Frauen in Führungspositionen – neue Analysen und zukunftsweisende Konzepte Dr. Waltraud Ernst Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung HAWK FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen Stiftung Universität Hildesheim 1 Es gibt viel zu wenig Frauen in Führungspositionen Wirtschaft Politik Kirche Wissenschaft 2 Daher: Wo und wann immer Sie Gelegenheit haben, Frauen in Führungspositionen einzustellen, nutzen Sie diese! 3 Warum? Gesamtgesellschaftliche Vorteile einer gleichen Verteilung von Führungspositionen auf Männer und Frauen 4 Die gesamtgesellschaftlichen Vorteile einer gleichen Verteilung von Führungspositionen auf Männer und Frauen: Kreativität: Interdisziplinarität: Neue Problemlösungen erfordern neue Entscheidungsträgerinnen Unterschiedliche Disziplinen Erst unterschiedliche Lebenserfahrungen, berufliche Sozialisationen ermöglichen komplexere Einsichten Diversity: Nicht Einheitlichkeit, sondern Vielfalt der Perspektiven 5 Maßnahmen Quotenregelungen Frauenförderungspläne Antidiskriminierungsgesetze Finanzielle Anreizsysteme entwickelt eingesetzt außer Kraft gesetzt 6 Ziel nicht erreicht: Frauenanteil an deutschen Hochschulen 2002: Studienberechtigung: 53,1 % Studienbeginn: 50,6 % Studienabschluss: 48,2 % Promotion: 36,4 % Habilitation: 21,6 % Professur insg.: 11,9 % C4-Professur: 8,0 % Bericht der BundLänderkommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Heft 122, 2. Überarbeitete Fassung, Juni 2005 „Frauen in Führungspositionen an Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen“ 7 Warum gibt es diese ungleiche Verteilung von Spitzenpositionen auf Frauen und Männer? Feministische Analysen weisen auf vielfältige Gründe hin. 8 Heute: Das Problem wird individualisiert. Als gesellschaftpolitisches Problem ist es weitgehend verschwunden. 9 Was fehlt? Historische Hintergründe Politisches Bewusstsein 10 Das Geschlechterverhältnis der Moderne Cornelia Klinger, 1800 – Eine Epochenschwelle im Geschlechterverhältnis? in: Katharina Rennhak/Virginia Richter (Hgs.): Revolution und Emanzipation. Geschlechterordnungen in Europa um 1800, Köln/Weimar/Wien 2004, 17 – 32. 11 Das Geschlechterverhältnis der Moderne These: Modernisierung brachte einen grundlegenden Bedeutungswandel des Geschlechterverhältnisses 12 Das Geschlechterverhältnis der Moderne Beispiel: räumliche Trennung von Produktion und Reproduktion örtliche Trennung von Arbeit und Leben für erwerbstätige (Ehe-) Männer örtliche Konzentration von Arbeit und Leben für nicht erwerbstätige (Ehe-) Frauen 13 Das Geschlechterverhältnis der Moderne ”Indem die Herstellung des Lebens anders als die Lebens-Mittel herstellende Arbeit keine grundstürzende Revolution erfährt, repräsentiert die familiale Privatsphäre den unhistorischen Naturzustand und die Macht der Tradition, also Ursprung und Herkunft; sie erscheint als unberührt vom Prozess der Modernisierung, vom Fortschritt, ja von historischem Wandel, von ‚Geschichte‘ überhaupt.” Cornelia Klinger, 1800 – Eine Epochenschwelle im Geschlechterverhältnis?, in: Katharina Rennhak/Virginia Richter (Hgs.): Revolution und Emanzipation. Geschlechterordnungen in Europa um 1800, Köln/Weimar/Wien 2004, 17 – 32, 21-22. 14 Das Geschlechterverhältnis der Moderne Ausgliederung des Haushalts vom Modernisierungsprozess Verlust seiner ökonomischen Funktion Reduktion zum Heim 15 Das Geschlechterverhältnis der Moderne Leitbild für Weiblichkeit: bürgerliche Frau Handlungsspielraum auf den häuslichen Lebensbereich beschränkt 16 Das Geschlechterverhältnis der Moderne ”In Widerspruch zu allen Regeln von Modernisierung und Ausdifferenzierung bezahlt die Frau ihre ‚Spezialisierung‘ auf die häusliche Rolle mit dem Ausschluss von allen anderen im Modernisierungsprozess enorm expandierenden und florierenden Bereichen der Gesellschaft.” Cornelia Klinger, 1800 – Eine Epochenschwelle im Geschlechterverhältnis?, in: Katharina Rennhak/Virginia Richter (Hgs.): Revolution und Emanzipation. Geschlechterordnungen in Europa um 1800, Köln/Weimar/Wien 2004, 17 – 32, 25. 