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Vorlesung Einführung in die Psychologie 22-05-06
Themen der heutigen Stunde:
Grundlegende Formen des Lernens
• Klassisches Konditionieren
• Operantes Konditionieren
• Beobachtungslernen
Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie
Universität Paderborn
Prof. Dr. Niclas Schaper
Vorlesung Einführung in die Psychologie
Klassisches Konditionieren
Iwan Pawlow (1849-1936) war einer der ersten, der das Phänomen des
klassischen Konditionierens beschrieben hat.
• Bei seinen Studien über die Verdauung untersuchte er die Eigenschaften des
Speichelflusses bei Hunden, eine Reflexreaktion auf Futter im Maul.
• Pawlows Methode bestand darin, dem Hund Futter darzubieten und den
abgesonderten Speichel zu messen.
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Vorlesung Einführung in die Psychologie
Grundlegende Merkmale des klassischen Konditionierens
Vor der Konditionierung:
•
Fleisch zeigen
und man erhält
UKS darbieten
•
Glocke tönen lassen
Speichelfluss
UKR
und man erhält
KS
keinen Speichelfluss
keine Reaktion
Während der Konditionierung:
•
Glocke tönen lassen
•
KS und UKS werden zusammen dargeboten
•
KS und UKS müssen mehrfach wiederholt werden
und dann
Fleisch zeigen
Nach der Konditionierung:
•
Glocke tönen lassen
und man erhält
KS
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Speichelfluss
KR
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Alltägliche Beispiele für klassisches Konditionieren
KS
Grundlegendes Muster
UKS
Nach einem Autounfall
erregt der Anblick eines
Autos Angst
Anblick eines Autos
Kind weint beim Anblick
eines Babysitters
Babysitter kommt
Ständige Sorgen um die
Arbeit - auch in der
Freizeit - führen zu
Magengeschwüren
Autounfall und Verletzung
Eltern verlassen
das Kind
(KR)
UKR
Angst
Weinen
An die Arbeit denken, sich
Sorgen darum machen
Anspannung oder Angst
(bei der Arbeit)
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Produktion von
Säure im Magen
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Reizgeneralisierung beim klassischen Konditionieren
Einzelfallstudie aus der Anfangszeit der wiss. Psychologie
(Watson & Raynor 1920):
Fall des kleinen Albert:
Das Zusammentreffen einer
Versuchsratte mit einem
schrecklich lauten Geräusch
führte beim kleinen Albert zu
einer konditionierten Angst vor
Ratten aber auch ähnlichen
pelzigen Tieren und Dingen
(Reizgeneralisierung)
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Operantes Konditionieren
• E. L. Thorndike (1849-1936) war der erste,
der Laborexperimente durchführte,
bei denen instrumentelles bzw. operantes
Konditionieren eingesetzt wurde.
• Es war jedoch B. F. Skinner (1849-1936),
der das operante Konditionieren berühmt machte.
• Durch seine Studien mit Tauben, Ratten und
Menschen wurden die grundlegenden Elemente
und Gesetze des operanten Konditionierens
identifiziert.
• Die Skinner Box war die am meisten benutzte
experimentelle Apparatur zur Untersuchung des
operanten Konditionierens.
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Grundlegende Merkmale des operanten Konditionierens
Reaktion
Konsequenz
Die Versuchsperson führt
eine Reaktion aus
die gefolgt wird
von
R
einer Stimulussequenz
S
Hungrige Ratte drückt einen
Hebel
R
Versuchsleiter gibt Futter
Kleiner Junge weint
Mutter spendet Trost
S
R
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S
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Vorlesung Einführung in die Psychologie
Verschiedene Formen des operanten Konditionierens
Reaktionshäufigkeit
erhöht sich
nimmt ab
angenehm
Positive Verstärkung
Negative Bestrafung
unangenehm
Negative Verstärkung
Positive Bestrafung
Stimuluskonsequenz
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Vorlesung Einführung in die Psychologie
Verschiedene Formen des operanten Konditionierens
Reaktionshäufigkeit
erhöht sich
angenehm
Stimuluskonsequenz
unangenehm
nimmt ab
Positive Verstärkung
Negative Bestrafung
(z.B. Taschengeld
bekommen, wenn man den
Müll raus trägt)
(z.B. Verbot, das Auto zu
benutzen, bei schlechten
Noten)
Negative Verstärkung
Positive Bestrafung
(z.B. einem Häftling anbieten,
dass er bei guter Führung
früher entlassen wird)
(z.B. Kinder bekommen einen
Klaps, wenn sie unanständige
Wörter benutzen)
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Nachteile der Bestrafung
•
Schnelle und gezielte Bestrafung kann unerwünschtes Verhalten zwar massiv
unterbinden, es hat aber auch erhebliche Nachteile:
•
Bestraftes Verhalten wird nicht vergessen, es wird lediglich unterdrückt;
– d.h. das bestrafte Verhalten kann in einer vor Strafe sicheren Umgebung
erneut auftreten
(z.B. wenn Kinder in Situationen fluchen, in denen ihre Eltern,
die es verboten haben, nicht dabei sind).
