quantensprung gegen Ende des 4. und zu Beginn
des 5. Lebensjahres: Die Weltwahrnehmung der
Kinder wandelt sich
• Ein umfassender Wandel in der Weltwahrnehmung der
Kinder setzte Endes des 4.Lebensjahres ein und wird im
Laufe des 5. Lebensjahres beständig weiter ausgebaut:
• Die Kinder begreifen allmählich, dass sich ihre Sicht der
Welt von der Sichtweise, die andere Menschen haben,
unterscheidet.
• Sie verstehen darüber hinaus auch langsam, dass sich
ihre innere Welt, ihre eigenen Gedanken, Gefühle und
Absichten, von der Innenwelt anderer Menschen
unterscheiden kann.
• Auf der Basis dieses Erkenntnisgewinns wird ihr eigenes
zwischenmenschliches Handeln immer kompetenter.
• Paradox ist, dass um diese Zeit herum das Grenzenvon-außen-gesetzt-Bekommen beträchtlich zunimmt!
Grenzen, mit denen Kinder besonders im
ersten Lebensjahr konfrontiert werden
• Ihre Bewegungsmöglichkeiten sind am
Anfang noch stark eingeschränkt
(abhängig vom Reifestand)
• Zusätzlich werden ihre Bewegungsmöglichkeiten durch zivilisatorische
Vorrichtungen und Maßnahmen (Kleidung,
Windeln, Wiege, Bettchen) weiter
eingeschränkt (von Natur aus sind
Säuglinge Traglinge!)
Beispiele für typische (äußere) Grenzen
in der Kindheit (Vorschulalter)
Es gilt: Wenn die Mutter oder der Vater “Nein” sagen,
dann stellt das eine Grenze dar - der Wunsch des
Kindes wird nicht erfüllt, das Thema ist damit erledigt.
Beispiele:
• Wenn das Kind von der Schule kommt, darf es Ranzen u. Schuhe
nicht einfach kreuz u. quer im Flur ablegen
• Um eine bestimmte Uhrzeit muss es zuhause sein.
• Der Fernseher darf nur von 18.00 bis 19.00 Uhr eingeschaltet
werden.
• Wenn Erwachsene reden, darf das Kind nicht dazwischen zu reden.
• Es darf die Wohnung/das Haus (den Hof, Garten usw.) nicht allein
verlassen.
• Wenn es eine Grenze nicht einhält, hat dies Konsequenzen (es wird
nötigenfalls bestraft).
Was geht in Kindern vor, wenn ihnen
solche Grenzen gesetzt werden?
• Im besten Fall sind sie mit der jeweiligen Grenzziehung einverstanden, den Eltern zuliebe ode weil sie
die Beweggründe der Eltern (oder ihrer anderen
erwachsenen Bezugspersonen) verstehen und
akzeptieren.
• In den meisten Fällen spielt sich das Einhalten von
Grenzen aber eher nach dem Prinzip nolens-volens
ab: Wohl oder übel werden Grenzen respektiert gezwungenermaßen, notgedrungen, unfreiwillig,
zwangsläufig …
• Im schlimmsten Fall fühlen sich beständig begrenzte
Kinder unterdrückt, erleben sich als ewig
zurückgewiesen und schließlich als minderwertig und
ungeliebt - ihr Selbstvertrauen, ihre Zuversicht und ihr
Selbstwertgefühl nehmen Schaden.
Kontroverses Thema: Grenzen, die (den
eigenen) Kindern von fremden Erwachsenen
gesetzt werden
• Wann, in welchen Situation und bei
welchen Anlässen wäre das (für Sie)
akzeptabel? Und wie sollte es ablaufen?
• Direktes fremden Kindern Grenzen setzen
– oder auf dem Umweg über die Eltern?
• Diese Fragen werden ganz unterschiedlich
beantwortet
• Denn: Jede Familie ist anders (nächste
Folie)!
„Grenzen setzen“ – Behandlung des
Themas in den Medien
• In den Medien wird oft bedauert, dass den Deutschen
anscheinend der soziale Kompass abhanden gekommen
ist: „Wir scheinen unsere gemeinsamen
Bewertungsmaßstäbe verloren zu haben. Wir <wissen>
nicht mehr prinzipiell: So und so muss es sein.“ (DER
SPIEGEL 2011).
