Vorlesung Allgemeine Chemie Wintersemester 2010 Vorlesungskapitel Kinetik, Thermodynamik, Elektrolyte Regina Krachler Reaktionskinetik = Lehre von der Geschwindigkeit chemischer Reaktionen • Altgriechisch kinetikos = die Bewegung betreffend, zur Bewegung gehörend • Während einer Reaktion werden Ausgangsstoffe (Edukte) verbraucht, ihre Konzentrationen im Reaktionsgemisch nehmen daher mit der Zeit ab, während gleichzeitig Reaktionsprodukte entstehen, d.h. die Konzentrationen der Produkte nehmen mit der Zeit zu. • Definition der Reaktionsgeschwindigkeit v: z.B. für die Reaktion aA bB cC P 1 d A 1 d B 1 d C d P v a dt b dt c dt dt Faktoren, die die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen Konzentration der Reaktanden Temperatur, bei der die Reaktion stattfindet Ist die Reaktion homogen? Dann erfolgt sie im Raum in drei Dimensionen. Befinden sich die Reaktanden in unterschiedlichen Phasen, so ist die Reaktion auf deren Grenzfläche beschränkt. Dann hängt die Reaktionsgeschwindigkeit von der Größe der Grenzfläche ab (z.B. chemische Verwitterung, Staubexplosion) Anwesenheit eines Katalysators Versuch: Erhöhung der Temperatur erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit: Knallgasexplosion Versuch: Vergrößerung der Phasengrenzfläche bei einer heterogenen Reaktion erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit: Staubexplosion Reaktionsgeschwindigkeitsgesetz v k A B C x y z • beschreibt die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Konzentrationen der Reaktanden (bei konstanter Temperatur). • Es handelt sich um eine Differentialgleichung, in der eine gesuchte Funktion (Konzentration als Funktion der Zeit) und deren 1. Ableitung auftritt. • Reaktionsordnung (Gesamtreaktionsordnung) = Summe der Hochzahlen x+y+z • Konstante k = Reaktionsgeschwindigkeitskonstante (für eine bestimmte Reaktion eine charakteristische Größe) Reaktionsordnung • Das Geschwindigkeitsgesetz (und damit auch die Reaktionsordnung) muss experimentell bestimmt werden. • Man kann die Reaktionsordnung nicht aus der Brutto-Reaktionsgleichung ableiten, außer es handelt sich um eine Elementarreaktion (Reaktion, die nur aus einem Reaktionsschritt besteht). • Die Reaktionsordnung muss nicht ganzzahlig sein. Reaktionen nullter Ordnung A B Pr odukte d A d B v k dt dt Beispiel: Die Reaktion wird durch ein Enzym katalysiert, welches pro Zeiteinheit nur eine ganz bestimmte Menge an Reaktionsumsatz katalysieren kann. Die Reaktanden A und B stehen hierzu in einem sehr großen Überschuss. Daraus folgt: Die Reaktionsgeschwindigkeit ist unabhängig von den Konzentrationen der Reaktanden. Versuch: Enzymwirkung: Kartoffel-Katalase Molekularer Sauerstoff, die zentrale Komponente aerober Lebensvorgänge, kann bei verschiedenen Nebenreaktionen in der Zelle gefährliche reaktive Sauerstoffspezies erzeugen. Deswegen sind geeignete Schutzmaßnahmen lebenswichtig. Katalasen befinden sich in fast allen aerob lebenden Organismen, sie sind die Schutzenzyme zum Abfangen von H2O2 in der Zelle (Umwandlung zu O2 und H2O) Reaktionen erster Ordnung A Pr