Material zur 4. Vorlesung vom 22.5.2007

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Grundlagen des Vergleichs
PD Dr. Silvia von Steinsdorff
Vorlesung:
Demokratien, Autokratien,
Grauzonenregime. Die politischen
Systeme in Ost- und Südosteuropa
22. Mai 2007
Resümee zur Vorlesung
Wie weit reicht Europa – und wer
gehört dazu?
Drei mögliche Kriterien zur
Bestimmung der Ostgrenze Europas
 geographisch (Ural/Wolga)
 historisch-kulturell (lateinischer
Einfluss, Überwindung des Feudalismus,
Säkularisation, Aufklärung etc.)
 politisch (willkürliche Grenzziehung:
antike bzw. mittelalterliche Imperien;
Westfälische Ordnung seit dem 17. Jhdt.;
Blockgrenzen nach 1945)
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Resümee, Teil 2
Frage nach der Mitte Europas ebenfalls
nicht eindeutig zu beantworten
Heißt es Mittelosteuropa oder
Ostmitteleuropa?
Mitteleuropa hat nur als kulturellkünstlerisches Konzept Bestand
Negative historisch-politische Erfahrung als
„Pufferzone“ zwischen West- und
Osteuropa
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Resümee, Teil 3
Gegenwärtig: Erneute (willkürliche?)
Aufteilung des vormals sozialistisch
geprägten Raums in Subregionen (MOE
/ GUS / Balkan)
Europa ist ein politischer Begriff
Geographie, Kultur und Geschichte
werden meist instrumentell
gebraucht
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Gliederung
1.
1.1
1.2
1.3
Wann, wie und warum ändern sich politische Systeme?
System- und Strukturtheoretische Erklärungsmodelle
Kulturtheoretische Erklärungsansätze
Akteurszentrierte Erklärungsmodelle
2.
2.1
2.2
Was ist und wie misst man Demokratie?
Typologie politischer Systeme
Wie groß ist der „kleinste gemeinsame Nenner“
demokratischer politischer Systeme?
Quantitative und qualitative Konzepte der
Demokratiemessung
Schwellenwerte und Konsolidierungskriterien
2.3
2.4
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Wann, wie und warum ändern
sich politische Systeme?
Empirischer Befund:
• politischer Systemwandel findet weltweit
immer häufiger und schneller statt
• Anzahl der formalen Demokratien
weltweit steigt
„Demokratisierungswellen“ (Huntington)
Normative Richtung des politischen
Wandels?
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Erklärungsmodelle (1)
System- und Strukturtheorien
 Systemstabilität als höchster Wert
 Wandel ausgeschlossen?
 Entwicklungsrichtung automatisch
vorgegeben?
Modernisierungstheorie
„The more well-to-do a nation, the greater
the chances that it will sustain democracy“
(S.M. Lipset)
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Erklärungsmodelle (2)
Kulturtheoretische Modelle
„weiche“ Erklärungsfaktoren im
Zentrum (kulturelles Erbe, nationale
Traditionen, Religion)
 determinstische Zirkelschlüsse?
 schlecht quantifizierbar
„Clash of Civilizations“ (S. Huntington)
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Erklärungsmodelle (3)
Akteurszentrierte Modelle
Strukturen und Institutionen als
„Handlungskorridor“, innerhalb dessen die
gesellschaftlichen Akteure entscheiden
 individuelle Interessenmaximierung
entscheidend
 Elitenzentrierung
 Problem begrenzter Rationalität
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Was ist und wie misst man
Demokratie?
• Autoritäre Regime ↔ Demokratische Systeme
 Dichotomie oder Kontinuum?
 Subtypen möglich (totalitäre Regime,
„liberale Autokratien, „defekte“
Demokratien, hybride Systeme)?
• Zentrale Unterscheidungskriterien politischer
Systeme (nach Wolfgang Merkel)
 Herrschaftslegitimation
 Herrschaftszugang
 Herrschaftsanspruch
 Herrschaftsmonopol
 Herrschaftsstruktur
 Herrschaftsweise
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„Kleinster gemeinsamer Nenner“
demokratischer Systeme (1)
• Wahldemokratien
rudimentäre Form politischen Wettbewerbs
reicht aus
 Herrschaftslegitimation als einziges
Kriterium
• Polyarchie (R. Dahl)
offener Interessenwettbewerb
freie Partizipation der Bürger
 „Demokratie als Verfahren“
 Herrschaftslegitimation und
Herrschaftsstruktur entscheidend
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„Kleinster gemeinsamer Nenner“
demokratischer Systeme (2)
• „Embedded Democracy“
zusätzlich zu Herrschaftslegitimation
und Herrschaftsstruktur ist auch die
Herrschaftsweise entscheidend
 gegenseitige Gewaltenkontrolle und
-Beschränkung
 Rechtsstaatlichkeit im Zentrum
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Exkurs: Elemente der
Rechtsstaatlichkeit
•
•
•
•
•
•
Effektiver Grundrechtsschutz
Transparente Struktur der staatlichen Gewalt
Gesetzesbindung staatlichen Handelns
Übermaßverbot, Verhältnismäßigkeit
Unabhängigkeit der Gerichte
Gerichtliche Verfahrenssicherheit und
-gerechtigkeit (gesetzlicher Richter,
Rechtswegegarantie etc.)
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Quantitative Demokratiemessung
(Beispiel 1)
Vanhanen-Index
 174 Länder verglichen (1997)
 Polyarchie-Messung (nach Dahl), zwei
Faktoren:
Partizipation P (Anteil der Wähler Z an der
Gesamtbevölkerung B bei der letzten Wahl):
P = Z : B x 100
Wettbewerb W (Stimmenanteil S der größten
Partei, abstrahiert von 100):
W = 100 – S
Demokratie = (P x W) : 100
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Vanhanen-Index (2)
 je größer die Zahl (zwischen 0 und 100),
desto demokratischer!
 wenn ein Faktor 0, dann alles 0
Ergebnis:
- alle Werte ab 30 = etablierte Demokratie
- Italien (48,3) und Belgien (47,1) Tschechien
(40,3) auf Platz 1 bis 3
- Deutschland: 37,3
- Russland: 27,0
- Schweiz: 23,7
- USA: 20,7
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Qualitative Demokratiemessung
(Beispiel 2)
Freedom-House-Index
• Seit 1972 jährlich für alle Staaten der Erde erhoben
• Kombinationsindex aus 8 politischen und 13
individuellen Freiheitsrechten
• Skala von 1 = frei bis 7 = unfrei; Summe beider
Bereiche ergibt Gesamtergebnis
• drei Kategorien: frei (1-2,5) halbfrei (3-5,5) und unfrei
(6-7)
• Fragebogen wird von Experten ausgefüllt
anfangs: Auslandskorrespondenten USamerikanischer Zeitungen
heute: Regionalexperten, NGO’s
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Schwellenwerte und
Konsolidierungskriterien
Gibt es ein klares Kriterium, „ab wann“
ein politisches Regime als Demokratie
bezeichnet werden kann?
 „Demokratie mit Adjektiven“
 Hybride Regime als eigener
Systemtyp?
 Grauzonenregime
 defekte Demokratie
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Vier Ebenen der demokratischen
Konsolidierung (nach W. Merkel)
Institutionelle Konsolidierung
(Verfassung, Regierungssystem)
Verhaltenskonsolidierung
(z.B. Oligarchen)
Stabilität
Zeit
Repräsentative Konsolidierung
(Parteien, Interessenverbände)
Konsolidierung der demokratischen politischen Kultur
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