Ingo Rechenberg PowerPoint-Folien zur 10. Vorlesung „Bionik I“ Berg- und Talbahnen in der Natur Bolzenflug, Schwimmspringen und Achterbahnsegeln Merkwürdiger Flug kleiner Vögel Bolzenflug eines Buntspechts Analyse des Bolzenflugs A t Wi WP b Kräfte an einem F Modell-Vogel A ca F 2 Wi cwi F S v WP cw p F 2 2 WR cwR S WR 2 ca = Flügel-Auftriebsbeiwert v2 cwP = Profil-Widerstandsbeiwert 2 ca2 cwi v 2 v2 P WP Wi WR 2 b mit F mg Siehe 8. Vorlesung ! Flügelstreckung cwR = Rumpf-Widerstandsbeiwert Antrieb (kann ein Propeller-, ein Raketen-, ein Schwingenantrieb sein) P mg A a A m Wa W1-a für mittleren Horizontalflug m Zeitliches Mittel (1- a)T aT T Wa cwR 2 W1 a cwR 2 v S cwP 2 v 2S 2(mg )2 v F 2 a 2F v2 2 Steigphase Sturzphase W a Wa (1 a)W1a cwR 2 v2S cwP 2 2 ( mg ) v2a F 2 a F v2 Mittel W (v, a, F ) cwR 2 v S cwP 2 W 0 (aF ) 2(mg ) 2 v (a F ) 2 (a F ) v 2 2 Minimum W 0 v Vorteil der Zusammenfassung: Falls sich eine Größe nur schwer verändern lässt, kann die andere Größe optimal eingestellt werden. Liefert die unsinnige Lösung: v0 (a F ) 0 a 1 Das in der Luft still stehende Flugzeug (wegen der unendlich großen Fläche möglich) hat den geringsten Widerstand. Betrachtung der „halben“ Aufgabe: v sei vorgegeben. Wir differenzieren also nicht nach v. W cwR 2 v2S cwP W 0 ( a F ) Vorteil des Zusammenfassens 2 2 ( mg ) v2 ( a F ) 2 (a F ) v2 Minimum 2 mg cwP v2 ( a F )opt Nicht frei ! Notwendige Flügelfläche, um überhaupt in die Luft zu kommen ! Vernünftige Vorgabe von v Abhebegeschwindigkeit eines Vogels v0 2m g ca F aopt ca max cwP vmin 2m g ca max F * 2 vmin v cwP 5,8 für Reisegeschwindigkeit v 2vmin aopt 0,4 Abhebegeschwindigkeit F* 0.95 Meise 2m g 2 c a max vmin ca max 1,5 0,05 Es ist eine Reisegeschwindigkeit vorgegeben. Aber das Flugobjekt muss noch bei der halben Geschwindigkeit zum Fliegen gebracht werden. Erklärung in Wikipedia: Der Wellen- oder Bolzenflug, intermittierender Flug ist die Art, wie viele kleine Vögel wie Schwalben, Feldlerchen und Mauerschwalben fliegen: Mit einem „Triller“ von Flügelschlägen heben sie sich nach oben, um während der folgenden Schlagpause wieder auf einer Wurfparabel abzusinken. Für diese Form des Vogelflugs gab Sir Michael James Lighthill eine einfache Erklärung: Immer dann, wenn der Reibungswiderstand an den gestreckten Flügeln größer wird als der auftriebsabhängige induzierte Widerstand, kann - bei vorgegebener Flugstrecke - Energie gespart werden, indem der Vogel seine Flügel zeitweise anlegt. Diesen Vorteil haben Vögel freilich nur dann, wenn ihre Fluggeschwindigkeit deutlich höher ist, als die Geschwindigkeit mit dem geringsten Luftwiderstand (die ihrerseits wieder etwas über der optimalen Geschwindigkeit mit dem geringstmöglichen Leistungsaufwand liegt). Intermittierend können also nur kleine Vögel fliegen, die über relativ große Leistungsreserven verfügen. http://de.wikipedia.org/wiki/Wellenflug_(Fliegerei) Ein vielleicht bessere Erklärung: Ein Flugzeugflügel ist dann optimal ausgelegt (Fliegen mit minimalem Gleitwinkel cw /ca), wenn der induzierte Widerstand cwi (Widerstand durch Randwirbel) gleich dem Profilwiderstand cwp (Reibungswiderstand + Formwiderstand des Tragflügels) ist (siehe Ableitung unten). Das führt bei einer Auslegung des Flugzeugs für einen schnellen Reiseflug (v gegeben) dazu, dass die Flügelfläche relativ klein wird. Für den Start bei moderater Geschwindigkeit (Startgeschwindigkeit deutlich kleiner als die Reisegeschwindigkeit) muss die Tragflügelfläche aber groß sein. Der Ausweg: Eine beim Start große Tragflügelfläche wird beim Übergang zum schnellen Reiseflug verkleinert. Das geschieht in der menschlichen Flugtechnik durch Einfahren von beweglichen Flügelelementen (geometrische Flächenverkleinerung) und bei kleinen Vögeln durch