• Meine Meinung: Bedauern ist unangebracht. Wir leben in
einer pluralen, vielfältigen und vielschichtigen,
multikulturellen Gesellschaft, in der Kinder immer
seltener, ältere Menschen immer häufiger anzutreffen
sind (demographischer Wandel).
• Interessanterweise wird zur Zeit – angesichts einer
deutlich zunehmenden Ausländerzahl, der Ruf nach
einer (deutschen) „Leitkultur“ (Friedrich Merz im Oktober
2000) wieder lauter…
Jede Familie ist anders – was bedeutet
das für das Thema „Grenzen setzen“?
• In manchen Familien werden Kindern zahlreiche
Grenzen gesetzt. Was bedeutet das für die
Entwicklung der betroffenen Kinder?
• In anderen Familie werden den Kindern nur
wenige Grenzen gesetzt. Was bedeutet das für
die Entwicklung der betroffenen Kinder?
• Was ist aus pädagogischer Sicht empfehlenswert? Es gibt keine Patentlösungen. Auf die
Signale der Kinder sollten beachtet werden.
Anlässe und Gründe von Eltern oder anderen für
die Erziehung verantwortlichen Personen
Kindern Grenzen zu setzen
• Wenn diese sich selbst gefährden
• Wenn sie andere gefährden
• Wenn sie gegen Regeln verstoßen, die mit ihnen (z. B.
in der Familie oder KiTa) vereinbart wurden
• Wenn sie gegen soziale, gesellschaftlich festgelegte
Konventionen und Verhaltensnormen verstoßen (es gilt:
Kants Kategorischer Imperativ in sehr vereinfachter
Form: „Was du nicht willst, das Dir man tu, das füg auch
keinem anderen zu“)
• Wenn sie ihren Eltern/Bezugspersonen etwas
angedeihen lassen wollen, dass sie auch selbst
erledigen können (Bequemlichkeit)
Sinnvoll Grenzen setzen – eingebaut
in die elterliche Erziehung
• Grenzen können Kindern Halt geben (z. B. Kleinkindern
bei der Spannungsregulation)
• Grenzen müssen altersgemäß sein, ggf. auch
geschlechtsspezifisch
• Grenzen sollten den Kindern verständlich gemacht
werden
• Persönliche Grenzen sollten in ICH-Form gesetzt und
erklärt werden
• Jede Familie (jedes Kind) ist einzigartig und hat ihre
eigenen Auffassungen von Grenzen: Wir leben in einer
pluralen Gesellschaft, in der es keine Patentrezepte fürs
Grenzen setzen und all die individuellen Fälle gibt
K. A. Schneewinds Konzept „Freiheit
in Grenzen“
Das Konzept beruht auf drei Säulen:
• Klare Grenzen setzen und sie, soweit möglich, begründen
• Das Kind als Person in jeder Situation wertschätzen (auch
wenn man ein konkretes Verhalten des Kindes, z. B. die
Nichteinhaltung einer Grenze, missbilligt)
• Seine Eigenständigkeit fördern es (innerhalb der gesetzten
Grenzen) bewusst gewähren und eigene Erfahrungen
sammeln lassen.
Dadurch wird die Entwicklung von Kindern gefördert und
unterstützt, so dass sie heranwachsen zu
• lebensbejahenden,
• selbständigen, selbstbewussten
• leistungsbereiten und
• gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten.
Praktisches Vorgehen beim Grenzen
setzen
(1) Abwarten, solange wie möglich (wenn eine
Grenzüberschreitung droht). Den sprichwörtlich langen
Geduldsfaden bewahren
(2) Begrenzen, trennen, intervenieren, wenn es nötig ist
(Beispiele aus der Trotzphase!).
(3) Anschließend den Kontakt wieder herstellen.
