PFERDEWISSENSCHAFTEN Geschichte der Reiterei und Pferdezucht Vorlesungsunterlagen WS 2006/07 J.E. Aurich Weltgeschichte - Geschichte der Reiterei - 1 Zeit Weltgeschichte Reiterei 5000-3000 v. Chr. Steinzeit Domestizierung des Pferdes 3000-2000 v. Chr. Kulturen in Mesopotamien, Ägypten und China Pferde als Arbeitstiere 2000-1600 v. Chr. Völkerwanderungen Streitwagenkulturen 1500 v. Chr. Mykene politischer Mittelpunkt Griechenlands Streitwagen gelangt nach Griechenland 1250-800 v. Chr. Gründung Spartas und Karthagos vom Streitwagen zum Reiterkrieger 600 v. Chr. Gründung der Stadt Rom Simon von Athen 430-355 v. Chr. Peloponnesischer Krieg Xenophon um 100 n. Chr. größte Ausdehnung des röm. Reiches (Trajan) germanische und gallische Reiterei nach M. Otte, 1994 Weltgeschichte - Geschichte der Reiterei - 2 Zeit Weltgeschichte Reiterei 700-955 Fränkisch-karolinigisches Reich, Hunnen und Araber Beginn des Ritterwesens, Turniere als Militärübung 1096 Erster Kreuzzug Ritterheere 1453 Eroberung Konstantinopels durch die Türken byzantinische „Kunstreiter“ in Italien 16. Jahrhundert Reformation „Reitakademien“ in I, A, F 17. Jahrhundert 30jähriger Krieg, Türkenkriege höfische (Barock-) Reiterei 18. Jahrhundert Maria Theresia Friedrich der Große Schulreiterei, Reform der Kavallerie, staatl. Gestüte 19. Jahrhundert Napoléon, k.u.k. Monarchie, Deutsches Reich Schul- ↔ Campagnereiten Entlastungssitz 20. Jahrhundert 1. und 2. Weltkrieg Turnierställe der Kavallerie Ende der Kavallerie als Waffe, Reiten als Zivilsport nach M. Otte, 1994 Entwicklung des Pferdes und Domestikation 1 • erster Vorfahre der heutigen Pferdeartigen im Eozän vor 60 Mio Jahren (Eohippus = Pferd der Morgenröte, Vier-/Dreizeher) in Europa, Asien und Amerika • Pferdeartige sterben in Europa und Asien aufgrund klimatischer und geologischer Veränderungen aus, Entwicklung des Pferdes geht in Amerika weiter • im Pliozän (vor 5 Mio Jahren) Entwicklung zum Einhufer (Pliohippus) • vor ca. 10.000 Jahren Rückwanderung von Pferden nach Asien und Europa über die Landbrücke von Amerika (Behringstraße) und Aussterben von Pferden in Amerika Entwicklung des Pferdes und Domestikation 2 • verschiedene Formen von Wildpferden „westlicher Typ“ (Tarpan, Equus ferus ferus) „östlicher Typ (Przewalski-Pferd, Equus ferus przewalski) (2n=66, Hauspferd 2n=64) • heutige Pferde gehen entweder auf verschiedene „Wildpferderassen“ zurück • oder stammen alle von einer Spezies Equus ferus ab morphologische Differenzen durch unterschiedliche Selektion unter unterschiedlichen Lebensbedingungen • Säugetiere in kälterem Klima werden größer und schwerer (Bergmann-Regel) und haben kürzere Beine und Ohren (Allen-Regel) als Tiere in wärmerem Klima Entwicklung des Pferdes und Domestikation 3 • vor 10.000 Jahren (Paläolitikum) massive Bejagung von Wildpferdeherden durch die Menschen der Steinzeit starker Rückgang der Pferdeherden • vor 6.000 Jahren erste Domestikationsversuche (heutige Ukraine) • Domestikation von Pferden erfolgte weitgehend gleichzeitig an verschiedenen Orten • mit der Domestikation nehmen die Pferdebestände wieder zu Streitwagen • 2000 Jahre v. Chr. (Kleinasien, Arabien, Ägypten), zwei- oder vierspännig • Wagen als schnelles Transportmittel zum Schlachtfeld = „fahrende Infanterie“ • sichere Beherrschung des Wagens im Gefecht (ab ca. 1600 v. Chr.) • Wagenlenker + Bogenschütze • einzelne Streitwagen Formationen • Schlacht von Kades (Syrien) 1296 v. Chr., Hethiter gegen Ägypter: 17.000 Fußsoldaten, 3000 Streitwagen Trainingsanleitung des Kikkuli • Hethiterreich ca. 1350 v. Chr. • gefunden in der Hethiterhauptstadt Hattusa (Türkei) • zwei weitere Texte über das Training von Pferden für den Streitwagen • Zweispänner vor zweirädrigem Wagen Trainingsanleitung des Kikkuli • langsame Steigerung der Anforderungen über einen Zeitraum von 180 Tagen • Wechsel von Trab und Galoppstrecken ( „Intervalltraining“) • sehr lange Distanzen, bis zu 150 km pro Tag • im Trab 75 km, im Galopp 20 km (?), moderne Rennbahndistanzen zwischen 1000 und 3000 m • Abhärtung der Pferde durch Abwaschen mit kaltem Wasser • Fütterungsempfehlungen (mehrmals täglich Heu, Gerste und Weizen) Frühe Reitervölker und klassisches Altertum • erster Hinweis auf Reiten um 4000 v. Chr. im Gebiet der heutigen Ukraine: Fund eines Pferdeskeletts mit Trense, 500 Jahre vor Erfindung des Rades • Zeit der Reiterkrieger beginnt um 800 v. Chr. im europäisch-asiatischen Steppenraum. Entwicklung vom Streitwagen zum Reiten bei den Etruskern, Kelten, Iraniern und Chinesen Frühe Reitervölker und klassisches Altertum • Zwischenstadium auf dem Weg zur Reitertruppe = berittene Infanterie, Pferde ermöglichen raschen Transport, zum Gefecht sitzen die Reiter ab, da sie für den Kampf nicht sicher genug sitzen und zu wenig Einwirkung auf das Pferd haben • oder jeder Bogenschütze hat einen Mann neben sich, der das Pferd führt • Stuhlsitz mit hochgezogenen Knien keine Einwirkung mit Kreuz und Schenkeln Frühe Reitervölker Überlegenheit der Reiter über den Streitwagen • größere Beweglichkeit • Taktik der verstellten Flucht: Angriff – Flucht – Wendung zum Gegenangriff • rasches Umgehen der Flanken des Gegners • „Fernwaffe“ Pfeil und Bogen Anforderungen an den Reiter • Einwirkung auf das Pferd Zulegen und Tempowechsel, Wendungen • fester Sitz • beide Hände frei zum Waffengebrauch Einwirkung auf das Pferd mit Gewicht, Schenkeln und Stimme Frühe Reitervölker • Trense statt Nüsternring oder Kappzaum • zunächst kein Sattel, wurde von den Skythen erstmals verwendet, Lederdecken mit Bauchgurt und Lederschlaufen als Bügelvorläufern. Eisenbügel gab es erst bei den Sarmaten ab ca. 300 v. Chr. neben den berittenen Bogenschützen Entwicklung einer schweren Kavallerie mit Lanzen und Panzer oder Kettenhemd • Voraussetzung: Verfügbarkeit größerer Pferde Vorteile des Sattels • für den Reiter: Bequemlichkeit, ruhigerer und beständigerer Sitz mit mehr Einwirkung, festen Halt (Kampf) • für das Pferd: Schonung im Rücken, gleichmäßige Gewichtsverteilung, weniger Druckstellen (v.a. bei langen Ritten) Amazonen: in der griechischen Mythologie männerlose berittene Kriegerinnen Hintergrund: bei den Reiternomaden ritten auch Frauen, z.T. auch im Krieg, bei den Griechen ritten nur Männer Reiterei im griechischen Altertum • Pferde gelangten um 1500 v. Chr. nach Griechenland • geringe militärische Bedeutung der Reiterei • ca. 450 v. Chr (Perserkriege): Athen 300–1000 Reiter Persien 10.000-40.000 Reiter • Waffen: Schwert und Lanze • langes Festhalten am Streitwagen Wagenrennen Höhepunkt der Olympischen Spiele • wenig Bedeutung für Reiten und Zucht, aber älteste Dokumente zur Reitkunst Xenophon geb. 430 (426) v. Chr in Athen gest. 345 (355) v. Chr. in Korinth • Schüler des Sokrates • Offizier im Peloponnesischen Krieg (Athen – Sparta) • Offizier in Persien • 371-369 aus Athen wegen Sparta-freundlicher Aktivitäten verbannt Schriften • Hipparchikos (Der