Die Seele der Direkten Demokratie: Legitimation durch Diskussion Zu den Potenzialen der Direkten Demokratie, “den Staat wirklich bis in die letztmöglichen Konsequenzen zu demokratisieren.”(HW) Beitrag zur Tagung der Friedrich Ebert Stiftung: “Zukunft Demokratie - wie direkt darf es sein ?“ Hamburg, den 9.9.06 von Andreas Gross (Zürich) MP/ Direktor des Atelier pour la Démocratie Directe, St.Ursanne Lehrbeauftragter Uni Marburg/VH Speyer [email protected] www.andigross.ch “Es kam und kommt darauf an, den Staat wirklich bis in die letztmöglichen Konsequenzen zu demokratisieren und für die politische Demokratie feste Fundamente durch die Verankerung der Demokratie im Wirtschaftsbereich und im Sozialen zu schaffen” Herbert Wehner am Godesberger Parteitag der SPD von 1959 Zit.in: Christoph Meyer, H.W., DVA, 2006, p.496 Wir sollten die Banalisierung zentraler Begriffe wie Demokratie und Freiheit überwinden Freiheit , bedeutet mit anderen zusammen auf unsere Lebensgrundlagen so einzuwirken können, dass das Leben kein Schicksal ist, die Zukunft keine Fatalität Demokratie ermöglicht die mit Freiheit natürlicherweise verbundenen Konflikte gewaltfrei auszutragen Demokratie ist ein Menschenrecht: Zur Würde des Menschen gehört, dass er auf die Entscheidungen einwirken kann, deren Folgen ihn betreffen. Die repräsentative Demokratie ist ein integraler Bestandteil der DD. Doch sie war der Anfang, nicht das Ende, und hat kein Monopol Die Direkte Demokratie macht die repräsentative Demokratie repräsentativer als diese in der bloss indirekten Demokratie ist. Die Demokratie im Sinne der Demokratisierung ist ein unendlicher (Lern-)Prozess, dieser muss entsprechend der gesellschaftlichen Potenziale vertieft (Oek), erweitert (transnational) und substantiviert (DD) werden. Die DD ist keine Erfindung der Schweiz sie wurde in der Schweiz nur früh und gut realisiert und praktiziert Die alte Schweiz war eher eine Oligarchie als eine Demokratie Die Versammlungsdemokratie ist eine vormoderne Form der Demokratie (FA.Lange) Die ersten Verfassungsreferenden gab es im 17.Jh in den Neuenglandstaaten Das Gesetzesreferendum erfand 1793 Condorcet (Humbolt Frankreichs) Die Volksinitiative ist ein Gemeindschaftsprodukt von französischen und rheinländischen Demokraten (M.Rittinghausen) Die DD war in der CH und den USA ein Werk von oppositionellen Volksbewegungen „Durch das Volk - für das Volk“ Der Schweiz geland 1848 der Aufbau eine der ersten repräsentativen Demokratien mit oblig Verf’ref Die Schöpfer der modernen Schweiz war liberal und elitär Viele Bauern, Handwerker, Arbeiter, fühlten sich durch sie schlecht vertreten Deshalb verlangten sie nach “dem letzten Wort” in wesentlichen Fragen Die 5 Eckpunkte der DD 1.Geheime Sachabstimmung per Post, per Mail oder an der Urne; Keine (vormoderne) Versammlungs(“Basis”)-Demokratie 2. Ein Teil/ Minderheit der BürgerInnen entscheidet, ob alle BürgerInnen entscheiden sollen, kein Plebiszit 3. Wer teilnimmt, entscheidet; wer nicht teilnimmt, überlässt die Entscheidungen den Teilnehmenden. 4. Es gibt keine superqualifizierten (Volks-) Mehrheiten 5. Feine Ausgestaltung der Schnittstelle ID/DD und Festlegung von Fristen für jede Phase eines DDProzesses Die DD ist ein Ensemble verschiedener partizipativer BürgerInnenrechte Die BürgerInnen jeder Ebene vereinbaren/verfassen das ihnen passende partizipative Set Oblig. Verfassungsreferendum (1848) Fakultatives Gesetzesreferendum (1874) Verfassungsinitiative (1891) + Staatsvertragsreferendum (1918 ff) Gesetzesinitiative /Allgemeine In. + Finanzreferenden Konstruktives Referendum + Einzelinitiative Volksmotion Das Leistungs- und Anspruchsprofil der DD Diskussionen/Deliberationen schaffen Lernprozesse ermöglichen Distanzen verkleinern Politik öffnen, anregen, besser verankern Legitimation und Identifikation ermöglichen Verschiedene, vielfältige Menschen integrieren Zynismus und Apathie abbauen Zum Handeln motivieren Vertrauen und Selbstvertrauen erneuern Das Design entscheidet über die Güte der DD ...es kommt nicht mehr auf das ob, sondern auf das wie an ! Die Ausgestaltung der DD ist entscheidend dafür, ob die DD leisten kann, was sie verspricht. Jede Ebene benötigt ihr spezifisches DD-Design Die Konsequenzen der Ansprüche auf die Ausgestaltung der DD Teilung von Macht Tiefe Unterschriftenzahlen • Kommunikation Freies Unterschriftensammeln • Oeffnen der Politik (policy & Akteure) Tiefe Unterschriftenzahlen • Ueberzeugen& Deliberation Keine Quoren • Kooperativ statt antagonistisch Nicht am Parlament vorbei (GV-Recht) • Integrativ und reflexiv Keine zu engen zeitl.Fristen • Volk als Souverän Keine Änderung eines VE ohne VE • Was die DD nicht ist Kein Quick fix, kein Fastfood eigener Zeitbegriff Beitrag zum Abbau , nicht der Stärkung von Herrschaft Rekonstruktion der Freiheit Weder Umfrage, noch Meinungsbild Deliberatives Ergebnis, Deliberation als Legitimat‘quelle E-Demokratie hilft, ist aber noch keine DD Verfassungsverank. In der Berliner Republik besser beachten 1949 Versprochenes endlich nachholen Verfassung statt Grundgesetz (Carlo Schmid) Keine Angst vor Verfassungsreferendum mehr DD-Instrumente ausdifferenzieren (fak.Gesetzesref/fak.Verfass‘ref/Verf‘initiative und Gesetzesinitiative) Vor parlamentarischer Beratung Prüfung durch Bund‘verf‘gericht Abstimmungskampagnen-Kosten- Vorerstattung Fairnessregeln für Chancenausgleich in der öffentl.Meinungsbildung Zum Anwalt statt zum Schlusslicht der europ.DD werden Von Anfang an benutzerInnenfreundlich statt abschreckend à la BL