ENTSCHEIDUNGSTHEORIE Teil 3c Prof. Dr. Steffen Fleßa Lst. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement Universität Greifswald Gliederung 3 Konzepte der Entscheidungstheorie 3.1 Grundmodell der Entscheidungstheorie 3.2 Entscheidung bei eindimensionalen Zielsystemen 3.3 Mehrdimensionale Zielsysteme 3.4 Nutzentheorie 3.4.1 Grundlagen 3.4.2 Ausgewählte Verfahren 3.4.3 Bernoulli-Prinzip 3.4.1 Grundlagen • Prinzip: Bislang gingen wir davon aus, dass das Ergebnis einer Alternative i bei Umweltzustand j und Ziel h maßgeblich für die Entscheidung sei. In der Realität entscheiden wir jedoch nicht auf Grundlage des Ergebnisses, sondern auf Grundlage des Nutzens, den dieses Ergebnis liefert. Alternativen • • • Nutzen ist eine lineare Funktion des Ergebnisses durch den Ursprung: – Ergebnis ist ein gutes Surrogat für den Nutzen – Ergebnis ist kein vollständiges Surrogat für den Nutzen, jedoch ein Anhaltspunkt Nutzen ist eine monotone Funktion des Ergebnisses: Nutzen ist keine monotone Funktion des Ergebnisses: – Ergebnis darf in keinem Fall als Surrogat für den Nutzen verwendet werden Beispiel: Urlaubsplanung Erholung Der Erholungswertzuwachs steigt immer zu, je länger der Urlaub ist Der Erholungswertzuwachs ist am Anfang am Größten und nivelliert Irgendwann wird es so langweilig, dass die „Krise“ kommt und der Erholungswert sinkt Länge des Urlaubs = Ergebnis Formales Vorgehen e u h ij eijh h ij : Ergebnis bzgl. des Zieles z h bei Wahl der Alternative a i , wenn Umweltzustand s j eintritt uijh : Nutzen bzgl. des Zieles z h bei Wahl der Alternative a i , wenn Umweltzustand s j eintritt Nutzentheorie • Nutzenfunktion (= Präferenzfunktion): uijh U eijh U : Nutzenfunk tion • Nutzentheorie: Lehre von der Entwicklung von Nutzenfunktionen Varianten: Unsicherheit, Ziele • Sicherheit und ein Ziel ui U ei uih U eih • Sicherheit und mehrere Ziele • Unsicherheit und mehrere Ziele uijh U eijh Präferenzarten • • • • Höhenpräferenz – Abbildung des Nutzens in Abhängigkeit von der Ergebnishöhe Artenpräferenz – Gewichtung von Zielen Risikopräferenz – Abbildung der Risikoeinstellung des Entscheiders Zeitpräferenz – Abbildung der Gegenwartsorientierung des Entscheiders Beispiel: Partnerwahl • Artenpräferenz – Ziele • • • – Ziel 1: Reichtum Ziel 2: Schönheit Ziel 3: Nettigkeit Wie wichtig sind mir diese Ziele im Verhältnis zueinander? • • • λ1=0,2 λ2=0,3 λ3=0,5 Beispiel: Partnerwahl Nutzen • Höhenpräferenz – Für jedes Ziel: wie viel nützt mir ein bestimmtes Niveau? Schönheit Nutzen Nutzen Vermögen Nettigkeit Beispiel: Partnerwahl • Zeitpräferenz – Reichtum, Schönheit und Nettigkeit verändern sich im Zeitablauf, z. B. Schönheit: Beschreibu Alter = 25 ng Alter = 50 Alter = 75 Person 1 sehr hübsch 100 Punkte 50 Punkte 20 Punkte Person 2 geht schon 80 Punkte 45 Punkte 19 Punkte Person 3 zeitlos 60 Punkte 50 Punkte 30 Punkte Person 4 ?!?!?!? 30 Punkte 30 Punkte 30 Punkte Beispiel: Partnerwahl Hohe Zeitpräferenz: wähle Person 1 • Niedrige Zeitpräferenz: Wähle Person 3 Zeitpräferenz – Reichtum, Schönheit und Nettigkeit verändern sich im Zeitablauf Beschreibu Alter = 25 ng Alter = 50 Alter = 75 Person 1 sehr hübsch 100 Punkte 50 Punkte 20 Punkte Person 2 geht schon 80 Punkte 45 Punkte 19 Punkte Person 3 zeitlos 60 Punkte 50 Punkte 30 Punkte Person 4 ?!?!?!? 