Reiteroberst) Kavallerieführung, Taktik • Peri hippikes (Die Reitkunst) Reitausbildung • Anabasis (Zug der 10.000) über den Feldzug in Persien Xenophon – Peri hippikes „…um von Mensch zu Mensch gesittetes Verhalten zu lehren, haben uns die Götter die Sprache geschenkt. Das Pferd kann aber aus bloßen Worten … nichts lernen. Erweist man ihm aber, wenn es deinen Wünschen entspricht, zum Dank eine Freundlichkeit und strafst du es, wenn es ungehorsam war, dann wird es am leichtesten lernen, dir zu dienen“ „Was unter Zwang erreicht wurde, wurde ohne Verständnis erreicht und ist ebenso unschön, wie das Peitschen … eines Tänzers“ „Verliere beim Umgang mit Pferde nie die Beherrschung, dies ist die wichtigste Regel für jeden Reiter“ Xenophon Peri hippikes • geschmeidiger, unabhängiger Sitz, mit der Bewegung des Pferdes schwingende Mittelpositur „einen Sitz wie auf einem Sessel also mit hochgezogenen Knien kann ich durchaus nicht loben“ • keine Ausagen über Schenkelhilfe • vom Sitz unabhängige Zügelhand • nachgebende Zügelhilfe „… wenn man das Pferd versammelt und es dadurch den Nacken hebt, so muß man mit dem Zügel sofort leichter werden“ • Aufrichtung „lehrt man ein Pferd bei leichter Zügelführung vorwärts zu schreiten, den Hals aufzurichten und vom Genick an zu wölben, so wird man bewirken, daß das Pferd etwas tut, woran es Freude hat“ Olympische Spiele der Antike • 776 v. Chr. bis 400 n. Chr. • gymnische, hippische und musische Wettkämpfe (Agonen) • Wagenrennen mit Vierergespann (Tethrippon) • Wagenrennen mit Zweigespann (Synoris) • Rennen unter dem Reiter (Keles) über 8000 m • Wagenrennen mit Maultieren Römische Antike Germanen Kelten Römische Wagenrennen • Höhepunkt der ludi circenses • Fahrer (aurigae) und Pferde gehörten zu 4 Zirkusparteien (factiones: alba, russea, prasina, veneta) • Factiones übernehmen auch politische Funktionen und sind an politischen Auseinandersetzungen beteiligt Weitere Bewerbe • Ars desultoria: Auf- und abspringen am galoppierenden Pferd • „Voltigieren“ mit zwei Pferden Pferde im römischen Militär • in der Frühphase des römischen Reiches Reiterei aus der römischen Oberschicht keine zahlenmäßige Erweiterung möglich • römische Armee vor allem als Infanterie konzipiert jede Legion (4500-6000 Infanteristen) verfügte über eine Kavallerieabteilung mit 120 (bis maximal 300) Reitern Aufklärung, Meldereiter • statt Aufbau einer „eigenen“ Kavallerie Reiterei von Verbündeten oder Hilfstruppen aus eroberten Ländern: Gallien (Kelten), Germanien, Nordafrika, Syrien • eigenständige Kavallerieeinheiten zu 500 Reitern (Ala) gegliedert in 16 turmae (Schwadronen) zu 30 Reitern Herkunft der Pferde für das römische Militär • Pferdezucht: Dalmatien, Spanien und lokale Ankäufe • Widerristhöhe 135-150 cm, im Typ wie Camargue-Pferd • Ankauf durch Remontekommissionen, Übernahme der Pferde in den Militärdienst nach einer Probezeit Reiterlager Comagena (Tulln/NÖ) • Truppen: Ala Comagenorum, 2./3. Jahrhundert Equites promoti, 4. Jahrhundert • Truppenstärke: ala quingenaria 480 Reiter in 16 Turmen zu 30 Reitern + Stab • Kommandant: Praefectus alae (römischer Adliger) • Zivilbevölkerung im Lager: 4./5. Jahrhundert • Aufgabe des Lagers: 488 n. Chr. • Wiederbesiedlung: nach 791/792 als karolingisches Reichsgut Bedarfsschätzung für die 4 Kavalleriekastelle im Tullnerfeld (ca. 2000 Mann mit 2000 Pferden) • Verpflegung Brotgetreide (Weizen) 700 t Fleisch 100 t Käse 200 t Gemüse/Obst 400 t Öl 100 t Wein 1800 hl • Pferdefutter Gerste 1000 t Heu (150 Tage, sonst Weide) 1200 t • Wasser Trinkwasser 2 m3 Nutzwasser 20 m3 Tränkwasser 12 m3 • Pferde: Remontierung jährlich 15% des Bestandes = 180 Pferde Die Hunnen • ab ca. 350 n. Chr. Ausbreitung aus den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres nach Westen in günstigere Weidegebiete • berittene Bogenkrieger, zunächst in losen Stammesverbänden ohne einheitliche Führung • in den Auseinandersetzungen entwickelt sich ein einheitliche Führung • Vordringen bis nach Frankreich: 451 Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (bei Orleans) Hunnen: Bogenkrieger Römer, Westgoten, Alanen: schwere Panzerreiter, Bogenreiter, Lanzenreiter Pferde und Reiten bei den Germanen und Altsachsen • Naturreiter, deren Pferde im Gehorsam waren Pferde gingen dahin, wo der Reiter wollte, für Reise und Kampf ausreichend aber keine Dressur mit Formung des Pferdes • enges Zusammenspiel von Reitern und Fußsoldaten • Caesar: wenn die Germanen zum Kampf absitzen bleiben Pferde stehen • Caesar stellt germanische Reiterei ein, die in der Schlacht vor Alesia (53 v. Chr) zum Sieg über Vercingetorix beitragen • Ausrüstung: Zügel, nichtgebrochene Trense, Sporen, zunächst kein Sattel Pferde und Reiten bei den Germanen • Jeder größere Bauernhof mit eigener Zucht • Pferde sind aus eingeborenen wilden Pferden herausgezüchtet worden • Koppelzucht und halbwilde Gestüte (Ovelgönne = Fohlenhof) • ganzjährige Haltung draußen erhebliche Verluste im Winter • Fohlenfleisch und Stutenmilch begehrt • Wagen gab es, aber wegen der schlechten Wege mußte man reiten, Straßen setzen einen geordneten Staat voraus • eigene Reitpferde der Frauen • keine Pferde im Gespann auf dem Acker, dafür Rinder Pferde und Reiten bei den Germanen und Altsachsen • verstorbenen Kriegern wurde Pferd mit ins Grab gegeben Einzug in Walhall mit eigenem Pferd (und Hund) Pferde und Reiten bei den Kelten • wie bei den Germanen Pferdeopfer und der Glaube, daß die Seelen Verstorbener auf Pferde ins Jenseits gelangen • Verehrung reitender Götter, besondere Bedeutung hatte die Pferdegöttin Epona • umfangreiche Pferdezucht und Pferdehandel • keine Weiterentwicklung der Reiterei Pferde und Reiten bei den Kelten • Kelten in England und Frankreich leisten mit berittenen Truppen den Legionen Julius Caesars (55 v. Chr.) erheblichen Widerstand • später keltische Reiterei als Hilfstruppen der Römer • von den Kelten übernahmen die Römer der Brauch der Kastration von Hengsten • keltische Pferde in England z.T. Importe aus Gallien sowie Kreuzungen mit einheimischen Ponies Ursprung einiger englischer und irischer Pferderassen (Connemaras, Welsh Cobs) • gallische Pferde mit z.T. hohem nordafrikanischem Blutanteil Reitlehren Mittelalter – Ritter frühes Mittelalter leichte Reiterei der Reitervölker leichter Sitz, kurze Bügel, verstellte Flucht schwere Reiterei (=Panzerreiter) Vorbild: iranische Lanzenreiter europäisches Heer mit Panzerreitern (Rittern) unter Karl Martell, (Schlacht von Tours und Poitiers 732) und unter Karl dem Großen (768-814), fränkische Ritter = schwerbewaffnete Reiter ohne Adelsstatus Ritterschicht verbindet sich mit dem Adel in den Kreuzzügen (1096-1270) ensteht das Bild des adeligen Ritters Ritter = synonym für Adel christlicher Ritter = Symbol für Recht und Ordnung Mittelalter – Ritter hohes Mittelalter (1000-1300) Blütezeit des Rittertums Turnier als militärische Übung (≠ sportliches