V. Stutz, Weickhardt

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Die Besonderheiten quantitativ
vergleichender Forschung
16.05.2016
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Ablauf
1. Quantitativ vergleichende Methoden:
Eigenschaften und Probleme
2. Kritischer Blick auf makro-komparativen
Forschungsmethoden
3. Beispiel einer makro-komparativen Studie:
„Politische Demokratie und der Zeitpunkt der
Entwicklung“
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Aggregatanalysen
Umfrageanalysen
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Aggregatanalysen:
 Quantifizierte Charakteristika von Kollektiven (1)
 Bevölkerungsdichte eines Landes
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
 Aggregation von individuellen Eigenschaften der
Mitglieder des Kollektivs (2)
 Indizes zur Messung von Einkommensungleichheit
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Aggregatanalysen:
 Quantitative Charakteristika von Kollektiven (1)
 Statistische Aggregation von Eigenschaften der
individuellen Mitglieder des Kollektivs (2)
-Totalerfassung
- Stichproben
 Ereignisdaten
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Umfrageanalysen:
 Public opinion research, survey research
 Markt- und Wahlforschung, ländervergleichende
politische Kulturforschung, vergleichende
Wertewandelforschung
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Datenlage und Datenangebot:
(Aggregatdaten)
 Von internationalen Organisation (UNO, ILO,
UNESCO…)
 Nationale Einrichtungen mit internationaler
Forschungsperspektive
 Von Forschergruppen
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Datenlage und Datenangebot:
(Umfragedaten)
 Repräsentative Bevölkerungsumfragen
 „New Europe Barometer“ für 16 post-kommunistische
Staaten in Mittel- und Osteuropa
…
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Probleme:
(Aggregatdatenanalyse)
 Datenprobleme




Unterschiedliche Berechungsgrundlagen
Technische Komplikationen
Selektive Berichterstattung
Kulturelle Identität der Kodierer
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Probleme:
(Aggregatdatenanalyse)
 Analyseprobleme:






Statistische Annahmen bei Regressions- und Faktorenanalyse
Messfehler (bei grossen Ausreissern und kleinen Fallzahlen)
Unregelmässiges Auftreten von politischen Ereignissen
Systematische Messfehler
Zu geringe Fallzahlen bei zu vielen interessierenden Variablen
Multikollinearität
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Probleme:
(Aggregatdatenanalyse)
 Validitätsprobleme:
 Missing values  systematische Verzerrung
 Zeitliche Invarianz von Querschnittsanalysen
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Probleme:
(Umfrageforschung)
 Projektorganisation:
 Bei der zentralisierten Organisation: fehlendes Wissen
 Bei der integrierten Organisation: hohe Konsenskosten
 Bei der disjunkten Organisation: geringe theoretische Stringenz
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Probleme:
(Umfrageforschung)
 Operationalisierungsprobleme:




Differierende Systemkontexte
Identifikation einer Variable durch verschiedene Items
Intervieweffekte
Auswahlprobleme
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Quantitativ vergleichende Methoden
(Oskar Niedermayer und Ulrich Widmaier)
Probleme:
(Umfrageforschung)
 Auswahl der nationalen Systeme:
 Optimal:
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most similar system design mit einer nicht zu grossen
Länderzahl
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
16.05.2016
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
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Makro-komparative Forschungsmethoden
(Kenneth A. Bollen, Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson)
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
 Untersuchung der Beziehung zwischen dem Zeitpunkt
der Entwicklung und der politischen Demokratie
 Länder, welche auf dem höchsten Level der
wirtschaftlichen Entwicklung stehen, sind auch jene
Nationen, die sich am frühsten zu entwickeln begannen
 Frage: Historischer Zeitpunkt oder Grad der
Entwicklung primär für eine politische Demokratie?
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Hypothese 1:
„Je früher sich ein Land zu entwickeln beginnt, desto
höher ist sein Grad der politischen Demokratie.“
 Modell der ökonomischen und politischen Entwicklung
 Demokratische Ideologie als Komponente der politischen
Kultur  Ideal „Gesetze durch die Menschen“
 Diffusion des Glaubens aufgrund der Bildung von Eliten
 Erfordernis: Konzentrierte Verteilung der Macht
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Hypothese 2:
„Je später der Zeitpunkt der Entwicklung, desto mehr
Druck entsteht, eine demokratische Regierungsform zu
adoptieren.“
 Protestantische Wurzeln beeinflussen Demokratie positiv
 Lenski & Lenski: Protestantismus ist verantwortlich für
die Diffusion der demokratischen Ideologie
 Schumpeter: Der enge religiöse Glaube dient der
Legitimation von Werten wie z.B. Gleichheit und
Wichtigkeit der Individuen
 Protestantismus treibt Demokratie voran
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Hypothese 3:
„Je grösser das Ausmass des Protestantismus als Basis
einer Nation, desto höher der Grad der politischen
Demokratie.“
 Schweinitz: Autonome Handelsklasse verringert Macht
der Regierung  begünstigend für die Ausbreitung der
Demokratie
 Grosse Kontrolle des Staates über das ökonomische
System führt zu einer stärker konzentrierten Verteilung
der Macht im politischen System
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Hypothese 4:
„Je grösser die Kontrolle des Staates über das
ökonomische System, desto geringer der Grad der
Demokratie im politischen System.“
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Operationalisierung:

Sample von 99 Ländern mit verschiedenen Entwicklungsgraden
(ohne kommunistische Länder!)
 Aussagekraft der Forschung wird eingeschränkt
Untersucht werden:
 Zeitpunkt der Entwicklung
 Kultur mit protestantischen Wurzeln
 Staatliche Kontrolle des ökonomischen Systems
 Ökonomische Entwicklung
 Politische Demokratie
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Zeitpunkt der Entwicklung (unabhängige Variable):
Black (1966): Konsolidierung der modernen Herrschaft,
gekennzeichnet durch:
 (1) Behauptung des Beschlusses sich zu modernisieren
 (2) Bruch mit den Institutionen, die einen landwirtschaftlichen
Lebensstil führen
 (3) Bildung eines Nationalstaates mit einer effektiven Regierung
 Zeitliche Variable ergibt sich aus dem Abzug des Startjahres der
Entwicklung für jedes Land von 1966
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Zeitpunkt der Entwicklung (unabhängige Variable):
Rostow: Ökonomische Take-off Daten:
 (1) Erhöhung der Rate des produktiven Investments von fünf oder
weniger zu über 10% des nationalen Einkommens
 (2) Entwicklung eines oder mehreren substantiellen
Produktionssektoren mit einer grossen Wachstumsrate
 (3) Existenz eines politischen, sozialen oder institutionellen
Rahmens, welcher die Impulse, in den modernen Sektor zu
expandieren, ausnutzt
 Liste von Take-off Daten für weniger als 12 Länder  Sample zu
klein, Collier (1975) ergänzte einen physikalischen Indikator: Land
mehr als 10 KWH/Kopf
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Kulturen mit protestantischen Wurzeln (unabhängige Variable):
 Indikator: Anteil der Protestanten in der Bevölkerung
 langsame Veränderung
Staatliche Kontrolle des ökonomischen System (unabhängige
Variable):
 Indikator: Anteil der national ökonomischen Aktivität, welche von der
Regierung verzehrt wird
 Messung des allgemein staatlichen Konsums als Anteil des
Bruttosozialprodukts von 1960
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Ökonomische Entwicklung (unabhängige Variable):
 Natürlicher Logarithmus des Energieverbrauchs im Jahr 1965
 Als Indikator von Soziologen anerkannt
 Darmstadter (1971): Hohe Korrelation zwischen dem
Energieverbrauch/Kopf und dem Bruttosozialprodukt/Kopf im
Querschnitt und über die Zeit (Panelanalyse)
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Politische Demokratie (abhängige Variable)
 Definition:
(1) Volkssouveränität
(2) Politische Freiheit: Wahl- und Stimmrecht,
Meinungs- und Pressefreiheit
 Ziel: Repräsentativer Index für Entwicklungs- und Industrieländer
 Panelanalyse: Index für zwei Zeitperioden lässt Veränderungen
in der politischen Demokratie analysieren
 Index für Anteil der erwachsenen Wähler  Validitätsproblem, da
der Wahlzulauf auch in autoritären Regierungen gross sein kann
 Politische Demokratie kann nicht mit sozialer Demokratie
gleichgestellt werden
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
 Konstruktion eines neuen Index, verfügbar für über 120 Länder im
Jahr 1965, bestehend aus sechs Komponenten:
 Volkssouveränität: (1) Gerechtigkeit bei der Wahl, (2) effektive
Wahl der Exekutive, (3) Wahl der Legislative
 Politische Freiheit: (1) Freiheit der Presse, (2) Freiheit der
Opposition, (3) Regierungssanktionen
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Beschreibung des Index der politischen
Demokratie für 1965:
 Pressefreiheit: Berichte aus dem International Press
Institute, The Inter-American Press Association und
anderen Quellen
 Freiheit der Opposition  Länder gemäss vier Stufen:
Parteien (Extremisten, Gruppen etc.)
 Regierungssanktionen: Zensur, Zeitungsauflösung,
Einschränkung der politischen Partizipation,
Ausgangssperren und Verbot von
Regierungsoppositionen. Durchschnitt von 1964 – 1966.
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Beschreibung des Index der politischen Demokratie für
1965:
 Wahlgleichheit: (1) keine Wahl, (2) zurechtgebastelte Wahl, (3)
Irregularität, (4) Freie Wahl
 Wenn keine Wahlen von 1961 bis 1967 durchgeführt wurden 
Score: keine Wahl für 1965
 Wahl der Legislative: Kombination zweier Variablen  (1)
Legislative wählbar/nicht wählbar, (2) Effektivität der Legislative
(ineffektiv, partiell effektiv, effektiv)
 Multiplikation  Beziehung zur politischen Demokratie
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
 Alle sechs Komponenten ergeben einen Wert auf der
Skala von 0 bis 100 (=höchster Wert politischer
Demokratie)
 Jedes Land mit mehr als drei fehlenden Komponenten
wurde aus der Studie genommen (=missing values)
 Weniger als 10% der Variablen, die nötig waren, um
einen Index zu erstellen, wurden geschätzt.
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
 Hypothese 1:
 Je später sich ein Land zu entwickeln beginnt, desto
kleiner ist die Chance für eine demokratische
Regierungsform
 Hypothese 2:
 Chance für demokratisch politische Systeme nimmt
zu aufgrund der weltweiten Diffusion demokratischer
Ideologie
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)