30 Punkte 30 Punkte 30 Punkte Beispiel: Partnerwahl • Risikopräferenz – für alle Ziele müssen die möglichen Umweltzustände bewertet werden, z. B. Lebenseinkommen und -vermögen Beschreibung Früher Tod Inflation Branchenniedergang Person 1 gutes Sparbuch 500.000 € 50.000 € 500.000 € Person 2 reiche Eltern 0 € 500.000 € 1.000.000 € Person 3 tolle Ausbildung 0€ 1.000.000 € 1.000.000 € Person 4 gute Firma 500.000 € 2.000.000 € -500.000 € Beispiel: Partnerwahl Angsthase: Person 1 (da hat man auf • jeden Fall etwas!) Bungee-Springer: Person 4 Risikopräferenz – für alle Ziele müssen die möglichen Umweltzustände bewertet werden, z. B. Lebenseinkommen und -vermögen Beschreibung Früher Tod Inflation Branchenniedergang Person 1 gutes Sparbuch 500.000 € 50.000 € 500.000 € Person 2 reiche Eltern 0 € 500.000 € 1.000.000 € Person 3 tolle Ausbildung 0€ 1.000.000 € 1.000.000 € Person 4 gute Firma 500.000 € 2.000.000 € -500.000 € Terminologie • • Grundsatz: nicht einheitlich Eisenführ und Weber – Wertfunktion: Abbildung der Höhenpräferenz bei einer Entscheidung unter Sicherheit – Nutzenfunktion: Abbildung der Höhenpräferenz bei einer Entscheidung unter Unsicherheit • Klein und Scholl: – Nutzenfunktion = Wertfunktion Voraussetzungen zur Ermittlung einer Nutzenfunktion • Vollständige Präferenzordnung – Eine Präferenzordnung ist vollständig, wenn der Entscheider für jedes Paar möglicher Ergebnisse eines gegenüber dem anderen strikt präferiert oder beide als gleichwertig erachtet. – ei » ej : Ergebnis i ist besser als Ergebnis j – ei ~ ej : Ergebnis i ist gleichwertig mit Ergebnis j Voraussetzungen zur Ermittlung einer Nutzenfunktion (Forts.) • Transitive Präferenzordnung – Falls ein Entscheider ein Ergebnis ei gegenüber Ergebnis ej präferiert und Ergebnis ej gegenüber Ergebnis ek, so muss er auch Ergebnis ei gegenüber Ergebnis ek präferieren – Falls ei » ej und ej » ek ei » ek – Gegenteil: Inkonsistenz Ordinale Nutzenfunktion • Vollständige und transitive Präferenzordnungen erlauben die Entwicklung einer ordinalen Nutzenfunktion – ei » ej : u(ei) > u(ej) – ei ~ ej : u(ei) = u(ej) Umgang mit Zielkonflikten • • – – – – • Dominanzmodelle Absolute Dominanz von Alternativen Outranking-Modelle Kompromissmodelle Synonym: Multicriteria decision making; Multiobjective decision making) Bespiele: • • • – – Lexikographische Ordnung Zielgewichtung Goal Programming Multiattributive Methoden Synonym: Multiattributive decision making; Multiattributive utility theory (MAUT) Inhalt: Ermittlung einer Gesamtnutzenfunktion Entscheidungsvorbereitung bei Multiattributive Utility Theory • • • Ermittlung der Einzelnutzenfunktionen Höhenpräferenz Ermittlung der Gesamtnutzenfunktion bei Zielkonflikt Artenpräferenz Ermittlung der Risikonutzenfunktion bei Unsicherheit Risikopräferenz • Ermittlung der Zeitnutzenfunktion bei mehrperiodigen Entscheidungen Zeitpräferenz Methoden zur Ermittlung der Höhenpräferenz: Überblick • • Inhalt: Entwicklung einer Einzelnutzenfunktion (für jedes Ziel) Verfahren – – – – – Direct Rating Kategoriebasierte Ansätze (z. B. Schulnoten) Halbierungsmethode Methode gleicher Wertdifferenzen Analytic Hierarchy Process (AHP) Methoden zur Ermittlung der Artenpräferenz: Überblick • • Inhalt: Entwicklung einer multiattributiven Gesamtnutzenfunktion Verfahren • • • • Direct Rating AHP Trade-Off-Verfahren Swing-Verfahren Probleme der Nutzenermittlung • • • • Sachlich inkonsistente Aussagen (fehlende Transitivität) Unscharfe Aussagen (Fuzzy logic) Zeitlich inkonsistente Aussagen (heute so, morgen so) Laborsituationen („Würden Sie das kaufen?