Der Libanon - Jusos Stadt Braunschweig

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Der Libanon
Präsentation für die Sitzung des JusoUnterbezirks Braunschweig am 24.1.2007
Grundlegende
Länderinformationen
Politisches System, Gesellschaft und Wirtschaft
Das politische System des Libanon
Der Libanon ist nach der Verfassung von 1926 eine
Parlamentarische Republik mit einer zunächst sehr starken
Stellung des Präsidenten
Die Exekutive besteht aus dem Präsidenten als
Staatsoberhaupt und der Regierung unter Führung des
Ministerpräsidenten
Die Verfassung wurde mehrfach verändert, wesentlich vor allem
im Friedensvertrag von Taif (1989)
Seitdem sind zahlreiche Kompetenzen von Präsidenten auf den
Ministerpräsidenten übergegangen
Der Nationalpakt von 1943 regelt die Aufteilung aller politischen
Ämter zwischen Religionsgemeinschaften, so ist der Präsident
immer ein Maronit, der Ministerpräsident ein Sunnit
Das politische System des Libanon (2)
Die Legislative bildet ein Einkammerparlament, die
Nationalversammlung sie setzt sich seit Taif aus je 64
christlichen und muslimischen Abgeordneten zusammen,
insgesamt also 128
Der Parlamentspräsident ist ein Schiit
Wahlen zur Nationalversammlung finden alle vier Jahre nach
einem Mehrheitswahlrecht statt, wobei für jede
Religionsgemeinschaft festgelegt ist, wie viele Sitze in der
Nationalversammlung sie stellt
Genaueres wird vor jeder Wahl durch ein Wahlgesetz bestimmt
Das Rechtssystem des Libanon ist im Wesentlichen an das
europäische angelehnt, es gibt im Straf- wie im Zivilrecht drei
gerichtliche Instanzen
Das politische System des Libanon (3)
Durch die Verfassung sind alle wesentlichen Grundrechte
garantiert, trotz einzelner Verletzungen werden sie auch in der
Praxis weit mehr respektiert als in anderen arabischen Ländern
Das Parteiensystem ist traditionell sehr stark zerklüftet, einzelne
Parteien orientieren sich fast ausnahmslos nicht an politischen
Programmen sondern bestehen auf konfessioneller oder
Stammesgrundlage
Die Gesellschaft des Libanon
Der Libanon hat geschätzte 4,4 Millionen Einwohner
Es existiert eine vergleichsweise sehr vielfältige
Medienlandschaft (insbesondere bei Tageszeitungen), wobei die
meisten Medien unter Kontrolle einer bestimmten politischen
Partei stehen
Es gibt im Libanon insgesamt 18 anerkannte
Religionsgemeinschaften
Dementsprechend setzt sich die Bevölkerung folgendermaßen
zusammen: Muslime: 60% (Schiiten:32%, Sunniten 21%,
Drusen: 7%, Christen: 40% (Maroniten: 25%, GriechischOrthodoxe: 7%, Griechisch-Katholische: 5%, Armenische
Christen: 4%)
Die Gesellschaft des Libanon
Weitere wichtige Daten:
Amtssprache: Arabisch, auch Armenisch und Kurdisch werden
von Minderheiten gesprochen, Verkehrssprachen Englisch und
Französisch
Alphabetisierungsquote: 87,4%
Kindersterblichkeit: 0,2%
Sterberate: 0,6%
Wirtschaftliche Rahmendaten
BIP: 19 Mrd. US-Dollar
Pro Kopf: 4.545
Import: 7,72 Mrd.
Export: 1,16 Mrd.