Hobby) (tourner/tourneier=das Pferd drehen/wenden) strikte Turnierordnung: nur Adelige (Ritter) Buhurt (hurter=stoßen): Gruppenkampf mit stumpfen Waffen, erst zu Pferde und dann zu Fuß Tjost (iustus=den Regeln nach): Zweikampf mit Lanze, um Gegner aus dem Sattel zu heben, Fortsetzung als Schwertkampf spätes Mittelalter (1300-1500) Schießpulver Einzelkampf mit Pferd u. Rüstung letztes Turnier 1512 unter Kaiser Maximilian I („Letzter Ritter“, 1493-1519) Mittelalter – Ritter Pferde kalibrige Pferde als Streitroß (Kastellan, Hengste) leichteres Reitpferd zum Reisen (Paletroi) Lastpferd für Ausrüstung (Klepper) Reitweise geringe reiterliche Anforderungen Ziel des Reitens war es Lanzenstößen standzuhalten Ausbildung der Pferde: vorwärts und parieren Richtungs- oder Tempoänderungen nicht so wichtig Sitz mit vorgestreckten Beinen in den Bügeln stehend, Gesäß an den hohen Sattelkranz gedrückt keine differenzierten Gewichtshilfen möglich Schenkeleinwirkung nur über lange Sporen Zügelhilfen mit groben Gebissen, Pferde mit starkem Hals Ende der ritterlichen Kampfweise • Ritter erfolglos im direkten Angriff gegen taktisch geschultes Fußvolk in geschlossener Formation mit langen Spießen und Hellebarden (Schlacht bei Moorgarten 1315, Schlachten bei Laupen, Sempach und Murten) • Musketen der Artillerie durchschlagen Panzerung der Reiter und Pferde Schaffung leichterer und beweglicherer Reiterei (Panzerreiter) im 15. Jahrhundert Reitlehren der Renaissance • Im byzantinischen Reich (Konstantinopel) Tradition der Reitkunst (Zirkusdressur), nach Eroberung Konstantinopel 1453 durch die Türken Künstler nach Italien • „Reitakademien“ italienischer Reitmeister wie Grisone (1532) und Pignatelli, Vorbild für andere Länder • dressurmäßige Ausbildung des Schulpferdes wird in der Renaissance zum Selbstzweck („Reitkunst“) • Schulsprünge zu repäsentativen Zwecken • militärische Bedeutung mehr ein Vorwand zur Rechtfertigung der Schulreiterei • weder Reiter noch Pferde in erforderlicher Qualität beim Militär ausreichend vorhanden Federico Grisone • Sitz und Hilfengebung in Anlehnung an Xenophon • Ziel der Ausbildung ist die Versammlung des Pferdes Hankenbeugung und vermehrtes Untertreten • Trabarbeit, Zirkel und Rückwärtsrichten zur Verbesserung der Tragkraft und Versammlung • starke Beizäumung bei absoluter Aufrichtung • Hilfen und Strafen, • Bedingungslose Unterwerfung als Voraussetzung für Gehorsam des Pferdes Ausbildungsziele Methoden der Ausbildung Reitmeister des Barock • Georg Engelhard Löhneysen (D, um 1600) geduldigerer Umgang mit dem Pferd verwahrender Schenkel und diagonale Hilfen • Salomon de la Broue (F, 1553-1610) Begründer der französischen Schule • Antoine de Pluvinel (F, 1555-1623) „Manege Royale“, Reitlehre in Form eines Dialogs Pluvinels mit seinem Reitschüler Ludwig XIII, nach Pluvinels Tod auf Wunsch des Königs herausgegeben. Antoine des Pluvinel • führte die italienischen Reitlehren in Frankreich ein • „Natürlichkeit“ aller Lektionen einschließlich der Schulsprünge, das ausgebildete Schulpferd zeigt auf die Hilfen des Reiters Bewegungen, die von Pferden in der Natur ohnehin ausgeführt werden • Bedeutung der Arbeit an der Hand • Bedeutung der Pilaren • System der Ausbildung des Pferdes in sechs Hauptübungen Wendungen an der Longe Wenden und Seitwärtstreten in den Pilaren Wenden und Seitwärtstreten unter dem Reiter Passage („abgekürzter Schritt“) Passade, Levade, Courbette • moderne Pädagogik der Reitausbildung Unterricht in „angstfreier“ Atmosphäre Antoine des Pluvinel • Reiter soll sich auf die physische und psychische Konstitution des Pferdes einstellen • „das Pferd muß selber Freude an der Reitbahn haben, sonst wird dem Reiter nichts … gelingen“ • „… man sei aber geizig mit Schlägen, freigiebig mit Lohn“ William Duke of Newcastle • auch bei Newcastle ist die Schulreiterei Selbstzweck • statt Pilaren Arbeit um einen Pfahl auf dem Zirkel • Einwirkung v.a. mit dem inneren Zügel, keine verwahrenden äußeren Hilfen (Lektion „Kopf in die Volte“ Schulterherein) • entwickelt Kappzaum und Schlaufzügel • zur Versammlung und Gewichtsverlagerung auf die Hinterhand Biegung zuerst im Hals, dann in den Hanken • bekannt für harte Dressurmethoden Francois Robichon de la Gueriniere (1688-1751) • • • • 1730-1751 Leiter des Marstalls König Ludwig XIV logisch aufgebaute, bis heute gültige Reitlehre Ziele der Ausbildung ist Vervollkommnung der Natur Ausbildungsskala: Losgelassenheit – Gehorsam – Durchlässigkeit – Versammlung • Gymnastizierung des gesamten Pferdes statt Einüben von Lektionen • Schulterherein als Basis der Seitengänge Übertreten fördert weites Untertreten Gewöhnung an seitwärtstreibende Schenkelhilfen Francois Robichon de la Gueriniere (1688-1751) • auf Schulterherein aufbauend Travers, Renvers und Traversale • fliegender Galoppwechsel, Außengalopp, Pirouetten • natürliche und künstliche Gänge (Piaffe, Passage) • Schulen auf und über der Erde • Dominanz von Schenkel- und Gewichtshilfen über Zügel, vorherrschende Einwirkung des äußeren Zügels • losgelassener ausbalancierter Sitz Francois Robichon de la Gueriniere • Ziel der Ausbildung ist es, das Pferd „durch systematische Arbeit ruhig, gewandt und gehorsam zu machen, damit es angenehm in seinen Bewegungen und bequem für den Reiter ist. Dies gilt…sowohl für das Jagd- und Soldatenpferd als auch für das Schulpferd“ Grundausbildung des Jagd- oder Kavalleriepferdes (Campagneschule) ist auch Basis für die Schulreiterei (Hohe Schule) • „Unwissenheit und schlechte Laune lassen mehr Pferde bösartig oder sauer werden, als die Natur je hervorbringen konnte“ • System de la Guerinieres wird in Frankreich bis zur Revolution (1789) durch die Schule von Versailles vertreten • Friedrich Wilhelm v. Seydlitz (1721-1773) entwickelt auf de la Gueriniere aufbauend die Campagnereiterei („dressurmäßige Grundausbildung + Geländereiten“) • Ludwig Hünersdorf (1748-1813) verbindet die Lehren de la Guerinieres mit den Zielen der Gebrauchsreiterei • Max von Weyrother (1813 bis 1833 Leiter der Spanischen Hofreitschule) übernimmt das System de la Guerinieres in Wien • im 19. Jahrhundert zunehmende Bedeutung des Geländereitens nach englischem Vorbild • System de la Guerinieres wird in Frankreich bis zur Revolution (1789) durch die Schule von Versailles vertreten • Friedrich Wilhelm v. Seydlitz (1721-1773) entwickelt auf de la Gueriniere aufbauend die Campagnereiterei („dressurmäßige Grundausbildung + Geländereiten“) • Ludwig Hünersdorf (1748-1813) verbindet die Lehren de la Guerinieres mit den Zielen der Gebrauchsreiterei • Max von Weyrother (1813 bis 1833 Leiter der Spanischen Hofreitschule) übernimmt das System de la Guerinieres in Wien • im 19. Jahrhundert zunehmende Bedeutung des Geländereitens nach englischem Vorbild Francois Baucher (1776-1873) • Bearbeitung von Hals, Genick und Unterkiefer des Pferdes im Halten, um „Verkrampfungsherde“ zu lösen • Körperteile des Pferdes