odukte d A v k A dt d A k dt A ln A k t ln At 0 At At 0 e k t k Beispiel: N2O ½ O2 + N2 Die Halbwertszeit einer Reaktion 1. Ordnung Beispiel: Zersetzung von Di-tert-butylperoxid (CH3)3COOC(CH3)3 (g) → C2H6 (g) + 2 (CH3)2CO (g) Bei einer Reaktion 1. Ordnung ist die Halbwertszeit konstant. Aus: Mortimer, Müller. Chemie. Thieme Halbwertszeit einer Reaktion 1. Ordnung At 0 A e k t 0 1/ 2 2 1 e k 1 / 2 2 1 ln k 1/ 2 2 0.693 1/ 2 k unabhängig von der Anfangskonzentration Reaktionen zweiter Ordnung A A Pr odukte d A 2 v k A dt 1 1 k t A At 0 Beispiele: 2 HI (g) 2 NO2 (g) A B Pr odukte d A d B v k A B dt dt H2 (g) + I2 (g) 2 NO (g) + O2 (g) 2 NO2 (g) 2 NO (g) + O2 (g) Die Daten wurden bei 300°C erfasst. Aus: Brown, LeMay, Bursten übersetzt von C. Robl und W. Weigand: Chemie – die zentrale Wissenschaft. Pearson Einstufige Reaktionen (Elementarreaktionen) und mehrstufige Reaktionen • Aus der stöchiometrischen Reaktionsgleichung ist nicht zu erkennen, ob die Reaktion in einer Stufe (einem Schritt, einem molekularen Prozess) abläuft (Elementarreaktion), • oder ob eine Kaskade von Elementarreaktionen vorliegt, die zeitlich hintereinander mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen. • Erfolgt die Reaktion über zwei oder mehrere Stufen, so treten kurzlebige Zwischenprodukte auf, die in der Reaktionsgleichung nicht aufscheinen. • Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt für die Gesamtreaktion ist immer die am langsamsten verlaufende Teilreaktion. Geschwindigkeitsbestimmender Schritt A+B+C Produkte Langsam: A+B Zwischenstufe X Schnell: X+C Produkte v k A B Reaktion 2. Ordnung Aus der Stöchiometrie einer Reaktionsgleichung kann nie unmittelbar auf die Reaktionsordnung geschlossen werden, man muss die geschwindigkeitsbestimmenden Schritte kennen. Molekularität einer Elementarreaktion: Wie viele Teilchen treten zum Übergangszustand (aktivierten Komplex) zusammen? • Beispiel: Einer der beiden monomolekularen Schritte muss also der langsamste und damit derjenige sein, der die Reaktionsgeschwindigkeit und damit die Reaktionsordnung der Gesamtreaktion bestimmt. Reaktionsordnung und Molekularität von Elementarreaktionen A Produkte v = k [A] Monomolekulare Reaktion, Reaktion 1. Ordnung A+B Produkte v= k [A] [B] Bimolekulare Reaktion, Reaktion 2. Ordnung 2A+B Produkte v = k [A]2 [B] Trimolekulare Reaktion, Reaktion 3. Ordnung (sehr selten) Beispiel einer monomolekularen Reaktion Aus: E. Riedel, Allgemeine und Anorganische Chemie Zwischenmolekulare Zusammenstöße Zahl der Kolloisionen in einem Gasvolumen von 1 L bei 25°C und 101325 Pa: 1031 Kollosionen pro Sekunde Aus: Brown, LeMay, Bursten übersetzt von C. Robl und W. Weigand: Chemie – die zentrale Wissenschaft. Pearson Bei allen chemischen Reaktionen nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit mit steigender Temperatur zu Dies gilt für exotherme wie für endotherme Reaktionen Faustregel: Eine Temperaturerhöhung um 10°C bewirkt eine Erhöhung der RG auf das Doppelte Eine Temperaturerhöhung von 25°C auf 35°C bewirkt eine Erhöhung der Zahl der Kollisionen um 2% ?? Aktivierungsenergie Damit zwei Teilchen zum aktivierten Komplex zusammentreten und zu den Produkten reagieren, müssen sie zunächst kollidieren. Im Allgemeinen führt nur ein kleiner Bruchteil der stattfindenden Kollisionen tatsächlich zur Reaktion. Für eine effektive Kollision muss die Summe der kinetischen Energien der zusammentreffenden Moleküle einen Mindestwert übersteigen. Dieser Mindestwert heißt Aktivierungsenergie. Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit Die Geschwindigkeitskonstante k ändert sich mit der Temperatur gemäß der Arrhenius-Gleichung (Svante Arrhenius 1889) ------------------------------------------------------Ea Arrhenius‘sche Aktivierungsenergie R Ideale Gaskonstante T absolute Temperatur A Faktor, berücksichtigt die geometrische Ausrichtung der Moleküle beim Zusammenstoss e-Ea/RT Bruchteil jener MolekülZusammenstösse, bei denen die gesamte Stossenergie Ea übersteigt Maxwell-Verteilung k Ae Ea RT Übergangszustand (Aktivierter Komplex) • Irgendwo auf dem Weg der Reaktion zwischen A und B gibt es eine Anordnung der Kerne der beteiligten Atome, die maximale potentielle Energie besitzt, • und ausgehend von der die Reaktion spontan weiterläuft – entweder zu den Produkten oder zurück zu den Reaktanden A und B. • Diese Kernanordnung bezeichnet man als Übergangszustand der Reaktion. Energieprofil einer chemischen Reaktion Isomerisierung von Methylisonitril. Produkt: Acetonitril Aus: Brown, LeMay, Bursten übersetzt von C. Robl und W. Weigand: Chemie – die zentrale Wissenschaft. Pearson Energieprofil einer chemischen Reaktion, die über zwei Übergangszustände und eine Zwischenstufe abläuft, wobei der 1. Reaktionsschritt geschwindigkeitsbestimmend ist. Wilhelm Ostwald 1853-1932 Foto aus Wikipedia Der Autoabgas-Katalysator CH 4 2 NO2 CO2 N 2 2 H 2O 4 CO 2 NO2 4 CO2 N 2 2 CO 2 NO 2 CO2 N 2 2 CO O2 2 CO2 2 C2 H 6 7 O2 4 CO2 6 H 2O Aus: Brown, LeMay, Bursten: Chemie – die zentrale Wissenschaft. Pearson Eugene Houdry erfand 1950 den Autoabgaskatalysator Anlass: Photochemischer Smog in Los Angeles durch Autoabgase Patent 1956 Wurde zunächst nicht eingesetzt, da der Katalysator durch das Antiklopfmittel Bleitetraethyl vergiftet wurde. Heute tert-Buyl-Methyl-Ether und Benzol als Antiklopfmittel Katalysatorpflicht ab 1989 Gleichgewicht im Apfelkrieg, aus: Dickerson/Geis, Chemie - eine lebendige und anschauliche Einführung, Verlag Chemie, Basel 1983. v=k*c v Geschwindigkeit mit der die Äpfel über den Zaun geworfen werden k Geschwindigkeitskonstante des Werfers c Konzentration der Äpfel im jeweiligen Garten Chemisches Gleichgewicht Es findet (wenn die Reaktionsprodukte nicht entfernt werden) im Reaktionsgemisch stets eine Hinreaktion und eine Rückreaktion statt. Nach einer gewissen Zeit hat sich ein Gleichgewicht ausgebildet, bei dem Hin und Rückreaktion gleich schnell ablaufen. Die Gesamtreaktionsgeschwindigkeit ist dann gleich Null. Für diesen Fall gilt das Massenwirkungsgesetz (MWG). Das MWG wurde 1867 von Cato Maximilian Guldberg und Peter Waage (Norwegen) experimentell entdeckt und kinetisch