Dieser Schritt ist sehr wichtig. Wer Grenzen setzt,
schreitet ein, unterbricht, stört, weist zurecht, engt ein,
beschränkt. Grenzen unterbrechen den Fluss der Dinge,
den Ablauf des Geschehens und können, wenn sie
abrupt und gegen den Willen der Kinder eingesetzt
werden, auch die Beziehung zu diesen belasten und
beeinträchtigen
• Grenzen sollen sich nicht gegen Kinder richten, nicht
diese ablehnen und einschränken, sondern möglichst
angemessen und kindbezogen sein
Konsequenzen bei und Verhalten
nach Verstößen?
• Wie sinnvoll sind Strafen, Sanktionen, Entzug
von Privilegien?
• Aus meiner Sicht Tabu sein sollten physische
Gewalt, Drohungen, Liebesentzug, Blaming!
• Sinn macht kindgemäßes kognitives
Strukturieren (erläutern, erklären, begründen,
verständlich machen):
• Du bist okay, Deine Wut kann ich nachvollziehen, aber keine aggressive Handlung
bitte!
Warum macht es Sinn, unseren Kindern auch
„grenzenlose Freiheit“ zu ermöglichen?
• Alle Babys kommen neugierig auf die Welt
• Ihr (unser aller) Gehirn ist so getaktet, dass sie sich
(wir uns) reflexartig allem Neuen zuwenden
(Hinwendungs- u. Abwendungsreaktion: orienting
reflex vs. startle reflex)
• Ihr (unser aller) Gehirn fragt im Drei-Sekunden-Takt
„Was gibt es Neues auf der Welt“
• Im Hinblick auf die Ausprägungsstärke der
Hinwendungs- und Abwendungsreaktionen
unterscheiden sich Babys von Anfang voneinander
• Aber alle sind neugierig, immer und immer wieder
Warum macht es Sinn, den Kleinen
„grenzenlose Freiheit“ zu ermöglichen?
• Manche beschäftigen sich länger mit etwas Neuem,
das sie interessiert, manche nicht so lange
• Manche bevorzugen diese, andere jene neuen
Reize - Babys haben von Anfang an persönliche
Vorlieben (sie fühlen sich von bestimmten
Objekten, Geräuschen, Gerüchen stärker
angezogen als von anderen)
• Die Gründe dafür liegen in ihren individuellen
Anlagen, bilden sich möglicherweise auch noch im
Mutterleib weiter aus.
• Aber: Sie signalisieren von Anfang an, was sie
interessiert z. B durch Blick- und
Zuwendungsverhalten
Angeborene Neugier: Die
Orientierungsreaktion
• Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie wenden sich
Neuem reflexartig zu. Die Ursache dafür ist der angeborene
Orientierungsreflex, der auch Orientierungsreaktion
genannt wird.
• Diese grundlegende Bereitschaft gilt es feinfühlig zu
fördern (dafür sind Akzeptanz, Wertschätzung und eine
sichere Bindung zentral und Zeitknappheit kontraindiziert)
• Das sich reflexartig neuen Objekten zuwenden ermöglicht
Erkundung (mehr oder weniger intensive Exploration) und
(allmähliche) Gewöhnung (Habituation)
• Schnelle und langsame Habituierer - Vorteile und
Nachteile (teilweise genetisch determinierte Unterschiede)
• Die Orientierungsreaktion steht im Wechselspiel mit der
Schreckreaktion, die ausgelöst wird, wenn neuartige
Reize zu intensiv, neuartig oder chaotisch erlebt werden
(individuelle Unterschiede im Hinblick auf die Habituation).
Schon Kleinkinder signalisieren,
was sie wollen
• Babys haben von Anfang an persönliche
Vorlieben (sie fühlen sich von bestimmten
Objekten, Geräuschen, Gerüchen stärker
angezogen als von anderen).
• Die Gründe dafür liegen in ihren individuellen
Anlagen, bilden sich möglicherweise auch noch
im Mutterleib weiter aus.
• Sie signalisieren von Anfang an, was sie
interessiert durch Blick- und Zuwendungsverhalten).
