Reaktionen auf Humanae Vitae I Wort der deutschen Bischöfe zur seelsorglichen Lage nach dem Erscheinen der Enzyklika „Humanae Vitae“ (29./30.8.1968) „Enzykliken sind amtliche Lehräußerungen der Kirche. Ihnen schulden wir religiösen Gehorsam. (...) 'Ernsthafte Bemühung, auch eine nicht unfehlbare Lehräußerung der Kirche positiv zu würdigen und sich anzueignen, gehört zur richtigen Glaubenshaltung eines Katholiken' <Lehrschreiben 20>. - Wer glaubt, in seiner privaten Theorie und Praxis von einer nicht unfehlbaren Lehre des kirchlichen Amtes abweichen zu dürfen ein solcher Fall ist grundsätzlich denkbar - , muß sich nüchtern und selbstkritisch in seinem Gewissen fragen, ob er dies vor Gott verantworten kann“ (Nr.3). Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe, die Priester und die Gläubigen der ganzen Kirche über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute vom 22. November 1981 „32. Angesichts einer Kultur, welche die wahre Bedeutung der menschlichen Sexualität schwer entstellt oder sogar völlig verliert, weil sie diese aus ihrem wesentlichen Bezug auf die Person löst, empfindet die Kirche ihren Auftrag, die Sexualität als Wert und Aufgabe der ganzen Person, die als Mann und Frau nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, darzustellen, immer dringender und unersetzlicher. In dieser Hinsicht hat das II. Vatikanische Konzil deutlich festgestellt, daß ‘wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und der Bewertung der Motive abhängt, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit’. Ausgehend von dieser ‘ganzheitlichen Sicht des Menschen und seiner Berufung, seiner natürlichen und irdischen wie auch seiner übernatürlichen und ewigen Berufung’, hat Paul VI. betont, daß die Lehre der Kirche ‘beruht auf der untrennbaren Verbindung der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes, die von Gott gewollt ist und die der Mensch nicht eigenmächtig aufheben kann, nämlich die liebende Vereinigung und die Fortpflanzung’, und er stellt schlußfolgernd fest, daß jede Handlung als in sich unerlaubt auszuschließen ist, ‘die sich entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen die Verhinderung der Fortpflanzung zum Ziel oder Mittel zum Ziel setzt’. Wenn die Ehegatten durch Empfängnisverhütung diese beiden Sinngehalte, die der Schöpfergott dem Wesen von Mann und Frau und der Dynamik ihrer sexuellen Vereinigung eingeschrieben hat, auseinanderreißen, liefern sie den Plan Gottes ihrer Willkür aus; sie ‘manipulieren’ und erniedrigen die menschliche Sexualität - und damit sich und den Ehepartner -, weil sie ihr den Charakter der Ganzhingabe nehmen. Während die geschlechtliche Vereinigung ihrer ganzen Natur nach ein vorbehaltloses gegenseitiges Sichschenken der Gatten zum Ausdruck bringt, wird sie durch die Empfängnisverhütung zu einer objektiv widersprüchlichen Gebärde, zu einem Sich-nicht-ganz-Schenken. So kommt zur aktiven Zurückweisung der Offenheit für das Leben auch eine Verfälschung der inneren Wahrheit ehelicher Liebe, die ja zur Hingabe in personaler Ganzheit berufen ist. Wenn dagegen die Ehegatten durch die Zeitwahl den untrennbaren Zusammenhang von Begegnung und Zeugung in der menschlichen Sexualität respektieren, stellen sie sich unter Gottes Plan und vollziehen die Sexualität in ihrer ursprünglichen Dynamik der Ganzhingabe, ohne Manipulationen und Verfälschungen“. Papst Johannes Pauls II. Ansprache an den II. Internationalen Moraltheologenkongreß vmo 8. - 12.11.1988 in Rom (12.11.1988): Von der Schöpferhand Gottes in die Natur der menschlichen Person selbst eingeschrieben "3. Es geht nämlich nicht um eine vom Menschen erfundene Lehre: sie ist vielmehr von der Schöpferhand Gottes in die Natur der menschlichen Person eingeschrieben und von ihm in der Offenbarung bekräftigt worden. Sie zur Diskussion stellen bedeutet daher Gott selbst den Gehorsam unseres Verstandes verweigern. Es bedeutet, daß wir das Licht unserer Vernunft dem Licht der göttlichen Weisheit vorziehen und damit in die Finsternis des Irrtums fallen, um schließlich noch weitere grundlegende Eckpfeiler der christlichen Lehre anzugreifen. Man muß hier bedenken, daß die Gesamtheit der Wahrheiten, die dem Verkündigungsdienst der Kirche anvertraut sind, ein einziges Ganzes, eine Art Symphonie bildet, in der sich jede Einzelwahrheit harmonisch mit den anderen verbindet. Die vergangenen zwanzig