PowerPoint-Präsentation - Evangelische Akademie Tutzing

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Pfr. Dr. phil. Dipl.-Psych. R. Wettreck, Stiftungsdirektor
Ethik der Medizin und Rationalität der Ökonomie
in der Gesundheitswirtschaft
Tagung: „Medizin zwischen Ethik und Ökonomie“:
Evangelische Akademie Tutzing, 21.-23.10.2005
„Sie
brachte mich ins Bett, so grün und stinkig wie ich war,
und sagte, sie liebe mich auch so, und ich sagte, ich liebe
sie, aber das stimmte nicht, denn sie hatten etwas in mir
zerbrochen, und das war etwas Lebendiges gewesen, das
mit Liebe zu tun hat, und ich war eingeschlafen, bevor sie
die Tür geschlossen hatte.“
S. Shem, House of God, 108
„Ethik der Medizin und Rationalität der Ökonomie
in der Gesundheitswirtschaft“
I.
Zeitansage: Krankenhäuser im radikalen
Strukturwandel – Wohin?
II.
Change Management als Gesamtansatz
A. Gesamtarchitektur und Unternehmenskultur KH
B. Von traditioneller Leitungsverantwortung zum Management
C. Transparente Leitungsstrukturen und Letztverantwortung
D. Veränderte heilberufliche Selbstverständnisse
E. Biologisierung des Menschlichen
F. Interessen- und Machtverteilungen
G. Veränderte gesellschaftliche Funktion von Krankenhäusern
III. Aspekte unternehmensethischer Reflexion
und Strategie
A. Ein moralisch notwendiger Systemwechsel
B. Moralische Vorentscheidungen durch
Rahmenordnungen
C. Ethische Verantwortung des Managements
D. Ansatzpunkte wertorientierten Managements
I.
Zeitansage: Krankenhäuser im
radikalen Strukturwandel – wohin
?
1.
Auf dem schnellen Transformationsweg:
von traditionellen Versorgungseinrichtungen
zu konkurrenzfähigen Unternehmen in der
Gesundheitswirtschaft
2. Transformationsziel „leistungs-
optimiertes Krankenhaus“
durch:
-
strategische Standortbestimmung
Neupositionierung
Verbesserung der operativen Auslastung
effektive und nachhaltige Senkung der Sachkosten
Effizienzsteigerung der Arbeitsprozesse
Finanzierung notwendiger Investitionen
konsequente Veränderungen der Krankenhausorganisation und der Führungsstruktur
3. Vergleichbare Veränderungen im Gesundheitswesen
der meisten westlichen Industrieländer:
- elementare Machtverschiebung zugunsten der Finanzierungs-/
Versicherungsseite
- Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos von der Finanzierungs-/ Versicherungsseite auf die Dienstleistungsinstitutionen
4. Die Arzt-Patient-Beziehung: wichtigste Schnittstelle
zwischen einem hoch arbeitsteiligen
Medizinsystem und dem Leistungsempfänger
- In der Mikroallokation der Ärzte entscheiden sich
Kostenströme im Milliardenbereich.
- Das wirtschaftliche Überleben medizinischer
Einrichtungen hängt von der Möglichkeit der
betriebswirtschaftlichen Steuerung der Arzt-PatientBeziehung ab.
„Die aus der Menge geborene Qualität ist preiswerter als
elitäre Produktion.“ (E. Münch, Rhön-Klinikum AG)
5. Handlungsprinzipien der Gesundheitswirtschaft:
- Industrialisierung (Verbetrieblichung und
Prozessintegration gemäß den Struktur- und
Prozessprinzipien in der industriellen Produktion)
- Ökonomisierung (tendentielle Überformung professioneller
Entscheidungen und Handlungen durch wirtschaftliche Kalküle
und Ziele)
„Ich glaube, dass jeder Doktor in einer Privatpraxis
gelegentlich sich den Patienten als einen Dollarbetrag
vorstellt, der mit einem Symptom ausgestattet ist. Aber
ich glaube genauso, dass sie sich regelmäßig aus
einem solchen Denken wieder zurückziehen aufgrund
ihrer Erziehung und Moral.