Von der Geburt an vorhanden:
• Von Geburt an kompetent – interessant ist sich vor
Augen zu führen, was Neugeborene schon alles
mitbringen auf die Welt:
• Bindungsbereitschaft
• Angeborenes Nachahmungspotential (Spiegelneuronen)
• Neugier (Orientierungs- und Abwendungsreflex)
• Angeborene Vorlieben (z. B. für lebendige Objekte,
Sprachliche Laute, Gesichter, Streicheleinheiten)
• Angeborenes mimisches Ausdrucksrepertoire
• Auf den Anfang kommt es an: Bedeutung der ersten
Lebensmonate (was uns die Hirnforschung berichtet)
Fördern von Flow – von Anfang an
• Schon dem Baby alle Zeit geben, die es braucht,
wenn es von sich aus Interesse an etwas
signalisiert und anfängt sich damit zu beschäftigen
• Nicht lenkend eingreifen in die Art und Weise, wie
sich das Baby mit der Sache beschäftigt
• Wenn das Interesse abklingt, dem Baby Zeit
lassen zur Verarbeitung
• Schnuller-Experimente: Während einer intensiven
Beschäftigung hören sie auf zu nuckeln, hinterher
(wenn sie verarbeiten), nuckeln sie wieder
intensiver
Natürlich kann Kindern grenzenlose Freiheit nicht
kontinuierlich ermöglicht werden, durchaus aber
hin und wieder, z. B. in dem wir ihnen
• großzügige Zeitkontingente zu Verfügung stellen, sie zu
Ende spielen lassen (zuweilen kann an einem Spiel
tagelang weitergespielt werden und es baut sich wie von
selbst so etwas wie FLOW auf)
• indem wir ihnen Phantasiereisen und ausgedehntes
Rollen- und imaginatives Spiel ermöglichen
• wir neugierig auf die Kinder sind, uns nicht von Vorannahmen (oder unseren eigenen Wolkenkuckucksheimen), sondern von den Kindern steuern lassen (wir
können viel von unseren Kindern lernen: Kindermund tut
Weisheit kund!)
Wie werden die Fundamente
dafür gelegt?
• Aufbau intrinsischer Motivation, d. h. zu
• ermöglichen, das sich Kinder intensiv mit
einer Sache beschäftigen können, für die
sie sich interessieren
• Flow-Erleben stellt sich im Idealfall
gleichsam wie von selbst her – dadurch
können Kinder Kennerschaft erwerben
• und lernen analog und problemorientiert
zu denken
Fazit
Wenn Sie alles beherzigen, fördern Sie
behutsam und kindgemäß die
Beschäftigungsvorlieben, Interessen
und Begabungen ihrer Kinder und
implizit damit auch ihre Fähigkeit von
sich aus immer wieder FLOW (und
damit ein Stück „grenzenlose Freiheit“)
herzustellen und ihrer Entwicklung
gemäß auszubauen und zu erweitern
Entwicklung im 1. Lebensjahr
• Vom Lallen zum Plappern zu ersten Wortschöpfungen
• Soziales Lächeln, Basisemotionen
• Vom Tun zum immer zielgerichteteren Er- und Begreifen
• Erwerb der Zeigegeste
• Das zweite Lebenshalbjahr (Motorische Fortschritte:
Sitzen, Krabbeln, Stehen, Gehen
• Symbiose mit der Mutter, Fremdeln
• Vorläuferformen von Vorstellungen
• Ausbildung von Objekt- und Personpermanenz
• Erste vorläufigen Konzepte aus (z. B. Verwendung des
Wortes „Ball“ für alles Runde und Rollende oder des
Wortes „wau“ für ganz verschiedene Tiere)
Entwicklung im 2. Lebensjahr
•
•
•
•
•
Vom Gehen zum Laufen
Mit Richtungswechseln
Treppen steigen
Kurz auf einem Bein stehen, hüpfen
Feinmotorisch: z.B. mit dem Löffel essen, mit
einem Stift kritzeln, Klötze in einen Behälter tun
• Eingeschränkte Trainings- und Übungseffekte
Kognitive Entwicklung im 2.
Lebensjahr
• Fortschritte in der Sprachentwicklung: Erste
verständliche Wörter, Ein-Wort-Sätze, weitere
Wörter kommen dazu, eigenen Namen
benutzen, Zwei-Wort-Sätze
• Im 2. Lebensjahr bildet das Kind immer
differenziertere innere Vorstellungen von
äußeren Dingen und Vorgängen, so genannte
Repräsentationen.