“) 3.4.2 Ausgewählte Verfahren • • • • • 3.4.2.1 3.4.2.2 3.4.2.3 3.4.2.4 3.4.2.5 Outranking-Methoden Direct Rating Halbierungsmethode Methode gleicher Wertdifferenzen AHP 3.4.2.1 Outranking-Methoden • • • Wort: Im Rang überragen (z. B. Militär) Einordnung: Es wird keine „echte“ Nutzenfunktion ermittelt. Wenn der Abstand zwischen zwei Alternativen einen bestimmten Grenzwert übersteigt, wird die Alternative als absolut besser gewertet Beispiele: ELECTRE; PROMETHEE 3.4.2.2 Direct Rating • Inhalt: Verfahren zur Ermittlung einer Nutzenfunktion durch direkte Zuweisung von Nutzwerten; Grundsätzlich zur Bestimmung von Einzelnutzenfunktionen und Zielgewichten geeignet Sehr (zu?) einfach Vorgehen: • • – – – Bewerte beste und schlechteste Handlungsalternative mit 100 bzw. 0 Punkten Ordne allen Ergebnissen dazwischen direkt einen Wert zwischen 0 und 100 zu [0,1]-Brandbreitennormierung: Wert / 100 Direct Rating: Schokoladenkonsum • • • • • • • • • keine Schoko: 0 Punkte eine Tafel: 100 Punkte 1 Rippe: 25 Punkte 2 Rippen: 45 Punkte 3 Rippen: 65 Punkte 4 Rippen: 80 Punkte 5 Rippen: 90 Punkte 6 Rippen: 100 Punkte 7 Rippen: 70 Punkte („Mir ist schlecht!“) Direct Rating: Schokoladenkonsum Nutzen 1 0 0 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 3.4.2.3 Halbierungsmethode • • • Syn.: Medianmethode Einordnung: Methode zur Bestimmung der Einzelnutzenfunktion Vorgehen: – – – Schlechteste Ausprägung des betrachteten Zieles =0 Beste Ausprägung = 1 Schätzung des Nutzenmedians, d.h. des Wertes, bei dem der Nutzen die Hälfte des Gesamtnutzens ist Halbierungsmethode (Forts.) • Vorgehen (Forts.) – für jedes Teilintervall (0-0,5; 0,5-1) wiederum Angabe des entsprechenden Medians – Weitere Aufteilung, bis ausreichende Genauigkeit erreicht ist Halbierungsmethode: Schokoladenkonsum Nutzen Frage 1: Bei welchem Schokoladenkonsum fühlst du dich am besten? 1 0 0 Frage 2: Bei welchem Schokoladenkonsum fühlst du Dich am schlechtesten? 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 Halbierungsmethode: Frage 3: Bei welchem Schokoladenkonsum Schokoladenkonsum hast Du genau halb so viel Freude wie im Maximum? 2,5 Rippen Nutzen 1 0 0 5 0 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 Halbierungsmethode: Frage 5: Welcher Schokoladenkonsum Frage 4: Bei welchem Schokoladenkonsum teilt den Schokoladenkonsum hast Du Nutzengenau halb so viel Freude wie bei der Hälfte? 1 1 Rippe u. 1 Stück 0 Nutzenzuwachs von 2,5 auf 6 Rippen Schokolade genau in der Hälfte? 4,5 Rippen 0 7 5 5 0 2 5 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 3.4.2.4 Methode gleicher Wertdifferenzen • • Einordnung: Methode zur Bestimmung der Einzelnutzenfunktion Vorgehen: – – – – – Bestimmung der schlechtesten Ausprägung. Nutzen = 0 Erhöhe das Ergebnis um einen bestimmten Betrag (z. B. zwei zusätzliche Urlaubstage). Der Nutzen hiervon sei als eins definiert. Der Entscheider muss angeben, bei welchem Wert er eine Nutzenverdoppelung annimmt, d.h. gesucht ist x3, so dass U(x3) = 2; Suche weitere xi, so dass jeweils gilt: U(xi) = i Führe eine Bandbreitennormierung auf [0,1] durch Gleiche Wertdifferenzen: Schokoladenkonsum Nutzen Frage 1: Bei welchem Schokoladenkonsum fühlst du Dich am schlechtesten? 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 Gleiche Wertdifferenzen: Schokoladenkonsum Annahme: Zwei Rippen bringt Dir einen Nutzen von 1. Frage 2: Wie viele Rippen musst Du essen, um diesen Nutzen zu verdoppeln? 4,5 Rippen Nutzen 2 1 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 Gleiche Wertdifferenzen: Schokoladenkonsum Frage 3: Wie viele Rippen musst Du essen, um denselben Nutzenzuwachs zu erzielen? 