„Von der Wahrnehmung des Bibeltextes – Einführendes in exegetische Methoden“ Exegetischen Studientag 2015 im Haus Birkach Mildenberger 1 Ziel des Studientages Prädikant/in soll • Textgemäßheit einer Vorlage kritisch beurteilen und • exegetische Argumente nachvollziehen können und • wird befähigt, eigene (selbst)kritische Zugänge zum Bibeltext zu finden 2 Homiletisches Dreieck 3 Bin kurz einkafen gegangen. Schade, wir haben uns knapp verpsst. Komme erst gegen 10 • Welche Fragen könnte man diesem Text stellen? • Was bedeutet dieser Text in seiner Welt? 4 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. • Welche Fragen könnte man diesem Text stellen? • Was bedeutet dieser Text in seiner Welt? 5 Was will historisch-kritische Exegese? Vgl im Folgenden auch: H.Barth, O.H.Steck Exegese des Alten Testamentes, Neukirchen 1984 Exegese bemüht sich um historische, wissenschaftliche Sinnbestimmung eines Bibeltextes. • wissenschaftlich: d.h. Exegese ist nachvollziehbar und methodisch geleitet • historisch: d.h. Exegese bemüht sich um den ursprünglichen Textsinn • kritisch: d.h. Exegese hält Vormeinungen unter Kontrolle und stellt dem Text selbst Fragen Exegese betrachtet einen Text nicht überlegen als wehrloses Objekt, sondern in der Grundhaltung der Achtung und Lernbereitschaft als Leben, zu dem Leben in Beziehung tritt. 6 „Perspektiven eines Evangelischen Schriftverständnisses“ nach Prof. Hans-Joachim Eckstein vgl. thematischer Studientag 2015 • • • • • In dem gebräuchlichen Bild des „Übersetzens“ als des „Übersetzens“ von einem Ufer des Flusses zu dem anderen Ufer wird die vielfältige Aufgabe von Hermeneutik und Schriftauslegung anschaulich. Es geht zunächst um ein Annähern, Erreichen und Wahrnehmen der anderen Seite Erst wenn wir den anderen als den Anderen wahrnehmen und ihn nicht auf unser Vorverständnis und unser Eigeninteresse reduzieren wollen, beginnen wir, wirklich unserem Gegenüber zu begegnen Gilt es einerseits selbstkritischen Abstand von den eigenen Vorurteilen und Vorverständnissen zu gewinnen, um wirklich am anderen Ufer anzukommen, so gilt es andererseits, den gewonnenen Inhalt – möglichst ohne wesentlichen Verlust und ohne „Verwässerung“ – im Boot auch in die eigene Ausgangssituation herüberzuholen und nicht auf halber Strecke abzutreiben. Was ist biblisch? 1. Wenn es in der Bibel „vorkommt“ 2. In der Vielstimmigkeit der biblischen Schriften nach der Einheit in der Verschiedenheit und nach der Unterschiedenheit in der Gemeinsamkeit fragen 3. Die gegenwärtige Orientierung des einzelnen Gläubigen wie der ganzen Kirche an dem der Gemeinde in der Schrift geschenkten Evangelium von Jesus Christus als dem einzigartigen und wahren Wort Gottes. 7 Übersicht über bewährte Methoden Literatur: Uta Pohl-Patalong: Bibel lesen erkenntnisorientiert – Bibel als Gegenüber historisch-kritisch literaturwissenschaftlich sozialgeschichtlich feministisch intertextuell tiefenpsychologisch erfahrungsorientiert – Bibel als Partnerin Bibliodrama Bibliolog Kreative Gesprächsmethoden Västras-Gespräch, POZEK-Schlüssel, Dialog-Übung Bibel-Teilen Lectio Divina 8 „klassische“ historisch-kritische Fragestellungen: a Frage nach dem Werdegang eines Textes Textkritik sucht den ursprünglichen Text bei verschiedener Überlieferungsgestalt des Textes (TK) (Grafik am Bsp. Altes Testament, BHK ist eine hebräische Bibelausgabe – hier sind Übersetzungsfragen zu bedenken) Literarkritik analysiert Integrität und literarischen Zusammenhang des Textes (LK) Überlieferungsgeschichte bedenkt die mündliche Überlieferung mit (ÜG) Redaktionsgeschichte zeichnet synthetisch die schriftliche Geschichte des Textes nach. (RG) 9 „klassische“ historisch-kritische Fragestellungen: b Frage nach den Voraussetzungen eines Textes Formgeschichte befragt den Text als Textgattung (Brief, Wundergeschichte, Gleichnis, …) (FG) Traditionsgeschichte sucht geistes-, theologie- oder religionsgeschichtliche Zusammenhänge (TG) Bestimmung des Historischen Ortes (HO) identifiziert Abfassungszeit, -ort, Verfasser, Adressat, zeitgeschichtliche und soziale Gegebenheiten (c Frage nach der Wirkung des Textes: Wirkungsgeschichte) 10 Literaturwissenschaftlicher Zugang Befragt den Text in der vorliegenden Gestalt Wie sind die Wörter angeordnet sind, welche Beziehungen in und zwischen den Sätzen gibt es bzw. fehlen? (grammatikalisch-syntaktische Sprachebene – Beziehung der Zeichen untereinander) Welche Bedeutung haben einzelne Worte, hat der ganze