Neues Kündigungsschutzrecht 2004

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Neues Kündigungsrecht
2004
Handlungsmöglichkeiten
für den Betriebsrat
von Marc Hessling, Rechtsanwalt in Mülheim an der Ruhr
Im Auftrag von:
ViA-B e.V., Duisburg
1. Version; Stand 10.06.2005
Vorbemerkung
•
Die nachfolgend zitierten
Entscheidungen können in aller Regel
über das Internet bezogen werden:
–
–
–
•
•
Die Entscheidungen können bei den
Gerichten auch als Abschriften bestellt
werden (kostenpflichtig). Nähere
Informationen auf den o.g.
Internetseiten.
Sofern eine Entscheidung dort nicht
veröffentlicht sein sollte oder
empfohlene Aufsätze dem
Benutzerkreis nicht zur Verfügung
stehen, sendet der Referent die
Entscheidungen / Fundstellen gerne
den Betriebsräten zu:
–
–
10.06.2005
www.bundesarbeitsgericht.de
www.bundesverfassungsgericht.de
www.arbeitsrecht.de
www.kanzlei-hessling.de
[email protected]
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
2
Vorbemerkung
•
•
10.06.2005
Die mit dieser Präsentation
verknüpften Dokumente (Vorlagen
für Betriebsvereinbarungen etc.)
sind im PDF-Format gespeichert.
Die in dieser Präsentation
enthaltenen
Musterbetriebsvereinbarungen
und Mustertextbausteine sind
lediglich Formulierungsbeispiele.
Es sei ausdrücklich davor
gewarnt, diese unkritisch und
unverändert für den eigenen
Betrieb zu übernehmen.
Betriebsvereinbarungen müssen
wie ein Maßanzug auf die
Besonderheiten des jeweiligen
Betriebes zugeschnitten sein.
Hierfür stehen wir ihnen gerne zur
Verfügung.
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Übersicht
• Übersicht über die Änderungen im
KSchG
• Änderungen im Sozialrecht
• Bewertung der Änderungen
• Handlungsmöglichkeiten für
Arbeitnehmer und betriebliche
Interessenvertretungen
• Aktuelle Rechtsprechung zum KSchG
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Übersicht Änderungen des
KSchG
• Ausweitung der
„Kleinbetriebsklausel“
• Einschränkung der Sozialauswahl
• Einschränkung des
Kündigungsschutzes bei
Interessenausgleich mit
„Namensliste“
• Anspruch auf Abfindung
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Ausweitung der
„Kleinbetriebsklausel“
• Bisher: Anwendbarkeit
des 1. und 2. Abschnitts
des KSchG wenn im
Betrieb mehr als 5
Arbeitnehmer mit
Ausnahme der nur zu
ihrer Berufsausbildung
Beschäftigten beschäftigt
sind (Teilzeitbeschäftigte
werden anteilig gezählt).
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Ausweitung der
„Kleinbetriebsklausel“
• Seit 01.01.2004: Für
Arbeitnehmer, die bereits vor dem
01.01.2004 beschäftigt waren gilt
der bisherige Schwellenwert (mehr
als 5 Arbeitnehmer) unverändert
weiter.
• Für ab dem 01.01.2004
eingestellte Arbeitnehmer gilt ein
erhöhter Schwellenwert von mehr
als 10 Arbeitnehmern.
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Ausweitung der
„Kleinbetriebsklausel“
• Sind also im Betrieb 10 oder weniger
Arbeitnehmer beschäftigt, so sind die
Vorschriften des 1. Abschnitts des KSchG mit
Ausnahme der §§ 4 bis 7 und § 13 Abs. 1
Sätze 1 und 2 KSchG nicht anzuwenden.
• Das KSchG ist also nur anwendbar, wenn
mehr als 10 Arbeitnehmer mit Ausnahme der
Auszubildenden beschäftigt werden.
• Auszubildende werden weiterhin nicht
mitgezählt
• Teilzeitbeschäftigte werden anteilig gezählt
(auch „geringfügig Beschäftigte“).
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Ausweitung der
„Kleinbetriebsklausel“
• Es gelten also zwei
unterschiedliche
Schwellenwerte für
Alt- und
Neueinstellungen:
Stichtag ist dabei
der 31.12.2003 /
01.01.2004.
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Berechnung des
Schwellenwerts
• Abzustellen ist auf die Zahl der
regelmäßig Beschäftigten im Zeitpunkt
des Zugangs der Kündigung,
kurzfristige saisonale Schwankungen
sind unbeachtlich.
• Ruhende Arbeitsverhältnisse werden
mitgezählt (z.B. Arbeitnehmer in
Elternzeit); wurde hierfür eine
Ersatzarbeitskraft eingestellt, so wird
der Arbeitsplatz nur einmal gezählt.
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Schwellenwertberechnung
bei Teilzeitbeschäftigten
Beschäftigungsvolumen
Zählfaktor
Bis 20 Stunden / Woche
0,5
Bis 30 Stunden / Woche
0,75
Mehr als 30 Stunden /
Woche
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Begriff der
„Berufsausbildung“
•
•
•
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Für die Berechnung des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1
KSchG n.F. bleiben die lediglich zu ihrer „Berufsausbildung“
Beschäftigten außer Betracht.
In § 23 Abs. 1 KSchG a.F. war noch von „Berufsbildung“ die
Rede.
Der Begriff der „Berufsausbildung“ ist enger, er ist durch § 1
Abs. 1 BBiG definiert und umfasst nur die Ausbildung im
engeren Sinne; die „Berufsbildung“ (§ 1 Abs. 2 BBiG) erfasst
dagegen auch die berufliche Umschulung, Berufsvorbereitung
und berufliche Fortbildung.
Vermutlich handelt es sich bei dieser „unglücklichen“ Wortwahl
lediglich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers,
nichts desto trotz sollte der Kreis von Umschülern etc. durch
den BR etwa im Falle einer Kündigungsanhörung als
Arbeitnehmer bei der Schwellenwertberechnung mitgezählt
werden, jedenfalls solange diese Frage noch nicht endgültig
durch die Rechtsprechung geklärt ist.