1. Schritt: Multikollinearität aufgrund hoher Korrelation
zwischen dem Zeitpunkt der Entwicklung und der
Intensität der Demokratie?
2. Schritt: Sample wurde randomisiert  keine
Veränderung, der Zeitpunkt der Entwicklung blieb nicht
signifikant, der Entwicklungslevel war signifikant
 Multikollinearität unwahrscheinlicher
Effekt der spezifischeren Entwicklungscharakteristika
auf die Demokratie?
 Protestantische Wurzeln als spezifisches
Charakteristikum des Entwicklungszeitpunktes
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Fazit:
 Je grösser das Ausmass der protestantischen Wurzeln eines
Landes, desto grösser ist der Grad der politischen Demokratie. Und:
Je grösser die staatliche Kontrolle des ökonomischen Systems,
desto kleiner der Grad der Demokratie.
 Panelanalyse: Negativer Effekt der staatlichen Kontrolle des
ökonomischen Systems, aber der Protestantismus ist nicht
signifikant
 In allen Regressionen  Grad der Entwicklung weist den
signifikantesten Wert auf  Grad der Entwicklung ist die wichtigere
erklärende Variable als die Variable Zeitpunkt.
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Politische Forschung und der Zeitpunkt
der Entwicklung (Kenneth A. Bollen)
Kritikpunkte:
 Mehr spezifische Charakteristika müssen hinzugezogen werden,
z.B. das kulturelle System und die ökonomische Abhängigkeit
 Der kurze Zeitabschnitt (1960-1965) mag stärkere Effekte des
Protestantismus und der staatlichen Kontrolle verzerrt haben
 Untersuchung für 10 Jahre ergibt noch weniger signifikante Werte
für den Anteil der Protestanten und für die staatlich ökonomische
Kontrolle
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Differenzmethode:
A,B,C  a,b,c
B,C  b,c
A ist die Ursache oder
eine Bedingung für das
Auftreten von a
Konkordanzmethode:
A,B,C  a,b,c
A,D,E  a,d,e
A ist Ursache für a
Literaturverzeichnis
 Bollen, Kenneth A. (1979): Political Democracy and the Timing of
Development. American Sociological Review, Vol. 44, No. 4, pp.
572-587
 Bollen, Kenneth A., Barbara Entwisle and Arthur S. Alderson (1993):
Macrocomparative Research Methods, Annual Review of Sociology
19: 321-351.
 Niedermayer, Oskar und Ulrich Widmaier (2003): Quantitativ
vergleichende Methode. S.77-102 in: Dirk Berg-Schlosser und
Ferdinand Müller-Rommel (Hg.), Vergleichende Politikwissenschaft.
Opladen: Leske und Budrich (4. Auflage).
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