Barock Die Musik und ihr Umfeld Ein Überblick 1600-1750 Definition: aus dem portugiesischen barucca (unregelmäßig geformte Perle) Zunächst abfälliger Begriff der nachfolgenden Klassiker Gegenreformatorische und absolutistische Tendenzen Dreißigjähriger Krieg (1618-1648) in Deutschland verzögert Entwicklung Kämpfe der Großmächte um das europäische Gleichgewicht Neuorientierung der Naturwissenschaften an empirischem Denken (G. Galilei, J. Kepler, J. Newton) Religiöse Kunst Weltliche Kunst Architektur Form A B A Peterskirche Wien / 1701 - 1721 30-jähriger Krieg Der D. (1618-48), bereits 1645 so bezeichnet, war eine europ. Auseinandersetzung, obschon er auch "teutscher Krieg" genannt wurde. Zu seiner Erklärung müssen Probleme und Widersprüche der frühneuzeitl. Gesellschaften in Betracht gezogen werden: Erstens die religiöse Zwietracht zwischen kath. und prot. Christen, zweitens das Ringen um Macht und Herrschaft im Prozess der frühmodernen Staatsbildung, drittens die Auseinandersetzungen zwischen ständ. und absolutist. Kräften, viertens der Kampf um die europ. Vorherrschaft. Dieser Kampf fand zwischen dem habsburg. Österreich und dessen mehrheitl. kath. Verbündeten, dem dt. Reich und dem ebenfalls habsburg. Spanien, auf der einen Seite, sowie dem kath. Frankreich mit den prot. Reichsfürsten, den Niederlanden und Schweden auf der anderen Seite statt. Der Konflikt weitete sich - vom böhm.pfälz. (1618-23) über den niedersächs.-dän. (1625-29) und schwed. Krieg (1630-35) - mit der schwed.-franz. Koalition (ab 1635) zu einem europ. Flächenbrand aus, von dem die Eidgenossenschaft erst ab der schwed. Einmischung direkt betroffen wurde. Das Hauptschlachtfeld war das Hl. Röm. Reich, Nebenkriegsschauplätze lagen in den Niederlanden und in Flandern, im Elsass und in der Freigrafschaft Burgund, in Norditalien und Osteuropa. Diplomat. Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien in Westfalen beendeten diesen Konflikt 1648 (Westfälischer Frieden). 30-jähriger Krieg Bilder Westfälischer Friede Kunstmerkmale Das Bild als Bühne Tiepolo Öffentliche Pracht Scheinarchitektur Trompe-l‘oeil Andrea Pozzo Dramatische Höhepunkte aus Bibel, Geschichte, Mythologie Judith enthauptet Holofernes Artemisa Gentileschi Licht und Schatten / Raumwirkung Georges de la Tour Wirkungsvolle Diagonalen Caravaccio Blickkontakt / Portrait Velazquez Spiel mit der Perspektive Velazquez Bildmitte Kopien von Bildern Niederländischer Meister Diese Fluchtlinie führt zur zentralen Person des Bildes Bild stand ursprünglich auf dem Boden Spiegel mit Herrscherpaar = wir «Betrachter» Velazquez Raummitte Tiefenwirkung durch Grössenunterschied Tochter Symbol für «Treue» Das Herrscherpaar ist 3fach anwesend (Spiegel / Bild / vor dem Bild) Lenkung des Blicks De Hooch Stillleben Snyders Moralische Lektion „Kurz nach der Hochzeit“ Die Neuvermählten nach einer (getrennt verbrachten) ausschweifenden Nacht: Ihr verzweifelter Verwalter verlässt den Raum mit unbezahlten Rechnungen. Hogarth Symbole der Eitelkeit / Vergänglichkeit Blumen: Vergänglichkeit der Schönheit. Früchte: Symbol für Reife und abgeschlossene Entwicklung. Kerzen: Vergänglichkeit der Seele und Materie. Machtinsignien: Die Symbole sollen den Gegensatz zwischen dem kurzlebigen Glauben an die menschlichen Machtgefüge und der Ewigkeit des Himmlischen Reiches ausdrücken. Luxusgüter: Sie sind nur eitler Tand. Musikinstrumente und Noten: Klang der Musik ist nur als ein flüchtiger Moment für den Menschen erlebbar. Seifenblasen: Der Mensch ist wie eine Seifenblase. Spielutensilien: Das irdische Glück als falsches Lebensziel. Schädel: Endlichkeit des menschlichen Lebens. Spiegel: Steht für Eitelkeit und Selbstverliebtheit. Uhren: Symbol für die verbleibende, ablaufende Lebenszeit. Muschel: Sinnbild für die Empfängnis göttlicher Gnade Antonio de Pereda Bailly David, 1651 Jan Bouterse Jan Vermeulen Pieter Claesz, 1630 Paris Bordone: „Allegorie“ / Barock ca. 1560 Venus Mars Cupido Flora Peter Paul Rubens Vorstudie 1619 Pestsäule in Wien Literatur-Beispiel "Thranen des Vaterlandes" ( Anno 1636 ) - Andreas Gryphius Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret! Der frechen Volcker Schaar / die rasende Posaun Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun / Hat aller Schweiz / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret. Die Turme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret . Das Rathauß wiegt im Grauß / die Starcken sind zerhaun / Die Jungfern sind geschand't / und wo wir hin nur schaun Ist Feuer / Pest / und Tod / der Hertz und Geist durchfahret. Hir durch Schantz und Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt. Dreymal sind schon sechs Jahr / als unser Strome Flutt / Von Leichen fast verstopfft / sind langsam fort gedrungen. Doch schweig ich noch von dem / was arger als der Tod / Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth / Das auch der Seelen Schatz / so vilen abgezwungen. Van Dyck: „Gefangennahme Samsons“ ca. 1630 Delilah hatte herausgefunden, dass die außerordentliche Kraft Samsons in seinen Haaren lag und das Geheimnis an seine Verfolger verraten. Sie schnitt dem Schlafenden das Haupthaar ab und lieferte ihn so den feindlichen Philistern aus. Van Dyck nimmt hier zwar eine Komposition Peter Paul Rubens zum Vorbild, gibt aber die psychische Situation von Samson und Delila in anderer Weise wieder: Bei Van Dyck rücken die abivalenten Gefühle Samsons und Delilahs in den Vordergrund. Literatur-Analyse "Thranen des Vaterlandes" ( Anno 1636 ) - Andreas Gryphius Die typische Form des Sonettes: zwei Quartette, zwei Terzette. Zwischen den beiden Quartetten und dem Terzett kommt die Antithetik durch eine Zäsur zum Ausdruck. Das vorherrschende Thema ist, wie auch in vielen anderen kulturellen Bereichen des Barock, die Vergänglichkeit ("Vanitas") im Gegensatz zum ewigen Leben (Leben/Tod). Prinzip der „Antithetik“ Gryphius Es ist alles eitel Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden. Was dieser heute baut, reist jener morgen ein. Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiesen sein, Auf der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden. Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden. Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein, Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein. Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden. Der hohen Taten Ruhm, muss wie ein Traum vergehn. Soll den das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn? Ach! was ist alles dies, was wir vor köstlich achten, Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind; Als eine Wiesen-Blum, die man nicht wider find't. Noch will, was Ewig ist, kein einig Mensch betrachten. Frühbarock-Komponisten älteste vollständig erhaltene Oper, Euridice (1600) von Jacopo Peri und Giulio Caccini; verband gehobene Deklamation des Solisten mit Hirtentänzen für Nymphen und Schäfer, und verschmolz so die Kraft der griechischen Tragödie mit zeitgenössischen Idealen der pastoralen Idylle Monodie, Affekte, Improvisation Theater Venedig: Claudio Monteverdis Orfeo (1607) - Mehrchörigkeit, Dynamikkontraste („Terrassen“) – Giovanni Gabrieli (1597) – Sacrae Symphoniae Carlo Gesualdo (1560 – 1613) Madrigale mit überraschenden Harmoniefolgen Deklamation, kühne Harmonik, „bewegter Stil“ Hochbarock-Komponisten Lully (Rezitativ und Arie, spektakuläre Bühneneffekte, Geigenhochkultur mit Stradivari, Guarneri, Amati) Schütz (formt italienischen Stil zu deutscher Kirchenkantate) Purcell (Sololied, Instrumentalmusik) Spätbarock-Komponisten 1653-1713 - Arcangelo CORELLI - Italien 1659-1695 - Henry Purcell - England 1660-1725 - Alessandro SCARLATTI - Italien 1660-1741 - Johann Joseph FUX - Österreich 1668-1733 - Francois COUPERIN - Frankreich 1671-1751 - Tomaso ALBINONI - Italien 1678-1741 - Antonio VIVALDI - Italien 1681-1767 - Georg Philipp TELEMANN - Deutschland 1683-1764 - Jean Philippe RAMEAU - Frankreich 1685-1757 - Georg Friedrich HÄNDEL - Deutschland, England 1685-1750 - Johann Sebastian BACH - Deutschland Wichtige Formen in der Musik Instrumentalmusik Konzert Concerto Grosso, Triosonate, Sonate, Orchester mit Streichern und Bläsern, Satzfolge meist schnell – langsam - schnell Suite (Allemande - Courante – Sarabande - Gigue) Fuge Orgel, Cembalo, Clavichord Vokalmusik Oratorium (Passion) Kantate Oper Suite (Folge von Tänzen) Die Tanzabfolge mit den vier Haupttänzen: Allemande Courante Sarabande Gigue Allemande Wie bereits der französische Begriff Allemande