E1-07Fo2 - Bionik TU

Werbung
Ingo Rechenberg
PowerPoint-Folien zur 2. Vorlesung „Evolutionsstrategie I“
Logik des Experimentierens und Optimierens Starke und Schwache Kausalität
Weiterverwendung nur unter
Angabe der Quelle gestattet
Symbol für ein
Versuchobjekt
?
Kybernetisches Modell „Schwarzer Kasten“
Text
Analyse des Modells „Schwarzer Kasten“
Reaktion
Unsichtbare
innere
Struktur
Reaktionspole
Aktionspole
Aktion
?
Vier Realisierungen des abstrakten
Schemas „Schwarzer Kasten“
1. Tragflügelprofil
2. Stabtragwerk
3. Regelkreis
4. Magisches Quadrat
1. Versuchsobjekt „Tragflügel“
Reaktion
Aktion
A
Auftrieb
Widerstand
W
Profilkoordinaten
yo yu
Text
2. Versuchsobjekt „Stabtragwerk“
Reaktion
Aktion
G2
G1
G3 …
Stabgewichte
Nach der statischen Durchrechnung des Systems
L
Knotenkoordinaten
x y
Text
3. Versuchsobjekt „Regler“
Aktion
Reaktion
Integralanteil
Differentialanteil
Proportionalanteil
P I D
Störgröße z
Sollwert w
Stellgröße y
Regler
Regelgröße x
x (t)
Strecke
Regelgröße
Text
4. Versuchsobjekt „Magisches Quadrat“
Aktion
Reaktion
Feldzahlen
9
1
9
1
9
1
1
9
9
S4
9
1
S5
S1
9
S2
9
S3
1
1
1
9
1
Zeilen-, Spalten- und
Diagonalensummen
S6
Text
!
?
WAS
Die drei Fragen an einen schwarzen Kasten
!
?
WAS
1. Frage an ein Versuchsobjekt
WAS ist die Reaktion auf eine vorgegebene Aktion?
Forschungsziel ist die Sammlung von Daten über
das Objektverhalten. Die Frage: „Was kann man in
Erfahrung bringen?“ steht am Anfang einer jeden
empirischen Forschung im wissenschaftlichen wie
auch im technischen Bereich.
!
?
WAS
!
!
WARUM
?
Die drei Fragen an einen schwarzen Kasten
!
?
!
WARUM
2. Frage an ein Versuchsobjekt
WARUM ist die Reaktion auf eine Aktion in der beobachteten Weise erfolgt? Forschungsziel ist, eine erklärende
Beschreibung des Aktions-Reaktions-Mechanismus
innerhalb des schwarzen Kastens zu geben. Der Forscher
sucht nach einem Modell, das die innere Struktur des
schwarzen Kastens gut simuliert. Die Frage: „Warum
kommt dieses oder jenes Phänomen vor?“ ist Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Grundlagenforschung.
!
?
WAS
!
!
WARUM
!
WOMIT
?
?
Die drei Fragen an einen schwarzen Kasten
?
!
WOMIT
3. Frage an ein Versuchsobjekt
WOMIT (durch welche Aktion) kann eine vorgegebene
Reaktion erhalten werden? Forschungsziel ist in diesem
Fall, das Versuchsobjekt derart zu verändern, dass eine
gewünschte Wirkung erreicht wird. Die Frage: „Womit
kann man eine bestimmte Wirkung erzielen?“ ist das
Hauptproblem der technischen Entwicklung.
Formulierung einer Wunschfunktion (= Qualitätsfunktion)
durch den entwickelnden Ingenieur
1. Stufe: 2 ℓ-Motor maximaler Leistung.
Ergebnis Motor verbraucht Unmengen Benzin.
2. Stufe: 2 ℓ-Motor maximaler Leistung pro verbrauchtem Liter Benzin.
Ergebnis: Motor wiegt 1 Tonne.
3. Stufe: 2 ℓ-Motor maximaler Leistung pro verbrauchtem Liter Benzin mit
minimalem Gewicht.
Ergebnis: Motor fällt nach 100 Betriebsstunden auseinander.
4. Stufe: 2 ℓ-Motor maximaler Leistung pro verbrauchtem Liter Benzin mit
minimalem Gewicht und vorgegebener Lebensdauer.
Übung in der Aufstellung von Qualitätsfunktionen !