abgeleitet. Eine chemische Reaktion kommt bei gegebener Temperatur dann zum Stillstand, wenn der Massenwirkungsquotient Q einen für die Reaktion charakteristischen Zahlenwert K erreicht hat. Foto: Wikpedia C D Q a b A B c aA bB cC dD d Allgemeine Reaktion aA + bB cC + dD Im Gleichgewicht gilt: Q=K Massenwirkungsquotient =Gleichgewichtskonstante C D K a b A B c d Es gibt unendlich viele mögliche Gemische der Reaktanden, die dem MWG genügen und daher nach außen hin nicht reagieren!! Gekoppelte Reaktionen im Gleichgewicht Es können z.B. zwei Reaktionen über einen gemeinsamen Reaktanden D miteinander gekoppelt sein: aA bB cC D D eE fF gG K1 C c D Aa B b K2 F G D E e f g Die Gleichgewichtskonstante der Gesamtreaktion ist gleich dem Produkt der Gleichgewichtskonstanten der Einzelreaktionen: aA bB eE cC fF gG c f g c f g C D F G C F G K K1 K 2 a b e a b e A B D E A B E Kinetische Ableitung des MWG aA bB cC dD vhin k hin A B a Das MWG lässt sich aus der stöchiometrischen Reaktionsgleichung kinetisch ableiten, auch dann, wenn die Reaktion aus mehreren Reaktionsschritten (Elementarreaktionen) besteht, weil sich für alle beteiligten Reaktionsschritte Gleichgewicht einstellt. b vrück k rück C D c d vhin vrück k hin C D K a b k rück A B c d Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante braun farblos Chemische Thermodynamik Befasst sich mit den quantitativen Beziehungen zwischen der Wärmeenergie und anderen Energieformen Geht von - aus Experimenten abgeleiteten - Axiomen aus, den Hauptsätzen der Thermodynamik Axiom=ein vielfach bestätigtes allgemeines Naturgesetz Ermöglicht die Voraussage, ob eine bestimmte chemische Reaktion unter gegebenen Bedingungen ablaufen kann Chemische Thermodynamik • Untersucht Erscheinungen, für die Wärme und Temperatur eine Rolle spielen • Behandelt aber nur einen Ausschnitt dieses Gebietes: • Beschränkt sich auf die Betrachtung von Gleichgewichtszuständen und von „unendlich langsamen“ Zustandsänderungen, bei denen zumindest annähernd eine kontinuierliche Folge von Gleichgewichtszuständen durchlaufen wird • Solche „reversiblen“ Zustandsänderungen sind nicht als Funktionen der Zeit darstellbar Systemarten der Thermodynamik System = Abgegrenzter Teil der physikalischen Welt, welcher den Gegenstand der Untersuchung bildet. Abgeschlossene Systeme Geschlossene Systeme Offene Systeme Robert Mayer und James Joule entdeckten Mitte des 19. Jh. die Äquivalenz von Wärme und mechanischer Energie Joule‘sches Experiment C= 4187 J/(kg·K) • Im Jahre 1847 formulierte Hermann Helmholtz den 1. Hauptsatz der Thermodynamik: • In einem abgeschlossenen System (d.h. in einem System, dem von außen weder Energie zugeführt noch entzogen wird) in dem sich beliebige (mechanische, thermische, elektrische, chemische) Vorgänge abspielen, bleibt die vorhandene Gesamtenergie erhalten. • Nach diesem Satz ist es klar, dass es kein Perpetuum Mobile geben kann. Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik: • Formulierung von Clausius (Rudolf Clausius 1850): es ist unmöglich, dass Wärme von selbst (d.h. ohne sonstige Veränderungen ) aus einem kälteren auf einen wärmeren Körper übergeht. • Formulierung von Thomson (William Thomson 1848): es ist unmöglich, eine periodisch wirkende Maschine zu konstruieren, die nichts weiter bewirkt als Abkühlung eines Wärmereservoirs und Leistung mechanischer Arbeit (Prinzip der Unmöglichkeit eines Perpetuum Mobile 2. Art). Eine periodisch wirkende Maschine, die Wärme in Arbeit verwandelt (Wärmekraftmaschine) ist nur dann möglich, wenn die arbeitende Substanz (z.B. Wasserdampf) einen Kreisprozess zwischen zwei Wärmereservioren von verschiedener Temperatur ausführt. Vom heißeren Reservoir übernimmt sie die Wärmemenge Q1, an das kältere gibt sie die Wärmemenge Q2 ab. Die Differenz Q1-Q2 wird in Arbeit verwandelt. Der Wirkungsgrad (Q1-Q2)/Q1 eines reversiblen Kreisprozesses ist maximal, kann von keinem anderen Kreisprozess übertroffen werden, der (mit welcher arbeitenden Substanz auch immer) zwischen den gleichen Temperaturen abläuft. Andernfalls könnte man zwei reversible Kreisprozesse so koppeln, dass in der Welt nichts anderes passiert, als dass Wärme von einem Körper niedrigerer Temperatur auf einen Körper höherer Temperatur übergeht. Sadi Carnot (1796-1832) • Behandelte die Dampfmaschine theoretisch und begründete damit die Wissenschaft der Thermodynamik • Carnot‘scher Kreisprozess (1824): reversibel Q1 wird vom Wärmereservoir mit der höheren Temp. T1 aufgenommen Q2 wird an das Wärmereservoir mit der niedrigeren Temp. T2 abgegeben : Q1 Q2 0 T1 T2 Definition der Entropie • Jeder umkehrbare Kreisprozess in der pV- Ebene lässt sich als Summe von infinitesimalen Carnot-Prozessen darstellen: dQ T 0 dQ dS T • Bei einem reversiblen Vorgang ändert sich die Entropie von (System + Umgebung) nicht. D.h. ein reversibler Vorgang innerhalb eines abgeschlossenen Systems würde die Entropie S nicht verändern. • In einem abgeschlossenen System strebt die Entropie von selbst und irreversibel einem Maximalwert zu. Ist thermodynamisches Gleichgewicht schließlich erreicht, so bleibt die Entropie konstant. Vorlesungsversuch zur Temperaturabhängigkeit des Volumens eines Gases: 3 Luftballons H2 (g) N2 (l) Luft (g) (21% O2) CO2 (g) Siedepunkt N2: −195,79 °C Siedepunkt O2: −182,9 °C Siedepunkt H2: −252,87 °C Sublimationstemperatur CO2: - 78,5 °C Das Volumen eines Gases ist gleich dem Volumen des Behälters, in dem es sich befindet. Gase sind stark komprimierbar: Wenn auf ein Gas Druck ausgeübt wird, verkleinert sich sein Volumen. Im Gegensatz zu Gasen dehnen sich Feststoffe und Flüssigkeiten nicht aus, um ihre Behälter zu füllen, und Flüssigkeiten und Feststoffe sind kaum komprimierbar. Wurde unabhängig entdeckt von Robert Boyle (1662) und Edme Mariotte (1676). Entdeckt von Joseph Louis Gay-Lussac (1802). (1811) Amadeo Avogadro Allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase pV=nRT R = 8,314472 J K-1mol-1 1 mol eines idealen Gases nimmt bei 101325 Pa und O°C = 273,15 K (Normalbedingungen) ein Volumen von 22,4 L ein. (T=25°C) Aus: Chemie – die zentrale Wissenschaft von T.L. Brown, H.E. LeMay, B.E. Bursten, deutsche Bearbeitung von C. Robl, W. Weigand. Pearson Studium. 