FORM Allgemein - PHK

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Bertold Brecht
Die Liebenden
Ein Gedicht der Gegenwart

Die Liebenden
5
10
15
20
Sieh jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen
Aus einem Leben in ein andres Leben
In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
Scheinen sie alle beide nur daneben.
Daß so der Kranich mit der Wolke teile
Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen
Daß also keines länger hier verweile
Und keines andres sehe als das Wiegen
Des andern in dem Wind, den beide spüren
Die jetzt im Fluge beieinander liegen
So mag der Wind sie in das Nichts entführen
Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
Solange kann sie beide nichts berühren
Solange kann man sie von jedem Ort vertreiben
Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
So unter Sonn und Monds wenig verschiedenen Scheiben
Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.
Wohin ihr? Nirgendhin. Von wem davon? Von allen.
Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen? Seit kurzem.
Und wann werden sie sich trennen? Bald.
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.
Merkmale und Besonderheiten der
Modernen Literatur
Grundzüge

Strömungen wie:
 Naturalismus,
 Impressionismus,
 Symbolismus
und
 Expressionismus werden zur Moderne
gezählt.
Merkmale
starke Subjektivität der Aussage
 keine verbindlichen Wertesysteme
 komplizierte, undurchsichtige und
unpersönliche Welt
 Liebe und Partnerschaft als Wunsch und
als Realität, im Rückblick und in der
Gegenwart

Besonderheiten
Mehrdeutigkeit statt Eindeutigkeit
 Zeilenumbruch nicht nach der
Satzgrammatik, sondern sinntragend
 zentrale Bilder, die aus dem Gedicht
selber erschlossen werden müssen

Wichtige Autoren
Franz Kafka
 Wolfgang Koeppen, Tauben im Gras
 Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen
des Malte Laurids Brigge
 Hermann Brochs, Die Schlafwandler

Biografie - Bertold Brecht
-
Geboren 1898 in Augsburg, gestorben 1956 in Ost-Berlin
Besuchte nach der Volksschule von 1908 bis 1917 das Gymnasium und schloss seine
Schulzeit mit dem Notabitur ab
Ab 1913 war er Redakteur, Herausgeber und Autor der Schülerzeitung „Die Ernte“,
in der er seine ersten Werke veröffentlichte
Auf Grund eines Herzleidens hatte Brecht Zeit seines Lebens einen recht labilen
Gesundheitszustand
1917- 1918: Studium der Literatur, Medizin und Philosophie an der LudwigMaximilians-Universität in München
1919: Geburt des gemeinsamen Sohnes mit seiner Jugendliebe Paula Banholzer. Ihre
Eltern weigern sich, Brecht als Schwiegersohn zu akzeptieren
Ab 1920 pendelt Brecht zwischen Berlin und München, da er in Berlin viele
Bekanntschaften in der literarischen Szene geschlossen hat
September 1922: Uraufführung seines Stücks „Trommeln in der Nacht“, für das er
den Kleist-Preis erhielt, in München
3. November 1922: Heirat mit der Schauspielerin Marianne Zoff
12. März 1923: Geburt seiner Tochter Hanne
-
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1924: Endgültige Übersiedlung nach Berlin, wo er die Schauspielerin Helene Weigel
kennenlernt, die am 3. November desselben Jahres seinen zweiten Sohn Stefan zur
Welt bringt
Arbeit als Dramaturg an Max Reinhardts Deutschem Theater gemeinsam mit Carl
Zuckmeyer
1927: Scheidung von Marianne Zoff
1928: Die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ in Berlin wird ein großer Erfolg
10. April 1929: Heirat mit Helene Weigel, die am 18. Oktober 1930 das zweite
gemeinsame Kind Barbara zur Wel bringt
Ab 1926 drehen sich Brechts Stücke immer mehr um die Erläuterung
gesellschaftlicher Missstände auf der Grundlage des Marxismus. Obwohl er also mit
den Zielen der Kommunisten sympathisiert, wird er jedoch nie Mitglied der KPD.
Zeitgleich beginnt die Entwicklung von Brechts „epischem Theater“, bei dem nicht
mehr die Identifikation des Zuschauers mit den Figuren angestrebt wird, sondern
eine kritische Distanz bewahrt werden soll
Ab 1930 werden Aufführungen von Brechts Stück immer stärker von
Nationalsozialisten gestört und schließlich verboten, sodass Brecht Deutschland 1933,
einen Tag nach dem Reichstagsbrand, verlässt und mit seiner Familie nach Dänemark
flüchtet
Bis die Familie 1949 nach Ost-Berlin zurückkehrt lebte sie in Schweden, Finnland,
den USA und in der Schweiz. Brecht knüpfte viele Kontakte und setzte seine Tätigkeit
als Autor und Dramaturg fort.
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-
In Berlin gründen Brecht und seine Frau das sogenannte „Helene-Weigel- Ensemble“
1950 wird die Deutsche Akademie der Künste gegründet, in der Brecht sich sehr
engagiert und deren Vizepräsident er 1954 wird.
1951 wird Brecht mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.
Als es 1953 zu Massenprotesten von DDR- Arbeitern kommt, bekräftigt Brecht auf
der einen Seite seine Sympathie für die SED und deren striktes Vorgehen gegen die
Demonstranten, auf der anderen Seite fordert er aber auch eine Aussprache der
beiden Seiten. Da die Debatten sich als fruchtlos erweisen, zieht er sich recht bald
wieder aus der Politik zurück.
Seit Gründung des Berliner Ensembles steigt Brechts Arbeitspensum stetig. Neben
schriftstellerischen Arbeiten jeder Art, arbeitet er als Regisseur und wirkt bei
Inszenierung unter der Regie anderer Mitglieder des Ensembles mit. In den Jahren
1954/55 gelingt dem Ensemble mit Hilfe von Brechts Inszenierungen auch der
internationale Durchbruch.
Die enormen Belastungen lassen den ohnehin gesundheitlich immer angeschlagenen
Brecht schwer an Grippe erkranken und am 14. August 1956 stirbt er an
Herzversagen.
FORM
Allgemein
Versmaß: fünf-hebiger Jambus
 Endreime: Harmonische Form der
Verfugung, gemischte Reimform
 Verschränkung der Reime
 Tlw. Enjambements

