Vorlesung Einführung in die Psychologie 29-05-06

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Vorlesung Einführung in die Psychologie 29-05-06
Themen der heutigen Stunde:
•
Informationsverarbeitungsansatz
•
Modell des Gedächtnissystems
•
Enkodierungsprozesse
•
Speichern von Gedächtnisinhalten
(Repräsentation von Wissen)
– Prozedurales und deklaratives Wissen
– Propositionen, Netzwerke und Schemata
•
Abrufen und Vergessen
– Konstruktive Gedächtnisprozesse
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Vorlesung Einführung in die Psychologie 1
Modell der Informationsverarbeitung
•
Theorien der Informationsverarbeitung basieren auf der Analogie zwischen
Informationsverarbeitungsprozessen von Computern und Menschen.
•
Informationsverarbeitungsansätze sind durch folgende Annahmen
charakterisiert:
1. Der Informationsfluss kann in Verarbeitungsstufen und
Verarbeitungsprozesse unterteilt werden.
2. Wir verfügen über begrenzte Kapazitäten zur Informationsverarbeitung.
3. Wir verfügen über Steuerungs- und Kontrollmechanismen,
um die Gesamtoperationen des Systems zu lenken.
4. Die Informationsverarbeitung erfolgt sowohl „datengetrieben“ (bottom-up)
als auch „wissensgetrieben“ (top-down).
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Modell des Gedächtnissystems
Sensorisches Gedächtnis
Kodierung für das Kurzzeitgedächtnis:
(1) Merkmalsanalyse, (2) Erkennung der Reizelemente,
(3) Wiedererkennen von Mustern, (4) Benennung
Wiederholende
Einübung
Kurzzeitgedächtnis
Primärer
Speicher
Dekodierung
Arbeitsspeicher
Kodierung für das Langzeitgedächtnis:
Modifizierende Einübung: (1) Bildung von Chunks,
(2) Bildung von Reimen, (3) Bildung von Assoziationen
Langzeitgedächtnis
Erklärendes
Wissen
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Handlungswissen
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Sensorisches Gedächtnis
• Grundeigenschaften des sensorischen Gedächtnisses:
– System mit extrem hoher Kapazität
– Informationen werden so registriert wie sie sind bzw. werden nicht
bearbeitet (relativ exaktes Abbild der Außenwelt)
– dieses Gedächtnis ist relativ kurzlebig (1 Sekunde bei visuellen Reizen).
• Wenn die Informationen des sensorischen Gedächtnisses behalten werden
sollen, müssen sie relativ schnell verarbeitet werden:
– Dies beginnt mit der selektiven Wahrnehmung
(Prozess der Merkmalsanalyse und Erkennung von Reizelementen).
– Darauf folgt das „Wiedererkennen von Mustern“, wobei die Informationen
des sensorischen mit dem Langzeitgedächtnis in Berührung kommen.
Erst die dort aktivierte Information gelangt ins Bewusstsein (Benennung).
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Untersuchung des „fotografischen“ Gedächtnis (Sperling, 1965)
7
H
T
9
P
D
3
1
2
K
8
G
Unterschiedliche Verarbeitungen der Laute von
v e r s t a n d:
Ich verstand es einfach nicht in diesem Vers stand geschrieben:
Doch als sie dort am U- fer stand
Verlor sie gänzlich den Verstand.
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Kurzzeitgedächtnis (KZG)
Das Kurzzeitgedächtnis unterscheidet sich vom sensorischen Gedächtnisses
in folgenden Punkten:
•
Es verfügt über eine extrem begrenzte Kapazität
(7 +/- 2 Informationseinheiten).
•
Die Information im KZG wird absteigend analysiert
(Ergebnis ist eine kodierte Repräsentation).
•
Der Repräsentationskode der Information im KZG ist meist verbaler Art (im
Gegensatz zum ikonischen beim sensorischen Gedächtnis).