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Besitzstandsregelung
• Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem
01.01.2004 im Betrieb beschäftigt waren,
bleibt es beim Schwellenwert von mehr als 5
Arbeitnehmern, unabhängig davon ob sie in
diesem Zeitpunkt die 6 Monate Wartezeit nach
§ 1 KSchG bereits erfüllt hat, oder nicht.
• Die Besitzstandsregelung gilt zeitlich
unbefristet.
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Besitzstandsregelung
• Tipp: Arbeitnehmer und Betriebsräte
sollten möglichst schnell – wenn nicht
schon geschehen – die regelmäßige
Beschäftigtenanzahl im Betrieb zum
Stichtag 01.01.2004 feststellen und
wenn möglich die beschäftigten
Arbeitnehmer mit jeweiliger
Wochenarbeitszeit namentlich erfassen
und vom Arbeitgeber bestätigen lassen.
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Einschränkung der
Sozialauswahl
• Hierzu lesenswert:
Zwanziger, Änderungen der
Sozialauswahl im neuen
Kündigungsschutzrecht, AiB 2004, 10.
• Beschränkung der
Sozialauswahlkriterien
• Herausnahme bestimmter
Personengruppen aus
der Sozialauswahl (sog.
„Leistungsträgerklausel“)
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Sozialauswahlkriterien
• Sozialauswahlkriterien nur noch:
–
–
–
–
Lebensalter
Betriebszugehörigkeitsdauer
Unterhaltspflichten
Schwerbehinderung
• Weitere Kriterien sind nicht (mehr) zu
berücksichtigen
• Nach bisherigem Recht konnten noch weitere
Kriterien berücksichtigt werden, z.B. hohe
Verschuldung, Berufskrankheit,
Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger, die in
häuslicher Pflege gepflegt werden etc.
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Sozialauswahlkriterium
„Unterhaltsverpflichtung“
•
•
•
•
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Problem bei Doppelverdienerehe: Hier kann familienrechtlich
die Unterhaltsplicht gegenüber dem Ehegatten ganz oder
teilweise entfallen und gegenüber den Kindern geringer
ausfallen.
Problematisch ist, ob dies bei der Sozialauswahl
berücksichtigt werden muss.
Der Gesetzgeber wollte eine einfach zu handhabende
Regelung für den Arbeitgeber schaffen, dem würde es
widersprechen, wenn der Arbeitgeber vor
Kündigungsausspruch erst die Familienverhältnisse
ausforschen müsste.
Nach dem eindeutigen Wortlaut kommt es jedoch nur auf die
„Unterhaltsverpflichtungen“ an, diese sind m.E.
familienrechtlich zu verstehen, so dass die
„Doppelverdienerehe“ bei der Sozialauswahl Berücksichtigung
finden sollte, dergestalt, dass der Doppelverdiener weniger
schutzbedürftig ist. Dies wird m.E. auch dem sozialen
Schutzgedanken der Sozialauswahl gerechter.
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Sozialauswahlkriterium
„Schwerbehinderung“
• Die Schwerbehinderung oder
die Gleichstellung einem
Schwerbehinderten ist nur
dann zu berücksichtigen,
wenn sie anerkannt ist oder
zumindest im Moment des
Zugangs der Kündigung
beantragt ist.
• Dies entspricht dem Stand
der Rechtsprechung zur
früheren Rechtslage.
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Berücksichtigung weiterer
Sozialauswahlkriterien
• Die Berücksichtigung
weiterer Kriterien durch
den Arbeitgeber im
Sinne einer „freiwilligen
Selbstbindung“ ist
hingegen durch § 1 Abs.
3 KSchG nicht
ausgeschlossen.
• Nur der Arbeitnehmer
kann sich nicht mehr auf
weitere Sozialauswahlgesichtspunkte berufen.
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Berücksichtigung weiterer
Sozialauswahlkriterien
•
•
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Bei der Berücksichtigung
weiterer Aspekte der
Sozialauswahl muss jedoch
das Schwergewicht der
Wertung auf den
gesetzlichen Kriterien
liegen.
Tipp: Bei der Vereinbarung
von Auswahlrichtlinien (§ 95
BetrVG) – sofern sich ein
Betriebsrat überhaupt
darauf einlässt – sollte der
Betriebsrat auf die
Definition zusätzlicher
Sozialauswahlkriterien
drängen.
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Durchführung der
Sozialauswahl
• Weiterhin sind in die Sozialauswahl alle
vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen
(Faustformel: Vergleichbar sind jedenfalls alle
diejenigen, die durch Ausübung des
Direktionsrechts ohne Änderungskündigung
ausgetauscht werden könnten).
• Weiterhin kann der Arbeitgeber bei der
Vornahme der Sozialauswahl ein
Punkteschema einsetzen.
• Hinweis: Ein Punkteschema stellt regelmäßig
eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95
BetrVG dar, und ist mitbestimmungspflichtig!
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Leistungsträgerklausel
• Intention des
Gesetzgebers: Erhaltung
der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des
Betriebes durch
Herausnahme von
bestimmten
Arbeitnehmern aus der
Sozialauswahl.
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Betriebliche Interessen
• Berücksichtigung besonderer Kenntnisse,
Fähigkeiten und Leistungen
• Besondere körperliche Eignung des
Arbeitnehmers (z.B. geringe
Krankheitsanfälligkeit)
• Herausnahme von mitarbeitenden
Familienangehörigen des Arbeitgebers (str.)
• Sicherung einer ausgewogenen
Personalstruktur insbesondere im Hinblick auf
die Altersstruktur.
• Diese Aufzählung ist nicht abschließend.
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Leistungsträgerklausel
• Das BAG (Urt. v. 12.04.2002, NZA 2003, 42) hat zur
Leistungsträgerklausel entschieden: Wenn es ein
„berechtigtes“ betriebliches Interesse zur Herausnahme
von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl gibt, dann
gibt es auch ein „unberechtigtes“ und damit
unbeachtliches Interesse des Arbeitgebers.
• Unberechtigt ist das betriebliche Interesse des
Arbeitgebers, wenn es bei Abwägung mit den sozialen
Belangen des Arbeitnehmers deutlich geringeres
Gewicht hat, als das Interesse des Arbeitnehmers am
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
• Die o.g. Entscheidung des BAG erging zur
„Leistungsträgerklausel“ die vom 1.10.96 bis 31.12.98
bestand. Sie dürfte auf die jetzige Regelung übertragbar
sein, da die Regelungen wortgleich sind.