– Das Kind hat eher gelernt, zu diskriminieren.
•
Insbesondere wenn Bestrafung mit der Anwendung körperlicher Gewalt
verbunden ist, entstehen extrem nachteilige Folgen:
– So weisen Kinder, die in ihrer Erziehung geschlagen wurden, ein erhöhtes
Aggressions- und Depressionsrisiko auf.
– Körperliche Bestrafung verstärkt Aggressivität auch dadurch, dass Aggression
als Möglichkeit zur Problemlösung angeboten wird (Beobachtungslernen).
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Nachteile der Bestrafung
•
Strafe kann außerdem Angst auslösen
– wer bestraft wird, verbindet die Angst nicht nur mit dem unerwünschten
Verhalten, sondern auch mit der strafenden Person (z.B. Lehrer)
oder mit der Situation (z.B. Schule), in der gestraft wird.
•
Besser als Bestrafung ist daher meist, unerwünschtes Verhalten durch die
Verstärkung alternativen Verhaltens zu reduzieren
(z.B. du kannst dann zum Abendbrot kommen,
wenn du dein Zimmer aufgeräumt hast).
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Weitere Charakteristika der operanten Konditionierung
•
Primäre und sekundäre Verstärkung:
– Primäre Verstärker sind automatisch wirksam bzw. belohnend
(z.B. Futter für das hungrige Tier).
– Sekundäre Verstärker sind Reize, die zu Verstärkern werden können,
wenn das Tier oder der Mensch lernt, dass sie mit primären Verstärkern
assoziiert sind (z.B. Geld).
•
Verhaltensgeneralisierung:
– Hierbei führt ein Lernender, der eine bestimmte Reaktion geübt hat,
diese unter veränderten, aber ähnlichen Situationsbedingungen aus
(z.B. sich höflich nicht nur gegenüber Eltern, sondern auch anderen
Erwachsenen verhalten).
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Weitere Charakteristika der operanten Konditionierung
•
Diskriminative Reize:
– Bei der Reizkontrolle ist ein Hinweisreiz vorhanden, der dem Lernenden
signalisiert, dass eine Belohnung oder Bestrafung in Abhängigkeit von
seinem Verhalten stattfinden wird
(z.B. das Teennager nur dann nicht rauchen, wenn ihre Eltern da sind).
•
Verhaltensformung (Shaping):
– Mit Hilfe von Shaping kann man Verhalten trainieren, das komplex oder
ungewöhnlich ist.
– Es beinhaltet ein Lernen in kleinen Schritten, wobei jeder nachfolgende
Schritt eine Reaktion verlangt, die dem erwünschten Verhalten näher kommt
(Methode der sukzessiven oder stufenweise Annäherung;
z.B. einem Hund beibringen, Saltos zu schlagen).
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Intermittierende Verstärkung und Verstärkungspläne
Intermittierende Verstärkung:
•
Während des Lernens wird nicht jede einzelne Reaktion des Lernenden
verstärkt, sondern nur ein Teil des richtigen Verhaltens.
•
Verhalten bzw. Gewohnheiten, die unter Bedingungen intermittierender
Verstärkung erlernt wurden, sind deutlicher schwieriger zu löschen.
Verstärkungspläne
Feste Pläne
Variable Pläne
Quote
Intervall
Feste Quote
Festes Intervall
(z.B. belohnen des Hundes für
jede vierte richtige Reaktion)
(z.B. Lohnzahlung an jedem
Freitag)
Variable Quote
Variables Intervall
(z.B. Gewinnplan eines
Geldspielautomaten)
(z.B. per Anhalter fahren)
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Aneignung, Löschung und Erholung
•
Aneignung: Die Festigung einer verstärkten Reaktion.
•
Löschung: Ein Verhalten wird nicht mehr verstärkt und dadurch gelöscht.
•
Erholung: Nach einer Pause wird das verstärkte Verhalten wieder häufiger
gezeigt, obwohl es nicht weiter verstärkt wird.
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Vorlesung Einführung in die Psychologie
Anwendungen der operanten Konditionierung im Alltag
•
Schule:
Verwendung von Lehrmaschinen und Lernbüchern,
die den Prozess des Lernens in kleine Schritte einteilen
und sofortige Verstärkung für richtige Antworten lieferten
(Programmierte Unterweisung)
•
Arbeitsplatz:
Manager zogen Nutzen aus behavioristischen Studien,
indem sie Verstärkungstechniken zur Steigerung der Produktivität einsetzten
(z.B. durch die Einführung von Prämienlohnsystemen oder die Bekräftigung/
Belobigung von klar definierten Verhaltensweisen bzw. Leistungen)
•
Erziehung:
Entwicklung von Trainingsprogrammen für Eltern,
um mit „schwierigen“ Verhaltensweisen von Kindern besser umzugehen
(z.B. Wutausbrüche oder Trotzverhalten)
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Anwendungen der operanten Konditionierung im Alltag
•
Selbstmanagement:
Einsatz von Verstärkungstechniken bei uns selbst,
um erwünschtes Verhalten (z.B. regelmäßig Joggen) zu verstärken
oder unerwünschtes Verhalten (z.B. Rauchen) zu löschen
•
Risiko der operanten Konditionierung:
Falsch oder übermäßig angewandte Verstärkungen
(z.B. bei Tätigkeiten, die wir aus Interesse tun, für die wir intrinsisch motiviert
sind) können dazu führen, dass wir unser ursprüngliches Interesse verlieren
und damit die intrinsische Motivation untergraben
(z.B. im Biologieunterricht nur für gute Noten lernen).
