Die SP benötigt Utopien

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Die SP benötigt Utopien –
aber welche, wie formulieren wir sie
und wie gehen wir mit ihnen um ?
von Andi Gross
Am 3. Bergüner Forum der SP ‘s beider Basel
„Kapitalismus überwinden Wirklichkeit oder Wunschtraum ?“
Bergün, den 13.Mai 2006
www.andigross.ch [email protected]
Der öffentliche Diskurs um
„Utopien“ steckt voller
Missverständnisse

Weder eine Flucht aus der Realität

Noch eine Quelle von Gewalt

Oder ein autoritäres Konzept

oder gar ein „realsozialistisches Relikt“

oder ein totaler, gar totalitärer Anspruch
„Utopia“: der Nicht-Ort
der (bessere) Ort, den es nicht gibt,
und von dem doch einer
zurückkam und erzählte
Thomas Morus (1478-1535)
Deshalb steckt in jeder Utopie
die Gegenwart und der
(bewusste Tag-)Traum
(Siehe Titel unserer Tagung)
Die vier wesentlichen
Elemente eines praktischen
Utopieverständnisses
Kritik am status quo
 Konkrete Alternative dazu


Suchen nach dem real möglich anderen
 Wille, dafürb etwas zu tun
Eines der grössten Missverständnisse der
schweizerischen Politik:
Die Verwechslung der Utopie mit einer
(idealistischen) Illusion oder einem Ideal
Die (konkrete) Utopie entspricht dem
spezifisch Besseren, was heute real möglich
wäre, (noch) nicht ist, aber werden würde,
wenn wir entsprechend zu handeln
verstünden.
Jede Zeit hat ihr
Utopieverständnis –
jede Utopie hat ihre Zeit

1964: „Das Wort hat heute keinen guten Klang.“(HK)


Feb.1968:“U-ein Wort, das bis vor kurzem einen schlechten
Beiklang hatte.“(EB)

Dez. 1968:„Die Vokabel ‚Utopie‘ ist gegenwärtig ungemein
beliebt.“ (AN)

1980er Der Verlust der Utopie(n);“No Future“/“5 vor 12“


1965:“Warum gibt es heute keine Utopie?“ (JS)
„Post 1989“: „Das Ende der politischen Utopie“ (RS)
2004: “Das Thema Utopie hat derzeit keine Konjunktur“(JR)
Der Umgang mit dem Begriff U. sagt mehr über Zeit und
AutorInnen als über den Begriff als solchen
Wie sich die Gegenwart in den
„alternativen“ Utopiebegriffen
spiegelt
„Visionen“ : Unverbindlicher, diffuser Psychologie ist derzeit höher im Kurs als Politik
 „Trend“: Zukunft als Fortsetzung der Gegenwart
 „Szenarien“ : Quasi der Trend in Alternativen

Das individuelle Kreative mit der Gestaltungsmacht der Vielen
und den gesellschaftlichen Möglichkeiten verknüpfen !
Gustav Landauer (1870-1919) schaffte 1905
ein antiautoritäres,undogmatisches,
prozess- und handlungsorientiertes
Utopieverständnis
Im Jetzt gelten Topien,in denen Alternativen,U-Topien,
entwickelt werden. Aus diesen Utopien machen
Menschen handelnderweise neue Topien, die
wiederum neue Utopien hervorrufen.
Das heisst Utopien werden nie erreicht, sollen nie
erreicht werden: Je näher wir ihnen kommen, umso eher
werden sie von neuen Utopien abgelöst.
„Man hat nicht Ideale zu verwirklichen, sondern
man hat dieses Wesen (Utopie),womit die
gegenwärtige Gesellschaft (an Möglichem)
schwanger ist, frei zu lassen.“
Ernst Bloch (1885-1977) in „Das Prinzip Hoffnung“

Konkrete Utopie, „richtet sich gegen jede fertige Ausmalerei“,
aber „Richtungsandeutung“ im „Vorschein“
Echte Zukunft („Ein wirkliches Noch-Nicht-Sein, ein Novum,
das noch in keines Menschen Auge gekommen - die höchste
Probe des Novums, noch nicht entsprungen,obwohl latent“)



Unechte Zukunft: Die Fortsetzung der Gegenwart
„Im Jetzt existiert auch das Noch-Nicht“ od. „Die Gegenwart
enthält auch das Werdende,Andere“:“Noch nicht ist weder
Nicht, noch Nichts, noch Alles.“