werden einzeln bearbeitet • Pferd wird im Halten ins Gleichgewicht gebracht • Vorwärtsdrang des Pferdes wird unterdrückt • Pferd soll nur auf Impulse des Reiters reagieren • später erkennt Baucher die Bedeutung lösender Arbeit und sieht, dass nur über Losgelassenheit Versammlung erreicht wird • Alexis-Francois l`Hotte (1870 Schulkommandeur von Saumur) verbindet die Lehren Bauchers mit der klassischen Dressur und der Ausbildung des Militärpferdes Begründer der modernen französischen Reiterei Legerte – Grace – Impulsion (Schwung und maximale Durchlässigkeit) Entwicklung der deutschen Reitlehre • Max von Weyrother • Louis Seeger (1798-1865) • Gustav Steinbrecht (1808-1885) Losgelassenheit, gleichmäßige Anlehnung, vorwärts-abwärts-Strecken, erst danach Entwicklung der Aufrichtung „Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade“ Hinterhand bei allen Lektionen aktivieren, so dass stets ein Bestreben nach vorwärts besteht auch in den Seitengängen folgt die Hinterhand der Vorhand • Gymnasium des Pferdes (1886 von Paul Plinzner herausgegeben, 1935 in 4. Auflage erschienen) • Federico Caprilli (1868-1907) Geländereiten statt Schulreiten als Grundlage der militärischen Reitausbildung „natürliches Reiten“ statt Aufrichtung und Versammlung Entlastungssitz ermöglicht dem Pferd ein Aufwölben des Rückens und Strecken über dem Hindernis • Deutsche Reitweise (Kavallerieschule Hannover) verbindet den italienischen Springstil mit dressurmäßiger Ausbildung des Springpferdes Spanische Reitschule Wien • 1572: erste Erwähnung des „Spanischen Reithsalls“ am Wiener Hof • 1735: Fertigstellung der Winterreitschule durch Baumeister J.E. Fischer von Erlach • 1919: Hofreitschule wird vom LW-Ministerium der Republik Österreich übernommen ( Spanische Reitschule) • 1938: „Spanische Hofreitschule“ wird dem Oberkommando der (deutschen) Wehrmacht unterstellt • 1939: Major Alois Podhajsky wird Schulkommandeur • 1945: „Spanische Reitschule“ wird dem LW-Minsterium der Republik Österreich unterstellt • bis 1955: Auslagerung nach Wels (US-Besatzungszone) • 1984: Zusammenlegung mit dem BG Piber • 2001: Ausgliederung der „Spanischen Hofreitschule“ als Gesellschaft öffentlichen Rechts Cadre Noir Saumur • 16./17. Jahrhundert: Reitschule von Versailles (Pluvinel, Gueriniere) • 1789: französische Revolution • 1763: Verlegung eines Kavallerieregiments nach Saumur • 1771: Gründung der Ecole de Cavalerie militärischer Geländereitstil Stil von Versailles • 1825: Cadre Noir als zivile Ausbildergruppe der Kavallerieschule, Entwicklung der franz. Reitlehre (akademische Reitkunst + Geländetraining) • 1972: Garündung der Ecole Nationale d`Equitation (ENE) • 1984: Cadre Noir wird Teil der ENE, Ausbildergruppe der nationalen Reitschule und Leistungssport Gestüte „Wildgestüte“ • in landwirtschaftlich ungenutzten Ödlandgebieten und Bruchlandschaften • benötigte Pferde wurden herausgefangen kein züchterischer Einfluß • „halbwilde Gestüte“: züchterische Kontrolle über ausgewählte Hengste für die Zuchtsaison bodenständige Hengste gegen orientalische Hengste ausgetauscht • nur im Winter Zufütterung • existierten z.T. bis ins 19. Jahrhundert • Zweibrücken, Merfelderbruch (Westfalen) Sennergestüt Lopshorn (Lippe, 12. Jahrh.- 1863) Gestütwesen schriftliche Überlieferungen aus der Zeit Karls des Großen (Gestüte an Fürstenhöfen, Ausfuhrverbote) Feudalsystem: Adelige waren verpflichtet, dem Lehnsherrn berittene Krieger zu stellen - leichte Pferde zur Fortbewegung - schweres Pferd als Ritterpferd Zucht der Ritterpferde aufgrund des Wertes der Pferde v.a. in „zahmen Gestüten“ an der Burg Deutscher Ritterorden in (Ost)Preußen (11981410) bis zu 60 „zahme“ Gestüte mit 16.000 Pferden Klostergestüte Gestüte als Musterbetriebe, Einnahmequelle oder aufgrund Verpflichtung zu Dienstleistungen an die Landesfürsten Pferdezucht für Landwirtschaft, Transport und Militär Klostergestüt Einsiedeln (Schweiz) seit 1064 Mit Einführung der Feuerwaffen hatten die schwerfälligen Ritter keine Bedeutung mehr Ende der ritterlichen Kampfweise hat Auswirkungen auf Reiterei und Pferdezucht Bedarf an leichten und wendigen Pferden Wendigkeit der Pferde als Kampfmittel Entwicklung der Dressurausbildung Pferd und Reiter in der Arabischen Welt ● ursprünglich sind die Araber keine Reiter oder Pferdezüchter unter Alexander dem Großen reiten die Araber auf Kamelen und Dromedaren übernehmen Transporte mit Kamelen für die Römer ● im 4. Jahrhundert zunehmendes Interesse an Pferdezucht und Reiterei ● Mohammed, Religionstifter des Islam (622 n. Chr.), erkennt Bedeutung der Kavallerie, um den Einflußbereich des Islam militärisch zu erweitern Verankerung des Pferdes im Islam …die Kraft meiner Gemeinde liegt in den Hufen ihrer Pferde und in den Spitzen ihrer Lanzen… Am Schopf des Pferdes hängt das Glück dieser Welt, reiche Beute und ewige Belohnung… Für Pferde ausgegebenes Geld ist in den Augen Allahs gleichbedeutend mit mildtätigen Almosen Pferd und Reiter in der Arabischen Welt Förderung der Pferdezucht bei den Beduinen im Hochland von Nedschd (Saudi-Arabien) Einfuhr von Pferden aus den Zuchtgebieten im Norden und Osten (Palästina, Syrien, Irak, Iran) Leistungsselektion unter extremer Haltung Reinzucht ausdauernde harte Pferde im einheitlichen Typ Vererbung von konsolidierten Merkmalen bei Kreuzung mit anderen Pferderassen keine Weiterentwicklung der Reitkunst bei den Arabern Pferdezucht ● mündliche Weitergabe der Abstammung der Pferde Zuverlässigkeit ? ● verschiedene Zuchtlinien bei verschiedenen Beduinenstämmen: Kuhaylan, Saqlawi, Abbayan (O`Bayan), Hadban, Hamdani, Muniqi, Nauwaq, Dahman, Kurush, Wadnan, Jilfan, Jallabi ● Khamsa: 5 Stammstuten (asil): Kuhaylan Ajuz, Saqlawiyah, Abbayah, Hadbah, Hamdaniyah Berber ● Quadratpferd, bis 155 cm, typischer Ramskopf ● Zuchtgebiet: Marokko, Algerien, Tunesien ● Abstammung von den Pferden der Karthager ● seit der Islamisierung ständiger Einstrom arabischen Vollbluts Hauptrasse heute Araber-Berber (arabe-barbe) ● Einfluß des Berbers auf die iberischen Pferde sowie das englische Vollblut (Godolphin Barb) ● Erhaltungszucht des reinen Berbers durch die marokkanischen Landgestüte mit Unterstützung der französischen Gestütsverwaltung Pferd und Reiter in der Arabischen Welt ● Mit den Eroberungszügen (732 Schlacht von Tours und Poitiers gegen die Franken unter Karl Martell) beginnt der Einfluß des arabischen Pferdes auf die europäischen Pferderassen ● Kreuzzüge: 1096-1291: Rückeroberung des Heiligen Landes von den Moslems ● Türkenkriege: Belagerung Wiens durch die Türken (1683) Araber und Anglo-Araber-Zucht in Europa Stammherden mit reinrassigen Vollblut-Arabern als Grundlage -Reinzucht für die Kreuzungzucht Araber x Englisches Vollblut = Anglo-Araber als eigene Rasse in Frankreich, Polen (Malopolska) und Ungarn (Gidran) Araber x orientalisch geprägte Landeszucht, danach Reinzucht und Selektion auf Reitpferdepoints = Shagya Gestüte ● Janow