Jahre haben dieses innere Zusammenklingen vom Gegenteil her erwiesen: das Schwanken oder Zweifeln an der von 'Humanae vitae' gelehrten moralischen Norm hat auch andere Grundwahrheiten der Vernunft und des Glaubens erfaßt. Ich weiß, daß diese Tatsache bei eurem Kongreß aufmerksam bedacht worden ist, und möchte darauf jetzt eure Aufmerksamkeit hinlenken. Es bedeutet, daß wir das Licht unserer Vernunft dem Licht der göttlichen Weisheit vorziehen und damit in die Finsternis des Irrtums fallen. um schließlich noch weitere grundlegende Eckpfeiler der christlichen Lehre anzugreifen. , daß die Gesamtheit der Wahrheiten, die dem Verkündigungsdienst der Kirche anvertraut sind, ein einziges Ganzes, eine Art Symphonie bildet, in der sich jede Einzelwahrheit harmonisch mit den anderen verbindet. 4. Das II. Vatikanische Konzil lehrt. 'Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß ... Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird' ('Gaudium et spes', 16). Während dieser Jahre wurde im Anschluß an die Bekämpfung von 'Humanae vitae' auch die christliche Lehre vom moralischen Gewissen angenommen, das sich selbst die sittliche Norm schafft. Auf diese Weise wurde das Band des Gehorsams gegen den heiligen Willen des Schöpfers radikal zerschnitten, in dem gerade die Würde des Menschen besteht. Das Gewissen ist nämlich der 'Ort', an dem der Mensch von einem Licht erleuchtet wird, das nicht von seiner geschaffenen und immer fehlbaren Vernunft herkommt, sondern von der Weisheit des Wortes, in dem alles erschaffen wurde. Wunderbar schreibt das II. Vatikanum ferner: 'Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist' (ebd.). Daraus ergeben sich einige Folgerungen, die ich betonen möchte. Da das Lehramt der Kirche von Christus dem Herrn eingesetzt worden ist, um das Gewissen zu erleuchten, bedeutet die Berufung auf dieses Gewissen, gerade um die vom Lehramt verkündete Lehre zu bestreiten, eine Ablehnung der katholischen Auffassung sowohl vom Lehramt als auch vom sittlichen Gewissen. Wer von der unverletzlichen Würde des Gewissens ohne weitere Verdeutlichungen redet, setzt sich der Gefahr schwerer Irrtümer aus. Sehr verschieden ist nämlich die Situation einer Person, die zunächst alle ihr verfügbaren Mittel zur Suche nach der Wahrheit eingesetzt hat und dann doch irrt, und die einer anderen Person, die sich entweder einfach mit der Meinung der Mehrheit abfindet, die oft bewußt von den Mächten dieser Welt geschaffen wurde, oder aus Nachlässigkeit wich wenig um das Finden der Wahrheit kümmert. Die klare Lehre des II. Vatikanischen Konzils erinnert uns daran: 'Nicht selten geschieht es, daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne daß es dadurch seine Würde verliert. Das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zu wenig darum bemüht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird' (ebd.). Unter den Mitteln, die die Erlöserliebe Christi zur Vermeidung dieser Gefahr des Irrtums vorgesehen hat, befindet sich auch das Lehramt der Kirche; in seinem Namen besitzt es eine echte und eigene Lehrautorität. Man kann daher nicht sagen, ein Gläubiger habe sich sorgfältig um die Wahrheit bemüht, wenn er das nicht berücksichtigt, was das Lehramt sagt; wenn er es mit irgendeiner anderen Erkenntnisquelle auf eine Stufe stellt und sich zum Richter über es macht; wenn er im Zweifelsfall lieber der eigenen Meinung oder der von Theologen folgt und diese der sicheren Lehre des Lehramtes vorzieht. In einer solchen Situation noch von der Würde des Gewissens reden, ohne etwas hinzuzufügen, entspricht nicht der Lehre des II. Vatikanischen Konzils und dem, was die ganze Überlieferung der Kirche bezeugt. ‚Sorgfältige Bemühung um die Wahrheit‘ wenn Lehramt über allen anderen Erkenntnisquellen wenn nicht zum Richter über es machen wenn im Zweifelsfall nicht der eigenen Meinung folgen oder nicht der von Theologen und diese nicht der sicheren Lehre des Lehramtes vorziehen Vom Gewissen. 23 Eben so ist das Gewissen nicht etwas Erwerbliches, und es giebt keine 24 Pflicht sich eines anzuschaffen; sondern jeder Mensch, als sittliches Wesen, 25 hat ein solches ursprünglich in sich. Zum Gewissen verbunden zu sein, 26 würde so viel sagen als: die Pflicht auf sich haben Pflichten anzuerkennen. 27 Denn Gewissen ist die dem Menschen in jedem Fall eines Gesetzes seine 28 Pflicht zum Lossprechen oder Verurtheilen vorhaltende praktische Vernunft. 