„Herdbefund“ im EEG

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Elektroenzephalographie (EEG)
Christian Wöber, Josef Zeitlhofer
Univ.-Klinik für Neurologie Wien
Elektroenzephalographie (EEG)
Durchführung der Ableitung
► frisch gewaschene Haare (kein Haarspray !)
► entspannte Haltung im Lehnstuhl, geschlossene Augen
► Ableitungsdauer: mindestens 15-20 min.
► wiederholtes Öffnen der Augen über wenige Sekunden
► routinemäßig eingesetzte Provokationsmethoden: Hyperventilation
(über mindestens 3 min.) und Flackerlicht-Stimulation (Lichtblitze zunehmender Frequenz)
► Provokationsmethoden: erlauben die Erfassung latenter Funktionsstörungen, verdeutlichen bestehende EEG-Veränderungen
Elektroenzephalographie (EEG)
Physiologische Grundlagen (1)
EEG-Wellen:
► Beta-Wellen (Frequenz 13-30/sec.)
► Alpha-Wellen (Frequenz 8-12.5/sec.)
► Theta-Wellen (Frequenz 4-7.5/sec.)
► Delta-Wellen (Frequenz 0.5-3.5/sec.)
► Subdelta-Wellen (Frequenz < 0.5/sec.)
EEG im Säuglings- und Kleinkindesalter: hoher Anteil langsamer
Wellen, der mit der Entwicklung abnimmt
Elektroenzephalographie (EEG)
Physiologische Grundlagen (2)
EEG des gesunden Erwachsenen im Wachzustand:
► im entspannten Wachzustand mit geschlossenen Augen besteht
über den okzipitalen Hirnregionen eine rhythmische AlphaAktivität und über den vorderen Regionen eine unregelmäßige
Beta-Aktivität; über den Temporalregionen können einzelne
Theta-Wellen eingelagert sein
► ein höherer Grad der Aufmerksamkeit (z.B. offene Augen) führt
zu einer partiellen oder kompletten Unterdrückung der AlphaAktivität und zum Auftreten einer „desynchronisierten“ raschen
Tätigkeit mit niedriger Amplitude
► bei manchen gesunden Erwachsenen zeigt das EEG eine Betaoder Alpha-Beta-Grundtätigkeit, z.T. mit äußerst niedriger
Amplitude (Normvariante: flaches EEG)
Elektroenzephalographie (EEG)
Physiologische Grundlagen (3)
Schlaf-EEG:
► Stadium 1: Leichtschlaf-Stadium; Amplituden-Abnahme, Auftreten
niedriger Theta-Wellen
► Stadium 2: schlaftypische Grapho-Elemente wie Vertex-Zacken,
K-Komplexe und Schlafspindeln
► Stadien 3 und 4: Tiefschlaf-Stadien; zunehmende Delta-Aktivität
► REM-Schlaf: rapid eye movements; EEG-Bild ähnlich jenem im
Stadium 1, gleichzeitig schnelle Augenbewegungen (im Elektrookulogramm, EOG), die tonische Muskelaktivität (im Elektromyogramm, EMG) nimmt ab
Elektroenzephalographie (EEG)
Physiologische Grundlagen (4)
Schlaf-EEG, Schlaf-Profil des Gesunden:
► zunächst Non-REM-Periode, es werden die einzelnen Stadien
bis zum Tiefschlaf durchschritten
► erste REM-Periode nach etwa 90 min.
► dann folgen abwechselnd Non-REM- und REM-Perioden (geordnete, ca. 90-minütige Schlafzyklik
► in der ersten Nachthälfte dominiert der Tiefschlaf, gegen Morgen
werden die REM-Perioden länger
Elektroenzephalographie (EEG)
Indikationen zur Ableitung (1)
Epileptische Anfälle, Epilepsien
► Diagnose von Anfallserkrankungen
► Klassifikation von Epilepsie-Syndromen
► Epilepsie, Verlaufskontrolle
► DD: Abgrenzung gegenüber Synkopen
Schlafstörungen
► Abklärung ungeklärter Tagesmüdigkeit
Metabolische Erkrankungen
► hepatische, urämische, diabetische, vaskuläre, hypoxische
Enzephalopathie
Elektroenzephalographie (EEG)
Indikationen zur Ableitung (2)
Entzündliche Erkrankungen
► Meningitiden, Meningoenzephalitiden, Enzephalitiden
Demenzen
► Demenz vom Alzheimer-Typ
► Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
Weiterführende Diagnostik bei unauffälligen Ergebnissen der bildgebenden Verfahren
► Bewußtseinsveränderungen
► Leistungsabfall
► kognitive Defizite
► diagnostisch ungeklärte Kopfschmerzen
► Kopfschmerzen bei Stoffwechselstörungen, Intoxikationen, OPS
► DD: Abgrenzung Migräne-Aura vs. fokale Anfälle
Elektroenzephalographie (EEG)
Indikationen zur Ableitung (3)
Beurteilung der Einflüsse von Psychopharmaka
Neuro-Monitoring
► Verlaufskontrollen bei Patienten im Koma
► Beurteilung medikamentöser Einflüsse (Psychopharmaka,
Barbiturate, Sedoanalgesie)
Gutachterliche Tätigkeit
► Führerschein-Tauglichkeit
► Flugschein-Tauglichkeit
► Hirntod-Diagnostik
Elektroenzephalographie (EEG)
Allgemeinveränderungen, diffuse Hirnfunktionsstörungen
„Allgemeinveränderung“:
► Definition: diffuse Verlangsamung des EEGs, kontinuierliche Aktivität im Theta- oder Delta-Bereich
► Ursachen: multifokale oder diffuse Läsionen bzw. Funktionsstörungen (metabolische oder hypoxische Enzephalopathien,
diffuse zerebrovaskuläre Prozesse, Enzephalitiden, etc.)