periodisches Anklappen der Flügel an den Rumpfkörper (zeitliche Flächenverkleinerung). cw cwi cwp ca2 / cwp ca cwp c c c Min ca ca a a a d cw ca 0 d ca 1 cwp 0 ca2 cwi cwp ca opt cwp Bei vorgegebenem v und m folgt daraus F F 2mg ca optv 2 Die genauere Betrachtung: W (v, aF ) cwR 2 v2S cwP W 0 (aF ) 2 2 ( mg ) v2 (a F ) 2 (a F ) v2 Minimum W 0 v Liefert die unsinnige Lösung: v0 (a F ) 0 a 1 Das in der Luft still stehende Flugzeug (wegen der unendlich großen Fläche möglich) hat den geringsten Widerstand. Warum muss der Vogel überhaupt fliegen, d. h. seinen Ort wechseln ? ? Zur Evolution der Mobilität in der Natur Es beginnt mit der passiven Mobilität: Pflanzen schicken ihre Samen durch abenteuerliche Konstrukte auf die Reise. Erster Vorteil: Am ferneren Standort ist der Boden fruchtbarer. Zweiter Vorteil: Das Erbgut wird weitläufiger durchmischt. "Wenn der Prophet nicht zum Berge kommt, dann muss der Berg eben zum Propheten kommen„ - Das ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung der aktiven Mobilität. Tiere müssen unter Energieaufwand Nahrung suchen. Die „gebratenen Tauben fliegen ihnen nicht in den Mund“. Modell 10 km 10 km Benzin-Hamstern auf der Zapfstraße Ein Modell für den Zweck der Mobilität von Lebewesen Ein Autofahrer fährt eine wundersame Straße entlang. Alle 10 km kann er kostenlos 1 ℓ Benzin tanken. Bei welcher Geschwindigkeit hamstert er das meiste Benzin pro Stunde ? Benzinverbrauch bei 50 km/h: 2 ℓ/100km Benzinverbrauch bei 100 km/h: 5 ℓ/100km Benzinverbrauch bei 200 km/h: 10 ℓ/100km Gewinn [ℓ/h] = ( Tanken [ℓ/km] – Verbrauch [ℓ/km] ) Geschwindigkeit [km/h] G (T V ) v Auf den Kilometer bezogen Benzinverbrauch bei 50 km/h: 2 ℓ/100km G = (0,1 – 0,02) · 50 = 4 ℓ/h Benzinverbrauch bei 100 km/h: 5 ℓ/100km G = (0,1 – 0,05) · 100 = 5 ℓ/h Benzinverbrauch bei 200 km/h: 10 ℓ/100km G = (0,1 – 0,10) · 200 = 0 ℓ/h Analoge biologische Gewinnfunktion Gewinn [kJ/h] = ( Nahrung [kJ/km] – Flugarbeit [kJ/km] ) Geschwindigkeit [km/h] Q (N W ) v W s /s Siehe: http://www.bionik.tu-berlin.de/institut/skript/bibu6.pdf Der Delfinstil Schwimmspringen in der Natur Spiel oder Energieminimierung ? Steinwurf v 2 v l g sin( 2 ) l v r l w b Über- und Unterwasserbahn eines Delfins Annahme Kreisbahn ! r l w v b Der Delfin muss in der Unterwasserphase den Eintauchwinkel in den „Spiegelwert“ ( ) umdrehen. Annahme: Mit b 2 r konstant w / 2 r sin (b / 2 ) sin 2 v b sin( ) l w g sin( 2 ) 15 l + w [m] 20 v l 10 10 15 20 25 30 35 km / h w 5 grad 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Weggewinn des Schwimm-Sprung-Stils der Delfine w = Wasserweg l = Luftweg Delfine im Delfinstil Foto: Ingo Rechenberg Pinguin im Delfinstil Der Flug des Albatros Foto: Ingo Rechenberg Albatros bei der unteren Kehrtwende Thermischer Aufwind Aufwind am Hang Scherprofil des Windes Albatros im dynamischen Segelflug Eisscholle schiebt sich mit w auf die untere Scholle w v Zum Flug des Albatros w v v+w w Äußerer Betrachter schwarz Innerer Betrachter grün v+2w v+w w Das EisschollenBob-Modell v+2w Siehe Wikipedia: „Dynamischer Segelflug“ Modell zum dynamischen Segelflug Vogel macht Kehrtwende im Laderaum eines rückwärts fahrenden Lasters Jo-Jo-Spiel Kugelschleudern Zwei Denkmodelle zum dynamischen Segelflug Dynamischer Segelflug von Flugmodellen Drachenwindkraftwerk Sehr entfernte Ähnlichkeit mit dem Albatrosflug Mikro Flug Vehikel MAV (Micro Air Vehicle) Ein Roman aus dem Jahr 1957 … An diesen Bienen fiel zunächst die Größe auf. … Sie hatten etwa den Umfang einer Walnuss, die noch in der grünen Schale steckt. … Zapparoni, dieser Teufelskerl, hatte wieder einmal der Natur ins Handwerk gepfuscht… Wahrscheinlich saß er dort behaglich bei seinen Büchern und verfolgte zuweilen auf dem Bildschirm, was ihm die „Glasbiene“ sendete. Rekonstruktion von Jüngers Glasbiene Schriftsteller und Insektenforscher Ernst Jünger (1895 – 1998) Mikrodrohne des Instituts Landung eines Mikro Air Vehikels Flug eines Mikro Air Vehikels im Institut MAV Vorführung Klein, kleiner, am kleinsten Aus dem Internet Künstliche Libelle von Erich von Holst (1940) Vorbild Libelle Gu = Gummimotor R = Fadenrolle W = Wickelplatte K = Kurbel P = Pleuelstange Spannweite 53 cm Gewicht 12 g Mikro-Flugobjekte MAV (US Studenten) Die offene Frage MAV (Firma Epson) Flatterbewegung oder Rotative Bewegung Flattern als Ersatz der Rotation Beginn Abschlag Beginn Aufschlag MAV Libelle 5 cm Bienenelfe (Mellisuga helenae) 2 Gramm MAV - Vorbild Vogel Abstrahiertes Bild der Flatterbewegung Abstrahiertes Bild der Flatterbewegung Abstrahiertes Bild der Flatterbewegung Abstrahiertes Bild der Flatterbewegung Schwebeflug Flügelbahn einer schwebenden Fliege Experiment Michael Dickinson Größe Insektenflug Bionik Nanodrohnen Airbus 380 Andere Strömungsphysik andere Lösungen ! Bionik! Libelle Federflügler 0,25 mm Strömungsphysik (Reynoldszahl) MAV-Erkundung in den Dünen Der „Smart Bird“ der Firma FESTO NASA-Studie: Intelligent Organic Aicraft Biomechanical Aerial Technology System (BATS) Das BATS Programm ist ein NASA Langley Forschungsprogramm, an dem das Morpheus Lab als Partner beteiligt ist. Die Bemühungen zielen auf die Entwicklung des ersten Fluggeräts ab, das ähnlich biologischer Organismen vollständig aus verteilten Systemen konstruiert ist. Der organische Ornithopter wird aus integrierten und verteilten Schichten aktiver Materialien (d. h. Muskeln), verteilten sensorischen Schichten (d. h. Nerven) und einem verteilten Energiespeicher und Energieversorgungssystem [Anm.: MEMS Mikro-Turbinen, -Generatoren und -Pumpen] bestehen. Das wird ähnlich wie bei biologischen Organismen sein, die vollintegrierte verteilte Funktionssysteme besitzen. Das Fluggerät wird autonom fliegen, was Sinnesempfindungen und intelligente Algorithmen zur Steuerung erfordert. Quadrocopter Antriebsschema eine Quadrocopters DJI Phantom 2 Vision Quadrocopter Mikro-Drohne Zunehmende Anwendung durch Profi- und Hobbi-Fotografen Zukünftige Einsatzmöglichkeiten von Mikro-Drohnen (MAV = Micro Air Vehicle) Verfolgung chemischer Konzentrationsgradienten in Innenräumen (Sprengstoffschnüffler, Lokalisierung von Gaslecks) Aeromagnetische und aeroelektrische Feldmessungen zur Lagerstätten-Exploration und zur archäologischen Prospektion durch scannende MAVs bzw. einen MAV-Schwarm Ebenes Abscannen von Landstrichen zur Detektion von Minen mit autonom geregelten tiefstfliegenden MAVs in lateraler Schwarmordnung Folgen des Duftgradienten einer geschädigten Flora (z. B. Grünblattduft der Kartoffelpflanze bei Kartoffelkäferbefall) und singuläre Schädlings-Elimination durch MAVs Detektion von Lawinen-Verschütteten durch ein auf neuronale Aktivität ansprechendes hochsensibles adaptives Antennenarray mit verteilten MAVs (MAV-Schwarm) Detektion kleinster Geräuschquellen (z. B. Klopfgeräusche) durch ein von einem MAV-Schwarm gebildetes adaptives Mikrofonarray (akustische Kamera) Transport und Absetzen von e-Grains durch MAVs in Sondereinsätzen, z. B. bei der Terroristenbekämpfung Optische Inspektion exotischer Areale (z. B. Abwasserkanäle) und undefinierbarer Gegenstände durch MAVs mit Videokamera im Normal- und Infrarotbereich Autonomes Durchfliegen von Waldregionen mit Kamera-MAVs in lateraler Schwarmordnung auf der polizeilichen Suche nach Verbrechensopfern Zurück vom Hin und Her zu Auf und Ab Evolution Springen: Fortbewegung mit kleinerem Energieverbrauch ? Delfin Känguru Frosch Heuschrecke Saharaspinne Höhe Das Auf und Ab der rollenden Saharaspinne Cebrennus rechenbergi Strecke Ende www.bionik.tu-berlin.de