Anteile am BIP: Landwirtschaft: 12 %, Industrie: 20 %,
Dienstleistungen: 68%
Die Geschichte des Libanon
Vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Unter Osmanischer Herrschaft
1860: Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen
Drusen und Maroniten, die in ein Massaker an den Maroniten
münden, wird innerhalb des Osmanischen Reiches eine
autonome Provinz Libanonberg gegründet
Die Verwaltung der Provinz setzt sich nach einem religiösen
Proporz zusammen
Das Land erfährt bis zum Ersten Weltkrieg eine wirtschaftliche
Blüte
1918/1920: Nach der Niederlage des mit Deutschland
verbündeten Osmanischen Reiches erhält Frankreich den
Libanon in seinen heutigen Grenzen vom Völkerbund als
Mandatsgebiet
Französische Mandatszeit und
Unabhängigkeit
1926: Frankreich gibt dem Mandatsgebiet, wie im Mandat
vorgesehen, eine eigene Verfassung, die eine Parlamentarische
Demokratie mit starker Stellung des Präsidenten vorsieht
1943: Der Libanon erhält mitten im Zweiten Weltkrieg die
Unabhängigkeit
1943: Der ungeschriebene „Nationalpakt“, abgeschlossen
zwischen dem Präsidenten und dem Ministerpräsidenten, sieht
eine Aufteilung sämtlicher politischer Ämter und Mandate nach
einem festgelegten religiösen Proporzsystem auf der Grundlage
der letzten Volkszählung vor; im Parlament haben die Christen
dabei eine Mehrheit von 6:5
Unheil kündigt sich an
1948/49: Nach der Unabhängigkeitserklärung Israels nimmt der
Libanon mit einem kleinen Truppenkontingent am Ersten
israelisch-arabischen Krieg teil
Der Libanon erfährt eine positive wirtschaftliche Entwicklung, er
wird deshalb auch „Schweiz des Nahen Ostens“
1958: Ein Aufstand durch die panarabische Nationalbewegung
beeinflusster Sunniten gegen die pro-westliche Politik des
Präsidenten führt zum „1. Bürgerkrieg“, beendet durch eine
Intervention der USA
1970: Die PLO verlegt ihr Hauptquartier in den Libanon, in das
seit 1967 immer mehr (sunnitische) palästinensische Flüchtlinge
einwandern
Der Bürgerkrieg
1975: Beginn des Libanesischen Bürgerkrieges mit Kämpfen
zwischen rechten christlichen Milizen und der PLO
1976 Intervention Syriens zunächst auf der Seite der Christen
1982: Höhepunkt des Bürgerkrieges; israelische Intervention
(„Libanonkrieg von 1982“)führt zur Flucht der PLO aus dem
Libanon; Kämpfe in ständig neuen Frontstellungen; Gründung
der Hisbollah als Reaktion auf den Einmarsch Israels
1989: Die verschiedenen Kriegsparteien handeln das
Friedensabkommen von Taif aus; Ende des Bürgerkrieges durch
Auflösung aller Milizen außer der Hisbollah; Vorherrschaft
Syriens in der Politik des Libanon; Veränderung des
Proporzsystems (Christen und Muslime stellen im Parlament die
gleiche Zahl an Abgeordneten
Die Zeit nach dem Bürgerkrieg
Ab 1992: Der sunnitische Geschäftsmann Rafik Al-Hariri wird
mehrfach libanesischer Ministerpräsident, das Land erholt sich
langsam von den wirtschaftlichen Schäden des Bürgerkrieges
Mehrfach gibt es in den 1990er Jahren gewaltsame
Zusammenstöße zwischen Israel und der aus dem Libanon
heraus operierenden Hisbollah
2000: Israel zieht nach 18 Jahren Besatzungszeit aus dem
Südlibanon ab
2005: Die Ermordung Al-Hariris bewirkt die so genannte
„Zedernrevolution“ und damit den Rückzug der syrischen
Besatzungsmacht aus dem Land
Libanonkrieg 2006
Vorgeschichte
14.2.2005: Mord an Al- Hariri; breite oppositionelle Bewegung
fordert den Abzug syrischer Truppen
30.6.2005: Siniora wird mit der Regierungsbildung beauftragt
25.6.2006: Festnahme eines israelischen Soldaten durch die
Hamas; Forderung nach Freilassung aller weiblichen und aller
jugendlichen Gefangenen
Ab 29.6.2006: israelische Angriffe auf verschiedene Ziele im
Gazastreifen; Forderung der Hamas wird auf alle älteren und