•
Auch die Information im KZG wird relativ schnell wieder gelöscht (spätestens
nach 20-30 Sekunden).
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Kurzzeitgedächtnis (KZG)
•
Das Kurzzeitgedächtnis unterteilt sich in 2 Abschnitte:
– Primärer Speicher:
beinhaltet Informationen, die unmittelbar abrufbar sind.
– Arbeitsspeicher:
verarbeitet und transformiert die in ihm gespeicherten Informationen
bzw. ändert deren Verschlüsselung.
•
Zur Optimierung der Verarbeitungskapazität des KZG werden
sog. Chunks gebildet.
– In Chunks werden möglichst viele Informationen so gebündelt und
strukturiert, dass sie durch 1 Einheit abgerufen werden können.
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Beispiel für die Bildung von Chunks im KZG
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Langzeitgedächtnis (LZG)
•
Das Langzeitgedächtnis unterscheidet sich vom Kurzzeitgedächtnis und
sensorischen Gedächtnisses in folgenden Punkten:
– Seine Kapazität ist nach bisherigen Erkenntnissen unbegrenzt.
– Die Informationen im LZG sind weitgehend verarbeitet und
assoziativ verbunden (Gefahr von tendenziösen Verzerrungen).
– Die Informationen im LZG lassen sich sehr viel schwieriger vergessen
als in den beiden anderen Vorstufen.
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Langzeitgedächtnis (LZG)
•
Gründe für mangelndes Erinnerungsvermögen liegen in der mangelnden
Verfügbarkeit und Abrufbarkeit von Informationen:
– Die Information ist nicht verfügbar
(sie wurde nicht gelernt bzw. gespeichert oder sie ist abhanden gekommen).
– Wir können die Information nicht abrufen
(sie ist da, aber wir kommen nicht an sie heran:
„mir liegt es auf der Zunge“-Phänomen).
– Wenn eine Person sich an etwas nicht erinnern kann, kann man ihr mit
„Gedächtnisstützen“helfen
(hier zeigt sich, dass viel mehr Informationen verfügbar sind,
als sich normalerweise abrufen lassen).
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Enkodierungsprozesse
• Jede neue Information aus der Umwelt, die man sich aneignen möchte,
muss enkodiert werden. Normalerweise bemerken wir diese
Enkodierungsprozesse gar nicht (automatische Verarbeitung).
• Doch in bestimmten Fällen verläuft die Enkodierung nicht so mühelos
(bewusste Verarbeitung; z.B. beim Lesen, Verstehen und Aneignen eines Textes
für eine Prüfung).
• Wie funktionieren Enkodierungsprozesse und welche eignen sich am besten für
die Bildung dauerhafter Erinnerungen?
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Enkodierungsprozesse
• Wiederholende Einübung:
– Ein Inhalt wird häufig genug wiederholt, so dass er nicht aus dem KZG
verschwindet (z.B. beim Merken einer Telefonnummer)
• Modifizierende Einübung:
– verbindet den neuen Inhalt mit dem bereits im LZG gespeicherten Wissen
– den neuen Inhalt in eine Kategorie mit ähnlichen Inhalten einordnen
– sich den neuen Inhalt bildlich vorstellen
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Enkodierungsprozesse
• Unterschiedliche Ebenen der Verarbeitung:
– Weniger tiefe Ebenen beziehen sich auf rein sensorische Aspekte eines
Inhalts. Auf tieferen Ebenen werden die semantischen Aspekte eines Inhalts
verarbeitet (also das, was es bedeutet).
– Je tiefer und gründlicher ein Inhalt verarbeitet wird, umso leichter lässt er
sich aus dem LZG abrufen.
• Verknüpfung mit anderen Gedächtnisinhalten:
– Je mehr Verbindungen zwischen einem neuen Inhalt und dem gespeicherten
Wissen bestehen, desto leichter lässt er sich abrufen, weil er über mehrere
Wege ins Gedächtnis gerufen werden kann.