29 Seine Beziehung also ist nicht die auf ein Object, sondern blos aufs Subject 30 (das moralische Gefühl durch ihren Act zu afficiren); also eine unausbleibliche 31 Thatsache, nicht eine Obliegenheit und Pflicht. Wenn man 32 daher sagt: dieser Mensch hat kein Gewissen, so meint man damit: er 33 kehrt sich nicht an den Ausspruch desselben. Denn hätte er wirklich keines, 34 so würde er sich auch nichts als pflichtmäßig zurechnen, oder als pflichtwidrig vorwerfen, mithin auch selbst die Pflicht ein Gewissen zu haben sich 02 gar nicht denken können. 03 Die mancherlei Eintheilungen des Gewissens gehe ich noch hier vorbei 04 und bemerke nur, was aus dem eben Angeführten folgt: daß nämlich 05 ein irrendes Gewissen ein Unding sei. Denn in dem objectiven Urtheile, 06 ob etwas Pflicht sei oder nicht, kann man wohl bisweilen irren; aber im 07 subjectiven, ob ich es mit meiner praktischen (hier richtenden) Vernunft 08 zum Behuf jenes Urtheils verglichen habe, kann ich nicht irren, weil ich 09 alsdann praktisch gar nicht geurtheilt haben würde; in welchem Fall weder 10 Irrthum noch Wahrheit statt hat. Gewissenlosigkeit ist nicht Mangel 11 des Gewissens, sondern Hang sich an dessen Urtheil nicht zu kehren. Wenn 12 aber jemand sich bewußt ist nach Gewissen gehandelt zu haben, so kann 13 von ihm, was Schuld oder Unschuld betrifft, nichts mehr verlangt werden. 14 Es liegt ihm nur ob, seinen Verstand über das, was Pflicht ist oder 15 nicht, aufzuklären: wenn es aber zur That kommt oder gekommen ist, so 16 spricht das Gewissen unwillkürlich und unvermeidlich. Nach Gewissen zu 17 handeln kann also selbst nicht Pflicht sein, weil es sonst noch ein zweites 18 Gewissen geben müßte, um sich des Acts des ersteren bewußt zu werden. 19 Die Pflicht ist hier nur sein Gewissen zu cultiviren, die Aufmerksamkeit 20 auf die Stimme des inneren Richters zu schärfen und alle Mittel anzuwenden 21 (mithin nur indirecte Pflicht), um ihm Gehör zu verschaffen. (Kant, I., Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe, VI/ 4oof) Linus Hauser: Das Gewissen (nach Spaemann, R., Moralische Grundbegriffe, München 1982, Kapitel 6 und 7) Das Gewissen ist die individuelle Wirksamkeit des objektiv Guten. Das Gewissen führt den Menschen über seine individuellen Antriebe hinaus auf das allgemeine Gute über seine Allgemeinheit aus dem anonymen ‘Man’ der kulturellen Selbstverständlichkeiten zu sich zurück. Das Gewissen hat nicht immer objektiv recht, aber wir müssen immer unserem Gewissen folgen. Was ist gut? Subjektiv gut ist, wer auf sein Gewissen hört (auch auf sein irriges Gewissen). Objektiv gut ist das allgemein verbindliche Gute. Wirklich gut ist die Übereinstimmung beider. Notwendig zur Gewissensbildung ist eine biographisch fundierte, moralische Sensibilisierung. Für den Christen ist das Gewissen der Ort an dem sich Gott und der Mensch begegnen in freier Zusammenstimmung zum Guten. Die „Kölner Erklärung“ „Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität“ deutschsprachiger Theologieprofessoren vom 6.1.1989 (publiziert am 27.1.1989) "- Das Gewissen ist kein Erfüllungsgehilfe des päpstlichen Lehramtes, wie dies nach solchen Ansprachen erscheinen könnte. Das Lehramt ist vielmehr bei der Auslegung der Wahrheit auch auf die Gewissen der Gläubigen verwiesen. Die Spannung zwischen Lehre und Gewissen einzuebnen bedeutet eine Entwürdigung des Gewissens. - Nach der Überzeugung vieler Menschen in der Kirche stellt die Geburtenregelungsnorm der Enzyklika „Humanae vitae“ von 1068 eine Orientierung dar, welche die Gewissensverantwortung der Gläubigen nicht ersetzt. Bischöfe, u.a. die deutschen Bischöfe in ihrer „Königsteiner Erklärung“ (1968), und Moraltheologen haben diese Auffassung vieler Christinnen und Christen für richtig gehalten, weil sie der Überzeugung sind, die Würde des Gewissens bestehe nicht nur im Gehorsam, sondern gerade auch in der Verantwortung. Ein Papst, der auf diese Verantwortung der Christinnen und Christen im Bereich innerweltlichen Handelns so häufig zu sprechen kommt, sollte diese im Ernstfall nicht systematisch mißachten. Im übrigen bedauern wir die intensive Fixierung des päpstlichen Lehramtes auf diesen Problembereich". Die Enzyklika „Veritatis splendor“ von Papst Johannes Paul II. an alle Bischöfe der katholischen Kirche über einige grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre vom 