Text
1. Qualitätsfunktion „Tragflügel“
A
Q
A
 Max
W
Auftrieb
Widerstand
W
Profilkoordinaten
yo yu
Text
2. Qualitätsfunktion „Stabtragwerk“
Q

Gi   
4

li di2  Min
G2 …
G1
Stabgewichte
Gi
Knotenkoordinaten
x y
Nach der statischen Durchrechnung des Systems
Text
3. Qualitätsfunktion „Regler“
T
Q
 w  x(t) dt  Min
0
Integralanteil
Differentialanteil
Proportionalanteil
P I D
Störgröße z
Sollwert w
Stellgröße y
Regler
Strecke
Regelgröße x
x (t)
Text
4. Qualitätsfunktion „Magisches Quadrat“
8
Q
1
9
1
9
1
9
9
1
S4
9
1
9
1
S5
S1
9
S2
9
S3
1
1
 Min
i 1
Feldzahlen
9
 Si  15
2
1
S6
Zeilen-, Spalten- und
Diagonalensummen
Text
x
?
Intuition
Strategie
Qualitätsmessung
Versuchsobjekt
Verstellbarkeit
Experimentierkreis
Q
Was ist eine Strategie ?
Aus Meyers Enzyklopädischem Lexikon:
Strategie [gr.],
allgemein der Entwurf und die Durchführung eines Gesamtkonzepts,
nachdem der Handelnde (in der Auseinandersetzung mit anderen)
ein bestimmtes Ziel zu erreichen sucht.
stathghma  Kriegslist
Eine Strategie ist nur dann anwendbar,
wenn der Gegner sich vorhersehbar verhält
Voraussehbar ?
Nicht voraussehbar ?
Experimentierobjekt
Stellkasten mit Qualitätsanzeige
Zum Eingangs- Ausgangsverhalten eines Versuchsobjekts
Behauptung
Das Eingangs-Ausgangs-Verhalten eines nicht
exotischen Versuchsobjekts ist im Bereich
kleiner Änderungen voraussehbar
Es gibt eine universelle Weltordnung
Kausalität
Gleiche Ursache, gleiche Wirkung
Schwache Kausalität
Kleine Ursachenänderung, große Wirkungsänderung
Starke Kausalität
Kleine Ursachenänderung, kleine Wirkungsänderung
!
Kausalität
Starke
Kausalität
Schwache
Kausalität
Billard-Effekt
Beispiel für
Schwache Kausalität
Schmetterlingseffekt
Der Schlag eines Schmetterlingsflügels
im Amazonas-Urwald kann einen Orkan in Europa auslösen.
Text
Logistische Gleichung
xn1  4  xn (1  x n )
x0  0,300000
x0  0,300001
x20  0,941785
x20  0,003313
x0  0,300002
x20  0,672075
Schwache Kausalität
Ljapunow-Exponent
Mathematisch wird die Geschwindigkeit eines exponentiellen Fehlerwachstums durch den Ljapunow Exponenten beschrieben. Dazu betrachtet man
die n Zustandsgrößen xi mit i = 1 bis n, die den Zustand des Systems vollständig beschreiben. Ein Unterschied Δ xi zwischen zwei nahezu identisch
präparierten, gleichartigen Systemen wächst dann von einem Anfangszeitpunkt t = 0 ausgehend vereinfacht betrachtet entsprechend
i t
Δ xi (t )  e  xi (t  0)
an, wobei λi der Ljapunow-Exponent zu xi ist. Für ein exponentielles
Wachstum ist daher mindestens ein positiver Ljapunow-Exponent λi
erforderlich.
Meine Behauptung: Echt chaotisch kann sich ein System nur verhalten, wenn
man an die Heisenbergsche Unschärferelation herankommt, wenn das System
Instabilitätsstellen besitzt, oder wenn das System nur diskret verstellbar ist.
Und das ist nicht der Normalfall !
Starke Kausalität
Normales Verhalten einer Kontinuums-Welt
A
G2 …
G1
Gi
W
9
1
P I D
1
9
x (t )
Regler
9
1
S4
9
S
1
1
1
S1
1
9
9
Strecke
9
9
1
S5
2
9
1
S3
S6
Diskrete Welt: verhält sich immer stärker
„stark kausal“, je größer das Quadrat ist
4 Versuchsobjekte
4 × starke Kausalität
Was hat die Starke Kausalität
mit der Evolutionsstrategie zu tun ?
Die Suche nach
einem Dokument
Eine Suchstrategie ist nutzlos in
einer chaotischen Welt
Eine Suchstrategie funktioniert
nur in einer geordneten Welt
Es gäbe keine
Evolutionsstrategie,
wenn sich der Opponent
„Natur“ völlig willkürlich
verhalten würde !