• Zusätzliche geistige Anstrengung:
– Gedächtnisaufgaben, die eine größere Anstrengung abverlangen, führen zu
besseren Reproduktionsleistungen (auch tieferes Verarbeiten erfordert eine
größere geistige Anstrengung).
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Enkodierungsprozesse
• Wirkungsvolle Einübungstechniken:
– Bildhafte Vorstellung oder Imagination:
Diese erleichtert das Lernen neuer Informationen und fördert die Qualität der
Reproduktionen.
• Gedächtniskünstler gründen ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten auf visuelle
Vorstellungen: z.B. Loci-Technik.
– Wie leicht sich bildhafte Vorstellungen produzieren lassen, ist abhängig von
der Art des zu erlernenden Materials:
• konkrete Begriffe sind relativ leicht vorstellbar,
während abstrakte Begriffe keine visuelle Entsprechung besitzen.
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Enkodierungsprozesse
• Wirkungsvolle Einübungstechniken:
– Strukturierung:
Je besser eine Nachricht logisch gegliedert ist, desto leichter kann man sie
lesen und sich merken. Das gilt auch für Bilder:
¾ Man kann bildlich dargestellte Informationen wesentlich einfacher
verschlüsseln und behalten, wenn sie auf verständliche und gewohnte
Weise angeordnet sind (vgl. Folie 17 und 18).
– Eine wichtige systematisierende Verschlüsselungstechnik ist das Chunking,
das Bilden von Einheiten oder „Blocks“ nicht zusammengehöriger Inhalte auf
Grund bestimmter vertrauter Regeln
(vgl. Experiment mit einem Gedächtniskünstler auf Folie 19).
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Beispiel für Strukturierung (Bild A)
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Beispiel für Strukturierung (Bild B)
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Zahlengedächtnis eines Gedächtniskünstlers
(Ericsson & Chase, 1982)
Bei dieser Studie wurden Aufgaben
zum unmittelbaren Zahlengedächtnis
verwendet:
Die Probanden bekamen eine Liste
von Zahlen in zufälliger Reihenfolge
mit eine Geschwindigkeit von 1 Ziffer
pro Sekunde dargeboten.
Nach der Darbietung musste der
Proband die Liste in der ursprünglichen Reihenfolge wiedergeben.
Einem Probanden gelang es in 190
Übungsstunden (38 Blöcke von je 5
Tagen) durch eine besondere
Chunkingmethode eine Gedächtnisleistung von 80 Ziffern zu erreichen.
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Speicherungsprozesse - Repräsentation von Wissen
•
Wir speichern interne geistige Abbilder unserer persönlichen Wirklichkeit ab.
Diese Abbilder oder Repräsentationen entstehen dadurch, dass wir
Informationen über neue Erfahrungen ins Gedächtnis enkodieren.
•
Das LZG verwendet dazu unterschiedliche Arten von Repräsentationen:
– Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen
– Unterschiedlich Formen der Wissensorganisation:
• Propositionen
• Netzwerke
• Schemata
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Deklaratives und prozedurales Wissen
•
Deklaratives Wissen:
Faktenwissen oder Wissen, das etwas ist
(z.B. dass die Zugspitze 2962 m hoch ist)
•
Prozedurales Wissen:
Fertigkeitsbezogenes Wissen oder Wissen, wie etwas geht
(z.B. wie man Fahrrad fährt)
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Unterschiede zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen
•
Deklaratives Wissen besitzt man oder man besitzt es nicht,
während man prozedurales Wissen auch nur teilweise besitzen kann.
•
Deklaratives Wissen wird von einem Moment auf den anderen erworben,
während man sich prozedurales Wissen allmählich aneignet.
¾ Alle prozeduralen Fertigkeiten müssen geübt werden, damit man sie
beherrscht.
¾ Das Erlernen prozeduraler Fertigkeiten erfordert außerdem Rückmeldungen.
