3. Konzert Bach und der göttliche Tanz Johann Sebastian Bachs Musik für Solocello sei „die vollendetste Manifestierung dieser Vermenschlichung eines Instruments“, schreibt der britische Komponist Wilfrid Mellers in seinem Buch „Bach and the Dance of God“. Der Grund dafür sei, dass „sein Timbre von allen Instrumenten dem einer männlichen Stimme mit großem Umfang am ähnlichsten ist“. Was das Körperliche anbelangt, erfordere das Cellospiel die rhythmische Bewegung der Arme, des Rumpfes und der Schultern – wonach jeder Cellist gleichzeitig im Takt singt und tanzt. Bachs Suiten für Violoncello zählen heute zu den meistgespielten Kompositionen für ein solistisches Instrument. Die Handschrift vereint insgesamt sechs Suiten, die auf die modischen Hoftänze zu Beginn des 18. Jahrhunderts anspielen. Alle Suiten sind formal einheitlich aufgebaut: Auf ein Prélude folgen die im deutschen Hochbarock üblichen vier Sätze Allemande – Courante – Sarabande – Gigue, wobei Bach vor den Schlusssätzen der ersten drei Suiten noch jeweils ein Paar weiterer Tänze einschob: zwei Menuette in der ersten und zweiten Suite und zwei Bourrées in der dritten. Bach muss die Cellosuiten um 1720 geschrieben haben. Er lebte damals in Köthen und hatte drei Jahre zuvor seinen Dienst als Kapellmeister am Hof des Fürsten Leopold angetreten. Da dessen religiöse Auffassung kalvinistisch ausgerichtet war, musste Bach für die Gottesdienste in der Fürstenkapelle nicht allzu viel Musik zur Verfügung stellen und konnte seine Energien stattdessen in die Komposition von Instrumentalwerken legen. Für wen Bach die Solosuiten geschrieben hat, ist nicht bekannt. Zwar wird angenommen, sie seien einem Musiker am Köthener 4 Hof gewidmet, genauso gut könnte Bach sie aber zum Eigenzweck geschaffen haben. Denn: Für einen Musiker des Barock war es selbstverständlich, Kompositionen für sich selbst zu kreieren und auch vorzutragen. Bach entstammte einer alten Musikerfamilie, war in Weimar als Konzertmeister angestellt und leitete das Orchester üblicherweise von der Violine aus – wenngleich er am liebsten Bratsche spielte. Da Bach in einige seiner Partituren die Bezeichnung „Violoncello piccolo“ an die Stelle der ersten Violine setzte bzw. die Stimme als Extrablatt einlegte, ist anzunehmen, dass der Konzertmeister sie spielte – was niemand anderer als Johann Sebastian Bach selbst gewesen sein dürfte. Dass er die Suiten zunächst für ein am Arm gehaltenes Instrument – ähnlich einer Geige oder Bratsche – schrieb, ist nicht bewiesen, wenngleich einige instrumentenkundliche und biographische Aspekte dafür sprechen: Bach war offensichtlich nicht nur in seinen Violin-, sondern auch in den Cello-Solowerken mit den instrumententypischen Musiksprachen bis ins Detail vertraut und beherrschte die jeweilige Spieltechnik perfekt. An den Interpreten stellen Bachs Solosuiten hohe Anforderungen: Im Hinblick auf ihre Einzigartigkeit stünden sie für äußerste Virtuosität – mehr noch als Bachs Klavierwerke, weiß der Musikwissenschaftler Christoph Wolff. Cellisten selbst neigen zu noch höherer Einschätzung der Suiten. Pablo Casals: „Sie sind die Quintessenz von Bachs Schaffen. Und Bach selbst ist die Quintessenz aller Musik.“ Alexandra von Poschinger Mittwoch, 10. Juni, 19.30 Uhr Straubing, Schutzengelkirche Pieter Wispelwey Programm Johann Sebastian Bach (1685−1750) Suiten für Violoncello Solo Suite Nr. I G-Dur, BWV 1007 Prélude − Allemande − Courante − Sarabande − Menuett I & II − Gigue Suite Nr. II d-Moll, BWV 1008 Prélude − Allemande − Courante − Sarabande − Menuett I & II − Gigue Suite Nr. III C-Dur, BWV 1009 Prélude − Allemande − Courante − Sarabande − Bourrée I & II − Gigue