Die Gefahr jetzt ist die Institutionalisierung des
Gewinnimpulses durch das Unternehmen und folglich
die Abtrennung der persönlichen Verantwortung des
Arztes für Handlungen, die aus diesem Impuls heraus
unternommen werden.“
(H. Scovern, New England Journal of Medicine, 1988)
6. Die betriebswirtschaftliche Steuerung der Arzt-PatientBeziehung geschieht im Einzelnen u.a. durch:
- Verbetrieblichung und Integration der medizinischen Arbeit
- Entwicklung einer Vielzahl von Instrumenten zum
betrieblichen Management der Arzt-Patient-Beziehung
- Bürokratisierung
- Kommerzialisierung der medizinischen Versorgung
7. Trendanalysen für die kommenden Jahre:
- weitere Verknappung der Finanzmittel
- Zunahme der wettbewerblichen Elemente im
Gesundheitswesen
- verstärkte Verzahnung der Versorgungssektoren
- verstärkte Ambulantisierung der Versorgung
- flächendeckende Zunahme der KH-Privatisierungen
- Zunahme von gesetzlichen Mindestmengenbegrenzungen
- Veralltäglichung der „Warteschlangenmedizin“
- Rückzug des Staates aus der Finanzierung
der Investkosten
- Zunahme der EU-Dimension
- Politisches Ziel: Reduktion stationärer Behandlungen
8. Zwischenfazit: Das ökonomische Denken
wird gezielt in die Arzt-Patient-Beziehung
eingeführt und gleichzeitig überindividuell und
institutionell organisiert
„Das wettbewerbs- und verdienstökonomische Kalkül wird
zunehmend entsubjektiviert, d.h. es bleibt nicht mehr den
unmittelbar Handelnden überlassen, sondern wird in die
Institution, ihre Anreiz- und Sanktionssysteme integriert.
Daher wird die moralische Qualität der künftigen Medizin (die
bereits begonnen hat) immer weniger nur von der individuellen
Moral der ärztlich und pflegerisch Betreuenden, sondern
zunehmend von den Verhaltenszwängen abhängen, die in die
Institution und in das Gesamtsystem eingebaut sind. ...
Beispiele zeigen, dass geringerer Ressourcenverbrauch nicht
zwangsläufig mit der Zerstörung individuellen und sozialen
Vertrauens bezahlt werden muss.“
(H. Kühn, 2003)
II. Change Management als
Gesamtansatz
A. Wandel der Gesamtarchitektur und
Unternehmenskultur von Krankenhäusern
9. Tradierte Mentalitäten, Interessen, Selbstverständnisse und Wertekulturen unter
Veränderungsdruck
10. Notwendig: neue Unternehmenskultur
- Strategische Personalentwicklung
- Neupositionierung im Gesamtzusammenhang
B. Wandel traditioneller Leitungsverantwortung zum
Management
11. Schlüsselstellung: Medizinisches Führungspersonal
12. Dramatisierung zum horizontalen oder vertikalen
Kultur- und Ethoskonflikt
13. Medizin als Management: Zeitbedingte Restriktion
ärztlicher Zuständigkeit nur auf den medizinischen
Erfolg
C. Wandel durch Einführung transparenter
Leitungsstrukturen und des Regulativs der
Letztverantwortung
14. Überarbeitung der Leitungsstrukturen zur
marktangemessenen Steuerbarkeit von
Gesundheitsunternehmen
15. Formatierung von „Strukturen höherer
Verantwortung“ (W. Pföhler)
D. Wandel heilberuflicher Selbstverständnisse
16. Widersprüchliche Professionalisierungs- und
Deprofessionalisierungsprozesse
17. Relativierung der klassischen
Fürsorgebeziehung des Arztes
-
begrenzende Rahmenvorgaben
Vervielfachung von Gesundheitsleistungen
anonyme arbeitsteilige Versorgungsketten
Konsequenz: Vertrauen in Leistungsmarken
Ausnahme: „Leistungsträger“
E. Wandel in Richtung Biologisierung des
Menschlichen
18. Der Veränderung des Arzt-Bildes
korrespondiert die menschenbildliche
Veränderung in Richtung einer
Biologisierung des Menschlichen
F. Wandel der Interessen- und Machtverteilungen
19. Der untergründige „Eisberg der Veränderung“
„... Je höher derzeit z.B. Status, Ansehen und Macht sind, desto
geringer ist naturgemäß die Bereitschaft zur Veränderung. Deshalb ist
es wichtig, sich im Vorfeld mit der Frage auseinander zu setzen,
welche Vorteile die einzelne Führungskraft, z.B. ein Chefarzt, davon
hat, wenn die Verwaltung eines KH eine Station schließen muss ...