  
EvolutionsStratege

Starke Kausalität
Schwache Kausalität
sichtbar gemacht
Suchfeld
Experimentator
Tiefenlotung
Die Suche nach dem höchsten Gipfel
Suchfeld
Experimentator
Tiefenlotung
Die Suche nach dem höchsten Gipfel
Definition der
Fortschrittsgeschwindigkeit
Weg bergan
j  Zurückgelegter
Zahl der Versuche
Ausblick auf die nächste Vorlesung
Vier Strategien zur Lokalisierung eines Optimums
1. Globale deterministische Suche
2. Globale stochastische Suche
3. Lokale deterministische Suche
4. Lokale stochastische Suche
Ende
www.bionik.tu-berlin.de
Ein Schwarzer Kasten soll folgende Situation versinnbildlichen: Ein Experimentator steht vor einem undurchsichtigen Kasten. Er besitzt keine Kenntnis über die
innere Struktur des Kastens. Er kann lediglich einige aus dem Kasten herausragende Elemente betätigen, z. B. mechanische Schiebevorrichtungen, elektrische
Schalter usw. Diese Elemente seien Aktionspole genannt. Der Experimentator
kann an anderen aus dem Kasten herausragenden Elementen die Wirkung seines
Handelns beobachten, gegebenenfalls unter der Verwendung geeigneter Messwerke. Diese Elemente seien Reaktionspole genannt. Das Modell des Schwarzen
Kastens legt es also nahe, an jedem Versuchsobjekt drei Bereiche zu
unterscheiden:
Die Aktionspole, an welchen der Experimentator seine Handlungen ausführt.
Die unsichtbare innere Struktur, welche die von den Naturgesetzen bestimmten
Verbindungen zwischen Aktion und Reaktion enthält.
Die Reaktionspole, an welchen der Experimentator seine Beobachtungen anstellt.
Das Versuchsobjekt 1 sei ein Tragflügelprofil, das an die Stelle des schwarzen
Kastens treten soll. Das Experimentiermodell möge so konstruiert worden sein,
dass sowohl Ober- als auch Unterseite der flexiblen Flügelhaut durch verschiebbare Stangen lokal verschoben werden kann. Damit lassen sich an äquidistanten
x-Positionen die y-Koordinaten des Profils verändern (Aktion). Im Windkanal
werde der Auftrieb A und der Widerstand W (Reaktion) des Tragflügelmodells
gemessen.
Das Versuchsobjekt 2 sei ein aus Stäben aufgebauter Kragträger. Es soll eine
Last L über eine vorgegebene Spannweite in zwei Wandlager eingeleitet werden. Verstellt werden können die x- und y-Koordinaten der Stabwerksknoten
(Aktion). Wir bestimmen (z. B. mit dem Ritterschen Schnittverfahren) die in den
Verbindungslinien der Knoten wirkenden Zug- und Druckkräfte. Zulässige
Zugspannung und Eulersche Knickfestigkeit liefern schließlich die Gewichte G
der ausdimensionierten Stäbe (Reaktion). Im Gegensatz zum Tragflügelproblem wird das Aktions-Reaktions-Spiel auf dem Computer durchgeführt.
Das Versuchsobjekt 3 sei ein elektrischer oder pneumatischer PID-Regler. Proportionalanteil P, Integralanteil I und Differentialanteil D des Reglers können
unabhängig voneinander eingestellt werden (Aktion). Wir beobachten nach dem
Aufbringen einer sprungförmigen Störung auf den Eingang der Regelstrecke als
Reaktion das zeitliche Einschwingen der Regelgröße x (t).
Das Versuchsobjekt 4 entstammt der abstrakten mathematischen Welt. Gegeben
sei eine Matrix aus 3  3 = 9 Zahlen. Diese Zahlen können die Werte 1 bis 9 annehmen (Aktion). Wir messen bzw. berechnen die drei Zeilensummen S1, S2, S3, die
drei Spaltensummen S4, S5, S6 und die zwei Diagonalensummen S7, S8 (Reaktion).
Eine ungewöhnliche Entwicklungsaufgabe:
Es ist ein Flugzeug zu entwickeln, das in der Normalform (Flügel vorn, Leitwerk hinten) im Langsamflug operieren soll. In der so genannten Entenkonfiguration (Leitwerk vorn, Flügel hinten) soll es zum Überschallflugzeug werden. Gesucht ist das optimale Flügelprofil. Eiferer werden darauf hinweisen, man könne nicht beides
zugleich haben. Ein optimales Überschallprofil ist anders auszubilden als ein von rückwärts angeströmtes
optimales Langsamflug-Profil. Doch wurde das Entwicklungsziel für ein Kombinationsflugzeug so formuliert, ist
es müßig, über das optimale Überschallprofil und das optimale Unterschallprofil getrennt zu sinnieren. Gesucht
ist das optimales Kombinationsprofil. Eine Messung im Überschallkanal plus eine Messung im Unterschallkanal
am umgedrehten Profil ergibt die Qualität, die additiv aus beiden Messungen zusammengesetzt wird. Sollte das
neuartige Flugzeug in der Langsamflugrichtung häufiger als in der Überschallflugrichtung operieren, so muss
die Langsamflugmessung eine stärkere Gewichtung erfahren als die Überschallmessung.
