Das Institutionensystem Wolfgang Rudzio, Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2006 Die Bundesregierung Politische Steuerung Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Regieren und seine Probleme • komplexer politischer Regelungs- und Entscheidungsbedarf • Somit Ausdifferenzierung eines politischen Steuerungsorgans aus dem Parlament: die Regierung • Steuerungsfunktion: Regierung bringt politische Vorstellungen einer parlamentarischen Mehrheit in die Form konkreter Gesetzesvorschläge • Entwicklung einer konsistenten Politik im Rahmen finanzieller Möglichkeiten Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Durchführungsfunktion: ergänzende Rechtssetzung (Verordnungen), organisatorische, personelle und sachliche Maßnahmen, die die Durchführung der Gesetze sichern (Gesetzesvollzug) • Der internationale Vergleich von Rudzio zeigt, dass im allgemeinen Regierungen an die Macht kommen mit… Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Inkonsistenten und vage definierten Handlungsprogrammen • Dass sie geplagt werden von Mangel an Zeit, Information, Sachkenntnis, Energie und anderen Ressourcen • Dass ihr Entscheidungsspielraum durch Verpflichtung begrenzt wird, die sie von ihren Vorgängern erben Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • das ihre Pläne häufig durch Ereignisse gestört werden, die sofortige Krisenbekämpfung erforderlich machen • Dass, angesichts der Risiken von Neuem, Abwarten und Nichts tun häufig eine vernünftige Alternative scheint Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Politische Steuerung ist eine besonders schwierige Aufgabe • Schon innerhalb der Bundespolitik kommt es nicht allein auf parlamentarische Mehrheiten an, sondern auch auf weitere institutionelle Vetospieler wie den Bundesrat und das Bundesverfassungsgericht Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Interessenorganisationen, wichtige Verbände reklamieren Entscheidungsrechte • Hinzutritt die so genannte Politikverflechtung in Bezug auf Entscheidungen der EU und der Ausführungspraxis der deutschen Länder und Kommunen Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Im Ergebnis fallen Entscheidungen häufig durch Verhandlung statt durch Mehrheit, so dass man in der Politikwissenschaft von Verhandlungsdemokratie spricht Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Das Kanzler Prinzip - tatsächlich dominierend? • Rechtliche Struktur der Bundesregierungverschiedene Prinzipien, die teilweise in Spannung stehen: – Kanzlerprinzip – Kabinettsprinzip – Ressortprinzip Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Mehrere Kompetenzen verschaffen dem Bundeskanzler eine herausragende Führungsstellung im Kreise der Regierungsmitglieder (Regierungschef): – Allein der Bundeskanzler wird vom Bundestag gewählt und durch Wahl eines Nachfolgers vom Bundestag abgelöst Art. 63 und 67 (Legitimation Durchwahl) – Bildung einer Bundesregierung; Bundesminister werden auf seinen Vorschlag vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen Art. 64 Grundgesetz Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Es ist auch allein der Bundeskanzler, der nach Art. 68 Grundgesetz die Vertrauensfrage stellen und damit unter Umständen die Auflösung des Bundestages oder die Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes ansteuern kann • Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers: der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung • Er führt die Geschäfte der Bundesregierung und ist über alle relevanten Maßnahmen und Vorhaben in den Ministerien zu unterrichten Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Organisationsgewalt des Bundeskanzlers • Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung bestimmt der Bundeskanzler Zahl und Geschäftsbereiche der Bundesminister • Diese Konzentration auf den Bundeskanzler soll dazu dienen, die Einheitlichkeit und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu fördern Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Über wie viel Spielraum er hierbei tatsächlich verfügt, hängt vor allem von politischen Umständen ab: von seiner Position in der eigenen Partei, der Koalitionskonstellation und von persönlichem Geschick im politischen Geschäft • Dies gilt bereits für die Auswahl der Minister Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Generell muss ein Kanzler heute ein Parteien-, Regional- und Frauenproporz beachten, auch die Besetzung der parlamentarischen Staatssekretäre gehört hierbei zur Ausdifferenzierung/Austarierung Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Bundeskanzleramt – Präferenzsystem mit sachlichen Zuständigkeitsbereichen, so genannte Spiegelreferate – Regelmäßige Konferenz der Staatssekretäre, Förderung des Informationsflusses Bundesnachrichtendienst (BND) ist dem Bundeskanzler unterstellt, für das Ausland zuständig Presse und Informationsamt der Bundesregierung – Möglichkeiten zur Darstellung der Regierungspolitik Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Kabinettsprinzip und Flaschenhalsproblem • Kollektive Handlungsbefugnisse nach außen: Nicht der Bundeskanzler, sondern nur das Kabinett als Ganzes vermag als Bundesregierung im Gesetzgebungsprozess durch Gesetzesinitiativen und Stellungnahmen zu Bundestagsvorlagen zu agieren • Kollektive regierungsinterne Kompetenzen: über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Außer dem Kabinett die Vorschläge zur Änderung politischer und höherer Beamter des Bundes zur Entscheidung vorzulegen. Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • • • • • • • Das Bundeskabinett besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. An seinen Sitzungen nehmen darüberhinaus die Chefs von Bundespräsidialamt und Bundespresseamt teil. einmal wöchentlich am Mittwoch Vormittag Hinzu kommen gelegentlich längere Klausursitzungen zur Beratung bestimmter größerer Sachkomplexe In den Routinesitzungen werden zunächst Gesetzes-, Verordnungs-, Berichts- und Antwortvorlagen beschlossen Dann folgen Erörterungen und Entscheidungen zu diskussionsbedürftigen Gesetzesentwürfen, zu Personalangelegenheiten, zur internationalen Lage und zur Situation im Bundesrat Die Beschlüsse werden in aller Regel einhellig gefasst, die Zustimmung gilt als gegeben, wenn kein Widerspruch laut wird Eine höhere Sitzungsfrequenz des Kabinetts ist fast unmöglich und lässt es leicht zum Flaschenhals werden Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Jährlich etwa 800 Punkte, das heißt bei 40 Sitzungen durchschnittlich etwa 20 Tagesordnungspunkte pro Sitzung • Im Regierungsapparat hat sich daher ein entlastendes System von interministeriellen Ausschüssen und Kabinettsausschüssen zur Vorklärung und Vorentscheidung gebildet • Ein der besondere Rolle spielt der Finanzminister mit seiner Querschnittskompetenz Kanzlerdemokratie, Kabinetts- und Ressortprinzip • Ressortprinzip und Ministerien • Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung • Inneres, Äußeres, Justiz, Finanz, Verteidigungklassische Ressorts • Später: Wirtschafts, und Landwirtschaftsministerium • Jüngere Vergangenheit: Bildung und Forschung für wirtschaftliche Zusammenarbeit, für Umwelt oder für Verkehr