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Leistungsträgerklausel
•
Nach der Rechtsprechung des BAG
sind zwei Abwägungsvorgänge
vorzunehmen:
1. Abwägung des betrieblichen Interesses
des Arbeitgebers mit dem sozialen
Interesse des zu kündigenden
Arbeitnehmers.
2. Sodann Abwägung des sozialen Interesses
des zu kündigenden Arbeitnehmers mit
dem sozialen Interesse des vermeintlichen
Leistungsträgers.
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Kritik
•
•
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In seiner Entscheidung über den
Kündigungsschutz in Kleinbetrieben hat das
Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass die
Kleinbetriebsklausel verfassungsrechtlich nicht
unproblematisch ist. Eine Ausweitung der
Kleinbetriebsklausel in unserer klein- und
mittelständisch geprägten Wirtschaft bedeutet,
dass sehr viele Arbeitnehmer den
Kündigungsschutz verlieren werden. Dies ist m.E.
mit dem Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) der
Beschäftigten in solchen „Kleinbetrieben“
unvereinbar.
Die Betriebsgröße ist kein geeigneter Maßstab für
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von
Betrieben und Unternehmen. In der heute
vielmehr von Dienstleistungen geprägten
Wirtschaft sind oft kleine
Dienstleistungsunternehmen wirtschaftlich
leistungsfähiger als größere produzierende
Betriebe. Zudem wird man nicht wirklich
behaupten können, dass die kleine 10
Arbeitnehmer beschäftigende Zweigniederlassung
der Firma Siemens sich den Kündigungsschutz
nicht „leisten“ kann.
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Kritik
• Die Beschränkung des
Kündigungsschutzes schafft keine
neuen Arbeitsplätze, sondern
fördert nur deren weitren und
beschleunigten Abbau. Dies zeigt
einerseits der Umstand, dass die
CDU-geführte Bundesregierung
zwischen 1996 und 1998 den
Kündigungsschutz eingeschränkt
hatte, ohne dass dies zu einer
Belebung auf dem Arbeitsmarkt
führte, andererseits dürften Länder
mit geringem Kündigungsschutz,
etwa die USA oder Japan keine
Arbeitslosigkeit haben, dies ist
jedoch nicht der Fall.
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Handlungsmöglichkeiten
des Betriebsrats
•
•
10.06.2005
Wichtiger Hinweis: Die in dieser
Präsentation enthaltenen nachfolgenden
Musterbetriebsvereinbarungen und
Mustertextbausteine sind lediglich
Formulierungsbeispiele. Es sei ausdrücklich
davor gewarnt, diese unkritisch und
unverändert für den eigenen Betrieb zu
übernehmen. Betriebsvereinbarungen
müssen wie ein Maßanzug auf die
Besonderheiten des jeweiligen Betriebes
zugeschnitten sein. Hierfür stehen wir ihnen
gerne zur Verfügung.
Die wiedergegebenen
Musterbetriebsvereinbarungen enthalten
Verhandlungsentwürfe des Betriebsrats, im
Rahmen der Verhandlungen mit dem
Arbeitgeber, insbesondere im
Einigungsstellenverfahren, ist es möglich,
dass an die Arbeitgeberseite Zugeständnisse
gemacht werden müssen.
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Handlungsmöglichkeiten
des Betriebsrats
• Das „Entstehen“ von
Leistungsträgern kann in einem
gewissen Maße durch den BR
gesteuert werden: Der BR sollte von
seinem Mitbestimmungsrecht bei
der betrieblichen Fort- und
Weiterbildung exzessiv Gebrauch
machen.
• Das Ziel soll sein, möglichst die
gesamte Belegschaft auf einem
möglichst hohen Bildungsniveau zu
halten.
•  Formulierungsvorschläge für
Betriebsvereinbarungen über
betriebliche Fort- und Weiterbildung.
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Handlungsmöglichkeiten
des Betriebsrats
•
•
In Betriebsvereinbarungen über technische
Arbeitnehmerüberwachungseinrichtungen,
sollte geregelt werden, dass die Daten über
das Leistungsvermögen einzelner
Arbeitnehmer nicht zur Rechtfertigung einer
Kündigung verwendet werden dürfen.
 Formulierungsvorschläge für
Betriebsvereinbarungen über technische
Arbeitnehmerüberwachung:
–
–
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„Die Betriebsparteien sind sich darüber einig,
dass erhobene Leistungsdaten von
Arbeitnehmern nur anonymisiert erhoben
werden, so dass eine Rückverfolgung und/oder
Zuordnung dieser Daten auf
einzelne/bestimmte Arbeitnehmer nicht möglich
sind“
„Die Betriebsparteien sind sich darüber einig,
dass erhobene Leistungsdaten einzelner
Arbeitnehmer im Rahmen der Begründung
einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses
eines Arbeitnehmers, insbesondere im Rahmen
eines Kündigungsrechtsstreites nicht verwendet
werden dürfen. Auf solche Daten gestützte
Kündigungen sind unwirksam.“
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Handlungsmöglichkeiten
des Betriebsrats
•
•
In Betriebsvereinbarungen über
Leistungsentlohnung sollte vereinbart
werden, dass die Leistungsdaten, die über
die einzelnen Arbeitnehmer erhoben werden,
ausschließlich zur Berechnung des
Arbeitsentgeltes verwendet werden dürfen,
nicht jedoch zur Rechtfertigung einer
Kündigung.
 Formulierungsvorschläge für
Betriebsvereinbarungen über allgemeine
Entlohnungsgrundsätze:
–
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„Die Betriebsparteien sind sich darüber einig,
dass Leistungsdaten über einzelne
Arbeitnehmer ausschließlich zum Zwecke der
Berechnung der Leistungsentlohnung
verwendet werden dürfen. Die erhobenen
Leistungsdaten sowie daraus abgeleitete
Berechnungen dürfen keinesfalls zur
Begründung der Kündigung eines
Arbeitnehmers herangezogen werden.