6. August 1993 „4. Seit jeher, aber vor allem im Lauf der beiden letzten Jahrhunderte haben die Päpste sowohl persönlich wie gemeinsam mit dem Bischofskollegium eine Sittenlehre entwickelt und vorgelegt, die die vielfältigen und verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens berücksichtigt. Im Namen und mit der Autorität Jesu Christi haben sie ermahnt, verkündet, erklärt; in Treue zu ihrer Sendung, im Ringen für den Menschen haben sie bestärkt, aufgerichtet und getröstet; mit der Garantie des Beistands des Geistes der Wahrheit haben sie zu einem besseren Verständnis der sittlichen Ansprüche im Bereich der menschlichen Sexualität, der Familie, des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens beigetragen. Ihre Lehre stellt sowohl innerhalb der Überlieferung der Kirche wie der Menschheitsgeschichte eine ständige Vertiefung der sittlichen Erkenntnis dar. … Doch heute erscheint es notwendig, über die Morallehre der Kirche insgesamt nachzudenken, mit der klaren Zielsetzung, einige fundamentale Wahrheiten der katholischen Lehre in Erinnerung zu rufen, die im heutigen Kontext Gefahr laufen, verfälscht oder verneint zu werden. Es ist nämlich eine neue Situation gerade innerhalb der christlichen Gemeinschaft entstanden, die hinsichtlich der sittlichen Lehren der Kirche die Verbreitung vielfältiger Zweifel und Einwände menschlicher und psychologischer, sozialer und kultureller, religiöser und auch im eigentlichen Sinne theologischer Art erfahren hat. Es handelt sich nicht mehr um begrenzte und gelegentliche Einwände, sondern um eine globale und systematische Infragestellung der sittlichen Lehrüberlieferung aufgrund bestimmter anthropologischer und ethischer Auffassungen. Diese haben ihre Wurzel in dem mehr oder weniger verborgenen Einfluß von Denkströmungen, die schließlich die menschliche Freiheit der Verwurzelung in dem ihr wesentlichen und für sie bestimmenden Bezug zur Wahrheit beraubt. So wird die herkömmliche Lehre über das Naturgesetz, über die Universalität und bleibende Gültigkeit seiner Gebote abgelehnt; Teile der kirchlichen Moralverkündigung werden für schlechthin unannehmbar gehalten; man ist der Meinung, das Lehramt dürfe sich in Moralfragen nur einmischen, um die 'Gewissen zu ermahnen' und 'Werte vorzulegen', nach denen dann ein jeder autonom die Entscheidungen und Entschlüsse seines Lebens inspirieren wird. Hervorgehoben werden muß im besonderen die Diskrepanz zwischen der herkömmlichen Antwort der Kirche und einigen, auch in den Priesterseminaren und an den theologischen Fakultäten verbreiteten theologischen Einstellungen zu Fragen, die für die Kirche und für das Glaubensleben der Christen, ja für das menschliche Zusammenleben überhaupt, von allergrößter Bedeutung sind. Hier wird insbesondere gefragt: Besitzen die Gebote Gottes, die dem Menschen ins Herz geschrieben sind und Bestandteil des Bundes Gottes mit ihm sind, tatsächlich die Fähigkeit, die täglichen Entscheidungen der einzelnen Menschen und der gesamten Gesellschaft zu erleuchten? Ist es möglich, Gott zu gehorchen und damit Gott und den Nächsten zu lieben, ohne diese Gebote unter allen Umständen zu respektieren? Verbreitet ist auch der Zweifel am engen und untrennbaren Zusammenhang zwischen Glaube und Moral, so als würde sich die Zugehörigkeit zur Kirche und deren innere Einheit allein durch den Glauben entscheiden, während man in Sachen Moral einen Pluralismus von Anschauungen und Verhaltensweisen dulden könnte, je nach Urteil des individuellen subjektiven Gewissens bzw. der Verschiedenheit der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen. 5. In einem derartigen noch immer aktuellen Kontext ist in mir der Entschluß gereift, eine Enzyklika zu schreiben, die … 'umfassender und gründlicher die Fragen, die die eigentlichen Grundlagen der Moraltheologie betreffen', behandeln soll, Grundlagen, die durch einige Richtungen der heutigen Moraltheologie angegriffen werden. Ich wende mich an euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, die ihr mit mir die Verantwortung teilt, die 'gesunde Lehre' (2 Tim 4,3) zu bewahren, mit der Absicht, einige Aspekte der Lehre zu präzisieren, die entscheidend sind, um dem zu begegnen, was man wohl ohne Zweifel eine echte Krise nennen muß, so ernst sind die Schwierigkeiten, die daraus für das moralische Leben der Gläubigen und für die Gemeinschaft in der Kirche wie auch für ein gerechtes und solidarisches soziales Leben folgen. 