Zweck eines Tragflügels ist es, Auftrieb zu erzeugen. Also soll sein Auftrieb A
möglichst groß werden. Ein Tragflügel erzeugt aber auch einen unerwünschten
Widerstand W. Es gilt also, A so groß wie möglich und W so klein wie möglich zu
machen. Nach vielen Stunden des Messens im Windkanal werden wir feststellen:
Beide Forderungen widersprechen sich. Profilformen mit hohem Auftrieb haben als
negative Eigenschaft einen hohen Widerstand. Und ist der Widerstand gering,
hapert es mit dem Auftrieb. Optimieren heißt einen Kompromiss finden. Für einen
Tragflügel lautet eine sinnvolle Kompromissformel: Das Verhältnis Auftrieb durch
Widerstand muss ein Maximum werden. Dieser Quotient lässt sich anschaulich
machen. Beispielsweise bedeutet der Wert A / W = 50, dass der Flügel auf 50 m
Gleitstrecke nur um 1 m sinkt.
Ein Stabtragwerk besteht aus Metallstäben, und die kosten Geld. Es erscheint
plausibel, die Kosten des Kragträgers proportional zu seinem Gewicht anzusetzen. Das Gesamtgewicht soll zu einem Minimum werden. Das Stabtragwerk
möge aus kreiszylindrischen Vollstäben aufgebaut sein. Die ausdimensionierten
Stäbe mit den Längen l i, den Durchmessern di und der Materialdichte  ergeben dann das Gesamtgewicht:
Ggesamt   
4

i
li di2
Der Regler soll einen Druckkessel nach einem plötzlichen Druckabfall (genormte
Störung) wieder auffüllen. Die Regelgröße x (Kesseldruck) kann sich dabei unter
vielmaligem Überschwingen oder auch langsam kriechend dem Sollwert nähern.
Ein Regler ist gut, wenn er die Soll-Istwert-Differenz w – x klein hält und dabei
möglichst schnell den Sollwert w wieder herstellt. Beide Wünsche werden durch
das so genannte ITAE-Kriterium (Integral-Time-Amplitude-Error) auf einen gemeinsamen Nenner gebracht:
T
0 w  x(t) dt
Die Absolutwert-Operation hat den Sinn, dass eine negative Soll-Ist-Differenz
gleich nachteilig wie eine positive gewertet wird.
Hinter der Konstruktion des 3  3 - Quadrats steht der Wunsch, es durch eine geschickte Wahl der Feldzahlen zu erreichen, dass die Zeilensummen, die Spaltensummen und die Diagonalensummen alle den Wert 15 ergeben. Eine Bewertung,
die gewährleistet, dass die Erfüllung des Wunsches mit dem Minimum einer
Funktion F zusammenfällt, lautet:
F  (n1  n2  n3  15)2  (n4  n5  n6  15)2  (n7  n8  n9  15)2 
 (n1 n4  n7  15)2  (n2  n5  n8  15)2  (n3  n6  n9  15)2 
 (n1 n5  n9  15)2  (n3  n5  n7  15)2
Die Fehlerquadrate gewährleisten, dass sich nicht positive und negative Fehler
gegenseitig aufheben.
Die einprägsame Formulierung des Schmetterlingseffekts stammt aus
einer Arbeit von Lorenz aus dem Jahre 1963 (LORENZ, Edward, N.:
Deterministic Nonperiodic Flow, in: Journal of the Atmospheric Sciences,
Volume 20, March 1963). In seiner ursprünglichen Form verwendete er
allerdings den Flügelschlag einer Möwe statt des Schmetterlings. Es ist gut
möglich, dass Lorenz durch die 1952 erschienene Kurzgeschichte Ferner
Donner von Ray Bradbury inspiriert wurde. In dieser Geschichte tritt ein
Zeitreisender versehentlich auf einen Schmetterling und sorgt dadurch für
Veränderungen in der Gegenwart.
1950 beschrieb Alan Turing bereits diesen Effekt:
"The system of the universe as a whole is such that quite small errors in the initial
conditions can have an overwhelming effect at a later time. The displacement of a single
electron by a billionth of a centimetre at one moment might make the difference between a
man being killed by an avanlanche a year later, or escaping. Alan M. Turing. "Computing
Machinery and Intelligence". Mind LIX, 1950.
Herunterladen