Kündigungen, die mit solchen Daten begründet
werden, sind unwirksam.“
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Handlungsmöglichkeiten
des Betriebsrats
• Auf die Einführung von
Gruppenarbeit sollte möglichst
verzichtet werden, da bei der
Gruppenarbeit die
Leistungsfähigkeit der Gruppe im
Verhältnis zu anderen Gruppen
besonders leicht zu ermitteln ist.
• Das Gleiche gilt für die Einführung
von Zielvereinbarungen. Je
konkreter dort die Ziele definiert
sind, desto einfacher werden
Arbeitnehmer miteinander
vergleichbar. So können
„Leistungsträger“ leicht ermittelt
werden. Je unkonkreter Ziele
formuliert sind, desto besser.
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Handlungsmöglichkeiten
des Betriebsrats
• In Auswahlrichtlinien sollte die
Anwendung der
„Leistungsträgerklausel“ idealer
Weise abbedungen werden,
jedenfalls sollten jedoch restriktive
Einschränkungen vereinbart
werden, um kranke oder
leistungsschwächere Arbeitnehmer
zu schützen.
• In Auswahlrichtlinien sollte der
Betriebsrat die Berücksichtigung
zusätzlicher Sozialauswahlkriterien
vereinbaren.
•  Formulierungsvorschläge für
Auswahlrichtlinien.
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Auswahlrichtlinie nach § 1
IV KSchG
• Sind die Sozialauswahlkriterien in einer
Auswahlrichtlinie im Hinblick auf ihre
Gewichtung zueinander konkretisiert,
so ist eine hiernach erfolgende
Sozialauswahl in einem
Kündigungsschutzprozess nur noch auf
grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.
• Der Betriebsrat muss also – wenn er
eine Auswahlrichtlinie vereinbart – sehr
sorgfältig arbeiten.
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Auswahlrichtlinie nach § 1
IV KSchG
• Fazit: Der Betriebsrat muss sorgfältig
abwägen, ob die Vorteile der Auswahlrichtlinie
(Erweiterung der Sozialauswahlkriterien,
Einflussnahme auf die Gewichtung der
Kriterien untereinander, Abbedingen oder
Einschränkung der „Leistungsträgerklausel“)
die Nachteile (eingeschränkter Rechtsschutz
für gekündigte Arbeitnehmer) aufwiegen, wenn
er über eine Auswahlrichtlinie verhandelt.
•  Formulierungsvorschläge für
Auswahlrichtlinien.
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Exkurs:
Auswahlrichtlinien
• Mitbestimmungsrecht geregelt in § 95 BetrVG.
• Richtlinien über die personelle Auswahl bei
Einstellungen, Versetzungen,
Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen
der Zustimmung des Betriebsrats.
• Bei Betrieben mit bis zu 500 Arbeitnehmern:
Kommt eine Einigung zwischen den
Betriebsparteien nicht zustande, so
entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die
Einigungsstelle.
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Exkurs:
Auswahlrichtlinien
• Ausnahme: In Betrieben mit mehr als 500
Arbeitnehmern kann auch der Betriebsrat die
Vereinbarung einer Auswahlrichtlinie
erzwingen (Initiativrecht). Bei Nichteinigung
oder wenn der Arbeitgeber darüber überhaupt
nicht verhandeln will, kann auch der
Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.
• Also ohne Zustimmung des Betriebsrats keine
Auswahlrichtlinie! Aber kein Initiativrecht des
Betriebsrats in Betrieben mit bis zu 500
Arbeitnehmern.
•  Formulierungsvorschläge für
Auswahlrichtlinien.
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Interessenausgleich mit
„Namensliste“, § 1 V
KSchG
• Bei Betriebsänderungen (z.B. Betriebsschließung,
Teilbetriebsschließung etc. §§ 111 ff. BetrVG) können in
einem Interessenausgleich die zu kündigenden
Arbeitnehmer namentlich bezeichnet werden
(Namensliste).
• Rechtsfolge: In einem möglichen
Kündigungsschutzprozess des gekündigten
Arbeitnehmers wird die soziale Rechtfertigung der
Kündigung vermutet. Es ist dann ggf. Sache des
gekündigten Arbeitnehmers zu beweisen, dass die
Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist
(Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitnehmers).
• Zudem kann die Sozialauswahl nur noch gerichtlich auf
„grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden.
• Die Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen
Arbeitnehmer sind also stark eingeschränkt.
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Interessenausgleich mit
„Namensliste“, § 1 V
KSchG
•
•
•
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Die Namensliste ist verfassungsrechtlich nicht
unproblematisch: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer
Entscheidung vom 6.10.1999 (1 BvR 2110/93 = NZA 2000,
110) in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass es gegen
das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
verstößt, wenn dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und
Beweislast für Tatsachen aufgebürdet wird, die nicht in seiner
Sphäre liegen und über die er daher naturgemäß keine
vollständige Kenntnis hat, während der Arbeitgeber über diese
Kenntnis ohne weiteres verfügt.
Allerdings hat der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess
das Recht, den Arbeitgeber zur Offenlegung der Gründe für
die von ihm vorgenommene Sozialauswahl aufzufordern (§ 1
Abs. 3 S. 1 2. HS KSchG).
Ob die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
Namensliste auch hier tatsächlich durchgreifen, ist bisher vom
Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden worden.
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Interessenausgleich mit
„Namensliste“, § 1 V
KSchG
•
•
•
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Der Betriebsrat sollte sich die
Vereinbarung eines
Interessenausgleichs mit Namensliste
sehr genau überlegen:
Die von der Kündigung betroffenen
Arbeitnehmer haben nur noch geringe
Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die
Kündigung, einerseits wegen der
Beweislastumkehr zu ihren Lasten,
andererseits, weil nur noch grobe
Verstöße gegen die Grundsätze der
Sozialauswahl zur Rechtswidrigkeit
der Kündigung führen.
Dies verpflichtet den Betriebsrat zu
besonders gewissenhaftem Arbeiten,
wenn er sich auf eine solche
„Namensliste“ einlässt.
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Interessenausgleich mit
„Namensliste“, § 1 V
KSchG
•
•
•
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In der Regel macht der Betriebsrat – wenn er sich auf einen
Interessenausgleich mit Namenliste einlässt – also ein
„schlechtes Geschäft“.