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Beobachtungslernen (Bandura, 1977)
Wie wird durch Beobachtung gelernt?
•
Hierbei wird gelernt, indem man jemanden oder etwas beobachtet
und die beobachteten Informationen verarbeitet.
•
Indem wir bei einem Verhalten zuschauen, lernen wir nicht nur,
wie man sich in der Situation verhalten kann,
sondern wir lernen auch zu antizipieren, welche Folgen das
Verhalten in einer Situation hat.
•
Wir tendieren außerdem dazu, diejenigen zu imitieren,
die uns selbst ähnlich sind oder die wir für erfolgreich
oder bewunderungswürdig halten.
•
Wir erlernen fast sämtliche Formen des Sozialverhaltens
durch Beobachtung und Nachahmung von Modellen.
Dies bezieht sich allerdings nicht nur auf prosoziales
(z.B. hilfsbereites), sondern auch antisoziales
(z.B. gewalttätiges) Verhalten.
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Beispiel für Beobachtungslernen bei Kindern
(Bandura, 1977)
Dieser 14 Monate alte Junge
imitiert ein Verhalten, das er im
Video eines Forschungslabors
gesehen hat.
Auf dem oberen Foto
beobachtet das Kind
aufmerksam den Erwachsenen,
der ein Spielzeug zerreißt.
Das mittlere Foto zeigt das
Kind, das gerade ein Spielzeug
bekommen hat.
Auf dem unteren Foto zerreißt
das Kind das Spielzeug und
imitiert damit, was es bei dem
Erwachsenen gesehen hat.
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Fernsehen und Beobachtungslernen
•
Fernsehen ist eine wichtige Quelle für Beobachtungslernen:
– In Deutschland besitzt inzwischen jedes dritte Kind im Alter von 6-13 Jahren
über ein eigenes Fernsehgerät
– Kinder mit eigenem Fernsehgerät sehen im Durchschnitt 133 Minuten/Tag
fern, während Kinder ohne eigenes Fernsehgerät etwa 90 Minuten/Tag
schauen
•
Gewalt im Fernsehen:
– Amerikanische Fernsehsender zeigen während der Haupteinschaltzeit
ungefähr drei Gewalttaten pro Stunde
– anders als im wirklichen Leben, wo 87% aller Verbrechen gewaltfrei
ablaufen, sind im Fernsehen nur 13% aller Verbrechen gewaltfrei
– In 50% der der Gewaltszenen wird der Schaden nicht gezeigt, der den
Opfern zugefügt wird, und 6 von 10 Szenen zeigen den Schmerz von Opfern
nicht
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Fernsehen und Beobachtungslernen
Wichtige Forschungsfrage:
•
Bringt Gewalt im Fernsehen manche Menschen dazu, selbst gewalttätig zu
werden?
– Was spricht dafür? Was spricht eher nicht dafür?
– Wie würden Sie diese Fragestellung untersuchen?
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Fernsehen und Beobachtungslernen
Ergebnisse aus Korrelationsstudien:
•
Je mehr Stunden Kinder damit verbringen, Gewaltszenen im Fernsehen
anzuschauen, desto stärker sind sie als Jugendliche und Erwachsene anfällig
für Aggression und Gewalt (Eron, 1987; Turner et al., 1986)
•
In den USA und Kanda verdoppelten sich die Mordfälle zwischen 1957 und
1974
– während dieser Zeit setzte die Verbreitung des Fernsehens ein;
in Regionen, die das Fernsehen später einführten, kam es entsprechend
später zu einem Anstieg der Mordzahlen
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Fernsehen und Beobachtungslernen
Ergebnisse aus experimentellen Studien:
•
Ein Forschungsteam um Boyatzis (1995) beobachtete eine 7-fache Zunahme
von Gewalt im Spiel bei Kindern, die „Power Rangers“ angeschaut hatten
•
Männliche Zuschauer, die 3 Abende damit verbrachten Filme anzuschauen,
die sexuelle Gewalt enthielten, empfanden weniger Mitgefühl für Opfer
häuslicher Gewalt
Außerdem hielten sie die Verletzungen der Opfer für weniger gravierend
als Personen, die diese Filme vorher nicht sahen
(Mullin & Linz, 1995).
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