Statt den Nutzen für das Haus zu sehen, ist es genauso wichtig, zu
fragen, wie man den Imageverlust des Chefarztes wieder ausgleichen
kann. Problematisch wird es immer dann, wenn die Sachargumente
unter Zwang gegen die menschlichen Aspekte zu Felde ziehen. Das
führt regelmäßig dazu, dass die betroffenen Personen in den
Untergrund abwandern und den gesamten Veränderungsprozess
boykottieren, sich hinter Scheinargumenten verschanzen, ohne dass
die wirklichen Gründe für die Abwehrhaltung offen angesprochen
werden.“ (Ament-Rambow, C, 2005 )
G.
Wandel der gesellschaftlichen Funktion von
Krankenhäusern
20. Krankenhäuser verlieren ihre stille Funktion als
gesellschaftliche Fluchtburg, als sozialer Puffer.
III. Aspekte unternehmensethischer Reflexion
und Strategie
A. Systemwechsel moralisch notwendig
21. „Solidarität und Wettbewerb“ (EKD, 2003): Synergien
zwischen Ökonomie und Heilkunde
22. Professionsverständnis: Auseinanderfallen von
Ökonomie und Medizin als „déformation
professionelle“
23. Unternehmerisches Denken schon in der
Gründerzeit der Diakonie
B. Moralische Vorentscheidungen durch
Rahmenordnungen
24. Karl Homann, Wirtschaftsethiker:
„Ethik ohne Ökonomik ist leer, Ökonomik ohne Ethik
ist blind.“
„Der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft
ist die Rahmenordnung.“
25. Vor-Entscheidungen „hinter“ den
Alltagsentscheidungen
C. Ethische Verantwortung des Managements
26. Übersetzung von Werten, Ethik und Moral in die
Kategorien von Vorteilen, Anreizen, Verfahren
und Strukturen
27. Inhaltliche Verantwortungsverlagerung auf
Ebene der Leistungssteuerung impliziert hohe
ethische Verantwortung
28. Rahmengebung für moralische Kraft der
Heilberufe
29. Leistungssteuerung, moralische Gestaltungsräume und wertorientierte Unternehmensführung
30. Moralisch notwendige Renditeorientierung
D. Ansatzpunkte wertorientierten
Managements:
31. Wertekultur – am Bsp. der Prägung freigemeinnütziger, diakonischer Krankenhäuser:
- soziale Verantwortung nach innen und außen,
- nur dezente Ausprägung von Leistungsorientierung
- Einbezug des „Persönlichen“ in die Bewertung von Leistungen
- stark betonte Förderung des Gemeinsinns
- die geringere Förderung von Kreativität, Wandlungsbereitschaft
und strategischer Umsetzung von Unternehmensvisionen
- geringere Anerkennung von „Leistung“ (monetär wie nicht-monetär)
- geringere Förderung von persönlicher „Arbeitsfreude“
- eine Förderung von Gewissenhaftigkeit und weniger der
Selbstverwirklichung des einzelnen in Arbeit und Karriere
(Quelle: Deep white Unternehmensberatung, 2005)
32. Versorgungsqualität
33. Entscheidungsqualität
a. Das Recht auf Zustimmung oder Ablehnung;
b. Das Recht auf Information;
c. Das Recht auf Festlegung des Eigenwohls;
d. Das Recht auf Wahl zwischen möglichen
Alternativen;
e. Das Recht auf ‚möglichst geringe’
Einschränkung des Handlungsspielraums
durch Institutionen;
f. prozessual verankerte Rückkopplungsprozesse
mit dem Klienten entlang der Pathways
( M.Bobbert: Patientenautonomie und
Pflege, 2002)
34. Führungskultur / Führungsleitlinien: „Könnte es sein,
dass irgendjemand in diesem Krankenhaus das Sagen
hat ?“
35. Im Gesundheitswesen „etwas Lebendiges bewahren,
das mit Liebe zu tun hat“ – christliche Werteorientierung
unter markwirtschaftlichen Bedingungen.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit !
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