PS Politische Ökonomie I Andreas Exenberger Sommersemester 2001 PS-begleitende Folien TEIL 1 Allokation und Ordnungspolitik (13./20.3.) Hinweis: diese Folien liegen auch als Kopiervorlage (zwei pro Seite) im Institut auf (bei Fr. Plattner). 13-03-2001 Versuch einer Gesamtübersicht Möglichkeiten Haushaltsoptimum individuelle Nachfrage aggregierte Nachfrage Wünsche einzelner Markt Produktionsfunktion Kostenkurve Isokostenkurve betriebliches Angebot Branchenangebot 20-03-2001 Hauptaspekte der Mikroökonomik • Wie sollen die knappen Ressourcen verwendet und kombiniert werden um möglichst viele Bedürfnisse zu befriedigen? Allokation • Wie sollen die erzeugten Güter und Dienste aufgeteilt, für wen produziert werden? Distribution • Weitere zentrale Begriffe: - Was ich möchte/brauche: Bedürfnisse - Wie sehr ich es möchte/brauche: Präferenzen - Was ich davon habe, daß ich meine Bedürfnisse gemäß meinen Präferenzen erfüllen kann: Nutzen - Wodurch ich sie erfüllen kann: Güter 20-03-2001 Was ist ein Markt? Am Markt treffen sich Menschen, die etwas wollen, mit Menschen, die etwas haben (für die meisten gilt beides); der Markt ist der Ort, an dem die Differenzen zwischen Wollen und Haben (durch Tausch) ausgeglichen werden. In Wahrnehmung ihrer Interessen entfalten eigenverantwortlich handelnde Wirtschaftseinheiten aufgrund ihrer Pläne Angebot und (oder) Nachfrage nach Gütern. Anbieter und Nachfrager treffen sich an den Märkten, wo sie häufig im Wettbewerb untereinander und mit der anderen Marktseite ihre Pläne zur Abstimmung bringen. (nach: Woll, A., Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 1990) 20-03-2001 Tausch • Die grundlegendste Form, die Differenz zwischen Wollen und Haben auszugleichen, ist der direkte Tausch: A will z.B. Schuhe und tauscht daher mit B, der ein anderes Gut will, z.B. Milch; Problem: doppelte Koinzidenz • Doppelte Koinzidenz führt zu (hohen) Transaktionskosten; Lösung des Problems durch Vermittlung (Koordination) • Vermittlung kann auch durch ein (neutrales!) Tauschmedium erfolgen, z.B. Geld • Das Tauschmedium macht indirekten Tausch (Gut gegen Geld gegen Gut) möglich und reduziert das Problem auf einfache Koinzidenz • Tauschwirtschaften sind daher wesentlich weniger flexibel als Geldwirtschaften Pareto-Kriterium: ist erfüllt, wenn durch eine Maßnahme wenigstens eine Person besser gestellt wird, ohne daß eine andere Person schlechter gestellt wird. 20-03-2001 Funktionen des Geldes Geld als neutrales Tauschmedium: • Tauschmittelfunktion: Flexibilisierung der Wirtschaft durch indirekten Tausch • Wertaufbewahrungsfunktion: während Güter verderben können, behält Geld seinen Wert (aber: Inflation!) • Rechenfunktion: Vereinfachung der Wertrelationen zwischen Gütern; jedes Gut bekommt einen (!) Preis Geld in anderer Funktion: • Geld als Ware: Devisen, Geldangebot des Staates • Geld als Wertpapier: der Wert des Geldes ist vom Staat und seiner Vertrauenswürdigkeit abhängig 20-03-2001 Allokation und Knappheit • Knappheit ist gegeben, wenn die gesamten Bedürfnisse nach einem Gut in einer Volkswirtschaft die von diesem Gut verfügbare Menge übersteigen. • Knappheit macht Wahlentscheidungen nötig, die wiederum zu Opportunitätskosten führen (z.B. Fußballstadion, z.B. Freizeit) • Milderung der Knappheit durch Mehrproduktion (eventuell über Spezialisierung) oder bessere Verteilung (Allokation) • Allokation ist die Zuweisung von knappen Gütern auf Personen im Hinblick auf bestimmte Verwendungszwecke und ihre zeitliche und räumlich Verteilung • Das Problem besteht darin, daß es für Allokation mehr als eine Möglichkeit gibt; man braucht Beurteilungskriterien 20-03-2001 Verschiedene Allokationssysteme • • • • • • • • • Reihenfolge (Windhundverfahren) Zufall (Verlosung) Gruppenzugehörigkeit Zwang oder Gewalt Versteigerung Rationierung (Bürokratie) Abstimmung oder Verhandlung Bestechung Markt Beispiele: Computeranmeldung, Zugang zu einem Schigebiet 20-03-2001 Bemerkungen zu Allokationssystemen • In der Realität kommen in der Regel Mischungen von Allokationssystemen vor • Jeder Allokationsmechanismus prämiert ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Eigenschaft (oder mehrere) • Jeder Allokationsmechanismus diskriminiert außerdem; das bedeutet: eine bestimmte Wirtschaftseinheit erfüllt die Kriterien des Allokationssystems nicht und wird deshalb vom Erhalt des Gutes ausgeschlossen. • Jedes Allokationssystem verändert das Verhalten der Betroffenen • Allokationssysteme sind zudem stets eng mit politischen oder wirtschaftspolitischen Systemen verknüpft 20-03-2001 Allokationssysteme: Beurteilungskriterien • • • • • • • • • • • Wie effizient ist das System hinsichtlich vorgegebener Ziele? Welche Kosten entstehen durch das System? Wie anfällig ist das System gegen Störungen? Wie rasch arbeitet das System? Welche Anforderungen stellt das System an seine Benutzer ? Wie verändert es seine Benutzer? In welchem Umfang kann sich das System „Toleranz“ gegen „Fremdkörper“ leisten ? Für welche Zeitspanne ist das System ausgelegt ? Läßt sich das System mit anderen kombinieren ? Wie entwickelt sich Wissen im System ? (Verbreitung, Durchsetzung) Für wie viele Teilnehmer ist das System konzipiert ? • Vorsicht beim Vergleich: Idealtyp versus Realtyp 20-03-2001 Idealtypische Freie Marktwirtschaft • Dezentrale Entscheidungen • • • • Passiver Staat Privateigentum Wettbewerb und Vertragsfreiheit Neutralität des Geldsystems • Der Preis als zentrales Steuerungsinstrument von Angebot und Nachfrage • Automatischer Ausgleich von Angebot und Nachfrage • Konkurrenz (Wettbewerb) führt eine effiziente Allokation und Distribution herbei 20-03-2001 Funktionen des Preises » Ausgleichsfunktion zwischen Angebot und Nachfrage » Zuteilungs- und Rationierungsfunktion (über die individuelle Zahlungsbereitschaft) » Selektion (Auslese) der zu teuren Anbieter » Signal und Information, weil Güter um so teurer werden, je größer die Knappheit an ihnen ist » Allokation (Lenkung) der Ressourcen dorthin, wo der größte Bedarf an ihnen ist » Effiziente Distribution (Verteilung) der Erlöse gemäß dem Ressourceneinsatz 20-03-2001 Aber: Paradoxe Ergebnisse • Konkurrenzparadoxon - - Jede/r strebt nach einem bestimmten Ziel (z.B. Nutzenmaximierung), aber gerade deshalb, weil alle danach streben, tritt ein anderer, vom Individuum bzw. der Gesellschaft nicht gewünschter Effekt ein Der erwünschte Effekt könnte nur eintreten, wenn sich alle kooperativ verhielten, das wird aber durch die Eigennutzorientierung verhindert • Gefangenendilemma - z.B.: zwei Verbrecher könnten dadurch, daß beide „dicht halten“ mit geringen Strafen davonkommen; da aber beide hoffen, durch ein Geständnis völlig straffrei zu bleiben, werden schließlich beide zu langen Haftstrafen verurteilt • Das Problem mit der Eigennutzorientierung - Nicht Altruismus, sondern Eigennutz bringt die Menschen dazu, ihren Mitmenschen Güter anzubieten Dies hat zwar für die Konsumenten eine bessere Güterversorgung zur Folge, aber auch viele Konflikte im Konkurrenz-„Kampf“ 20-03-2001 Aber: Marktversagen • Öffentliche Güter: „keine Preise“ - Exkurs: Bei privaten Gütern besteht Rivalität im Konsum und das Ausschlußprinzip funktioniert; bei öffentlichen Gütern ist beides nicht oder nur gegen hohe Opportunitätskosten der Fall; Beispiele: Luft, Autobahn, Landesverteidigung, ...; Problem: Trittbrettfahrer • Externe Effekte: „falsche Preise“ - Exkurs: es gibt negative externe Effekte, deren Kosten nicht (genug) in die Preisberechnung eingehen, und positive externe Effekte, deren Nutzen nicht (genug) in die Preisberechnung eingeht; Beispiele: Luftverschmutzung bzw. Landschaftspflege • Monopole: „zu hohe Preise“ • Marktversagen macht Staatseingriffe in die Wirtschaft bzw. staatliche Kontrolle notwendig 20-03-2001 Daher: Ordnungspolitik • Ordnungspolitik ist quasi ein Allokationssystem für den gesamten Wirtschaftskreislauf einer Volkswirtschaft - z.B.: durch Privateigentum, Rechtssicherheit, Wettbewerb, offene Märkte und Geldwertstabilität gekennzeichnete freie Marktwirtschaft • Staatliche Regulierung - zum Ausgleich von Marktversagen zur Erhaltung der Produktionsgrundlagen (Nachhaltigkeit) aus sozialen Gründen (Umverteilung) • Wesentliche Fragen: - Fragen der Koordination zwischen Individuen (Haushalte/Konsumenten oder Unternehmen/Produzenten) Fragen der Subordination zwischen Individuen und dem Staat • Makro- versus Mikroordnungspolitik 20-03-2001 Konkret: (Öko-)Soziale Marktwirtschaft • Gehorcht grundsätzlich den Basisprinzipien der freien Marktwirtschaft, allerdings eingeschränkt durch ordnungspolitische Überlegungen: - umfassender rechtsstaatlicher Ordnungsrahmen staatliche Zuständigkeit für die Bereitstellung öffentlicher Güter Einschränkung der Basisprinzipien durch soziale Sicherungssysteme und Einkommensumverteilung Einschränkung der Basisprinzipien durch Umweltschutz Einschränkung der Basisprinzipien durch Wirtschaftsförderung Einschränkung der Freiheit des Einzelnen durch die Erfordernisse der volkswirtschaftliche Wohlfahrt so viel Markt wie möglich, aber so viel Staat wie nötig • Die (öko-)soziale Marktwirtschaft ist heute das am weitesten verbreitete Ordnungsprinzip in Industriestaaten