Prof. Dr. Dirk Messner Der Kampf gegen den Klimawandel unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Wirtschafts- krise und der Rolle der Entwicklungspolitik 2. Juli 2009 Einführung: Prof. Dr. U. Holtz www.uni-bonn.de/~uholtz > Semesterapparat > Infos für die Vorlesungsteilnehmenden Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie Wer ist Dirk Messner? • Geboren 1962, vh., ein Sohn • 1982-1988 Studium: Politikwissenschaft und VWL an der FU Berlin und der Sogang-Universität (Seoul) • 1988 - 1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (Berlin) • 1995 Promotion an der FU – Berlin zum Thema „Internationale Wettbewerbsfähigkeit als Problem gesellschaftlicher Steuerung“ (summa cum laude - Dr. rer. pol.) • 1995-2003 Akademischer Direktor am INEF der Universität Duisburg-Essen (beurlaubt bis 30.09.2013) • 2002 Habilitation an der FU – Berlin zum Themenfeld "Desafíos de la globalización en América Latina" Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 2 1. Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik in Bonn seit 2003 Das DIE mit Sitz in der UN-Stadt Bonn gehört weltweit zu den führenden Think Tanks zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik (www.die-gdi.de). 2. Mitglied, stellv. Vors. des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) seit 2004 3. Apl. Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen seit 2006 Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 3 Dirk Messner – Publikationen 1. Messner, Dirk (2003): Entwicklungsforschung, in: Münkler, Herfried (Hg.): Politikwissenschaft. Ein Grundkurs, Hamburg, S. 373-411. 2. Messner, Dirk/Imme Scholz (Hg.) (2005): Zukunftsfragen der Entwicklungspolitik, BadenBaden. 3. Messner, Dirk et al. (2007): Sicherheitsrisiko Klimawandel. Report des WBGU. Berlin. 4. Debiel, Tobias/Messner, Dirk/Nuscheler, Franz (Hg.) (2006): Globale Trends 2007. Frieden – Entwicklung – Umwelt, Frankfurt a. M. 5. Messner, Dirk/Raphael Kaplinksy (eds.) (2008): The Impact of Asian Drivers on the Developing World, in: World Development 36 (2008), S. 197–209. (http://japanfocus.org/data/kaplinsky.chi.ind.pdf) Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 4 Sechs Wellen und Treiber globalen Wandels – Herausforderungen für die Entwicklungspolitik/EP 1. Globalisierung („Raubtierkapitalismus“ – H. Schmidt) - incl. IKT-Welle Mitgestaltung globaler Prozesse als neue Aufgabe für die EP 2. Neue globale Akteure (Tektonische Machtverschiebungen) Anpassungsdruck für die internationale EP 3. Klimawandel (Dekarbonisierung der Weltwirtschaft) („Klimaschutz und Armutsbekämpfung sind zwei Seiten einer Medaille“ – H. Wieczorek-Zeul) Ursachenbekämpfung, Anpassung und (Ver-)Minderung 4. Recht auf Entwicklung („freeing the entire human race from want“ – Millennium Declaration) Millennium-Entwicklungsziele (MEZ; engl.: MDGs) 5. Demokratie („a universal value“ – Amartya Sen / Universalisierung von Normen) Förderung von Demokratie und Good Governance national und international 6. Neue Friedensbedrohungen (ethnische Kriege, Streit um Ressourcen…) Konfliktprävention – menschliche Sicherheit Quelle Dirk Messner (2007): Drei Wellen globalen Wandels (www.entwicklungspolitik.org/home/0-007-02) 5 U. H. • Der Klimawandel – ein aktuell sich verschärfendes Problem – gefährdet die nachhaltige, menschenwürdige Entwicklung auf dem „Dreckspritzerchen Erde“ (Voltaire) und untergräbt die Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele (MEZ). • Opfer des Klimawandels ist der Mensch. Für einen großen Teil der in Afrika, Asien und Ozeanien, Lateinamerika und der Karibik lebenden Menschen bedeuten die Klimawandel-Projektionen weniger sichere Lebensverhältnisse, eine größere Verwundbarkeit für Hunger und Armut sowie sich verschärfende soziale Ungleichheiten. • Neben Verlierern gibt es auch Profiteure des Klimawandels. Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 6 Afrika ist aufgrund von Mehrfachbelastungen und niedriger Anpassungskapazität der verwundbarste Kontinent: 1. 2020 werden 75 bis 250 Mio. Menschen unter zunehmender Wasserknappheit leiden; 2050 sollen es 350 bis 600 Mio. sein.* 2. Die landwirtschaftlichen Erträge werden in einigen Ländern bis zu 50% bis 2020 und bis zu 90% bis 2100 sinken. Das Menschenrecht auf Nahrung wird massenhaft verletzt werden.