Wenn der Betriebsrat sich dennoch darauf einlässt, sollte der
Arbeitgeber sich dieses extreme Entgegenkommen des
Betriebsrats durch erhebliches Entgegenkommen bei den
Verhandlungen an anderer Stelle „erkaufen“. Hier ist z.B. an
deutlich höhere Abfindungsbeträge oder ein teilweises
Zurücknehmen der Betriebsänderung zu denken.
Der Betriebsrat darf dabei aber auf keinen Fall aus den Augen
verlieren, dass die betroffenen Arbeitnehmer hierdurch weit
gehend ihren Rechtsschutzmöglichkeiten beraubt werden, der
Preis, den die Arbeitnehmerseite zu zahlen hat, ist also in
jedem Falle erheblich. Der Betriebsrat wird letztlich zur letzten
Überprüfungsinstanz über die getroffene Sozialauswahl, er
macht sich quasi zum „Ersatzrichter“ über seine Kollegen,
eine Rolle, die ihm m.E. nicht zustehen sollte.
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Interessenausgleich mit
„Namensliste“, § 1 V
KSchG
• Wirksamkeitsvoraussetzung für eine „Namensliste“ ist in
jedem Fall ein wirksamer Betriebsratsbeschluss über
die Vereinbarung der Namensliste.
• Jedem Arbeitnehmer ist daher im
Kündigungsschutzprozess dringend anzuraten, das
ordnungsgemäße Zustandekommen eines solchen
Beschlusses zu bestreiten. Einen unwirksamen
Betriebsratsbeschluss muss sich der Arbeitgeber im
Kündigungsschutzprozess zurechnen lassen.
• Es soll schon Betriebsräte gegeben haben, denen bei
der Beschlussfassung ausgerechnet über die
Namensliste ein bedauerlicher Fehler unterlaufen ist.
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Abfindungsanspruch bei
betriebsbedingter
Kündigung
• § 1 a KSchG n.F.
• Da diese Regelung
keine
kollektivarbeitsrechtliche
Relevanz hat, soll
hierauf im Weiteren nur
kurz eingegangen
werden.
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Abfindungsanspruch bei
betriebsbedingter
Kündigung
• Voraussetzungen:
– Betriebsbedingte Kündigung
– Hinweis in der schriftlichen Kündigungserklärung
(Schriftformerfordernis § 623 BGB auch für den
Hinweis!), dass die Kündigung auf dringende
betriebliche Erfordernisse gestützt wird und dass der
Arbeitnehmer im Falle des Verstreichenlassens der
3-Wochen-Kündigungsschutzklagefrist eine
Abfindung beanspruchen kann.
• Höhe des Anspruchs:
– ½ Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens
des Arbeitsverhältnisses. Für die Berechnung des
Monatsverdienstes gilt § 10 Abs. 3 KSchG.
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Abfindungsanspruch bei
betriebsbedingter
Kündigung
• Die bloße Hinnahme einer
Kündigung löst keine Sperrfrist
nach § 144 SGB III aus.
• Auch ein Ruhen des Anspruchs
auf Arbeitslosengeld nach § 143a
SGB III findet nicht statt, soweit die
ordentliche Kündigungsfrist
eingehalten wird.
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Taktisch kluges Vorgehen
des Arbeitnehmers
•
•
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Es sollte trotz Angebot der Abfindung
Kündigungsschutzklage erhoben werden, um
im Gütetermin zu versuchen, eine optimalere
Abfindung zu erreichen. Gelingt dies nicht
kann bis zum Kammertermin immer noch die
Klage ohne Zustimmung der Arbeitgeberseite
zurückgenommen werden. Die Folge ist, das
die Klage als nicht anhängig geworden
anzusehen ist (§ 269 Abs. 3 ZPO), die
angegriffene Kündigung gilt dann als von
Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG).
Ob die Rechtsprechung diesen „Trick“, der
sicherlich die gesetzgeberische Intention der
Entlastung der Arbeitsgerichte unterläuft,
rechtlichen Bestand hat, ist noch nicht
abschließend höchstrichterlich geklärt.
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
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Überblick - Reform des
Arbeitsförderungsrechts (SGB III)
• Nachstehend sind nur einige Reformbausteine im
Überblick dargestellt.
• Meldepflicht des Arbeitnehmers nach § 37b SGB III
– Arbeitnehmer sind verpflichtet sich unverzüglich nach
Kenntniserlangung von der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsagentur zu melden.
– Verabsäumt der Arbeitnehmer dies, drohen
Leistungskürzungen.
– Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer hierüber zu
informieren.
– Der Arbeitgeber „soll“ den Arbeitnehmer zur Meldung bei
der Arbeitsagentur freistellen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB
III).
• Verkürzung der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld gem.
§ 127 SGB III
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ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
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Bezugsdauer ALG 1 (§ 127
Abs. 2 SGB III)
Nach
Versicherungspflichtverhältnissen
mit einer Dauer von mindestens …
Monaten
10.06.2005
Und nach
Vollendung des …
Lebensjahres
…
Monate
12
6
16
8
20
10
24
12
30
55.
15
36
55.
18
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
48
Aktuelle
Rechtsprechung
Zum Thema Kündigung
Sicherung ausgewogener
Altersstruktur
• 1. Bei betriebsbedingter Kündigung einer
größeren Zahl von Arbeitnehmern in einer
Kindertagesstätte können zur Sicherung einer
ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb
Altersgruppen gebildet werden, um daraus
proportional Kündigungen vorzunehmen.
• 2. Eine davon abweichende Umsetzung der
Kündigungen, die zu einer weiteren
Verjüngung der Belegschaft führt, macht die
Sozialauswahl fehlerhaft und die Kündigungen
rechtsunwirksam.
• Urteil des LAG Brandenburg vom 27. April
2004 - 2 Sa 51/04 = LAGE § 1 KSchG Soziale
Auswahl Nr. 44
10.06.2005
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
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Neue Regeln bei der
Massenentlassung
• EuGH, v. 27.01.2005 – c-188/03 = NZA 2005,
213 = AiB 2005, 319
• Die Anzeige der Massenentlassung bei der
Arbeitsverwaltung (§§ 17, 18 KSchG) hat vor
Ausspruch der Kündigung zu erfolgen.