17 Das Geschlechterverhältnis der Moderne Verständnis von Weiblichkeit: Ursprung und Herkunft Natur und Tradition Subjektivität und Emotionalität 18 Das Geschlechterverhältnis der Moderne Funktionale, untergeordnete Komplementarität: Ausgleich des Sinn-, Geborgenheits- und Identitätsverlusts (Frau) Ausdifferenzierung und Rationalisierung des gesellschaftlichen Lebens (Mann) 19 Das Geschlechterverhältnis der Moderne These: Seit 1900 Scheitern des Selbstexperiments der modernen Gesellschaft Erkämpfung des Wahlrechts für Frauen Erkämpfung des Universitätszugangs für Frauen Erkämpfung des Zugangs zu Berufen für Frauen 20 Das Geschlechterverhältnis der Moderne „Gerade auf Grund der Bindung an ein Herrschaftsverhältnis, das eigentlich zu seiner Absicherung hätte dienen sollen, erweist es sich als zu schwach gebaut, da die kunstvoll und künstlich etablierten Gegenlager mit zu geringem Eigengewicht ausgestattet sind, um ihren Zweck tatsächlich zu erfüllen.“ Cornelia Klinger, 1800 – Eine Epochenschwelle im Geschlechterverhältnis?, in: Katharina Rennhak/Virginia Richter (Hgs.): Revolution und Emanzipation. Geschlechterordnungen in Europa um 1800, Köln/Weimar/Wien 2004, 17 – 32, 30. 21 Was brauchen wir? Wissen um die historische Variabilität der Bedeutung von Weiblichkeit und Männlichkeit Freiraum für neue Bedeutungen von Weiblichkeit und Männlichkeit Gleiche Verteilung von Führungspositionen auf Frauen und Männer 22 Waltraud Ernst (Hg.): Leben und Wirtschaften Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit Reihe: "Focus Gender", hrsg. vom Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der HAWK FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen und der Stiftung Universität Hildesheim, Band 3, Münster: LIT Verlag 2005 23 Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit nach wie vor untrennbar mit Arbeit verknüpft. Was als Arbeit gilt, hängt davon ab, ob Männer oder Frauen sie tun. 24 Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit » Kirsten Scheiwe Soziale Sicherungsmodelle zwischen Individualisierung und Abhängigkeiten – Verliert das traditionelle ‚Ernährermodell‘ im Sozialversicherungsrecht an Bedeutung? 25 Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit » Claudia Gather Bezahlte und unbezahlte Hausarbeit und soziale Ungleichheit in Deutschland 26 Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit » Helma Lutz Geschlecht, Migration und Qualifikation. Neue oder alte Geschlechterordnung in der globalisierten Gesellschaft? 27 Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit » Martina Oster/Holger Nieberg ”Das kann man sich nicht entgehen lassen” – Strategien zur Organisation von Erwerbs- und Familienarbeit 28 Geschlechterkonstruktionen durch Arbeit » Margrit Eichler Ist es gesellschaftlich nützlich, wenn ich mein Bett mache? Haushaltsarbeit und ökonomische Sicherheit für Frauen – Eine Neubewertung 29 Ziel des Vortrags: Wie können wir die gleiche Verteilung von Führungspositionen auf Männer und Frauen erreichen? Welche Kompetenzen brauchen Fachund Führungskräfte für die Aufgaben der Zukunft? 30 Sie brauchen: ein historisches Bewusstsein darüber, in welchem Zusammenhang die Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit als komplementäre, hierarchische Geschlechterordnung entstanden sind. 31 Sie brauchen: ein politisches Bewusstsein darüber, inwiefern sie als geschlechtliche Arbeitsteilung heute noch wirksam ist. 32 Sie brauchen: den politischen Willen und die Fantasie, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der Frauen in Führungspositionen – ob in Wirtschaft, Politik, Kirche oder Wissenschaft - keine Ausnahmen mehr sind, sondern eine Selbstverständlichkeit! 33 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 34