63. Auf jeden Fall beruht die Würde des Gewissens immer auf der Wahrheit: Im Falle des rechten Gewissens handelt es sich um die vom Menschen angenommene objektive Wahrheit; im Falle des irrenden Gewissens handelt es sich um das, was der Mensch ohne Schuld subjektiv für wahr hält. Auf der anderen Seite ist es niemals zulässig, einen 'subjektiven' Irrtum hinsichtlich des sittlich Guten mit der 'objektiven', dem Menschen auf Grund seines Endzieles rational einsehbaren Wahrheit zu vermengen oder zu verwechseln, noch den sittlichen Wert der mit wahrem und lauterem Gewissen vollzogenen Handlung mit jener gleichzusetzen, die in Befolgung des Urteils eines irrenden Gewissens ausgeführt wurde. Das aufgrund einer unüberwindbaren Unwissenheit oder eines nicht schuldhaften Fehlurteils begangene Übel kann zwar der Person, die es begeht, nicht als Schuld anzurechnen sein; doch auch in diesem Fall bleibt es ein Übel, eine Unordnung in bezug auf die Wahrheit des Guten. Zudem trägt das nicht erkannte Gute nicht zu sittlicher Reifung des betreffenden Menschen bei: Es vervollkommnet ihn nicht und hilft ihm nicht, ihn geneigt zu machen für das höchste Gut. Bevor wir uns so leichtfertigerweise im Namen unseres Gewissens gerechtfertigt fühlen, sollten wir über den Psalm nachdenken: 'Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewußt ist!' (Ps 19,13). Es gibt Schuld, die wir nicht zu erkennen vermögen und die dennoch Schuld bleibt, weil wir uns geweigert haben, auf das Licht zuzugehen (vgl. Joh 9,39-41). Das Gewissen als letztes konkretes Urteil setzt seine Würde dann aufs Spiel, wenn es schuldhaft irrt, das heißt, 'wenn sich der Mensch nicht müht, das Wahre und Gute zu suchen, und wenn das Gewissen infolge der Gewöhnung an die Sünde gleichsam blind wird'. (...) 64. In den oben wiedergegebenen Worten Jesu finden wir auch den Aufruf, das Gewissen zu bilden, es zum Gegenstand ständiger Bekehrung zum Wahren und Guten zu machen. Analog dazu ist die Aufforderung des Apostels zu verstehen, uns nicht dieser Welt anzugleichen, sondern üns zu wandeln und unser Denken zu erneuern' (vgl. Röm 12,2). In Wirklichkeit ist das zum Herrn und zur Liebe des Guten bekehrte 'Herz' die Quelle der wahren Urteile des Gewissens. Denn 'damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist' (Röm 12,2), ist zwar die Kenntnis des Gesetzes Gottes im allgemeinen notwendig, aber sie genügt nicht: eine Art von 'Konnaturalität' zwischen dem Menschen und dem wahrhaft Guten ist unabdingbar. Eine solche Konnaturalität schlägt Wurzel und entfaltet sich in den tugendhaften Haltungen des Menschen selbst: der Klugheit und den anderen Kardinaltugenden und, grundlegender noch, in den göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. In diesem Sinne hat Jesus gesagt: 'Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht' (Joh 3,21). Eine große Hilfe für die Gewissensbildung haben die Christen in der Kirche und ihrem Lehramt, wie das Konzil ausführt: 'Bei ihrer Gewissensbildung müssen jedoch die Christgläubigen die heilige und sichere Lehre der Kirche sorgfältig vor Augen haben. Denn nach dem Willen Christi ist die katholische Kirche die Lehrerin der Wahrheit; ihre Aufgabe ist es, die Wahrheit, die Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren, zugleich auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen, autoritativ zu erklären und zu bestätigen'. Die Autorität der Kirche, die sich zu moralischen Fragen äußert, tut also der Gewissensfreiheit der Christen keinerlei Abbruch: nicht nur, weil die Freiheit des Gewissens niemals Freiheit 'von' der Wahrheit, sondern immer und nur Freiheit 'in' der Wahrheit ist, sondern auch weil das Lehramt an das christliche Gewissen nicht ihm fremde Wahrheiten heranträgt, wohl aber ihm die Wahrheiten aufzeigt, die es bereits besitzen sollte, indem es sie, ausgehend vom ursprünglichen Glaubensakt, zur Entfaltung bringt. Die Kirche stellt sich immer nur in den Dienst des Gewissens, indem sie ihm hilft, nicht hin- und hergetrieben zu werden von jedem Windstoß der Lehrmeinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert (vgl. Eph 4,14), und nicht von der Wahrheit über das Gute des Menschen abzukommen, sondern, besonders in den schwierigeren Fragen, mit Sicherheit die Wahrheit zu erlangen und in ihr zu bleiben“. 