Andernfalls steht zu befürchten, dass die
Arbeitsgerichte zukünftig Kündigungen als
unwirksam ansehen werden, wenn das
Anzeigeverfahren nicht vor Ausspruch der
Kündigung durchgeführt wurde.
• Auch die Beteiligung des Betriebsrats gem. §
17 II KSchG muss damit also vor Ausspruch
der Kündigung stattfinden.
10.06.2005
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
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Berücksichtigung von durch Prozessvergleich
zugesagten Betriebszugehörigkeitszeiten bei
der Sozialauswahl
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10.06.2005
Der 42-jährige Kläger war seit 1995 als "Ausbilder im Bereich der Bürokaufleute" bei dem
beklagten Bildungswerk tätig. Nachdem die Zahl der auszubildenden Bürokaufleute erheblich
gesunken war, beschloss die Beklagte unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte das
Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zu kündigen und den 55-jährigen Arbeitnehmer A, der
seit dem Jahr 2000 bei ihr beschäftigt war, weiterzubeschäftigen. A war zuvor seit 1990 bei
einem anderen Bildungswerk tätig. Im Rahmen eines zwischen A und der Beklagten geführten
Rechtsstreits über die Frage eines Betriebsübergangs hatten die damaligen Streitparteien einen
Vergleich geschlossen, der ua. festlegte, dass die Beklagte dem A eine Betriebszugehörigkeit
seit 1990 anrechnen müsse.
Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage blieb - wie schon in der Vorinstanz - auch vor
dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz
dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der
Auswahl der Arbeitnehmer die Sozialdaten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dabei
kommt keinem der vier sozialen Auswahlkriterien, nämlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit,
dem Lebensalter, den Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung, ein überwiegendes
Gewicht zu. Da der Arbeitgeber nur zu einer "ausreichenden" Sozialauswahl gesetzlich
verpflichtet ist, steht ihm bei der Gewichtung der Auswahlkriterien ein Wertungsspielraum zu.
Unter Berücksichtigung dieses gesetzlichen Rahmens hat der Zweite Senat des
Bundesarbeitsgerichts im Entscheidungsfall keinen Fehler bei der Sozialauswahl feststellen
können. Es spricht schon vieles dafür, dass die Sozialauswahl auch ohne Berücksichtigung der
Vorbeschäftigungszeiten A´s noch ausreichend ist. Auf Grund des von der Beklagten mit A
geschlossenen Prozessvergleichs ist jedenfalls dessen Vorbeschäftigungszeit bei dem
anderen Arbeitgeber mit zu berücksichtigen, weil für diese Anrechnung ein sachlicher
Grund gegeben und sie nicht willkürlich ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 2004 - 12 (3) Sa 1104/04 -
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
52
Keine Unwirksamkeit der Kündigung wegen
Verletzung der
Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB
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10.06.2005
Wird der Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang nicht ordnungsgemäß nach
§ 613a Abs. 5 BGB unterrichtet, läuft die einmonatige Widerspruchsfrist gem. § 613a
Abs. 6 Satz 1 BGB nicht. Die Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 613a
Abs. 5 BGB begründet auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) kein Kündigungsverbot.
Der Kläger ist seit 1990 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.
Er war zuletzt in der sog. Camcorder-Werkstatt eingesetzt. Mit Wirkung zum 1. Mai
2003 übertrug die Beklagte diesen Betriebsteil auf die S. GmbH. Der Kläger
widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte kündigte das
Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 9. Mai 2003 fristgemäß aus betriebsbedingten
Gründen zum 31. Oktober 2003. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung
sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte ihn nicht ausreichend iSv. § 613a
Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang und seine Folgen informiert und sich damit
pflichtwidrig verhalten habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr
stattgegeben. Die Kündigung sei wegen Verletzung der Unterrichtungspflicht
gem. § 613a Abs. 5 iVm. § 242 BGB unwirksam. Dieser Begründung ist der
Senat nicht gefolgt. Er hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des
Landesarbeitsgerichts aufgehoben und dabei offen gelassen, ob die Beklagte
den Kläger ausreichend unterrichtet hat. Wegen der noch zu prüfenden
Sozialauswahl hat der Senat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Mai 2005 - 8 AZR 398/04 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 29. April 2004 - 18 Sa 2424/03 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
53
Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung eines
"Trainees in allen Filialen"
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10.06.2005
Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers zu
hören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Es
fehlt an einer ordnungsgemäßen vorherigen Anhörung der Arbeitnehmervertretung auch dann,
wenn der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat beteiligt.
Der Kläger wurde von der Beklagten auf der Basis eines auf sechs Monate befristeten außertariflichen - Anstellungsvertrags als "Trainee in allen Filialen" eingestellt. Er wurde
zunächst im Markt in W. eingesetzt. Nach einer knapp dreimonatigen Tätigkeit kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß, nachdem sie zuvor den Betriebsrat des Marktes in
W. angehört hatte. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen
fehlerhafter Beteiligung des Betriebsrats unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat der
Hauptverwaltung in K., der die Ausbildung der "Trainees in allen Filialen" obliege, hätte
anhören müssen. Die Zuordnung zu einer Filiale erfolge nur im Rahmen der praktischen
Einarbeitung.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Der Senat hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit
zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er konnte den
Rechtsstreit in der Sache nicht endgültig entscheiden, weil wesentliche Tatsachen noch nicht
aufgeklärt sind. Ob der Arbeitgeber bei einem "Trainee in allen Filialen" den Betriebsrat
der die "Ausbildung" leitenden Stelle oder der jeweiligen Einsatzfiliale zur
beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses anhören muss, richtet sich nach
der konkreten Ausgestaltung des Traineeverhältnisses. Dabei kommt es entscheidend
darauf an, ob die (Gesamt-) Ausbildung im Wesentlichen von einer Stelle organisiert
und überwacht wird und ob die für das Arbeitsverhältnis grundlegenden
Entscheidungen dort oder im Einsatzbetrieb getroffen werden.