2007. Graham‘sches Gesetz: Die Effusionsgeschwindigkeiten zweier Gase verhalten sich umgekehrt wie die Quadratwurzeln ihrer Molekülmassen. m2 v1 v2 m1 UF6 sublimiert bei 56,6°C Fluor ist ein Reinelement , d.h. es existiert nur ein stabiles Isotop 19F Versuch: zwei Gase diffundieren in einem Glasrohr HCl (g) + NH3 (g) NH4 Cl (s) HCl 44,3 cm 65 cm mNH 3 vHCl d HCl 44,3 17,03 0,68 v NH 3 d NH 3 65 mHCl 36,46 NH3 Träger des elektrischen Stroms sind Ionen, im Gegensatz zu metallischen Leitern, wo der Stromtransport durch Elektronen erfolgt. In der wässrigen Lösung eines Elektrolyten (= Säure, Base oder Salz) liegt ein chemisches Gleichgewicht zwischen den undissoziierten Molekülen des gelösten Stoffes und seinen Ionen vor. Starke Säuren und starke Basen sind in wässriger Lösung nahezu vollständig in Ionen dissoziiert. Bei der Neutralisation starker Säuren mit starken Basen misst man als Reaktionswärme die Reaktionsenthalpie der Neutralisationsreaktion: H OH H 2O H 55,9 kJ mol Die Neutralisationsreaktion läuft extrem rasch ab und das Gleichgewicht liegt sehr weit rechts! Ist die Säure (bzw. Base) schwach, so dissoziieren die Säuremoleküle (bzw. Basenmoleküle) erst dann, wenn H+ Ionen (bzw. OH- Ionen) durch die Neutralisationsreaktion aus dem Gleichgewicht entfernt werden (= Verschiebung des Gleichgewichts). Die gemessene Reaktionsenthalpie ergibt sich aus der Reaktionsenthalpie der Neutralisationsreaktion in Kombination mit der Reaktionsenthalpie der Dissoziation der Säure (bzw. Base). z.B. Neutralisationsenthalpie von Blausäure: HCN H CN H OH H 2O 43,7 55,9 kJ mol kJ mol HCN OH CN H 2O 12,2 kJ mol AB A B A B K AB A a f A A 1mol L A für die ideale Lösung ist f=1 0 0 Ka Standardkonzentration a A a B a AB . Eine experimentelle Bestimmung ist nicht möglich. Brönsted Säuren und Basen Die Begriffe „Säure“ und „Base“ wurden 1887 von Arrhenius und Ostwald erstmals definiert. Sie verstanden unter einer Säure einen sauer schmeckenden Stoff, der in wässriger Lösung unter Bildung von Wasserstoff-Ionen dissoziiert z.B. HCl = H+ + Clbzw. unter einer Base einen seifig schmeckenden Stoff, der in wässriger Lösung unter Bildung von Hydroxid-Ionen dissoziiert z.B. Ca(OH)2= Ca2+ + 2 OHNach Brönsted und Lowry (1923) beruht die Säurewirkung eines Stoffes darauf, dass er an die Moleküle des Wassers Protonen abgibt, wobei Hydroxoniumionen entstehen : Hydroxoniumion Die Ionen einer wässrigen Salzsäure entstammen nicht wie ursprünglich von Arrhenius angenommen einer Dissoziation des Chlorwasserstoffs HCl = H+ + Clsondern der (stark exothermen) Reaktion zwischen Chlorwasserstoff und Wasser HCl + H2O = H3O+ + Cl- Freie Protonen H+ existieren in Wasser nicht. Nach Brönsted und Lowry ist eine Säure ein Stoff, der imstande ist, an Wasser Protonen abzugeben. Viele protonenenfreie Stoffe wie Nichtmetalloxide oder Metallkationen (z.B. in Form der Metallhalogenide) verwandeln sich erst beim Auflösen durch Reaktion mit dem Wasser in Säuren z.B. SO3 + H2O = H2SO4 Al3+ + 6 H2O = [Al(H2O)6]3+ Nach Brönsted und Lowry beruht