Podlaski (Polen) ● Babolna (Ungarn) ● Weil und Marbach (Deutschland) ● Neustadt/Dosse (1788-1830) ● Pompadour (Frankreich) ● Karadjabey (Türkei) ● Jerez de la Frontera (Spanien) ● Tersk (Rußland) Pferdezucht in Spanien • ab 800 n. Chr. Einkreuzung von Berbern und Arabern zur Veredlung der bodenständigen Pferde im Kalbluttyp und Ponytyp Genetten ( Andalusier/PRE) • Kreuzung schwerer spanischer Pferde mit Berbern Villanos (häufig Tigerschecken) • Einfuhr und Weiterzucht spanischer Pferde in Italien Neapolitaner (schwerer als Andalusier) • Zucht auf spanischer Basis in Frederiksborg (DK) und an verschiedensten Fürstenhöfen in Europa Hofgestüte Für den höfischen Bedarf und zu Repräsentationszwecken wurden an den Fürstenhöfen Hofgestüte gegründet 1490 Sababurg später Beberbeck (Hessen) 1532 Frederiksborg (DK) 1532 Kladrup (Österreich) 1554 Marbach (Württemberg) 1580 Lipizza (Österreich) Farbzucht und Zucht mit Pferden bestimmter Herkunft keine Linien- oder Familienzucht Förderung der Landeszucht • zunehmender Bedarf an Pferden im 16./17. Jh. (Landwirtschaft, Militär, Hofhaltung) • Importe sehr teuer Landeszucht • im 18. Jahrhundert Aufbau staatlicher Gestüte (Haupt- und Landgestüte) 1722 Graditz (Sachsen) 1723 Le Pin (Frankreich) 1732 Trakehnen (Preußen) 1735 Celle (Hannover) 1788 Neustadt/Dosse (Preußen) 1792 Radautz (Österreich) 1798 Piber (Österreich) 1826 Stadl Paura (Österreich) Gestütwesen Österreich - Ungarn Staatsgestüte (k.k. = Österreich; k.u. = Ungarn) Vorlaufzüchtung, Zucht von Landbeschälern Staatshengstendepots Bereitstellung von Hengsten für die Landeszucht Hofgestüte Zucht von Pferden für den Bedarf des kaiserlichen Hofes - Kladrup (schwerere Kutschpferde) - Lipizza (leichte Kutschpferde + Reitpferde) k.k. Staatsgestüt Radautz • Aufgabe des Gestüts: Zucht von Landbeschälern für die österreichischen Länder der k.u.k. Monarchie • ab 1867 (Ausgleich mit Ungarn) nur geringer Austausch von Pferde mit der ungarischen Reichshälfte. • bis 1869 dem Kriegsministerium unterstellt • 1869 in Geschäftsbereich des Ackerbauministeriums • ab 1879 Militärpersonal unter Fachaufsicht des Ackerbauministerium (Militärabteilung beim k.k. Staatgestüt) • 1919 Übernahme des Gestüts durch Rumänien Lipizzaner • 1580 Erzherzog Karl (Sohn Kaiser Ferdinands I.) gründet Hofgestüt in Lipizza mit bodenständigen Pferden und spanischen/neapolitanischen Pferd • regelmäßiger Zukauf spanischer Pferde aus Spanien, Italien, Fredericksborg und anderen europäischen Gestüten • im 18. Jahrhundert etwa 150 Mutterstuten • Erzeugung von Pferden für die Spanische Hofreitschule und von Fahrpferden für den kaiserlichen Marstall Bundesgestüt Piber • 1798 Remontedepot und Militärgestüt in enteignetem Klosterbesitz (Angloaraberzucht) • 1858 Hauptgestüt für die ländliche Lipizzanerzucht (Erzeugung von Landbeschälern), danach englische und angloarbaische Halbblutzucht • 1920 Aufnahme der 1915 nach Laxemburg evakuierten Lipizzaner aus dem Hofgestüt Lipizza Zusammenführung aller Lipizzaner im deutschen Machtbereich 1941-1945 in Hostau (Tschechien) • österreichischer Bestand aus Piber • Lipizza (Italien/Slowenien) 6 Hengste, 60 Stuten • Babolna (Ungarn) 4 Hengste, 40 Stuten • Topolcianki (Tschechien) 2 Hengste, 30 Stuten • Fogaras (Rumänien) 4 Hengste, 50 Stuten • verschiedene Gestüte Jugoslawien 6 Hengste, 70 Stuten 1945 „Rettung“ der Lipizzaner. Ohne Bewilligung aber mit Wissen der vorgesetzten deutschen und amerikanischen Dienststellen werden die Lipizzaner aus Hostau in den Machtbereich der US-Armee gebracht. Landwirtschaft und Transportwesen • Felszeichnungen mit Pferden vor dem Pflug aus der Bronzezeit, jedoch Feldarbeit v.a. mit Ochsen • ab dem 11. Jahrhundert Dreifelderwirtschaft (Getreide – Rüben – Gras) und Entwicklung landw. Maschinen, dafür Pferde besser geeignet als Ochsen • ab dem 18. Jahrhundert werden Ochsen als Zugtiere in der Landwirtschaft ab dem 18. Jahrhundert von Pferden ersetzt • ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit Bevölkerungszunahme und industrieller Entwicklung vermehrter Bedarf an Lebensmitteln Entwicklung neuer landwirtschaftlicher Techniken Entwicklung schwerer Landmaschinen (agrarische Revolution) Bedarf an schweren Pferden Preußische Gestütverwaltung 1732 - 1946 Preußische Gestütverwaltung 1732 bis 1946 direkte Basis für die Population der heutigen Warmblutzucht in Hannover, Westfalen, Hessen, alle ostdeutschen Bundesländer,…. Trakehnerzucht indirekte Basis für Zuchgebiete, mit Umzüchtung zum Reitpferd unter Einfluß von Hannoveranern und Trakehnern (Oldenburg, Süddeutschland, Österreich) System der Hengstleistungsprüfungen und der Zuchtselektion Bereitstellung von Staatshengsten für die private Pferdezucht Ausbildung der Personen, die die Umstellung zum Sportpferd in Deutschland ca. 1960-1980 geleitet haben (u.a. M. Heling, H.J. Köhler, C. von Stenglin) Hauptgestüte als Vorbild für die Pferdehaltung Ehem. Preußische Gestüte in Betrieb 2006 Graditz (Sachsen) Neustadt an der Dosse (Brandenburg) Braunsberg/Braniewo (Polen) Celle (Niedersachsen) Cosel/Kozle (Polen) Dillenburg (Hessen) Fürstenstein/Ksiaz (Polen) Labes/Lobez (Polen) Marienwerder/Kwidzyn (Polen) Rastenburg/Ketrzyn (Polen) Warendorf (NRW) Preußische Gestütverwaltung - Ziele Verbesserung der Landespferdezucht mit dem Ziel der weitgehenden Unabhängigkeit von Pferdeimporten Wirtschaftsförderung für die Landwirtschaft (Verkauf von Remonten als sichere Einnahmequelle) Pferde v.a. für das Militär aber auch Landwirtschaft und Transport sollen im Land gezüchtet werden Private Pferdezucht soll durch Fördermaßnahmen auf einen so hohen Stand gebracht werden, daß schließlich der Staat sich wieder aus der Zucht zurückziehen kann Gestütverwaltung als Teil der königlichen Domänenkammer Zuchtziel durch Militär vorgegeben. (Die Remonten der preußischen Kavallerie kamen) …in früheren Zeiten … großenteils … aus den Donaufürstenthümern, der Moldau, der Walachei, der Ukraine, aus Bessarabien etc., wo sie Sommer und Winter auf den Pußten und Steppen in großen Herden lebten. Sie hatten vom Menschen nur Böses erlebt, … waren mißtrauisch, furchtsam und unbändig. Die Gewöhnungsarbeiten … waren zeitraubend, schwierig und gefahrvoll. Nur dadurch, daß die Kavallerie zum großen Theil aus altgedienten Mannschaften bestand, wurde die „Zähmung“ dieser Tiere ohne allzuviele Opfer möglich. F. v. Krane Anleitung zur Ausbildung der Kavallerie-Remonten Berlin, 1879 Preußische Gestütverwaltung - Körordnung • Landgestütreglement für die Churmark (1789) • Privathengste dürfen nur nach staatlicher Körung verwendet werden • nichtgekörte Hengste müssen kastriert werden • Privatstuten werden klassifiziert, die besten Stuten werden gebrannt und dürfen nur von Landbeschälern belegt werden • Kauf und Verkauf der gebrannten Stuten muß angezeigt werden • Stuten dürfen nicht ins Ausland verkauft werden Qualität und Bedeutung der Privathengste staatliche