8 Rippen Nutzen 3 2 1 1 2 3 4 5 Rippen Schoko 6 7 3.4.2.5 AHP • Besonderheiten – Berücksichtigung der kompletten Zielhierarchie durch paarweisen Vergleich aller Ziele und Alternativen – Ermittlung von Arten- und Höhenpräferenz in einem Schritt – Inkonsistenzen des Entscheiders können berücksichtigt werden und „stören“ das Verfahren nicht Paarweiser Vergleich • Für jedes Paar von Alternativen bzw. Zielen wird eine Frage gestellt, z. B. – Wie beurteilen Sie das Verhältnis von Prestige und Benzinverbrauch? • • • • • gleichwichtig: 1 Punkt etwas wichtiger: 3 Punkte; etwas unwichtiger: 1/3 Punkte wichtiger: 5 Punkte; unwichtiger: 1/5 Punkte viel wichtiger: 7 Punkte; viel unwichtiger: 1/7 Punkte extrem wichtiger: 9 Punkte; extrem unwichtiger: 1/9 Punkte Vergleichsmatrizen A1 A2 A3 A1 1 3 ½ A2 1/3 1 A3 2 9 Z1 Z2 Z3 Z1 1 5 3 1/9 Z2 1/5 1 2 1 Z3 1/3 1/2 Hier: keine Inkonsistenzen, d.h. aij=1/aji; Inkonsistenzen können mathematisch beseitigt werden 1 Einfachste Berechnung der Nutzen und Gewichte A1 A2 A3 A1 1 3 ½ A2 1/3 1 A3 2 9 Z1 Z2 Z3 Z1 1 5 3 1/9 Z2 1/5 1 2 1 Z3 1/3 1/2 •Zeilensummen: A1: 4,5; A2: 1,44; A3: 12; Normierung: U(A1)= 4,5/(4,5+1,44+12)=0,25; U(A2)=1,44/(4,5+1,44+12)=0,08; U(A3)= 12/(4,5+1,44+12)=0,67 λ1=0,64; λ2=0,23; λ3=0,13; 1 Klassisches Beispiel • • Saaty (1977): Abstände zwischen Städten Befragung von Amerikanern bzgl. des relativen Abstandes zwischen Städten, z. B. – Die Strecke New York – Washington ist • • • • • – • gleich weit wie die Strecke New York – Boston etwas weiter als die Strecke New York – Boston deutlich weiter als die Strecke New York – Boston viel weiter als die Strecke New York – Boston sehr viel weiter als die Strecke New York – Boston Für viele Städte und Strecken Auswertung über AHP führte tatsächlich zu annähernd richtigen Entfernungen Bewertung AHP • • • Zeilensumme ist unbefriedigend; bessere Verfahren existieren, insb. über Eigenwerte der Matrizen Sehr aufwendige Befragungen Grundsätzlich für wissenschaftliche Untersuchungen relevant, kaum für betriebswirtschaftliche Praxis Abgrenzung AHP – Conjoint Analysis • • • Hinweis: Conjoint Analysis findet sich kaum in Entscheidungslehrbüchern, jedoch in der Marketingliteratur AHP: vollständiger paarweiser Vergleich Conjoint: Ranking von ganzen Eigenschaftsbündeln Beispiel: zwei Farben, zwei Größen • – – • – AHP: Farbe: • • • • • rot rot rot rot rot • • • • • groß groß groß groß groß Größe: Conjoint: ist ist ist ist ist gleich schön wie blau etwas schöner als blau deutlich schöner als blau viel schöner als blau sehr viel schöner als blau ist ist ist ist ist gleich gut wie klein etwas besser als klein deutlich besser als klein viel besser als klein sehr viel besser als klein Bringe in eine Reihenfolge: • • • • Kleines, Kleines, Großes, Großes, rotes Auto blaues Auto rotes Auto blaues Auto Bewertung Nutzentheorie • Anwendung: – Finanzierungstheorie (Risikoneigung; optimales Wertpapierportfolio) – Marktforschung – Gesundheitsökonomik • Praxis des kommerziellen Betriebes: kaum Multi-Attributive-Decision-Support • • Entwicklung: jüngere Entscheidungstheorie – – – Präferenzen sind nicht bekannt Präferenzen sind nicht stabil Anwender entscheidet – Entscheidungstheoretiker entwickeln Menge der Pareto-optimalen Lösungen (Ausschluss dominierter Lösungen) Entscheider erhält interaktives Werkzeug zur intuitiven Auswahl der Entscheidungsalternative Beispiel: Radiotherapieplanung Vorgehen: – – Radiotherapieplanung • Ziele – – – • Maximale Bestrahlung des Krebses Minimale Bestrahlung des umliegenden Gewebes Minimale Bestrahlungsdauer Zielkonflikt: Aus physikalischen Gründen ist keine alle Ziele gleichermaßen befriedigende Lösung möglich Alternativen: • – – – Verschiedene Einstrahlwinkel Verschiedene Bestrahlungsdauern Verschiedene Bestrahlungsstärken Radiotherapieplanung Radiotherapieplanung: was muss geplant werden? • medizinische Parameter – Kurativdosis, Toleranzdosen – Dosisfraktionierung • physikalische Parameter – Einstrahlgeometrie – Intensitätsprofile Radiotherapieplanung: traditionelles Vorgehen • Radiologe „überlegte“ sich ein Bestrahlungsregime – • Problem: oftmals ineffiziente Lösungen formal: – Verdichtung auf eine gewichtete Wertungsfunktion Abweichung von homogener Dosisverteilung im Zielvolumen F w U FU w L FL w1F1 ... w K FK Min, w i 0 Radiotherapieplanung: traditionelles Vorgehen • Radiologe „überlegte“ sich ein Bestrahlungsregime – • Problem: oftmals ineffiziente Lösungen formal: – Verdichtung auf eine gewichtete Wertungsfunktion Abweichung von idealer kurativer Dosis F w U FU w L FL w1F1 ... w K FK Min, w i 0 Radiotherapieplanung: traditionelles Vorgehen • Radiologe „überlegte“ sich ein Bestrahlungsregime – • Problem: oftmals ineffiziente Lösungen formal: – Verdichtung auf eine gewichtete Wertungsfunktion Risiken, Abweichung von idealen Toleranzen F w U FU w L FL w1F1 ... w K FK Min, w i 0 Radiotherapieplanung: traditionelles Vorgehen • Problem: Unnatürliche Gewichte wi müssen durch eine zeitaufwändige Suche- und Verwerfe-Strategie gefunden werden – – erlauben keine dynamische Planung erlauben nicht die Diskussion von Trade-offs zwischen den einzelnen Zielfunktionen Fi F w U FU w L FL w1F1 ... w K FK Min, w i 0 Radiotherapieplanung: neuer Ansatz • Definition: F = (FU , FL, F1 , F2 , ... , FK) heißt Pareto-optimal oder effizient, falls es keine Verbesserung eines F - Eintrags gibt ohne mindestens einen anderen zu verschlechtern Radiotherapieplanung: Schritt 1: Vorgehen Ermittlung der effizienten Lösungen durch mathematische Optimierung Radiotherapieplanung: Schritt 2: Vorgehen Speicherung der effizienten Lösungen in Datenbank Radiotherapieplanung: Schritt 3: Vorgehen Interaktive Auswahl der Lösung aus der Menge der effizienten Lösungen, die dem Radiologen intuitiv am meisten zusagt Radiotherapieplanung: Schritt 4: Vorgehen Ausgabe der technischen Werte (Einstrahlwinkel, Bestrahlungsdauer, Bestrahlungsstärken) der gewählten Lösung Werkzeug Krebs 100 50 Ausgangsbasis: maximale Krebsbestrahlung ist nur unter maximaler Bestrahlungsdauer und maximaler Umgebungsbestrahlung zu erreichen 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 50 Schritt 1: Radiologe fragt sich, auf wie viel Krebsbestrahlung er verzichten muss, wenn er die Umgebungsbestrahlung auf 50 % reduziert. 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 50 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 Schritt 2: Radiologe möchte Dauer noch etwas reduzieren. 50 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 50 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 50 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 Schritt 3: Krebsbestrahlung ist unverhältnismäßig gesunken. Erhöhung! 