Text in Bezug zur Wirklichkeit? Gibt es bestimmte Wortfelder? (semantische Ebene – Beziehung der Zeichen zur Welt) Was will der Text eigentlich bewirken? (pragmatische Ebene - Die Beziehung der Zeichen zu den Erzeugern und Interpretern von Zeichen) 11 Literaturwissenschaftlicher Zugang Befragt den Text in der vorliegenden Gestalt Wie ist der Text gegliedert Welches sind Subjekte, Prädikate, Objekte? Wo werden Wörter wiederholt oder abgewandelt? Welche Gegensätze, Kontraste und Oppositionen werden benutzt? Wie wird der Text eingeleitet? Welche Figuren werden auf welche Weise eingeführt? Gibt es eine sprachliche Beziehung zwischen Anfang und Ende? Gibt es eine Steigerung im Text oder retardierende Momente? Wo wird wörtliche Rede verwendet? Welche Szene wird kurz, welche besonders ausführlich geschildert? Wie ist der Text aufgebaut und strukturiert? Welche Rollen für die Leser/innen bietet der Text eigentlich an; ist der Leser Beobachter, kann er sich mit einzelnen Figuren 12 identifizieren, ist er Kritiker…? Erfahrungsorientierte Zugänge Västeras-Gespräch ! ? <-> wichtige Erkenntnis nicht verstanden Widerspruch spricht mich gefühlsmäßig an lectio divina • lectio (Lesung) • meditatio (Verweilen) • oratio (Gebet) • contemplatio (Stille) • memoratio (Verinnerlichung) 13 P O Z E K – Schlüssel aus der Schweizer Sonntagsschularbeit • • • • • • P: Personen: Wer? Welche Personen kommen vor und welche Rolle spielen sie? Wen würde ich noch erwarten, wird aber nicht erwähnt? Was wissen wir über Person x? Was macht x hier, was nicht? Was wird berichtet, was aber nicht? O: Ort: Wo? Was weiß ich über Ort y? Wo liegt der Ort? Wie sieht es dort aus, oder wie stelle ich mir vor, dass es dort aussieht? Z: Zeit: Wann spielt das Geschehen? Tageszeit, Jahr, Jahreszeit, Lebensalter?In welchem Zusammenhang steht die Geschichte? (Was steht davor, was danach?) E: Ereignisse: Was, wie, in welchem Zusammenhang? Wie ist die Abfolge der Ereignisse? Wie ist die Reihenfolge der Handlung? Wenn ich die Geschichte mit Bildern zu erzählen hätte, welche Bilder würde ich brauchen? - Wer sich solche Bilder selbst im Kopf zurecht macht, muss nur noch erzählen, was er eh schon vor seinem inneren Auge sieht! In welche einzelnen Bilder der Textabschnitt also eingeteilt werden? (Vgl. eine Dia-Serie zu biblischen Geschichten oder ein Bibel-Comic!) K: Kern: Worin liegt der Höhepunkt der Geschichte? Worum geht's im Text? Was sagt die Geschichte mir? Worin trifft sie meine Existenz? Wo betrifft sie die HörerInnen? Was soll durch diese Geschichte/ dieser Text den Hörern/innen für deren Leben deutlich werden? Diese Fragen sind aus dem Text selbst zu beantworten! http://www.allesumdiekinderkirche.de/geschichte/index.htm Alexander Schweizer, Pfarrer in Simmersfeld und seit 2007 Kinderkirchpfarrer im14 Dekanat Nagold vgl. besonders Eberhard Dieterich, Erzählen aus Leidenschaft, Kapitel 4 Bibel-Teilen in sieben Schritten 1. Einladen/Sich öffnen - in einem Gebet oder Lied lädt die Gruppe den Herren ein unter ihnen zu sein und öffnet sich für ihn 2. Lesen - ein Teilnehmer liest den Text laut vor 3. Verweilen/Vertiefen - jeder Teilnehmer kann einzelne Wörter oder kurze Satzabschnitte mehrmals kommentarlos laut aussprechen; anschließend wird der Text erneut vorgelesen 4. Schweigen - für einige Minuten in Stille überdenken die Teilnehmer erneut den Text und was er für sie und ihr Leben bedeutet 5. Mitteilen - jeder teilt den anderen seine Überlegungen mit 6. Austauschen - im Gespräch suchen die Teilnehmer nach der Bedeutung des Textes für die Gemeinschaft und für den einzelnen; neue Vorsätze zum Handeln können formuliert und ältere reflektiert werden 7. Beten - das Bibel-Teilen wird mit einem Gebet, Lied oder 15 Segensspruch abgeschlossen Erfahrungsorientierte Zugänge Bibliolog Er achtet darauf, was zwischen den Zeilen steht. Die Texte lassen Fragen offen… Dies ist in den Worten der alten Rabbiner das „weiße Feuer“, während die Buchstaben des Textes das „schwarze Feuer“ sind. Im Bibliolog wird das weiße Feuer dadurch geschürt, dass sich die Teilnehmenden in die Geschichte hineinversetzen und das, was der Text offen lässt, mit eigenen Erfahrungen und Deutungen füllen. 16 Erfahrungsorientierte Zugänge Bibliodrama • setzt Menschen und biblische Texte kreativ und spielerisch in Beziehung… • Eine wichtige Rolle spielt dabei der Körper, über den jenseits der rein kognitiven Ebene wertvolle Erlebnisse und Erkenntnisse möglich werden. 17