kranken Gefangenen ausgedehnt
Kriegsverlauf: 12. – 14.7.2006
zwei israelische Soldaten werden von der Hisbollah entführt;
Forderung nach der Freilassung von drei libanesischen
Soldaten/ Abzug Israels von den Schebaa-Farmen
erste Gefechte zwischen Hisbollah und IDF
14.7.2006: See – und Luftblockade gegen Libanon
Olmert fordert die Freilassung der Soldaten, die Beendung der
Luftangriffe, die Auflösung der paramilitärischen Milizen im
Libanon, das Erfüllen der Resolution 1559
Weiterer Kriegsverlauf
Durch israelische Angriffe auf ein libanesisches Ölkraftwerk
werden Tanks beschädigt
Ab 15.7.2006: erweiterte Angriffe Israels
30.7.2006: Raketenbeschuss auf Kana, bei dem 28 Menschen
getötet werden; wachsende Kritik an der israelischen
Kriegsführung
14.7.2006: Libanon fordert sofortigen Waffenstillstand; Rückzug
aller israelischen Truppen aus dem Libanon
26.7.2006: Siebenpunkteplan Sinioras, wird von der Hisbollah,
der EU, Syrien und den meisten Mitgliedern der Arabischen Liga
gebilligt
Weiterer Kriegsverlauf (2)
7.8.2006: Vorschlag Sinioras 15.000 Soldaten der libanesischen
Armee im südlichen Libanon zu stationieren; F und USA fordern
„robustes Mandat“ für UNIFIL-Mission
Hisbollah
Milizionäre:
Hisbollah:
nach Hisbollah-Angaben 250
Tote laut IDF-Angaben: 530
Tote
Andere Milizen:
Amal: 17
LCP: 12
PFLP-GC: 2
Israel
Zivilisten: 43 getötet
(19 davon arabisch-israel.
Bürger)
690 verletzt
500.000 geflüchtet
Soldaten:
119 getötet
2 seit 12. Juli gefangen
Libanon
Zivilisten:
1191 getötet
4409 verletzt
974.184 geflüchtet, derzeit noch ca. 200.000
Soldaten:
46 getötet
ca. 100 verwundet
Die Folgen des Libanonkrieges
von 2006
Aus der Sicht der am Konflikt beteiligten Parteien
Israel
Hat seine Ziele, die Hisbollah militärisch unschädlich zu machen
und sie von der libanesischen Zivilbevölkerung abzuschneiden,
nicht erreicht
Gilt nicht mehr als unbesiegbar gegen seine arabischen
Nachbarn
Die zwei am 12.7.2006 entführten israelischen Soldaten bleiben
in der Hand der Hisbollah
Dauerhafte Bedrohung der nördlichen Landesteile auch in
Zukunft
Gefahr, dass andere Feinde Israels die Taktik der Hisbollah
kopieren
Massiver Vertrauensverlust der israelischen Regierung und des
Generalstabs in der Bevölkerung des Landes (siehe Rücktritt
Dan Halutz‘)
Hisbollah
Durch den Kampf gegen Israel (vorübergehend) gemindertes
militärisches Potenzial
Erhält aber angeblich weiter Waffen aus Syrien über die
Landgrenze
Beliebtheit und Respekt in der Bevölkerung (nicht nur bei den
Schiiten) weiter gewachsen
Muss sich mit der Stationierung der libanesischen Armee und
der UNIFIL-Truppen im Südlibanon abfinden
Fühlt sich innenpolitisch gestärkt und will Einfluss in Regierung
ausbauen
Die Entwicklung im Libanon seit
dem Ende der Krieges
Die UNIFIL-Truppe und der Machtkampf
zwischen Regierung und Hisbollah
Die United Nations Interim Force In
Lebanon (UNIFIL)
Die UNIFIL ist eines seit 1978 im Libanon aktive
Friedensmission der Vereinten Nationen
Ihre ursprüngliche Aufgabe war die Überwachung des Abzugs
der israelischen Truppen
Bis 2006 war sie eine Beobachtermission, durch die Resolution
1701 bekam sie ein robustes Mandat, ihre Stärke wurde von
2.000 auf bis zu 15.000 Soldaten aufgestockt
Ihr Einsatzgebiet liegt zwischen der „Blauen Linie“, der
syrischen Grenze und dem Fluss Litani sowie im Mittelmeer vor
der Küste des Libanon
An der UNIFIL nehmen zur Zeit 27 Nationen teil
Außerdem sind 15.000 Soldaten der libanesischen Armee im
Südlibanon stationiert
Die United Nations Interim Force In
Lebanon (UNIFIL) (2)
Die Größten Kontingente stellen folgende Nationen (in
Klammern die Truppenstärke): Italien (2.500), Frankreich
(2.000), Spanien (1.200), Deutschland (1.100), Türkei (1.000),