•
Deklaratives Wissen kann verbal mitgeteilt werden, während prozedurales
Wissen oftmals nur gezeigt werden kann.
¾ Es ist schwierig eine Fertigkeit zu erklären, selbst wenn man Experte dafür
ist.
•
Deklaratives Wissen ist wahrscheinlich in anderen Gehirnstrukturen abgebildet
als prozedurales Wissen.
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Propositionen - Wissen in Aussageform
•
Kintsch (1974) schlägt ein Modell vor, wonach sich sowohl verbale als auch
bildliche Informationen in einer abstrakteren, nämlich propositionalen Form
darstellen lassen.
– Er behauptet, dass die propositionale Darstellung den einzigen und
tatsächlichen Gedächtniskode bildet.
•
Eine Proposition reduziert einen Satz auf seine logische Form – einen zentralen
relationalen Term und eine Reihe von Elementen, für die die Relation erfüllt ist.
•
Beispiel:
Dieter fuhr mit dem Fahrrad zum Lebensmittelgeschäft.
Proposition = Fahren (Dieter, Fahrrad, Lebensmittelgeschäft, Vergangenheit)
•
Der Input des Wissenssystems kann gemäß dieser Theorie verbal oder bildlich
sein, die Repräsentation erfolgt in propositionaler Form.
•
Entsprechend kann der Output vom System verbal oder bildlich sein, weil beides
aus einer propositionalen Wissensbasis erzeugt werden kann.
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Wissens-Netzwerke
•
Gedächtnismodelle, die auf dem Netzwerkprinzip beruhen, nehmen an, dass
Informationen in ein Netzwerk von Knoten (Konzepte) und Verbindungen
(Assoziationen) zwischen diesen Knoten strukturiert ist.
•
Diese Netzwerke sind außerdem hierarchisch aufgebaut, wobei allgemeinere
bzw. abstraktere Begriffe höher in der Hierarchie angeordnet sind (vgl. Folie 25).
•
Das Netzwerkprinzip passt gut zu der Vorstellung, dass Informationen
in Form von Propositionen gespeichert sind.
•
Forschungsergebnisse zeigen, dass man die Frage „Haben Kanarienvögel
Federn?“ schneller beantwortet als die Frage „Haben Kanarienvögel eine
Haut?“.
– Dieses Ergebnis unterstützt die Annahme einer hierarchischen Anordnung,
da die Proposition „hat eine Haut“ höher in der Hierarchie gespeichert ist als
die Proposition „hat Federn“ (vgl. Folie 25).
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Beispiel für ein propositionales Netzwerk
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Wissens-Schemata
•
Vieles von unserem Wissen ist stereotypisiert und viele unserer alltäglichen
Erfahrungen sind routinemäßig wiederkehrend und vorhersagbar.
•
Unser Wissen über solche allgemeinen und vorhersagbaren Erfahrungen ist auf
spezielle Art systematisiert;
d.h. Teile unseres semantischen Gedächtnisnetzwerks sind hochstrukturiert
und werden als Schemata oder Skripte bezeichnet.
Beispiele: Lebensmittel einkaufen, Restaurantbesuche, Wäsche waschen.
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Wissens-Schemata
•
Obwohl das Wissen in einem Schema sehr stereotyp ist, kann das Schema
verschiedene Feindifferenzierungen enthalten, um mit veränderlichen
Situationen fertig zu werden.
•
Die Knoten des Netzwerks kann man sich dabei als freie Speicherstellen
vorstellen, in die die Details einer aktuellen Situation abgespeichert werden, für
die man das Schema gerade benutzt.
– Falls einige dieser Details fehlen oder nicht beachtet werden, enthält das
Schema Standardparameter, die es automatisch einsetzt (Normwissen).
•
Schemata erleichtern das Abrufen von Wissen, indem sie es systematisieren.
– Ohne solch ein hochorganisiertes System wäre unser semantisches Wissen
nur sehr schwer zu benutzen.