induziert, handelt es sich hierbei um einen deutschen Tanz. Die Allemande hat ihren Ursprung in den geschrittenen Vortänzen (Reigen oder Pavane) des Mittelalters. Die Allemande ist traditionell im 4/4- Takt gehalten. Das auftaktige Stück hat meist, betont durch das langsame Tempo, einen würdevollen und ernsthaften Charakter, der an den alten Schreittanz erinnert. In der Barocksuite wurde die Allemande zum kunstvollen Auftakt (Eröffnungstanz). Courante Die Übersetzung des französischen Namens (Läuferin) beschreibt gleich den Charakter dieser Tanzform. Dieser auftaktig beginnende französische Tanz im ungeraden Takt ( 3/4 oder 3/2) ist wesentlich lebhafter als die Allemande. Unterstützt wird dieser Charakter durch die Favorisierung punktierter Rhythmen. Sie findet ihre Vorfahren in mittelalterlichen Spring- und Nachtänzen (Hupfauf und Gagliarde). Der Vortanz (Allemande) und die Courante als Nachtanz bilden thematisch eine Einheit, so dass diese charakterlich verschiedenen Stücke miteinander verbunden werden. Sarabande Die Sarabande ist ein im ungeraden Takt (3/4, 3/2) gehaltener spanischer Tanz. Deren ursprünglich lebhafter Charakter (Grund für sein Verbot während der spanischen Inquisition) wandelte sich im 17. und 18. Jahrhundert zu einem gravitätisch, ernsthaften. In dieser gemäßigten Version, die auch in der Suite verwendet wird, avancierte die Sarabande schließlich zum spanischen und französischen Hoftanz. Die Sarabande ist typischerweise im 3er-Takt gehalten und beginnt ohne Auftakt. Die Betonung liegt meist auf dem 2. Schlag. Charakteristisch ist weiterhin, dass sie aus drei achttaktigen miteinander verbundenen Teilen besteht. Gigue Der Begriff Gigue leitet sich aus dem englischen jig (hüpfen) ab. Dementsprechend ist die Gigue ein lebhafter Tanz, der ursprünglich aus dem Keltischem stammt. Dieser englische Tanz wurde ursprünglich im Zweier- als auch im Dreiertakt gehalten. In der Suite hingegen herrschen 6/8, 6/9 und 12/8 - Takt vor. Hier wird das Hauptthema oft aufgegriffen und im zweiten Teil variiert und umgekehrt. Hochzeit der Gigue ist das 17. und 18. Jahrhundert, danach tritt sie nur noch sehr selten auf. Weitere Tänze Air Menuett Gavotte Bourrée Rondeau Polonaise Passepied Pavane Gaillarde Chaconne Fuge (Flucht) Mehrstimmiges Musikstück mit einem Thema und einer Gegenstimme (Kontrapunkt) Thema 1. Stimme 2. Stimme Thema Kontrapunkt Zwischenspiel 3. Stimme Thema Kontrapunkt Abgeleitet von lat. "contrapunctum„ ( entgegengesetzt). Als Kontrapunkt wird eine Gegenstimme bezeichnet, die dem Thema einer Fuge nach komplizierten Regeln der Stimmführung im polyphonen Satz gegenübertritt. Durch größtmöglichen rhythmisch-melodischen Kontrast kontrapunktisch geführter Stimmen wird der Eindruck von einem organischen Geflecht höchst individueller Einzelstimmen erweckt. Die Lehre von dieser Selbständigkeit der Stimmen, welche in der Fuge besonders prägnante Gestalt annimmt, ist die Lehre vom Kontrapunkt. Stimmführungsregeln: • Gegenbewegung zweier Stimmen: • Komplementärrhythmik (Sich ergänzende Rhythmik zweier Stimmen): 1. Stimme x x x x q e e xxxx h 2. Stimme q xxxx q q e e e e Musikalische Stil - Merkmale Polyphonie → Monodie Basso continuo / Generalbass Tonsymbolik Das moderne Taktsystem Dur-Moll-Harmonik „Wohltemperierte Stimmung“ Affektlehre/Rhetorik (Zahlen, Kreuze, Tonarten, Figuren) Orchesterentwicklung Nationale Stil – Ausprägungen entstehen Monodie (Einstimmigkeit) Polyphonie Singstimme: Harmoniefüllung: Monodie Basslinie: Singstimme mit Text wird vom Zuhörer besser wahrgenommen als in der Polyphonie (Mehrstimmigkeit) Continuo - Instrumente Harmonieinstrumente Orgel Laute Cembalo Theorbe Continuo - Instrumente Basslinie Barockcello Barockfagott (wenig Klappen) Violone (Bass) Tonsymbolik / Affekte a Absteigende Chromatik als Ausdruck der Klage Tonsprung nach oben als Ausruf (Exclamatio) Koloratur als Verdeutlichung des Kampfes Tonsymbolik / Affekte b Cello imitiert die Singstimme, es „folgt nach“ Koloratur als Ausdruck der Freude Langer Ton und Pausen als Ausdruck des Todes Zerrissene und punktierte Linie als Ausdruck des Erschreckens Tonsymbolik / Affekte c Violine verdeutlicht das Hinwerfen des Geldes Harmoniefolge im Continuo verdeutlicht das Fragezeichen