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 4. November 2003 - 13 Sa 596/03 -
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
54
Schriftform der Kündigung
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Für die Einhaltung der Schriftform der Kündigung (§ 623 BGB) ist es erforderlich, dass
der Kündigende die Kündigung unterzeichnet. Wird die Kündigung durch einen Vertreter
unterschrieben, muss dies in der Kündigung durch einen das Vertretungsverhältnis
anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Sind in dem
Kündigungsschreiben einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) alle Gesellschafter
sowohl im Briefkopf als auch maschinenschriftlich in der Unterschriftszeile aufgeführt,
so reicht es zur Wahrung der Schriftform nicht aus, wenn lediglich ein Teil der GbRGesellschafter ohne weiteren Vertretungszusatz das Kündigungsschreiben
handschriftlich unterzeichnet. Eine solche Kündigungserklärung enthält keinen hinreichend
deutlichen Hinweis darauf, dass es sich nicht lediglich um den Entwurf eines
Kündigungsschreibens handelt, der versehentlich von den übrigen Gesellschaftern noch nicht
unterzeichnet ist.
Die Klägerin war seit 1. November 2001 bei der in Form einer GbR betriebenen
Gemeinschaftspraxis dreier Zahnärzte als Zahntechnikerin beschäftigt. Mit Schreiben vom
26. April 2002 erhielt sie eine Kündigung zum 10. Mai 2002. Das Kündigungsschreiben war nur
von zwei Zahnärzten unterschrieben. Über dem maschinenschriftlich aufgeführten Namen des
dritten Zahnarztes fehlte die Unterschrift. Die Klägerin hält die Kündigung mangels Schriftform
für unwirksam und macht Zahlungsansprüche geltend. Das Arbeitsgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Vor dem
Bundesarbeitsgericht hatte die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst auf
Grund einer Eigenkündigung der Klägerin mit dem 30. September 2002 sein Ende gefunden hat
und auf Zahlung des Annahmeverzugslohns bis 30. September 2002 Erfolg.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. April 2005 - 2 AZR 162/04 Vorinstanz: LAG München, Urteil vom 28. Oktober 2003 - 6 Sa 47/03 -
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
55
Kündigung wegen
unzulässiger Sonntagsarbeit
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10.06.2005
Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonntagen nicht beschäftigt werden. Hiervon
gelten nach § 10 Abs. 1 ArbZG verschiedene Ausnahmen, ua. für das Austragen von
Presseerzeugnissen. Werden Arbeitnehmer ausnahmsweise sonntags beschäftigt, müssen
sie nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb der nächsten zwei
Wochen zu gewähren ist. Kann der Ersatzruhetag nicht gewährt werden, darf der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer sonntags nicht beschäftigen. Dies gilt auch dann, wenn
ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ausschließlich sonntags beschäftigt, der
vorgeschriebene Ersatzruhetag jedoch deshalb nicht gewährt werden kann, weil der
Arbeitnehmer von Montag bis Samstag in einem anderen Arbeitsverhältnis tätig ist. In
diesem Fall besteht für den Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer für die Sonntagsarbeit
eingestellt hat, in der Regel ein Grund zur ordentlichen Kündigung aus
personenbedingten Gründen.
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die Beklagte als Arbeitgeberin die
Klägerin zum Austragen von Sonntagszeitungen in den Morgenstunden eingestellt. Bei einem
weiteren Arbeitgeber trug die Klägerin von Montag bis Samstag ebenfalls Zeitungen aus.
Nachdem das Gewerbeaufsichtsamt der Beklagten mit einem Bußgeld gedroht hatte, weil sie
den Ersatzruhetag nicht gewähren konnte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Da die Klägerin von Montag bis Samstag arbeitet,
kann die Beklagte ihre gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung eines Ersatzruhetages nicht
erfüllen. Deshalb darf sie die Klägerin nicht beschäftigen. Dass die Arbeit von Montag bis
Samstag bei einem anderen Arbeitgeber geleistet wird, steht dem nicht entgegen. Die
gesetzlichen Vorschriften über Sonntagsarbeit gelten arbeitgeberübergreifend.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2005 - 2 AZR 211/04 Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 15. April 2004 - 5 Sa 667/03 -
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
56
Keine Beschränkung der Sozialauswahl bei beabsichtigter
Teilbetriebsstilllegung und Teilbetriebsübergang
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10.06.2005
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung
eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchzuführen. Dies gilt auch
dann, wenn ein Betriebsteil stillgelegt und der andere Betriebsteil auf einen Erwerber
übertragen werden soll. Bei der betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers
des stillzulegenden Betriebsteils ist daher bei der Sozialauswahl auch ein
vergleichbarer Arbeitnehmer zu berücksichtigen, der zur Zeit der Kündigung dem
später zu übertragenden Betriebsteil angehört. Dies folgt aus dem Schutzzweck der
Sozialauswahl, den Arbeitsplatz des sozial schwächeren Arbeitnehmers zu erhalten. Die
Regelung des § 613a Abs. 4 BGB, die ein Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs
vorsieht, steht dem nicht entgegen.
Der Kläger war seit 1994 bei der K. GmbH, zuletzt als Lagerleiter, beschäftigt. Diese betrieb
einen Handel mit Schiffsarmaturen und einen Stahlhandel. Der Kläger war im Bereich
Armaturenhandel eingesetzt. Über das Vermögen der K. GmbH wurde am 13. März 2002
das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet, der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter
bestellt. Am 27. März 2002 beschloss die K. GmbH mit Zustimmung des Beklagten die
Stilllegung des Betriebsteils Armaturen. Zugleich führte der Beklagte Gespräche über eine
übertragende Sanierung des Betriebsteils Stahlhandel. Mit Schreiben vom 23. Mai 2002
kündigte die K. GmbH mit Zustimmung des Beklagten das Arbeitsverhältnis des Klägers aus
betriebsbedingten Gründen zum 31. August 2002. Der Betriebsteil Stahlhandel wurde am
1. Juni 2002 veräußert. Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Er
meint, die Sozialauswahl hätte auch auf den Bereich Stahlhandel erstreckt werden müssen.
Der dort eingesetzte Lagerleiter sei sozial weniger schutzwürdig als er. Auf die Zuordnung zu
den einzelnen Betriebsteilen komme es nicht an. Der Beklagte vertritt demgegenüber die
Ansicht, einer Sozialauswahl habe es wegen der Stilllegung nicht bedurft.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat auf die Revision des Klägers
das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und der Kündigungsschutzklage
stattgegeben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 27. März 2003 - 2 Sa 109/02 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
57
Sonderkündigungsschutz von
Betriebsratsmitgliedern
bei Massenänderungskündigungen
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10.06.2005
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass der
besondere Kündigungsschutz nach § 15 KSchG uneingeschränkt auch bei sog.