die Basen-Wirkung eines Stoffes darauf, dass er von Wassermolekülen Protonen aufnimmt, was zur Bildung von HydroxidIonen führt , z.B. bei der Reaktion von Ammoniak mit Wasser NH3 + H2O = NH4+ + OHAuch Kationen oder Anionen können Brönsted Säuren oder Basen sein, z.B. NH4+ + H2O = NH3 + H3O+ HSO4- + H2O = SO42- + H3O+ [Al(H2O)6]3+ + H2O = [Al(H2O)5(OH)]2+ + H3O+ ClO- + H2O = HClO + OH- [Be(H2O)3(OH)]+ + H2O = [Be(H2O)4]2+ + OHViele Hydroxidionen-freie Stoffe wie Metalloxide verwandeln sich erst beim Auflösen durch Reaktion mit dem Wasser in Basen z.B. Na2O + H2O = 2 Na+ + 2 OH- pondus Hydrogenii Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration Die pH-Wert Skala wurde 1909 von Sören Sörensen festgelegt. Die Autoprotolyse des Wassers ist der Grund dafür, dass auch chemisch reines Wasser eine (geringe) elektrische Leitfähigkeit besitzt: Spezifische elektrische Leitfähigkeit bei 18°C: Reinstwasser: 4x10-8 Ω-1cm-1 Kupfer: 6x105 Ω-1cm-1 d.h. 1 mm3 Reinstwasser besitzt den gleichen elektrischen Widerstand wie ein Kupferdraht von 1 mm2 Querschnitt und 15 Millionen km Länge (40 fache Entfernung zwischen Erde und Mond) Die Autoprotolyse des Wassers ist abhängig von Druck und Temperatur Das Ionenprodukt KW des Wassers beträgt (bei Normaldruck) (mol2/L2) bei 0 °C KW=0,13 · 10−14 Bei 50 °C KW=5,6 · 10−14 bei 100 °C KW=74 · 10−14 Dementsprechend ist auch der pH- Wert temperaturabhängig: reines Wasser bei 0 °C pH=7,45 reines Wasser bei 25 °C pH=7,0 reines Wasser bei 50 °C pH=6,63 reines Wasser bei 100 °C pH=6,07 (Daten aus Jander/Blasius, Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie, Hirzel Verlag, Stuttgart) HA H 2O H A H A KS HA pK S log K S A H 2O HA OH KB HA OH A pK B log K B K S K B H OH KW 10 14 pK S pK B 14 Der pH-Wert lässt sich ungefähr mittels pH-Indikatoren bestimmen. Es handelt sich um schwache Säuren, bei denen sich die Farbe der undissoziierten Säure von der des Säure-Anions unterscheidet. HInd H Ind H Ind K Ind HInd pH pK Ind Ind log HInd Phenolphtalein Methylorange Versuch: Rotkrautsaft als pH Universal-Indikator pH-Wert Farbe 2 rot 4 lila 6 violett 8 blau 10 blaugrün 12 gelb Vorlesungsexperiment: Titration Bei der Titration (Volumetrie) erfolgt die portionsweise Zugabe einer Maßlösung eines Reagenz zur Lösung des Reaktionspartners, dessen Konzentration bestimmt werden soll, unter ständiger Kontrolle des Zugabevolumens bis zum vollständigen Umsatz (Äquivalenzpunkt) . Die Volumenmessung der Maßlösung erfolgt mit einer Bürette oder mit einem PC-gekoppelten Titrationsgerät. Der Äquivalenzpunkt kann z.B. mittels eines Farbindikators bestimmt werden. Damit eine Titrationsmethode angewendet werden kann, müssen 2 Bedingungen erfüllt sein: 1. Die untersuchte chemische Reaktion muss praktisch vollständig ablaufen, d.h. das Gleichgewicht muss sehr weit rechts liegen. 