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Abrufen und Vergessen von Gedächtnisinhalten
•
Wenn eine Information benötigt wird, muss das Gedächtnis sie abrufen können.
•
Erfolgreiches Abrufen impliziert, dass die Information (1) vorhanden ist
und (2) zugänglich ist.
•
Vergessen bedeutet, dass die Information entweder nicht vorhanden ist
(sie wurde aus dem Speicher verloren) oder
falls vorhanden, nicht zugänglich ist.
•
Psychologen nehmen an, dass Lernen oder Enkodieren eine Spur im
Gedächtnissystem hinterlässt. Diese Spur kann sich dynamisch verändern und
mit der Zeit schwächer oder verwischt werden.
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Abrufen und Vergessen von Gedächtnisinhalten
•
Misserfolg beim Abrufen wird spurabhängiges Vergessen genannt,
wenn die ursprüngliche Spur nicht (mehr) vorhanden ist.
•
In anderen Fällen kann man eine vorhandene Spur nicht abrufen, weil die
Hinweise, die man zum Zeitpunkt des Abrufens hat, nicht angemessen sind.
Die Kontexthinweise der ursprünglichen Lernsituation fehlen oder störende
Hinweise blockieren das Abrufen.
•
Von hinweisabhängigem Vergessen spricht man, wenn die Spur vorhanden,
aber nicht zugänglich ist.
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Erklärungsansätze zum Vergessen
•
Gestalttheorie: Vergessen ist ein Ergebnis automatischer Veränderungen der
Gedächtnisspur im Laufe der Zeit (spurabhängiges Modell).
– Die einfachste Form der Veränderung ist Verfall, die allmähliche
Abschwächung und das letztendliche Verschwinden einer Gedächtnisspur
durch Nichtnutzung.
– Eine Spur kann sich im Laufe der Zeit aber noch durch andere Arten
verändern:
(1) Leveling (Glättung),
(2) Sharpening (Akzentuierung)
(3) Assimilation (Angleichung).
•
Theorie der Enkodierspezifität: Vergessen ist der Tatsache zu zuschreiben,
dass Hinweise, die beim Erinnern vorhanden sind, sich von den Hinweisen
unterscheiden, die beim Lernen vorhanden waren.
– D.h. Reize, die mit dem zu lernenden Inhalt in der Lernsituation auftraten,
sind die geeignetsten Hinweise, um Zugang zu episodischen Erinnerungen
zu erhalten.
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Konstruktive Gedächtnisprozesse
•
Das Gehirn ist keine Kopiermaschine, vielmehr lassen sich Gedächtnisleistungen im Rahmen eines Konstruktions-/Rekonstruktionsmodells erklären:
– Man kopiert Ereignisse nicht einfach und bewahrt Kopien auf, sondern man
konstruiert Abbildungen von Ereignissen, die dann gespeichert werden.
– Beim Versuch, ein Ereignis zu erinnern, ruft man die Repräsentation ab
und versucht das Ereignis von der Repräsentation abzuleiten oder zu
rekonstruieren.
•
Bei vielen Gelegenheiten ist das Abrufen also eine Problemlösungsaufgabe,
bei der verschiedene Informationsteile ausgewertet werden müssen, um sich zu
erinnern.
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Konstruktive Gedächtnisprozesse
•
Dieses Modell verdeutlicht, dass auf Grund der Abstraktheit der Gedächtnisrepräsentationen, die Erinnerung auf zwei Arten gestört werden kann:
– Die Verzerrung kann beim Enkodieren vorkommen. Man kann die
eintreffende Information falsch interpretieren (konstruktive Verarbeitung).
– Die Erinnerung unterliegt beim Abrufen Störungen, wenn die Hinweise, die
beim Erinnern vorliegen, nicht mit denen beim Erlernen identisch sind.
Abrufhinweisreize können einen deutlichen Einfluss auf die Rekonstruktion
von Erinnerungen haben.
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