50 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 Krebsbestrahlung = 50; Umgebungsbestr. = 10; Dauer = 40; Radiologe ist zufrieden 50 0 Dauer Umgebung Werkzeug Krebs 100 Krebsbestrahlung = 50; Umgebungsbestr. = 10; Dauer = 40; Radiologe ist zufrieden 50 0 Dauer Umgebung Simulation • • Datei: Radio-Therapy-Planning Folie 33 ff 3.4.3 Erwartungsnutzentheorie 3.4.3.1 Bernoulli-Prinzip • Prinzip: Ein rationaler Entscheider orientiert sich am erwarteten Nutzen Beispiel: St. Petersburg Spiel • – – – – – – – Daniel Bernoulli (1738) Ein Spieler muss einen Einsatz A zahlen. Es wird eine Münze geworfen. Falls beim ersten Wurf „Zahl“ oben liegt, erhält er zwei Euro. Sonst geht das Spiel weiter Falls beim zweiten Wurf „Zahl“ oben liegt, erhält er vier Euro, sonst geht das Spiel weiter. … falls beim j-ten Wurf „Zahl“ oben liegt, erhält er 2j Euro, sonst geht das Spiel weiter. FRAGE: Wie viel ist ein Spieler bereit zu setzen? St. Peterburg Spiel "Runden" Auszahlung Wahrscheinlichkeit 1 2 0,5 1 1 2 4 0,25 1 2 3 8 0,125 1 3 4 16 0,0625 1 4 5 32 0,03125 1 5 6 64 0,015625 1 6 7 128 0,0078125 1 7 8 256 0,00390625 1 8 9 512 0,00195313 1 9 10 1024 0,00097656 1 10 j 2j 0,5j 1 j p*e Kumuliert St. Petersburg Paradoxon • • • Der Erwartungswert des Gewinnes bei dem Spiel ist unendlich, d.h. man müsste einen sehr hohen Einsatz erwarten. Tatsächlich zeigt es sich, dass fast niemand bereit ist, mehr als 10 Euro zu setzen Folge: Nutzen unter Berücksichtigung des Verlustrisikos ist deutlich geringer als der erwartete Gewinn Erwartungsnutzen Erwartungsnutzen • • Die Erwartungsnutzentheorie zieht den erwarteten Risikonutzen (kombinierte Höhen- und Risikopräferenz) zur Alternativenbeurteilung heran. Dies wird auch als Bernoulli-Prinzip bezeichnet Erwartungsnutzen (Forts.) • Definition des Erwartungsnutzens (parallel zum Ergebniserwartungswert): n Eu (ai ) p j u (eij ) j 1 Eu (ai ) : erwarteter Nutzen von Alternativ e i pj : Wahrschei nlichkeit der Umwelt situation j u (eij ) : Nutzen des Ergebnisse s der Alternativ e i bei Umweltzus tand j 3.4.3.2 Axiome und Relevanz • Axiome – vollständige Ordnung – Stetigkeitsaxiom – Unabhängigkeitsaxiom Relevanz • • Das Bernoulli-Prinzip (sowie die gesamte Nutzentheorie) bildete eine theoretische Grundlage der betriebswirtschaftlichen Theorie Seine praktische Relevanz ist gering Bounded Rationality • • • • Beobachtetes Verhalten weicht signifikant und systematisch von den Voraussagen der Erwartungsnutzentheorie ab In vielen Fällen behalten Personen ihr Verhalten auch dann noch bei, wenn man sie auf die Annahmenverletzung hinweist Beschränkte Rationalität berücksichtigt kognitive und emotionale Beschränkungen des Entscheidungsträgers (Herbert Simon) Bedeutung: Behavioral Finance Entscheidungsanomalien 1. Individuen sind nicht in der Lage, kleine Wahrscheinlichkeiten realistisch einzuschätzen 2. Individuen gewichten sichere Gewinne weit höher als hohe Wahrscheinlichkeiten 3. Individuen können Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheit schlecht einschätzen 4. Die Darstellung des Problems ist für die Handlungen relevant etc. Dynamische Inkonsistenzen • Grundmodell: exponentielle Diskontierung mit konstanter Zeitpräferenzrate impliziert Zeitkonsistenz Ct+1 U2 U1 Ct Dynamische Inkonsistenzen • Grundmodell: exponentielle Diskontierung mit konstanter Zeitpräferenzrate impliziert Zeitkonsistenz C(t+1) Dynamische Inkonsistenzen • • • Empirie: Menschen verhalten sich häufig zeitinkonsistent Präferenzwechsel in Abhängigkeit von der zeitlichen Distanz der Ereignisse Beispiel: impulsives Verhalten versus langfristige Pläne („Adam und Eva“) Formal: Annahme einer hyperbolischen Diskontierungsfunktion zeitabhängige Diskontierung