Eingriffe in Pferdehandel und Hengstauswahl hemmen die Pferdezucht Zuchtziel: Araber und Angloaraber bis ca. 1830 Turkmainatty: Neustadt/Dosse 1788 Neustadt, Trakehnen, Radautz Kapudan, Neustadt/Dosse 1817-1828 Zuchtziel ab ca. 1830: Englisches Vollblut Halblutzucht Przedswit Judym, Hengstdepot Klikowa. Polen, 1992 Hengst der altösterreichischen Furioso-Rasse im engl. Halbbluttyp Remonteankäufe in Ostpreußen Jahr 1850 1890 1913 1922 1926 1932 1937 vorgestellte Pferde 4555 11518 13446 2705 6526 3888 6315 *Remonteankäufe in Hannover angekaufte Remonten 2079 5234 7231 (*1500) 2056 2789 1866 4030 (*2150) Preußische Gestütverwaltung - Entwicklung • Mechanisierung der Landwirtschaft ab ca. 1840 „agrarische Revolution“ • Anforderungen des Militärs: Reitpferde im Halbbluttyp („leichter Reitschlag“) • Anforderungen der Landwirtschaft: kräftiges Wirtschaftspferd • Anforderungen gehen immer weiter auseinander Landwirtschaft stellt Sinn der Staatsgestüte in Frage, da Zuchtziele weitgehend durch das Militär vorgegeben werden Preußische Gestütverwaltung – Reorganisation ab 1848 Schreiben des Landwirtschaftsministeriums an die Landwirtschaftskammern und landw. Vereine (1849) „…es muß eingeräumt werden, daß die aus den Staatsgestüten hervorgegangenen Landbeschäler …den Zwecken von Handel und Gewerbe nicht überall entsprachen. … Es ist dies… durch Kreuzung (mit Englischen Vollblütern) herbeigeführt (worden), die zwar teilweise das reinste Blut, jedoch nicht immer die Eigenschaften besaßen, welche (für Pferde) nötig sind, wie das Land derselben zu den verschiedenartigen Gebrauchszwecken bedarf“. Preußische Gestütverwaltung – Reorganisation ab 1848 Schreiben des Landwirtschaftsministeriums an die Landwirtschaftskammern und landw. Vereine (1849) „(Bei einer Förderung) unter Berücksichtigung der vorhandenen Stutenstämme und der örtlichen Verhältnisse (ist) eine zunehmende Verbesserung der Pferdezucht im Lande und allmählich eine so feste Begründung derselben zu erwarten, daß als letztes … Ziel die Mitwirkung der Staatsgestüte endlich ganz entbehrlich werde“. Preußische Gestütverwaltung – Reorganisation ab 1848 • Gestütwesen wird dem Landwirtschaftsministerium unterstellt Gestütsmitarbeiter sind Beamte (im Gegensatz Österreich-Ungarn: Gestütsmitarbeiter sind Soldaten) • Anforderungen von Militär, Landwirtschaft und Gewerbe an die staatliche Pferdezuchtförderung werden als gleichberechtigt anerkannt Remontezuchtgebiete Zuchtgebiete für schwere Warmblüter Zuchtgebiete für Kaltblüter Preußische Gestütverwaltung Landwirtschaftsministerium: Oberlandstallmeister gleichzeitig Abteilungsleiter Tierzucht Hauptgestüte Warmblut Staatl. Gestüte mit Elitestuten u.Hengsten (Hauptbeschäler) Zucht von Landbeschälern 20-25% der Hengste eines Jahrgangs Hauptgestüt Vollblut (Graditz, Altefeld) Zucht von Landbeschälern Prüfung im Rennsport Landgestüte Staatl. Hengstdepots für die Landeszucht (Landbeschäler) Hengstprüfungsanstalt HPA Zwion HPA Westercelle staatl. Körung Privatbeschäler Hengsthaltungsgenossenschaften Ankauf von Hengsten aus Privatzucht Landeszucht Zuchtstuten in bäuerlichem Besitz Pferdebestand (Hauptbeschäler und Mutterstuten) der Preußischen Gestütverwaltung 1870 und 1906 1870 • Hauptgestüt Trakehnen 15 Hauptbeschäler 300 Mutterstuten • Hauptgestüt Graditz 8 Hauptbeschäler 150 Mutterstuten • Hauptgestüt Neustadt/Dosse (Friedrich-Wilhelm-Gestüt) 5 Hauptbeschäler 120 Mutterstuten • dem Landgestüt Zirke angegliedert 20 Mutterstuten (Percheron) • Summe 28 Hauptbeschäler 590 Mutterstuten 1906 • Hauptgestüt Trakehnen 15 Hauptbeschäler 350 Mutterstuten • Hauptgestüt Graditz 10 Hauptbeschäler 190 Mutterstuten • Hauptgestüt Neustadt/Dosse (Friedrich-Wilhelm-Gestüt) 3 Hauptbeschäler 50 Mutterstuten • dem Landgestüt Georgenburg angegliedert 1 Hauptbeschäler 50 Mutterstuten • Summe 34 Hauptbeschäler 740 Mutterstuten Landbeschäler und Landgestüte der Preußischen Gestütverwaltung 1870 und 1906 1870 (1) Littauisches LG (Trakehnen, Insterburg, Gudwallen) 300 (2) Westpreuss. LG Marienwerder 105 (3) Brandenburg. LG Neustadt/D. 160 (4) Posensches LG Zirke 140 (5) Schlesisches LG Leubus 160 (6) Sächsisches LG Repitz/Torgau 85 (7) Schlesw.-Holst LG Plön 35 (8) Hann. LG Celle 220 (9) Westf. LG Warendorf 75 (10) Hess. LG Dillenburg 90 (11) Rhein. LG Wickrath 70 Summe Hengste 1440 1906 (1) Ostpreuss. LG Rastenburg (2) Ostpreuss. LG Braunsberg (3) Littauisches LG Georgenburg (4) Littauisches LG Gudwallen (5) Westpreuss. LG Marienwerder (6) Westpreuss. LG Pr. Stargard (7) Brandenburg. LG Neustadt/D. (8) Pommersches LG Labes (9) Posensches LG Zirke (10) Posensches LG Gnesen (11) Schlesisches LG Leubus (12) Schlesisches LG Kosel (13) Sächsisches LG Halle-Kreuz (14) Schlesw-Holst LG Traventhal (15) Hann. LG Celle (16) Westf. LG Warendorf (17) Hess. LG. Dillenburg (18) Rhein. LG Wickrath Summe Hengste 180 160 210 200 135 155 227 170 184 200 172 195 150 130 275 170 152 200 3265 Anzahl der aus den Hauptgestüten übernommenen Pferde 1870 und 1906 1870 • 185 Hengstfohlen 51 Landbeschäler • 183 Stutfohlen 50 Mutterstuten • Einzelpferde aus Trakehnen an den kaiserlichen Marstall • übrige Pferde Verkauf über öffentliche Auktion Ø 1900-1904 • 260 Hengstfohlen 73 Landbeschäler • 245 Stutfohlen 82 Mutterstuten • Einzelpferde aus Trakehnen an den kaiserlichen Marstall • übrige Pferde Verkauf über öffentliche Auktion Nutzung der Landbeschäler 1870 • 1440 Landbeschäler • 59.588 Stuten 41 Stuten/Hengst • 41.825 Stuten tragend 70 % Trächtigkeit • 31.305 Fohlen 53 % Abfohlrate 1904 • 3091 Landbeschäler • 164.549 Stuten 53 Stuten/Hengst • 106.502 Stuten tragend 65% Trächtigkeit • 90.233 Fohlen 55% Abfohlrate Preußische Gestütverwaltung - Finanzen Etat 1926 Einnahmen Ertrag von Grundstücken und Landwirtschaft (v.a. Hauptgestüte und Aufzuchthof Hunnesrück) Deckgelder und Fohlengelder Verkauf von Pferden und Wirtschaftsvieh Einnahmen aus Dienstwohnungen Renngewinne des staatlichen Rennstalls 75% der Anteile Preußens an der Rennwettsteuer Sonstige Einnahmen (u.a. Rückzahlungen) 3.553.470 M 3.546.800 M 1.272.000 M 289.000 M 250.000 M 15.360.000 M 171.730 M Summe 24.436.000 M Preußische Gestütverwaltung - Finanzen Etat 1926 Ausgaben Personalausgaben Pferde, Betriebsausgaben Summe Gestüte 3.963.200 M 12.055.600 M 16.018.800 M Unterstützungen, Zuchtprämien Summe 8.788.000 M 24.806.800 M Preußische Gestütverwaltung - Personal Landstallmeister Gestütveterinärräte Verwaltungsbeamte Lehrer Oberstutmeister/Obersattelmeister Stutmeister/Sattelmeister Gestütoberwärter Gestütwärter 20 8 27 12 13 23 60 1050 Karl Graf Lindenau • 1755-1808 • eigentlicher Organisator der Gestütverwaltung • Neubau mehrerer Landgestüte • Gründung des Hauptgestüts Neustadt/Dosse • Ausrangierung von 70% der Mutterstuten in Trakehnen • Einrichtung von Remontemärkten • Initiative zur Einrichtung der Berliner Tierarzneischule Georg Graf Lehndorff • geb. 1833, gest. 1914 • 1850-1866 Offizier • 1867-1887 Gestütsleiter in Graditz • 1888-1912 Oberlandstallmeister • Aufbau der Vollblutzucht in Graditz • Ankauf bedeutender Vollblüter in England • Buchautor (Handbuch für Pferdezüchter) Burchard von Oettingen • • • • • • • • geb.1850 Studium der Mathematik Offizier der Artillerie Leitung der Gestüte Gudwallen, Beberbeck und Trakehnen umfassende Neubauten in Trakehnen 1912-1920 Oberlandstallmeister Umstellung der Zucht nach dem ersten Weltkrieg Buchautor (Zucht des edlen Pferdes) Dr. Wilhelm Grabensee • geb.1841, gest. 1915 • Studium der Tiermedizin • Gestütsveterinär in Trakehnen, Dillenburg und Graditz • Gestütsleiter in Wickrath und 1892-1915 in Celle • umfassende Neubauten in Celle • erste Hengstparaden als „Show“ • Zuchtkonzept „Adel mit Masse“ • Grundlagen der hannoverschen Zucht bis nach 1945 • einziger Landstallmeister, der Junghengste selber ankaufen durfte Landgestüt Celle - Entwicklung • Gründung 1735 durch Georg II, Kurfürst von Hannover und König von Großbritannien, zur Förderung der Landespferdezucht (Anweisung „den Stuten der Bauern ist Vorrang vor denen des Adels zu geben“) Remontierung für die Kavallerie im Inland • Beginn mit 12 Holsteiner Hengsten (v.a. spanisch-neapolitanische Abstammung) • ab 1770 Zukauf von Hengsten aus Mecklenburg (Vollblutbasis) und direkt aus England • um 1900 ca. 90% der Hengste aus dem eigenen Zuchtgebiet • 1866 Hannover wird von Preußen annektiert und Celle preußisches Landgestüt • 1946 Übernahme des Landgestüts durch das Land Niedersachsen Preußische Gestütverwaltung Trakehnen • 1732: Zusammenlegung der aus den Ordensgestüten hervorgegangenen „litauischen“ Gestütabteilungen zum Königlichen Stutamt Trakehnen • 1739: Privatbesitz des Kronprinzen (seit 1741 König Friedrich II) • 1786: Nach dem Tod Friedrich II geht das Gestüt als Haupt- und Landgestüt in den Besitz des Staates über • 1877: Verlegung des Landgestüts nach Rastenburg und Ausbau des Hauptgestüts in Trakehnen Trakehnerzucht nach 1945 • Ostpreußen 1944: 25.000 eingetragene Zuchtstuten und 750 gekörte Hengste, davon 165 Hengste im Privatbesitz • neue Bundesländer 1953 117 Stuten + 45 Hengste mit nachgewiesener Abstammung 489 Stuten + 4 Hengste mit Fohlenbrand aber ohne bekannte Abstammung • alte Bundesländer 1947: 69 gekörte Hengste • 27 Stuten und 2 Hauptbeschäler aus dem Gestüt Trakehnen • alte Bundesländer 1956 (geringster Bestand) 602 Stuten + 45 Hengste (v.a. Landbeschäler aus Georgenburg und Hengste des Jahrgangs 1943 aus Trakehnen) Pferd und Reiter im Militär der Neuzeit Ende der ritterlichen Kampfweise • Ritter erfolglos im direkten Angriff gegen taktisch geschultes Fußvolk in geschlossener Formation mit langen Spießen und Hellebarden (Schlacht bei Moorgarten 1315, Schlachten bei Laupen, Sempach und Murten) • Musketen der Artillerie durchschlagen Panzerung der Reiter und Pferde Schaffung leichterer und beweglicherer Reiterei (Panzerreiter) im 15. Jahrhundert Schaffung der „modernen“ Kavallerie • Im 17. Jahrhundert leichtere Ausrüstung der Reiter (Kürassiere) in den Niederlanden, Frankreich, Spanien - Helm, Küraß, Handschuhe, Stiefel als Schutzwaffen - Reiterdegen und Pistole als Trutzwaffen • französische leichte Kavallerie (Dragoner) ohne Schutzausrüstung, Bewaffnung mit Säbel für den Kampf zu Pferde und Karabiner für den Kampf zu Fuß • Husaren als leichte Kavallerie mit Säbel und leichter Lanze Kavallerie wird vom Zentrum der Schlachtaufstellung an die Flügel verlegt Bedarf an vielseitig verwendbaren leichten und mittelschweren Pferden Reitlehre: Pluvinel, de la Gueriniere Friedrich II: „Die Kavallerie in Friedenszeiten“ „Mein Vater hinterließ mir eine schlechte Kavallerie. Fast kein Offizier verstand sein Handwerk. Die Reiter hatten Angst vor ihren Pferden (und) bestiegen sie fast nie… Das Exerzieren der Kavallerie erstreckt sich auf Reitkunst und Gehorsam der Pferde. Dies erfordert unendlich viel Mühe… Damit jeder Mann wie ein Stallmeister reitet, muß die Schwadron Mann für Mann, Pferd für Pferd gleichmäßig ausgebildet sein… Sind die einzelnen Reiter ausgebildet, so müssen sie lernen, sich gemeinsam zu bewegen. Sie müssen alle Schwenkungen flink ausführen und ungestüm … genau auf den Punkt hin, den der Führer angibt, attackieren. 18. Jahrhundert • Österreich: Kaiserin Maria Theresia Preußen: König Friedrich II • General Friedrich Wilhelm von Seydlitz (1721-1773): Geländerreiten und Springen, Campagneschule als Ausbildungsgrundlage • Nutzung der Schnelligkeit der Kavallerie („alle taktischen Manöver sind mit größter Schnelligkeit, alle Schwenkungen im Galopp auszuführen“) • Attacke im Galopp („ Bei Kavallerieangriffen gibt nicht die Größe der Pferde den Ausschlag, sondern das Ungestüm der Attacke“) • Ausbau der leichten Kavallerie (Husaren) • Entwicklung der reitenden Artillerie 19. Jahrhundert • Allgemeine Wehrpflicht statt Berufsheer rascher Wechsel der Soldaten weniger Zeit für die Ausbildung • Vergrößerung der Armeen in allen europäischen Ländern größere Anzahl an Reitern wird ausgebildet zunehmender Bedarf an Pferden • Ausbildung bei der Kavallerie kommt der zivilen „Pferdewirtschaft“ zugute 19. Jahrhundert „Soziale Struktur“ der Kavallerie • Offiziere überwiegend aus dem Landadel, z.B. bei den preußischen Gardekürassieren (Regiment Garde du Corps) bis 1918 nur Adelige als Offizier • Mannschaften und Unteroffiziere mit Erfahrung im Umgang mit Pferden aus der Landwirtschaft • Handwerker, städtisches Bürgertum und „technische“ Berufe bei der Kavallerie kaum vertreten ländlich-konservative, royalistische Prägung Kürassiere Ulanen Husaren Anzahl der Kavallerieregimenter Land Mitte 19. Jh. Ende 19. Jh. Frankreich 62 89 Großbritannien 26 31 Österreich-Ungarn 48 42 Preußen/Dt. Reich 58 93 Rußland 78 100 Summe 272 355 Remonteausbildung Junge Remonten (3jährig) • September: Gewöhnung an den Reiter • Oktober: Takt, Losgelassenheit • November-Februar: Beginn der Anlehnung, Entwicklung der Schubkraft, Geraderichten • März-September: Verbesserung der Anlehnung, des Geraderichtens und der Durchlässigkeit Gewöhnung an Truppen-, Straßen- und Gefechtslärm Remonteausbildung Alte Remonten (4jährig) • Oktober-Dezember: Schwung und beginnende Versammlung • Januar-März: Verbesserung der Versammlung • April: Übernahme in die Truppe, Zuteilung zu erfahrenen Reitern, keine Beteiligung der jungen Pferde an größeren Übungen Pferdesport Ende des 19. Jahrhunderts Distanzritte für Militärpferde • Ausdauer im Trab über feste Straßen • 1890 Berlin – Wien (580 km) Sieger: Wilhelm Graf Starhemberg (A) • 1902 Brüssel-Ostende (132 km) von 60 gestarteten Pferden überlebten 16 den Ritt nicht nicht nur sportlich unvertretbar, sondern auch militärisch sinnlos Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert Ursprünge des Turniersports im Renn- und Jagdreiten der Kavallerieoffiziere Geländeprüfungen • Ausdauerstrecken • Rennbahngalopp • Querfeldein-Galopp über Hindernisse