18. Juli 1870 1. Vatikanum 8.12.1869 – 20.10.1870 Jurisdiktionsprimat Pastor aeternus (Konzilsdekret) Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt spricht, das heißt: wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubensund Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich. DH 3074 1839 Romanum Pontificem, cum ex cathedra loquitur, id est, cum omnium Christianorum pastoris et doctoris munere fungens pro suprema sua Apostolica auctoritate doctrinam de fide vel moribus ab universa Ecclesia tenendam definit, per assistentiam divinam ipsi in beato Petro promissam, ea infallibilitate pollere, qua divinus Redemptor Ecclesiam suam in definienda doctrina de fide vel moribus instructam esse voluit; ideoque eiusmodi Romani Pontificis definitiones ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae, irreformabiles esse. DH 3075 1840 (Canon.) Si quis autem huic Nostrae definitioni contradicere, quod Deus avertat, praesumpserit : anathema sit. Apostolischer Brief Motu Proprio „Ad tuendam fidem“ (Zur Verteidigung des Glaubens) von Papst Johannes Paul II. unterzeichnet am 18.5.1998 durch den einige Normen in das Kirchliche Gesetzbuch und in den Kodex des Orientalischen Kirchenrechts eingefügt werden. „Um den Glauben der katholischen Kirche gegen die Irrtümer zu verteidigen, die bei einigen Gläubigen, insbesondere bei denen auftreten, die sich ernsthaft mit den Disziplinen der heiligen Theologie beschäftigen, schien es Uns, deren Hauptaufgabe es ist, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), absolut notwendig, dass in die geltenden Texte des Kodex des Kirchenrechts … Normen eingefügt werden, durch die ausdrücklich die Pflicht auferlegt wird, die vom Lehramt der Kirche in definitiver Weise dargelegten Wahrheiten zu beachten, und die auch die kirchenrechtlichen Sanktionen auf diesem Gebiet erwähnen. … Der can. 750 des Kodex des Kirchenrechts wird von nun an zwei Paragraphen haben, deren erster aus dem Text des geltenden Canons besteht und deren zweiter einen neuen Text enthält, so dass can. 750 zusammen lautet: Can. 750 - Paragraph 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden. Paragraph 2. Fest angenommen und bewahrt werden muss auch alles und jedes einzelne, was vom Lehramt der Kirche in der Glaubens- und Sittenlehre definitiv vorgelegt wird, also das, was zur heiligmässigen Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist; es widersetzt sich daher der Lehre der katholischen Kirche, wer diese Sätze, die definitiv gehalten werden müssen, ablehnt“. Aus: Steinhauer, E. W., Die Lehrfreiheit katholischer Theologen an den staatlichen Hochschulen in Deutschland, Münster 2006, 232f APOSTOLISCHES SCHREIBEN ORDINATIO SACERDOTALIS VON PAPST JOHANNES PAUL II. AN DIE BISCHÖFE DER KATHOLISCHEN KIRCHE ÜBER DIE NUR MÄNNERN VORBEHALTENE PRIESTERWEIHE 4. Obwohl die Lehre über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe sowohl von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kirche bewahrt als auch vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständigkeit gelehrt worden ist, hält man sie in unserer Zeit dennoch verschiedenenorts für diskutierbar, oder man schreibt der Entscheidung der Kirche, Frauen nicht zu dieser Weihe zuzulassen, lediglich eine disziplinäre Bedeutung zu. Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben. Während sich auf euch, verehrte Brüder, und auf das ganze christliche Volk den beständigen göttlichen Beistand herabrufe, erteile ich allen den Apostolischen Segen. Aus demVatikan, am 22. Mai, dem Pfingstfest des Jahres 1994, dem 16. meines Pontifikates. Unbefleckte Empfängnis (immaculata conceptio) Papst Pius IX. verkündet am 8. Dezember 1854 in der Bulle Ineffabilis deus (Der unbegreifliche Gott) als von Gott geoffenbarte und darum von allen Gläubigen fest zu glaubende Lehre: Die seligste Jungfrau Maria wurde im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, rein von jedem Makel der Erbschuld bewahrt. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wurde im Jahr 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet und am 1. November 1970 in Freiburg in der Schweiz vom zuständigen Bischof Francois Charrière offiziell errichtet. Sie besitzt seitens der römischkatholischen Kirche keine Anerkennung. Protokoll über ein Einvernehmen zwischen S. Em. Joseph Kardinal Ratzinger und S. Exz. Erzbischof Marcel Lefebvre am 4. Mai 1988 angefertigt und am 5. Mai 1988 von den genannten unterzeichnet. Erzbischof Lefebvre hält sich nicht an das Einvernehmen und weiht am 30. Juni 1988 ohne Zustimmung Roms und gegen den Willen des Hl. Vaters die Bischöfe. Ich, Marcel Lefebvre, emeritierter Erzbischof-Bischof von Tulle sowie Mitglied der von mir gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X., 1. verspreche der katholischen Kirche und dem Bischof von Rom, ihrem Obersten Hirten, dem Stellvertreter Christi, dem Nachfolger des hl. Petrus und seinem Primat als Oberhaupt der Gesamtheit der Bischöfe, immer treu zu sein; 2. erkläre, die in Nummer 25 der Dogmatischen Konstitutionen „Lumen Gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils enthaltene Lehre über das kirchliche Lehramt und die ihm geschuldete Zustimmung anzunehmen. 3. Hinsichtlich gewisser, vom Zweiten Vatikanischen Konzil gelehrten Punkte oder gewisser nach dem Konzil erfolgten Reformen der Liturgie und des Kultes, die uns mit der Tradition schwer vereinbar erscheinen, verpflichten wir uns, bei deren Studium und einem Vorbringen beim Heiligen Stuhl eine positive Haltung einzunehmen und jede Polemik zu vermeiden. 4. Wir erklären außerdem, die Gültigkeit des Meßopfers und der Sakramente anzuerkennen, die mit der Intention das vollbringen, was die Kirche vollbringt und nach den Riten zelebriert werden, die in den von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. promulgierten offiziellen Ausgaben des römischen Meßbuches und den Ritualen für die Sakramente enthalten sind. 5. Schließlich versprechen wir, die allgemeine Disziplin der Kirche und die kirchlichen Gesetze zu achten, insbesondere die Gesetze des von Papst Johannes Paul II. promulgierten Kirchlichen Gesetzbuches, ungeachtet der der Bruderschaft durch ein besonderes Gesetz eingeräumten Sonderdisziplin. Am 30. Juni 1988 weihte Erzbischof Marcel Lefebvre, assistiert von Bischof em. Antonio de Castro Mayer, Campos (Brasilien), in Econe ohne Genehmigung und trotz eindringlicher Warnung des damaligen Papstes (Johannes Paul II.), d. h. unerlaubt, vier Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X., nämlich Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta, zu Bischöfen. Als Reaktion auf die unerlaubten Bischofsweihen erließ die Kongregation für die Bischöfe am 1. Juli 1988 ein Dekret, in dem die Exkommunikation von Erzbischof Marcel Lefebvre ausdrücklich festgestellt wird. Zugleich wurde am 18. Juli 1988 die Priesterbruderschaft St. Petrus unter Rückgriff auf das von Ratzinger und Levebvre unterzeichnete Protokoll vom 5.5.1988 gegründet und am 18. Oktober 1988 von Papst Johannes Paul II. als klerikale Gesellschaft apostolischen Lebens pontifikalen Rechts errichtet. Sie sollte die „Rückkehr" von Anhängern der Priesterbruderschaft St. Pius X. in die katholische Kirche erleichtern. Auf dieser Basis betreiben die zurückgekehrten ehemaligen Anhänger der Priesterbruderschaft St. Pius X. die theologische Ausbildung in ihrem Priesterseminaren. Kein geringerer als der Ehrenpräsident der Europäischengesellschaft für katholische Theologie und Übersetzer das legendären Denzinger, der Sammlung sämtlicher amtlicher Glaubenslehren schreibt zu diesem Vorgang: "Man kann also in Deutschland - und anderswo - im Namen der Kirche Seelsorger ausbilden - die die Religions- und Gewissensfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe etc. ablehnen. Mir ist keine geschichtliche Parallele für eine solche Suspension von Beschlüssen eines rechtmäßigen Konzils bekannt„ (P. Hünermann). Der Kirchenstaat war das weltlich-politische Herrschaftsgebiet des Papstes, das seit 756 durch die Pippinische Schenkung aus den Ländereien des Bischofs von Rom (Patrimonium Petri) entstanden ist. Dieser Staat umfasste im Laufe des Mittelalters von Rom und Latium ausgehend immer größere Teile Mittelitaliens bis hin zur Adria umfasste. Mit Napoleon setzt im ausgehenden 18. Und dann endgültig im 19. Jahrhumndert (1798/99 und erneut 1809–1814) die territoriale Entmachtung ein. Die um Garibaldi herbeigeführte Bildung eines italienischen Nationalstaates erfasst 1859/60 auch den Rest des Kirchenstaates. Rom wurde 1870 dem Italien einverleibt – was der Papst als jedoch jahrzehntelang nicht anerkannte. Erst in den Lateranverträgen von 1929 wurde zwischen dem Papst und Italien der Kompromiss gefunden, der Vatikanstadt als Nachfolgerin des Kirchenstaates den Status eines souveränen