Bertold Brecht – Die Liebenden
Form

1
2
3
4
Sieh jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen
Aus einem Leben in ein andres Leben

Vers 1: Assonanzen

Vers 2: Anaphern

Vers 3: Assonanzen

Vers 4: Anapher; Wiederholung
a
b
a
b
Bertold Brecht – Die Liebenden
Form

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6
7
8
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In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
Scheinen sie alle beide nur daneben
Daß so der Kranich mit der Wolke teile
Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen
Daß also keines länger hier verweile
Und keines andres sehe als das Wiegen
Des andern in dem Wind, den beide spüren
Die jetzt im Fluge beieinander liegen
So mag der Wind sie in das Nichts entführen
c
b.
c
d
c
d
e
d
e
Vers 6,7,9,10
-
Assonanzen
Vers 5
-
Wiederholung
Vers 7,10,11,13
-
Anapher
Vers 11,13
-
Wiederholung
Vers 11,12
-
gleiches Wortfeld
Vers 7,9
-
Merkmal -> alte Rechtschreibung
Bertold Brecht – Die Liebenden
Form

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Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
Solange kann sie beide nichts berühren
Solange kann man sie von jedem Ort vertreiben
Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
So unter Sonn und Monds wenig verschiedenen Scheiben
Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.
Vers 15,16
-
Parallelismus
Vers 17,18
-
Alliteration
Vers 18
-
Kontrast (hell+dunkel)
Vers 18,19,14
-
Alliteration
Vers 19,11,12
-
Wortfeld „zusammen“
g
e
g
h
g
h
Bertold Brecht – Die Liebenden
Form

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Wohin ihr? Nirgendhin. Von wem davon? Von allen.
Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen? Seit kurzem.
Und wann werden sie sich trennen? Bald.
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.
Reimschema: Bruch in der Ordnung
Vers 20,21,22
-
Frage ->Antwort
-
W-Fragen (Wohin, Wie, Wann,…)
Vers 23
-
Anapher
Vers 22
-
Alliteration
Vers 21,22
-
Antwort: Kurzzeitigkeit
h
i
k
k
Inhalt

Vers 1-4:

Gegenseitige Aufmerksamkeit („beide in großem Bogen“)

Darstellung der Liebenden:
Gemeinsam mit den Wolken in Freiheit


Herkunft und Ziel sind unbestimmt: „Aus einem Leben in
eine anderes Leben“


Vers 5-13:
Darstellung der Zusammengehörigkeit: “gleiche Höhe“, „gleiche Eile“

-Beschreibung der Harmonie; Schönheit

-Andeutung der Vergänglichkeit: „Kurz“, „Wolke“
Vers 15-19:
 Sicherheit durch gegenseitige Bezogenheit
 Rückzug aus der (verkehrten) Gesellschaft
Vers 20-23:
Bruch
erkennbar: unbeantwortete Fragen bzw. unklare Antworten:
„Wohin ihr? Nirgendhin … Und wann werden sie sich trennen? Bald“
→ Hinweis auf zeitliche Begrenzung, Vergänglichkeit
Liebe als Illusion: „So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.“

Zusammenfassung:
-
Kranichpaar als Symbol für
Liebeserfüllung flüchtet aus der Realität

Jedoch: Gefährdung und zeitliche
Begrenzung der Liebe
Sprache
Wortwahl und Stilmittel
Wortwahl
Naturbezug
 Kranich, Wolken, Wind, Himmel, …
 Beobachter
 Sie, Die
 Fordert Leser zum beobachten auf:
 Sieh (imperativ)

Wortwahl

Motiv des Fluges stellvertretend für den
Lauf des Lebens
 Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen
Aus einem Leben in ein andres Leben
Sprache

Verbindung von Versstruktur u. Inhalt
 Enjambements
Brecht möchte nicht auf Reime etc.
hinaus, sondern darauf, dass der Leser
auch den Inhalt beachtet.
Sprache
Das Gedicht hat ein durchgehendes Motiv
 die Natur
 Er wählt dieses Motiv als Zeichen der
Harmonie:
- Kranichpaar (Liebe)
- Fliegen nebeneinander am blauen Himmel
(Schwerelosigkeit)
- (…)

Sprache

-
Dennoch gibt es auch Disharmonien die
das Gedicht „böse enden lassen“ :
Die ganze Handlung ist zeitlich begrenzt
Sprache

Verwendung Frage-Antwort-Technik
-
Brecht möchte, dass dem Leser Stück für
Stück klar wird, dass die Liebe scheitern
wird.
Durch sein Resumé unterstreicht er seine
These erneut.
-
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