China(1.000), Indonesien (1.000)
Libanesische Armee ist für die Kontrolle der Landgrenze
zwischen Syrien und dem Libanon zuständig
Momentaner Kommandeur der UNIFIL ist der französische
General Alain Pellegrini, er soll am 17.2.2007 von dem Italiener
Claudio Graziano abgelöst werden
Die Aufgaben der UNIFIL
Die Aufgaben der UNIFIL-Truppen werden von der Resolution
1701 des UN-Sicherheitsrates definiert:
Die Achtung der „Blauen Linie“ durch beide Seiten
gewährleisten
Die Hisbollah entwaffnen und weitere Waffenlieferungen an sie
verhindern
Die volle Souveränität der Staates Libanon achten und ihn bei
der Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet unterstützen
Den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah zu
überwachen mit der Möglichkeit, nötigenfalls auch selbst
Waffengewalt anzuwenden
Der Konflikt entwickelt sich (1)
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah feiert mit etwa
250.000 seiner Anhänger den „göttlichen und historischen Sieg
über Israel“; dies wird als Machtdemonstration nach innen und
außen gewertet (22.9.2006)
Die Hisbollah fordert zusammen mit verbündeten Parteien ein
Drittel der Ministerposten im Kabinett von Ministerpräsident
Siniora
Nach dem Scheitern der Verhandlungen treten fünf schiitische
und ein christlicher, prosyrischer Minister zurück (11.11. bzw.
13.11.2006)
Der UN-Sicherheitsrat beschließt die Einsetzung eines
internationalen Tribunals zur Aufklärung des Mordes am
ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Al-Hariri (21.11.2006)
Der Konflikt entwickelt sich (2)
Die libanesische Regierung hatte dem von UN-Generalsekretär
ausgehandelten Entwurf für das Tribunal zuvor zugestimmt,
Präsident Lahoud und die prosyrische Opposition lehnen es ab
Mord am christlichen Industrieminister Pierre Gemayel jr. in
Beirut, hinter dem Attentat werden Syrien oder prosyrische
Kräfte im Libanon vermutet (21.11.2006)
Ein neuer Bürgerkrieg? (1)
Die Trauerfeier für Gemayel wird zu einer Massendemonstration
gegen syrische Einflussnahme im Libanon und Präsident
Lahoud (23.11.2006)
Die Opposition um die Hisbollah versucht ihrerseits mit
Massendemonstrationen und der Belagerung des Amtssitzes
von Siniora die Regierung stürzen, um Neuwahlen zu erreichen
bzw. in einer neuen Regierung mehr Einfluss auszuüben (ab
1.12.2006)
Bei Auseinandersetzungen zwischen schiitischen
Demonstranten und sunnitischen Regierungsanhängern in
Beirut wird ein Demonstrant getötet, es gibt mehrere Verletzte
Erinnerungen an den Beginn des Bürgerkrieges 1975 werden
wach
Ein neuer Bürgerkrieg ? (2)
Die arabische Liga versucht im innerlibanesischen Konflikt zu
vermitteln, ihr Generalsekretär Amr Moussa reist mehrfach zu
Vermittlungsgesprächen nach Beirut (12.12.2006 u.a.)
Die Opposition ruft für den 23.01.2007 zum Generalstreik auf und legt
an diesem Tag zahlreiche wichtige Verkehrsadern mit Straßensperren
lahm, davon ist u.a. auch der internationale Flughafen von Beirut
betroffen
Hierbei kommt es an verschiedenen Orten im Land zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen zwischen oppositionellen Demonstranten und
Anhängern der Regierungsparteien, mindestens Menschen sterben,
mehr als Hundert werden verletzt
Ein neuer Bürgerkrieg ? (3)
Am 25.1.2007 soll in Paris eine internationale Hilfskonferenz für
den tief verschuldete und wirtschaftlich durch den Krieg stark
angeschlagene Land stattfinden, bei der dessen Regierung mit
Hilfszusagen in Milliardenhöhe rechnen kann
die Opposition lehnt die Konferenz ab, offiziell mit der
Begründung, die Reformpläne, die die Regierung in Paris
vorstellen will, würden das Land noch mehr in die wirtschaftliche
Krise stürzen
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