• Ich-Entwicklung (Bereitstellung neuronaler
Voraussetzungen)
Motorische Entwicklung im 3.
Lebensjahr
Grobmotorisch: Behender hüpfen und
springen, schneller rennen, werfen,
fangen (letzteres noch recht unsicher)
Feinmotorisch: z.B. mit Gabel essen,
vier Bauklötze aufeinander stellen,
größere Perlen aufreihen auf Schnur,
Flüssigkeit in einen anderen Becher
umgießen
Um diese Zeit herum sind Übungs- und
Trainingseffekte teilweise belegbar
(begabungsabhängig)
Motorische Entwicklung im 3.
Lebensjahr (2)
• Kinder vor dem vollendeten 2. Lebensjahr einem
speziellen motorischen Training (z.B.
Skifahren, Eislaufen) zu unterziehen ist nicht
sinnvoll, denn die biologischen
Voraussetzungen müssen vorliegen, das heißt,
die Reifung der entsprechenden
Großhirnareale muss abgeschlossen sein.
• Erst vom 3. Lebensjahr an erweist sich ein
Training bestimmter Bewegungsabläufe als
sinnvoll.
Kognitive Entwicklung im 3.
Lebensjahr
• Sprachliche Entwicklungsfortschritte:
• Wortschatzexplosion (von ca. 250 auf ca.
1000 Wörter mit 2,5 Jahren)
• Längere, grammatikalisch immer
korrektere Sätze
• Sprache wird allmählich zum wichtigsten
Mittel der Verständigung
Weitere kognitive Entwicklung
im 3. Lebensjahr
• Das Selbst-Konzept wird differenzierter
(wer bin ich = was kann ich, was gehört
mit)
• Bevorzugung überwiegend positiver
Merkmale zur Selbstcharakterisierung
• „Mein“ und „Dein“: Konzepte von Besitz
und Eigentum entstehen
Weitere kognitive Entwicklung
im 3. Lebensjahr (3)
• Die Konzepte von Raum, Zeit und Zahl
differenzieren sich allmählich aus
• Vorläuferformen einer „Theorie der Innenwelt“
(theory of mind) zeigen sich – eine echte
Dezentrierung von der eigenen Perspektive
erfolgt aber in der Regel erst ein Jahr später,
gegen Ende des 4. Lebensjahres
• Gegen Ende des 3. Lebensjahres differenziert
sich auch das Konzept von „lebendig“ weiter
aus (Pflanzen werden nicht mehr durchgängig
als unbelebte Objekte eingestuft)
Sozial-emotionale Entwicklung
im Laufe des 3. Lebensjahres
• Allmähliche Lockerung der engen symbiotischen
Beziehung zur Mutter (wechselseitiger Prozess!)
• Vorübergehende Trennung kann besser
ausgehalten werden
• Weitere Bindungen stabilisieren sich (Vater,
Geschwister, Großeltern, Erzieherin)
• Bedeutung der Kontinuität der zentralen
Bezugspersonen
• Die Trotzphase und ihre Wurzeln (prägende
Erfahrungen)
• Geben und Nehmen wird gelernt
• Helfen und Hilfe bekommen
Empfehlungen für die Praxis
– bitte Vorsicht:
• Jedes Kind hat sein eigenes Tempo
und braucht seine eigene Zeit (es gibt
große inter- und intraindividuelle
Unterschiede im Entwicklungstempo)
• Den richtigen Zeitpunkt (Beginn der
sensible Phase) abwarten, nichts
forcieren wollen: Kleine Kinder lernen
spielend!