Weil die Welt und der Mensch nicht fertig sind, ist einiges
möglich.
„Utopisch ist ein Bewusstsein, das
sich mit dem es umgebenden ‚Sein‘
nicht in Deckung befindet.“
Karl Mannheim (1893-1947) in „Ideologie und Utopie“
Gilt für ideologisches wie für utopisches Bewusstsein.
Aber: Ideologen wollen meist nicht , was sie sagen, sie
verklären meist, was ist, auch um es erträglicher zu
machen. Während „zu wollen, was offen gesagt wird“
und die Bereitschaft auch entsprechend zu handeln,
einige der Kennzeichen der Utopie ausmachen
Das Ausschöpfen und die Erweiterung der in
der Gegenwart schlummernden alternativen
Möglichkeiten setzt viel gemeinsames
Nachdenken voraus.
Wie ist geworden, was anders werden soll ?
 Welche Reformversuche sind weshalb bisher
gescheitert ?
 Was wollen wir eigentlich ?
 Was ist davon heute möglich ?


Wie können wir Kritik und Alternativen zum Thema
machen ?
In der Wirklichkeit steckt mehr an Potentiale und
Latenzen als sich in deren Darstellung zeigt.
Utopisches Denken und Handeln:
Denken über die Gegenwart hinaus, bewusster
Umgang mit Zukunft, Vorstellung des konkreten
anderen Möglichen, Reflexion der Diskrepanz und
Bereitschaft zu deren Reduktion.
Quelle von:
 Orientierung
 Perspektive

Handlungsmotivation
Frieden, Demokratie,Freiheit und
Gerechtigkeit sind die grössten
politischen (Dach-)Utopien
(„Gesamtkunstwerke“)
Heimat vielleicht die grösste
gemeinschaftliche,
zu Hause angekommen und geborgen zu
sein, anerkannt zu werden, möglicherweise
die grösste persönliche.
Herrschende Missverständnisse,
welche utopische Potenziale und
Energien verkümmern lassen
„Leben ist Schicksal“
 „Zukunft kommt ohnehin“
 Wir können nichts tun
 Gesellschaft lässt sich nicht mehr gestalten
 Es ist alles zu kompliziert

„Überwindung des Kapitalismus“
ist eine Chiffre/Code für die über die
realexistierende Gegenwart hinausreichende
(konkrete) Utopie der SP
Oder für die gemeinsame Bereitschaft:
 zum offenen Denken
 offen für Neues, noch Unbekanntes
 Es kann anders besser werden

die Gegenwart ist nicht der Weisheit letzter Schluss
 Relativität der normativen Kraft des Faktischen
Grosse konkrete , also realisierbare, Utopien
der Gegenwart, welche vielen ermöglichen
würden, „utopischer“ zu leben, das heisst
mehr Utopien zu verwirklichen

Globalisierung der Demokratie - Demokratische
Verfassung der Welt(innen)politik
 Europäischer föderalistischer Bundesstaat
 Eine von endlichen Energieen unabhängige
Wirtschaft
 Eine Welt ohne Hunger und Kinder, die an
epidemischen Krankheiten sterben müssen
Was heisst das alles konkret,
persönlich und im Alltag ?
Nicht versuchen, die Welt alleine begreifen zu wollen.
 Sich vielfältig organisieren
 Lesen, diskutieren, denken, handeln, arbeiten verbinden
 Grenzen der Möglichkeiten ausloten und versuchen, das
Mögliche im jetzt - nicht nur heute - auszuschöpfen
 Offen bleiben für Neues, Mut behalten für Altes, Kraft
finden, es los zu lassen, keine Angst vor Wiederholungen ,
Selbstvertrauen zum Widerspruch, Weisheit das eine vom
anderen unterscheiden zu können.

Die unausgeschöpften alten und
die neuen Utopien und ein
entsprechendes Denken und
Handeln...
...sind für die SP wie ein Kasten
voller Werkzeuge, auf die wir um der
Arbeit an unser aller besserer
Zukunft willen nicht verzichten
können.
„Wer keinen Mut zum träumen hat,
verliert die Kraft zum Kämpfen“
„
Schaff das Mögliche, versuche
das Unmögliche“
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