2. Die untersuchte Reaktion muss schnell ablaufen, d.h. das Gleichgewicht muss sich rasch einstellen. Für die Neutralisationsreaktion sind beide Bedingungen erfüllt: H3O+ + OH- = 2 H2O K=1/KW=1014 Genaue Messung des pH-Werts mit der Glaselektrode: An der Glasmembran entsteht ein elektrisches Potential, sobald die H+ Konzentrationen zu beiden Seiten unterschiedlich sind. Mit einem Voltmeter sehr hohen Innenwiderstandes kann man das Potential messen. Es ändert sich bei 25°C um 59,1 mV pro pH-Stufe. Einstabmesskette Titrationskurven für Säure-Base Titrationen Der pH-Wert in Abhängigkeit von dem hinzugefügten Volumen an Maßlösung stellt eine Titrationskurve dar. Die Kurve ist sigmoid (sförmig) und man erkennt eine starke Veränderung des pH-Werts am Äquivalenzpunkt, wodurch sich dieser bestimmen lässt. Näherungsmethoden zur pH-Wert Berechnung HAc H Ac K S 10 4,75 pH einer Essigsäure-Lösung der Konzentration 0,1 mol L-1? Antwort: Es gilt das MWG mit folgenden Näherungen: H H Ac H H HAc 0,1 H 0,1 2 2 10 4,75 0,1 0,001333352 pH log H 2,875 ----------------------------------------------------------------------------------------pH einer Natriumacetatlösung der Konzentration 0,05 mol L-1? Antwort: Es gilt das MWG mit folgenden Näherungen: Ac H 2O HAc OH KW 10 14 HAc OH OH K Hydrolyse K S 10 4, 75 Ac 0,05 OH 10 9 , 25 OH OH 2 0,05 10 9, 25 0,05 pOH log OH 5,2755 pH 14 pOH 8,72 2 Puffer Unter Puffersystem versteht man die Mischung einer schwachen Säure und ihrer korrespondierenden Base oder einer schwachen Base und ihrer korrespondierenden Säure in wässriger Lösung. Es gilt (nur im Pufferbereich) die Puffergleichung (Henderson-Hasselbalch-Gleichung) HA H A H A H Salz KS HA pH pK S Säure A log HA Pufferkapazität des Essigsäure/Natriumcetat -Puffers pH-Puffer im Blut Für einen konstanten Blut-pH ist in erster Linie das KohlensäureHydrogencarbonat Puffersystem verantwortlich, gefolgt von den Puffereigenschaften des Hämoglobins und der Plasmaproteine sowie dem Phosphatpuffer. Die besondere Reaktionsfähigkeit der Puffersysteme des Blutes befähigt sie zu einer außerordentlich schnellen Regulation des Blut-pH auf Werte im Normalbereich. Normalwerte für den pH-Wert im Blut: 7,36-7,44 Das Kohlensäure/HydrogencarbonatSystem ist für die Schnellregulierung des pH im Blut sehr wichtig. Der pH kann durch Abatmen von CO2 in der Lunge kurzfristig reguliert werden („offenes Puffersystem“) NH 4 NH 3 H Hydrolyse NH 4 OH NH 3 H 2O Neutralisa tion Titration einer Lösung, welche HCl und NH4Cl in den Konzentrationen 0,1 mol/L enthält. Titriert wird mit NaOH-Maßlösung der Konzentration 0,1 mol/L pKB(NH3)=4,76 pH-Wert Berechnungen: pH einer HCl Lösung der Konzentration 0,1 mol L-1? Antwort: starke Säure, praktisch völlig dissoziiert, pH = -log[HCl] = -log[H+] = 1 ------------------------------------------pH einer AmmoniumchloridLösung der Konz. 0,05 mol L-1? -----------------------------------------pH einer Pufferlösung, Die Ammoniumchlorid und Ammoniak in gleicher Konzentration enthält? ------------------------------------------pH einer NH3-Lösung der Konz. 0,033 mol L-1? K B 10 4, 76 OH 2 0,033 NH 4 H 2O NH 3 H 3O K Hydrolyse H 14 KW 10 4, 76 K B 10 NH H H NH 0,05 2 3 4 10 9, 24 0,05 pH log H 5,27 NH 3 H 2O NH 4 OH K B 10 4 , 76 NH OH OH Salz Salz Base 4 NH 3 pOH pK B 4,76 pH 14 4,76 9,24 Base