* 3. Die Kosten für Maßnahmen zur Anpassung an den Meeresspiegelanstieg im Küstenbereich belaufen sich auf 5 bis 10% des BIP.* 4. Bis 2050 wird die Kombination von Meeresspiegelanstieg, Bodenerosion und landwirtschaftlichen Schäden 150 Mio. Menschen zu Umweltflüchtlingen machen.* 5. Der Klimawandel wird in wachsendem Maße auch Gesellschaften destabilisieren > Sicherheitsrisiko Klimawandel** *Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): Synthese-Bericht für die Entscheidungsträger www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/syr/ar4_syr_spm.pdf ** Vgl. WBGU www.wbgu.de/wbgu_jg2007_kurz.html Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 7 • Die Hauptbetroffenen sind also die Ärmsten und als Region vor allem Afrika, und zwar was die Folgen der Klimaveränderungen und ihre destabilisierenden Wirkungen angeht. Davon sind auch betroffen – zumindest indirekt – die reicheren Regionen in der Welt. • Insofern werden Klimapolitik und Anpassungspolitik in Entwicklungsländern „zu einem wesentlichen Element präventiver Sicherheitspolitik. Daher haben Deutschland und Europa ein vitales Eigeninteresse daran, den Klimawandel präventiv zu begrenzen und den Menschen in Entwicklungsländern zu helfen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen.“* * So der vom Deutschen Bundestag am 16.11.07 angenommene Antrag der beiden Regierungsfraktionen „Klimawandel global und effizient eindämmen – Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern entschieden voranbringen – Drucksache 16/5740 (s. auch http://dip.bundestag.de/btd/16/057/1605740.pdf ). Die entsprechende Beschlussempfehlung wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 8 U. Holtz: UNCCD’s Contributions to Food Security in the Drylands under the Current Economic Crisis and to Climate Change Policies (Background Document for the International Parliamentary Forum, Buenos Aires, 24./25. Sept. 2009 – first draft June 28, 2009) The relationship between climate change and soil, between desertification, sustainable land management, food security and poverty reduction are significant, responsible for transboundary impacts, and should be better reflected in policymaking processes. The implementation of the UNCCD must be better interconnected with efforts to target climate objectives, human security, migration and conflict prevention. Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 9 IPCC / Weltklimarat • Viele Maßnahmen zur Abmilderung negativer Klimaveränderungen, die auch der Weltklimarat vorschlägt, sind technischer Art: hier eine Reduzierung um so und soviel Prozent bei den Emissionen (das ist alles sehr wichtig), dort ein neuer Fonds. • Politische Ratschläge – im engeren Sinne – sind Mangelware. Im Synthese-Bericht 2007 für die politischen Entscheidungsträger findet sich bspw. nichts darüber, dass schlechtes Regierungs- und Verwaltungshandeln, Korruption und ein sich oft an neo-liberalen Rezepten orientierender, ungezügelter Kapitalismus den Kampf gegen die negativen Folgen des Klimawandels unterminieren. 10 Bauer/Messner (2007): Der Klimawandel bedroht globale Entwicklung und int. Stabilität (DIE) Drei „Mammutaufgaben“ für Deutschland und die EU: 1. Klima: Eine Klimawende herbeiführen und in einem wirksamen Post-Kyoto-Regime die Weichen für die Vermeidung einer gefährlichen, nicht mehr beherrschbaren globalen Erwärmung stellen. 2. Entwicklungspolitik: Armutsbekämpfungsprogramme mit geeigneten Anpassungsstrategien an einen nicht mehr zu vermeidenden Klimawandel verbinden. 3. Ankerländer: In Abstimmung mit der Technologieund Außenwirtschaftspolitik dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen der großen und schnell wachsenden Ankerländer zu begrenzen. Übernimmt die EU „in der Klimapolitik eine glaubwürdige Pionierrolle, kann sie zu einer globalen Gestaltungsmacht des 21. Jahrhunderts werden.“ Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 11 Klimawandel – Definition* “Climate change means a change of climate which is attributed directly or indirectly to human activity that alters the composition of the global atmosphere and which is in addition to natural climate variability observed over comparable time periods.” Klimaänderungen bedeutet: Änderungen des Klimas, die unmittelbar oder mittelbar auf menschliche Tätigkeiten zurückzuführen sind, welche die Zusammensetzung der Erdatmosphäre verändern, und die zu den über vergleichbare Zeiträume beobachteten natürlichen Klimaschwankungen hinzukommen. *United Nations Framework Convention on Climate Change/UNFCCC, Art. 1(2) (http://unfccc.int/resource/docs/convkp/conveng.pdf - http://unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf) Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 12 Mitigation / Minderung* (IL+AL) > Mitigation means structural and non-structural measures • undertaken to limit the adverse impact of natural hazards, environmental degradation and technological hazards and specifically refers to a human intervention to reduce the sources or enhance the sinks of GHGs. Negative Auswirkungen von natürlichen Gefahren, ökologischen Verschlechterungen und technologischen Risken begrenzen und vor allem den Ausstoß klimaschädlicher Gase reduzieren oder gar vermeiden. Quellen a) Climate change mitigation and adaptation glossary, in: UNCCD/Global Mechanism (2008): The climate change mitigation and adaptation information kit, (www.globalmechanism.org/dynamic/documents/document_file/ccesinfokit_web-1.pdf; (b) Glossary, in: UNEP (2007): Global Environment Outlook - GEO-4, Valetta (www.unep.org/geo/geo4/report/GEO-4_Report_Full_en.pdf or directly www.unep.org/geo/geo4/report/Glossary.pdf); (c) IPCC Glossary (www.ipcc.ch/pdf/glossary/tar-ipcc-terms-en.pdf). Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 13 Adaptation / Anpassung (EL) > Adaptation refers to adjustment in natural or human systems in response to actual or expected climatic stimuli or their effects, to moderate harm or exploit beneficial opportunities; various types of adaptation can be distinguished, including anticipatory and reactive adaptation, private and public adaptation, and autonomous and planned adaptation. • Anpassung hat das Ziel, sich mit bereits erfolgten Klimaänderungen zu arrangieren und auf aktuelle oder zu erwartende Änderungen so einzustellen, dass Schäden gemildert oder positive Chancen genutzt werden können. Anpassung kann proaktiv oder reaktiv sein, die private oder öffentlich-staatliche Ebene betreffen und sowohl selbständig oder geplant erfolgen. 14 Gegenwärtige Wirtschaftskrise / ODA Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die in den reichsten Ländern verursacht wurde, trifft die armen Länder unverhältnismäßig hart: - Nach Angaben der FAO hungern in Folge der Krise zusätzliche 100 Millionen Menschen – insgesamt beläuft sich damit die Zahl der Hungernden auf über eine Milliarde weltweit. - Rund 18 Billion US-Dollar mobilisierte die Politik insgesamt für die Rettung der Banken. (in D 500 Mrd. €) - Zum Vergleich: Die Ausgaben für ODA der vergangenen 49 Jahren belaufen sich mit zwei Billion lediglich auf rund elf Prozent dieser Summe. - Rettungspakete für Finanzsektor zehnmal höher als die ODA der letzten 49 Jahre. Quellen www.millenniumcampaign.de ; IPS TerraViva Europe, 26.6.09: Development: Western Aid Declines, Financial Bailouts Vorlesung „AktuelleMount Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 15 Michael Jackson (29. August 1958 – 25. Juni 2009) in memoriam und zur Einstimmung auf das Thema Klimawandel Earth Song, 1995 Was ist mit dem Sonnenaufgang, • What about sunrise dem Regen, mit all den Dingen, die wir bekommen sollten? • What about rain Ist es die Zeit der Schlachtfelder? Merkst du nicht, dass die Erde • What about all the things schreit…? Was haben wir der Welt angetan? • What about killing fields • … • This crying Earth this we make sure … • What have we done to the world? www.myvideo.de/watch/315002/Michael_Jackson_Earth_Song; www.lastfm.de/music/Michael+Jackson/_/Earth+Song See also http://en.wikipedia.org/wiki/Earth_Song Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 16 Lieber Herr Messner, wir freuen uns auf Ihre Lecture! Vorlesung „Aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik“ SoSe 2009 Prof. Dr. Uwe Holtz/Prof. Dr. Hartmut Ihne Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie 17