Motivation Prof. Dr. Ralph Viehhauser Gegenstand der Motivationspsychologie Die Motivationspsychologie beschäftigt sich mit der Erklärung der: Aufnahme, Zielausrichtung, Aufrechterhaltung und Energetisierung des Verhaltens. Zentrale Fragen der Motivationspsychologie Wodurch entsteht eine aktuelle Motivation? Ist das, wozu Menschen motiviert sind, hauptsächlich ein Ausdruck drängender (innerer) Instinkte, Triebe (Motive) oder eher ein Ergebnis von (äußeren) Anreizen? Sind die entscheidenden Kräfte unbewusst oder sind gedankliche Prozesse wie Wertungen, Erwartungen und Attributionen das zentrale Geschehen? Wie kommt man von der Motivation zum zielgerichteten Verhalten? Was motiviert Menschen, sich zu verändern? Welche Möglichkeiten gibt es, die Veränderungsmotivation von Klienten gezielt zu fördern? Definition „Instinkte“ Instinkte sind vorprogrammierte Verhaltenstendenzen, die für das Überleben einer Spezies von grundlegender Bedeutung sind. Sie bieten ein Verhaltensrepertoire, das im Genmaterial jedes Lebewesens verankert ist: z.B. die Rückkehr der Lachse an ihren Geburtsort. Triebreduktionstheorie (1) Die Triebreduktionstheorie geht davon aus, dass ein physiologisches Bedürfnis (z.B. Hunger oder Durst) einen Erregungszustand bewirkt und diese Erregung den Menschen wiederum dazu antreibt, das Bedürfnis zu reduzieren. Das physiologische Ziel der Triebreduktion ist die Homöostase, die Erhaltung eines stabilen inneren Zustands. Triebreduktionstheorie (2) Triebreduktionstheorie (3) Ein Trieb kann entweder durch einen Mangelzustand oder durch ein Energieüberschuss entstehen („Dampfkesselmodell“). Der Kernpunkt der Triebtheorie besteht im Ausgleich einer Ist-Soll-Diskrepanz. Nach dieser Vorstellung entsteht die aktuelle Motivation durch einen inneren Schub (Schub-Modell). Der Anreiz Anreize Definition Anreize: Externale Reize, die Verhalten motivieren, obwohl sie nicht in direktem Bezug zu einem biologischen Bedürfnis stehen (Zugmodell). Was als Anreiz wirkt, hängt von der individuellen Lerngeschichte ab. Begriffe „Motiv“ und „Motivation“ Motive sind gelernte, überdauernde Dispositionen, welche das Verhalten bestimmen und somit ein Individuum charakterisieren. Der Begriff „Motivation“ bezieht sich auf die Aktivierung einer (aktuellen) Handlungstendenz zur Erzielung eines oder mehrerer Effekte. Beispiele für Motive und zugehörige Anreger. Ihr Zusammenwirken ergibt die aktuelle Motivation Von Neugier getrieben Neugierverhalten Gerichtetes Neugierverhalten: Situationen erregen besonders dann unser Interesse und Explorationsbedürfnis, wenn eine "optimale Inkongruenz", d.h. Nicht-Übereinstimmung zwischen aktueller Information (Reiz-Input) und bereits vorhandenen kognitiven Schemata besteht (dosierte Diskrepanzerlebnisse). Diversives Neugierverhalten: In monotonen, reizarmen Situationen weisen Tiere und Menschen ein Verlangen nach Abwechslung und Stimulation auf. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn wir bei einer langweiligen Bahnfahrt in "irgendwelchen" Zeitschriften blättern (bzw. in extremer Hinsicht am Beispiel der sensorischen Deprivation). Experiment zur sensorischen Deprivation Suche nach optimaler Erregung Ohne Stimulation fühlen wir uns gelangweilt und suchen nach einer Möglichkeit, wie unsere Erregung auf ein höheres Niveau gesteigert werden kann. Wenn die Stimulation jedoch zu stark ist, entsteht Stress, und wir suchen nach einer Möglichkeit, die Erregung wieder zu senken. Vielfach scheint Verhalten dahingehend motiviert, einen optimalen Zustand der Erregung aufzusuchen. Kognitive Erklärungsansätze der Motivation Die grundlegende Annahme ist, dass bedeutsame menschliche Motivation nicht aus den objektiven Realitäten der externalen Welt entsteht, sondern aus der subjektiven Interpretation der Realität. Ob Menschen motiviert sind, bestimmte Dinge in Angriff zu nehmen, hängt z.B. sehr wesentlich davon ab, welche Erwartungen sie damit verbinden. Motivation = Erwartung x Wert Für Rotter (1954) wird die Wahrscheinlichkeit, dass Personen eine bestimmte Verhaltensweise zeigen (z.B. für eine Prüfung zu lernen, statt auf eine Party zu gehen), durch ihre Erwartungen bestimmt, das angestrebte Ziel (z.B. eine gute Note zu erhalten), das auf das Verhalten folgt, zu erreichen, und durch ihre persönliche Bewertung dieses Ziels. Attributionstheorie Die Alltagserfahrung zeigt, dass Menschen in den selben Situationen ganz unterschiedliche Erwartungen haben können. Dies scheint im Wesentlichen von unterschiedlichen Attributionen (=Zuschreibung von Ursachen) abzuhängen. Bsp. Attribution schlechter Noten Möglichkeiten der Attribution internal stabile global vs. external vs. variable vs. spezifisch Mögliche Attributionsmuster einer Bewerberin nach einem erfolglosen Vorstellungsgespräch Kognitive Motivationspsychologie am Bsp. Sucht (1) Ausrutscher („erster Schluck“) „Ich bin einfach ein labiler Mensch“ „Ich könnte vor Scham im Erdboden versinken“ „Nun ist sowieso alles aus“ Schwerer Rückfall Kognitive Motivationspsychologie am Bsp. Sucht (2) Der im Zusammenhang mit einem Rückfall häufig einsetzende Kontrollverlust (Abstinenzverletzungseffekt) wird in erster Linie durch ungünstige Selbstverbalisationen, Erwartungen und internal-stabil-globale Attributionen („Ich bin einfach ein labiler Mensch“) ausgelöst. Zusammenfassung - Motivation (1) Tiere sind in ihren Verhaltensweisen weitgehend durch Instinkte festgelegt. Beim Menschen spielen diese eine untergeordnete Rolle. Körpernahe Mangelbedürfnisse (Hunger, Schlaf u.a.) können v.a. als Druck-Phänomene, höhere Motive (wie etwa die Leistungsmotivation) v.a. als Zug-Phänomene verstanden werden. Die aktuelle Motivation entsteht aus dem Zusammenwirken von Motiv und Anreger. Nicht immer geht es um Spannungsreduktion, oft wird auch ein Zustand optimaler Erregung aufgesucht. Zusammenfassung - Motivation (2) Kognitive Erklärungsansätze machen deutlich, dass das aktuelle Motivationsgeschehen sehr maßgeblich durch den Einfluss bestimmter subjektiver Interpretationsweisen bestimmt wird. Motivation = Erwartung x Wert. Welche Erwartungen Menschen von zukünftigen Ereignissen haben, wird ganz wesentlich durch die Art der Attribution beeinflusst (d.h. vom Ausmaß der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit, Stabilität und Globalität).