Staates zu verleihen. Enzyklika Mirari vos von Papst Gregor XVI. vom 15. August 1832 "Aus dieser modrigen Quelle der Gleichgültigkeit, die den Glauben betrifft, fließtjene törichte und falsche Ansicht die man besser als Wahnsinn bezeichnet, fürjeden die Gewissensfreiheit zu fordern und zu verteidigen. Der Wegbereiter für diesen überaus verderblichen Irrtum ist diese vollkommen übermäßige Meinungsfreiheit, die auf weiten Gebieten zum Verderben der Kirche und des Staates verbreitet ist. Einige behaupten hierbei mit großer Unverschämtheit, daß sich daraus Vorteile für die Religion ergeben. ... Aus diesem Irrtum entstammt die Wandlung der Gesinnungen, die zur Verderbnis der Jugend führen, aus dem die Verachtung des Volkes gegenüber der Religion sowie der heiligsten Dinge und Gesetze hervorgeht und aus dem die Worte der Pest kommen, die für das öffentliche Gemeinwesen tödlicher sind, als alles andere. Die Erfahrung bezeugt, was seit ältester Zeit bekannt ist. Staaten, die durch Reichtum, Macht und Ruhm aufblühten, sind an diesem einem Übel zugrunde gegangen, das sich in der übermäßigen Meinungsfreiheit, der Redefreiheit und der Sucht nach Neuerungen äußert. Hierher gehört auch die von Grund auf schlechte, niemals ausreichend verurteilte abscheuliche Freiheit der Buchdruckerkunst, um alle möglichen Schriften unter das Volk zu bringen. Diese Freiheit wird von vielen eifrig und mit lauter Stimme gefordert und gefördert". Papst Pius X.: Enzyklika »Pascendi Dominici gregis« vom 8. September 1907 über die Lehren der Modernisten An die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und anderen Ortsordinarien, die Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl haben. 1. Die Herde des Herrn zu weiden Zu aller Zeit war diese Sorge des Obersten Hirten für das katholische Volk ein notwendiges Anliegen, denn dem Feind des Menschengeschlechtes hat es niemals an Leuten gefehlt, die Verkehrtes reden Man kann es nicht leugnen, daß in der letzten Zeit die Zahl der Feinde des Kreuzes Christi um eine große Anzahl gewachsen ist. Mit neuen, hinterlistigen Taten versuchen sie die Lebenskraft der Kirche zu brechen und, wenn es ihnen möglich ist, das Reich Christi selbst von Grund auf zu zerstören. Deshalb dürfen Wir nicht länger schweigen, um Unserer heiligsten Aufgabe nicht die Treue zu brechen und um die Milde, welche Wir bisher in der Hoffnung walten ließen, daß man sich eines Besseren besinnen würde, Uns nicht als Pflichtvergessenheit anlasten zu lassen. die Verfechter dieser Irrtümer bereits nicht mehr nur ausschließlich unter den öffentlichen Feinden zu finden sind. … Sie lauern bereits im Inneren der Kirche selbst, viele aus der katholischen Welt der Laien und – noch viel schlimmer – sogar aus den Reihen des Klerus, … verschonen dabei nicht einmal die göttliche Person des Erlösers selbst, den sie mit blasphemischer Frechheit zu einem armseligen Menschen herabwürdigen. Auszug aus dem Vortrag von Card. Ratzinger in Subiaco vom 1. April 2005: Diese Kultur der Aufklärung wird vor allem durch das Recht auf Freiheit definiert. Sie geht von der Freiheit als fundamentalem Wert aus, an dem alles zu messen ist: die freie Religionswahl, welche die religiöse Neutralität des Staates einschließt; die freie Meinungsäußerung, unter der Bedingung, dass sie nicht ausgerechnet den Grundsatz der Freiheit in Zweifel zieht; die demokratische Staatsordnung und damit die parlamentarische Kontrolle über die staatlichen Einrichtungen; die freie Parteienbildung; die Unabhängigkeit der Richter; und schließlich der Schutz der Menschenrechte und das Diskriminierungsverbot. ... Es ist offensichtlich, dass dieser Kanon der Kultur der Aufklärung, der alles andere als definitiv ist, wichtige Werte enthält, auf die wir gerade als Christen nicht verzichten wollen und nicht verzichten können. Aber es ist genauso offensichtlich, dass die schlecht oder gar nicht definierte Auffassung von Freiheit, welche die Grundlage dieser Kultur bildet, unvermeidlich zu Widersprüchen führt; und es ist offensichtlich, dass sie gerade durch den Gebrauch, den man von ihr macht, (ein Gebrauch, der radikal erscheint), Begrenzungen der Freiheit mit sich bringt, die wir uns vor einer Generation noch gar nicht haben vorstellen können. Eine konfuse (unausgegorene) Ideologie der Freiheit führt zu einem Dogmatismus, der sich der Freiheit gegenüber als immer feindlicher erweist.