Elektroenzephalographie (EEG)
Herdbefunde (1)
„Herdbefund“ im EEG:
► Bedeutung: Hinweis auf lokale neuronale Störung (ev. aber ohne
klinisch faßbares Symptom)
► meistens: umschriebene Verlangsamung (von Alpha-Verlangsamung bis Subdelta-Wellen, meistens im Theta- oder DeltaBereich)
► temporale Theta-Herde: häufig ohne morphologisches Substrat
► ausgeprägte und/oder kontinuierliche Delta-Herde: fast immer
Ausdruck einer umschriebenen Gehirnläsion (z.B. Infarkt,
Blutung, Tumor)
Elektroenzephalographie (EEG)
Herdbefunde (2)
► passagere funktionelle Störungen (z.B. Migräne mit Aura, epileptischer Anfall): Herdbefund im EEG ev. auch nach Abklingen
der klinischen Symptome
► Herdbefunde im Sinne einer erhöhten zerebralen Erregungsbereitschaft: s.u.
Cave: ein Herdbefund im EEG erlaubt i.a. keinen Rückschluß auf die
Art der zugrunde liegenden Läsion !
Elektroenzephalographie (EEG)
erhöhte zerebrale Erregungsbereitschaft (1)
Interiktale EEG-Veränderungen (im anfallsfreien Intervall):
► „Spitze“ („spike“): kurze, bi- oder triphasische, überwiegend oberflächennegative Potentialschwankung, Dauer 20-70 msec.
► „steile Welle“ („sharp wave“): gleiches Element, aber mit einer
Dauer von 70-200 msec.
► „spike-wave-Komplex“: Spitze mit langsamer Nachschwankung
(häufig)
► Veränderungen ev. nur in einer umschriebenen Hirnregion
► Veränderungen ev. generalisiert in Form kurzer Paroxysmen mit
mehreren aufeinanderfolgenden spike-wave- (SW) oder
sharp-slow-wave-Komplexen unterschiedlicher Dauer, Frequenz und Form
Elektroenzephalographie (EEG)
erhöhte zerebrale Erregungsbereitschaft (2)
Iktale EEG-Veränderungen (während eines epileptischen Anfalls):
► initial Abflachung,
► gefolgt von einer (fokal beginnenden) abnormen Rhythmisierung,
► dann Abnahme der Frequenz und Zunahme der Amplitude,
► Ausbreitung der rhythmischen Entladungen
► Endphase: es dominieren langsame Wellen, die zunächst noch
steile Abläufe enthalten
► Ausnahmen ! z.B.: Absencen weisen iktal und interiktal eine
generalisierte SW-Aktivität auf
Elektroenzephalographie (EEG)
erhöhte zerebrale Erregungsbereitschaft (3)
Befund-Interpretation:
► fehlende Zeichen einer erhöhten zerebralen Erregungsbereitschaft im Routine-EEG schließen epileptische Anfälle bzw.
eine Epilepsie keineswegs aus
► „falsch negative Befunde“ bei Patienten mit klinischem Verdacht
auf epileptische Anfälle erfordern weiterführende Diagnostik
(Schlafentzugs-EEG, EEG unter Sedierung, ambulante 24h-EEG-Ableitung, stationäres Video-EEG-Monitoring)
► vorhandene Zeichen einer erhöhten zerebralen Erregungsbereitschaft weisen nicht zwingend auf eine Epilepsie hin
► „falsch positive Befunde“ (Zufallsbefunde) erfordern spezifische
Anamnese und ggf. EEG-Verlaufskontrollen
Elektroenzephalographie (EEG)
Polysomnographie
► Polysomnographische Grundableitung: Registrierung des EEGs,
des submentalen EMGs und des Elektrookulogramms (EOG)
► Ziel: Klassifikation der Schlafstadien (nach Rechtschaffen und
Kales), es sind objektive Aussagen über den Schlaf möglich
(Einschlaflatenz, Wachperioden während der Nacht, Anteile
der einzelnen Schlafstadien (Leicht-, Tiefschlaf))
► Beurteilung des Schweregrades einer Schlafstörung, ggf. eines
fragmentierten Schlafes mit wiederholten Wachperioden,
einer „sleep-misperception“ (subjektiv kein oder kaum Schlaf,
tatsächlich Schlaf objektivierbar)
► weitergehende Diagnose: mit Zusatzableitungen im Schlaflabor
(Messung des Luftstroms durch Nase / Mund, Erfassung der
Thorax-, Abdominalexkursionen, EKG, Pulsoxymetrie, Registrierung der Muskelaktivität in den Beinen)
Elektroenzephalographie (EEG)
Hirntod-Diagnostik
► Hirntod-Diagnostik: das EEG ist die in Österreich am häufigsten
eingesetzte apparative Zusatzuntersuchung, durch die der klinische Befund ergänzt wird
► EEG-Ableitung über mindestens 30 min. mit einer mehrfachen als
der üblichen Verstärkung
► im Falle des Hirntodes zeigt sich ein kontinuierliches „Null-LinienEEG“, das zwar zweifelsfrei als solche identifizierte Artefakte,
aber keine Zeichen einer elektrischen kortikalen Aktivität enthalten darf
► EEG: besondere Bedeutung bei infratentoriellen Läsionen, da eine
allfällig noch vorhandene kortikale Aktivität (bei komplettem
Funktionsausfall des Hirnstamms) nur mit Hilfe des EEGs faßbar ist
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