Empfehlungen für die Praxis
- Fortsetzung
- Feinfühlig sein für die Signale, die
vom Kind kommen und auf diese
eingehen: Vor allem durch gelungene
Interaktionen – wirklich
wechselseitiges aufeinander
Bezugnehmen – baut sich eine gute
Beziehung auf
- Dem Kind Vertrauen schenken:
Vertrauen in das Kind festigt sein
Selbstvertrauen
Empfehlungen für die Praxis Fortsetzung
• Sich grundlegende Kenntnisse verschaffen über die
entwicklungspsychologischen und pädagogischen
Grundlagen der Kindheit – und sich nicht
verunsichern lassen durch manchmal
widersprüchlich erscheinende Fakten
• Die eigene Sicherheit vermittelt auch den Kindern
Sicherheit und Vertrauen in das eigene Können
• Sich Zeit nehmen zum zum Spielen, zum Anregen,
zum Schmusen – Kinder brauchen Zeit, zuweilen
ganz viel Zeit (das sind Freiheiten + Freiräume) !!
• Die Frustrationstoleranz der Kinder stärken und ihre
Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ausbauen – wie geht
das?
Empfehlungen für die Praxis Fortsetzung
• Auf sein Gefühl und seine Intuition kann man
sich zumeist, aber nicht immer verlassen
• Der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer
guten Beziehung ermöglicht den Kindern
Neugier und selbständiges Explorieren
• Neugierig auf das Kind sein, offen sein für
ungeahnte, überraschende, ungewöhnliche
Seiten, die es spontan (zeitweilig kann das Kind
ein wichtiger Lehrer für die Eltern sein)
Lernen und Förderung in außerfamilialer
institutioneller Betreuung
• hängt ab von der Qualität der jeweiligen
Einrichtung
• Öffentliche sind besser als freie sind
besser als private Einrichtungen (im
statistischen Durchschnitt)
• Kooperationseinrichtungen sind besser als
Krippen sind besser als Tagesmütter
Kognitive Entwicklung gegen
Ende des 2. Lebensjahres
• Ich-Entwicklung (neuronale
Voraussetzungen)
• 3 Phasen (aufgeregt-aktiv; Playmate
und Verunsicherung, Gehemmtheit;
allmählich sich im Spiegel erkennen) bei
den „Spiegel-Ich“-Untersuchungen
• „Rouge-Test“
Kognitive Entwicklung im 3.
Lebensjahr
• Das Ich und Selbst wird
differenzierter (was kann ich?)
• „Mein“ und „Dein“: Konzepte von
Besitz und Eigentum entstehen
Sozial-emotionale Entwicklung
im Laufe des 3. Lebensjahres
• Allmähliche Lockerung der engen
symbiotischen Beziehung zur Mutter
(wechselseitiger Prozess!)
• Vorübergehende Trennung kann besser
ausgehalten werden
• Weitere Bindungen stabilisieren sich (Vater,
Geschwister, Großeltern, Krippenerzieherin)
• Bedeutung der Kontinuität der zentralen
Bezugspersonen
• Die Trotzphase und ihre Wurzeln (prägende
Erfahrungen)
Kognitive Entwicklung von 4-6
Jahren (1)
• Fundamental ist der neurophysiologische
Entwicklungsschub, der in der 2. Hälfte des 4.
Lebensjahres einsetzt
• Explizites Gedächtnis (Strategienerwerb: Wiederholen,
Ordnen, selektive Aufmerksamkeit)
• Kausales Denken (allmähliche Lockerung der engen
raumzeitlichen Nähe zwischen Ursache und Wirkung)
• Problemlösen (z.B. durch analoges Denken, einer Wurzel
von Kreativität – Pfirsichkerne statt Steine)
• Begriffe hierarchisieren (Lebewesen – Säugetiere –
Nagetiere - Mäuse): Differenzierung und Integration der
kognitiven Strukturen
• „Theorien im Hinterkopf“ bilden sich aus:
Kognitive Entwicklung von 4-6
Jahren (2) – Theorien über die Welt
• Welt der äußeren Dinge und Ereignisse (naive
Theorie der Physik), z.B. Vorstellungen von
der Erde
• Innenwelt (naive Theorie der Psychologie) –
Differenzierung zwischen eigener und fremder
Innenwelt – und Außenwelt werden allmählich
unterschieden
• Welt des Lebendigen (Wachstum,
Fortpflanzung, Vererbung)
Gemeinsam mit Cornelia Nitsch wird in diesem
kürzlich erschienenen Buch die Sichtweise der
Kinder dargestellt
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