Parcoursspringen Dressuraufgaben Fahrprüfungen Interesse am Reitsport zunächst wesentlich geringer als am Rennsport (Offiziere als Amateurrennreiter) Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert 1864: erstes „modernes“ Springturnier in Dublin 1866: erster Concours hippique in Paris 1872: „Gesellschaft zur Prämierung gut dressierter Campagnepferde“ in Wien 1893: erstes Turnier der „Bayrischen Campagne Reitergesellschaft“ 1902: erstes internationales Reitturnier in Turin mit 147 Startern aus 7 Nationen Der internationale Pferdemarkt 1901 Exportländer Land Export Import Russland Österreich-Ungarn Bulgarien 72.400 59.752 7.863 2.000 4.004 627 Land Import Export Deutschland Großbritannien Italien 100.321 40.043 38.180 10.541 27.612 1.539 Importländer Festschrift 100 Jahre FN, Warendorf 2005 Berlin 1905: Verband der Halbblutzüchter (ab 1910 Verband für deutsches Halbblut) Ziele • Interessenvertretung der Halbblutzüchter (Warmblutzüchter) • einheitliche Körordnung • einheitliches Brandzeichen • Verbindung Sport – Zucht Berlin 1910: Kartell für Reit- und Fahrsport • turniersportlicher Verband • einheitliches Reglement (Vorläufer der LPO) • Ausschreibungen (Material-, Eignungs-, Leistungsprüfungen) • Veröffentlichung von Ergebnissen (Jahrbuch) Olympia 1912 in Stockholm Reiten wird olympischer Sport • Militärische Gebrauchsprüfung (Vielseitigkeit) - Distantritt (55 km) + Q-Strecke (5 km) - Rennbahn mit Sprüngen (3500 m) - Parcoursspringen - Dressur • Springen - Einzelbewerb - Mannschaftsbewerb • Dressur (+ 5 „Gehorsamssprünge“) Carl Friedrich von Langen *1887, 1934 1915 als Reserveoffizier im 1. Weltkrieg schwer verletzt und teilweise gelähmt 1920 Teilnahme an schweren Springprüfungen mit „Hanko“ 1923 erfolgreichster deutscher Reiter in Springen u. Dressur 1928 Olympia Amsterdam Einzelund Mannschaftsgold Dressur 1934 tödlicher Sturz bei einer Sichtungsprüfung für die Olympiade 1936 Reitsport 1933 – 1945 (A: 1938-1945) • 30.1.1933: Ernennung Adolf Hitlers zum (deutschen) Reichskanzler • 23. März 1933: Ermächtigungsgesetz (Gesetze dürfen ohne Parlament erlassen werden) • Gleichschaltung der Sportverbände Verbot der Arbeiter-Turn- und Sportvereine (1933) Überführung der Sportverbände in den Reichsausschuß für Leibesübungen (von den Sportorganisationen oft aktiv unterstützt) • Leitung des organisierten Sportes in allen Sportarten durch „Reichssportführer“ (H. v. Tschammer und Osten) Sport als „vormilitärische Ausbildung“ und nicht individuelle Freizeitgestaltung • Reitsport, Automobilsport und Flugsport werden direkt in die NS-Organisationen SA, SS und HJ überführt Sonderstellung des Pferdesports - wird vor allen von staatstreuen und im internationalen Sport erfolgreichen Offizieren getragen (Armee NS-Partei) - jüdisches Engagement im Pferdesport geringer als bei anderen Sportarten - enge Verbindung von Sport und Zucht erschwert Einbindung in die politischen Sportorganisationen - Reichsverband für Zucht und Prüfung deutschen Warmbluts wird Teil der Obersten Behörde für Leistungsprüfungen von Warm- und Kaltblutpferden (Innenministerium) und alleinige Organisation für Reit- und Fahrsport - Reichsverband wird dem „Reichsnährstand“ angegliedert (LW-Ministerium) Kavallerieschule Hannover • gegründet 1867 als Militär-Reit-Institut (auch als Ausgleich für das 1866 verlorene Königreich Hannover) - 85 Offiziere und 200 Unteroffiziere als Reitschüler - bei Gründung 337 Pferde - Oberbereiter Gebhard (Span. Reitschule) als Zivilreitlehrer • 1919 Offizier-Reit-Schule Hannover • 1920 Kavallerischule Hannover • 1939 Verlegung der Schule nach Potsdam Heeres-Reit- und Fahrschule Krampnitz/Potsdam 1939-1943 Oberst Felix Bürkner 1943-1944 Oberst Harald Momm 1944-1945 Oberst Karl Neumeister (1936 Olympia-Vielseitigkeit für Österreich) Kavallerieschule Hannover Heeresreit- und Fahrschule (1939) Abt. I Reitschule (Reitlehrerausbildung) Abt. II Fahrschule (Fahrlehrerausbildung) Abt. III Turnier- und Rennabteilung („Turnierstall“) Leitender Tierarzt: Dr. Udo Bürger „Der Reiter formt das Pferd“ „Vollendete Reitkunst“ Felix Bürkner (1883-1957) 1912 Olympiateilnehmer 1912-1914 und 1918-1927 deutscher Meister in der Dressur 1906 Berufssoldat bei der Artillerie 1910/11 Kavallerieschule und Versetzung zur Kavallerie 1914 Reitlehrer an der Kav-Schule 1922 Aufbau einer Zivil-Reitschule 1932 Reitakademie Düppel 1939-1943 Offizier der Wehrmacht Leiter Schulstall der Kav-Schule nach 1945 Dressurstall in Hannover internat. Turnierteilnahmen Alois Podhajsky *1898 Mostar/Herzegovina, 1973 Wien 1916 Leutnant, k.uk. Dragonerregiment 4 1917 schwere Verwundung im 1. Weltkrieg 1927-1929 Militär-Reit und Fahrlehrinstitut Schloßhof 1932-1934 Spanische Reitschule 1934 Ausbilder im Schloßhof 1936 Olympia-Bronzemedaille Dressur 1938 Kavallerieschule Hannover 1938 Leiter der Reitausbildung, Kavallerieregiment 9, Fürstenwalde/Spree 1939-1965 Kommandeur der Spanischen Reitschule Internationaler Ausbilder und Dressurrichter Buchautor: u.a. „Die klassische Reitkunst“ (1965) Gustav Rau (1880-1954) • Redakteur der „Sportwelt“ • 1907 „Die Not der deutschen Pferdezucht“ • 1912 Generalsekretär des DOKR • nach 1918 Initiator der ländlichen Reitervereine • Chefredakteur des „St. Georg“ • 1932-33 Geschäftsführer der deutschen FN • 1933-34 Oberlandstallmeister • 1936 Organisationschef der olympischen Reiterspiele • 1939-45 Leiter der Pferdezucht im besetzten Polen • nach 1945 Initiator für den Wiederaufbau von Pferdesport und Pferdezucht • 1946-49 Landstallmeister in Dillenburg • 1949 Vorsitzender und Geschäftsführer des DOKR • 1950 DOKR übersiedelt nach Warendorf Gustav Rau 1954 • Vorsitzender des DOKR • Stellv. Vorsitzender der AG für Zucht und Prüfung deutscher Pferde • Mitglied des NOK • Vorsitzender der Bundesverbandes der ländlichen Reit- und Fahrvereine • Vorsitzender der Gesellschaft der Züchter und Freunde des arabischen Pferdes Reitsport nach 1945 • rasche Entwicklung vor allem des ländlichen Reitsports • gleichzeitig dramatischer Rückgang der Pferdezahlen • 1955 Eröffnung der Deutschen Reitschule in Warendorf (Berufsreiterausbildung) • 1968 Zusammenschluß verschiedener Verbände zur Deutschen Reiterlichen Vereinigung • Entwicklung vom „elitären“ Turniersport zum Breitensport mit Turnier- und Freizeitorientierung • Etablierung „neuer“ Pferderassen (Isländer, Friesen, Westernrassen, Andalusier) zu zugehöriger Reitweisen 1750000 1500000 DDR D A Pferde 1250000 1000000 750000 500000 250000 0 1950 1960 1970 1980 Jahr 1990 2000 Reitsport nach 1945 • 1952 Olympia Helsiniki • 1953 erste EM Military (Badminton) erste WM Springen (Paris) • 1966 erste WM Dressur (Bern) erste WM Vielseitigkeit (Burghley) • 1969 Fahren als FEI-Sportart • 1971 erste EM Fahren (Budapest) • 1972 erste WM Fahren (Münster) • 1990 erste Weltreiterspiele: Springen, Dressur, VS, Fahren, Voltigieren, Distanzreiten (ab 2002 + Reining) • 2006 FEI-World Equestrian Games