Massenänderungskündigungen gilt. Auch wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen allen oder
der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebes kündigt und ihnen eine Weiterarbeit zu schlechteren
Arbeitsbedingungen anbietet, rechtfertigt ein solcher Massentatbestand nicht ausnahmsweise eine ordentliche
Kündigung gegenüber Betriebsratsmitgliedern und den anderen durch § 15 KSchG geschützten Amtsträgern.
§ 15 KSchG schließt abgesehen von den Sonderfällen der Betriebsstilllegung und der Stilllegung einer
Betriebsabteilung (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG) eine ordentliche Kündigung gegenüber diesem Personenkreis völlig
aus und lässt nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu. Letztere ist während der Amtszeit
des Betreffenden nach § 103 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats bzw. deren Ersetzung durch die
Arbeitsgerichte zulässig. Diese im Interesse des (Betriebsrats-) Amts und der ungestörten Amtsführung
geschaffene generelle Regelung lässt keine Einschränkung für sog. Massenänderungskündigungen zu. Die
Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion liegen nicht vor.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Drucker beschäftigt. Er ist Ersatzmitglied des Betriebsrats und hat innerhalb
des letzten Jahres vor der Kündigung an Betriebsratssitzungen teilgenommen. Mit Schreiben vom 28. Februar
2003 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Änderungskündigung zum 31. Mai 2003 aus.
Das neue Vertragsangebot sah ua. eine Änderung der Arbeitszeit sowie den Wegfall verschiedener Zulagen und
Sonderzahlungen vor. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger wie allen anderen Mitarbeitern eine entsprechende
einvernehmliche Vertragsänderung angeboten. Das Änderungsangebot nahmen 27 von 139 Mitarbeitern in der
Produktion - darunter der Kläger - nicht an. Mit der Klage hat sich der Kläger gegen die Änderungskündigung
gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon deswegen unwirksam, weil nach § 15 KSchG
nur eine außerordentliche Kündigung habe ausgesprochen werden können. Die Beklagte hat dem
entgegengehalten, bei Massenänderungskündigungen sei das Betriebsratsmitglied nicht durch § 15 KSchG
geschützt, weil bei generellen Maßnahmen des Arbeitgebers gegenüber allen Arbeitnehmern keine besondere
Schutzbedürftigkeit der Betriebsratsmitglieder bestehe.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Oktober 2004 - 2 AZR 81/04 Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Dezember 2003 - 8 Sa 930/03 -
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
58
Schriftform für Auflösungsvertrag und
Kündigung - Treu und Glauben
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10.06.2005
Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch
Auflösungsvertrag oder durch Kündigung der Schriftform. Ein mündlich
geschlossener Auflösungsvertrag ist danach ebenso unwirksam wie eine
mündlich erklärte Kündigung. Es verstößt in aller Regel nicht gegen Treu
und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich derjenige, der in einem kontrovers
geführten Gespräch eine Kündigung ausgesprochen oder sich mit der
Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt hat, nachträglich
darauf beruft, die Schriftform sei nicht eingehalten. Der gesetzliche
Formzwang soll die Parteien des Arbeitsvertrages vor Übereilung bei
Beendigungserklärungen bewahren (Warnfunktion) und dient außerdem der
Rechtssicherheit (Klarstellungs- und Beweisfunktion). Von ihm kann deshalb nur
in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden.
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die in einem
Baustoffhandel angestellte Klägerin am Morgen des ersten Arbeitstages nach
Rückkehr aus dem Urlaub mit der Geschäftsführerin der Beklagten eine von
wechselseitigen Vorwürfen gekennzeichnete Auseinandersetzung, nach deren
Ende die Klägerin den Betrieb verließ. Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin
habe, obwohl sie sich über die Folgen vollkommen im Klaren gewesen sei, in
vollem Ernst mündlich gekündigt oder es sei doch - ebenfalls mündlich - ein
Auflösungsvertrag geschlossen worden. Die Klägerin könne sich angesichts der
Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit ihrer Erklärungen nach Treu und Glauben nicht
auf die fehlende Schriftform berufen. Dem ist das Bundesarbeitsgericht, wie
schon die Vorinstanzen, nicht gefolgt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. September 2004 - 2 AZR 659/03 Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Oktober 2003 - 5 Sa 754/03 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
59
Erstattung von Fortbildungskosten bei
Arbeitgeberkündigung
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10.06.2005
Ein Arbeitnehmer kann sich wirksam zur Rückzahlung von Fortbildungskosten
verpflichten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist endet. Die
Kostenerstattung muss ihm allerdings bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls
nach Treu und Glauben zumutbar sein. Sie muss einem begründeten und
billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Daran fehlt es in der Regel,
wenn die Rückzahlungspflicht auch bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung
vereinbart ist. Wird einem Arbeitnehmer vorzeitig aus einem Grund gekündigt, auf den
er keinen Einfluss hat, liegt es nicht an ihm, dass sich die Bildungsinvestition des
Arbeitgebers nicht amortisiert. Eine Rückzahlung ist dem Arbeitnehmer dann nicht
zumutbar.
Auf Erstattung von Fortbildungskosten geklagt hatte eine Arbeitgeberin, die einer
Krankenschwester eine berufsbegleitende Weiterbildung "Leitung/Management von
ambulanten Pflegediensten" finanzierte und das Arbeitsverhältnis bereits während der
sechsmonatigen Probezeit kündigte, sowie ein Arbeitgeber, der die Kosten einer "CATIASchulung" eines Maschinenbau-Ingenieurs übernahm und das Arbeitsverhältnis nach
siebeneinhalb Monaten wegen fehlender Eignung des Arbeitnehmers beendete. Beide Klagen
hatten vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar bedurfte im
ersten Fall die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit keines Kündigungsgrundes. Für ihren
Erstattungsanspruch musste die Arbeitgeberin jedoch ein vertragswidriges Verhalten der
Krankenschwester als Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit belegen. Einen solchen
Nachweis hatte sie nicht führen können. Im zweiten Fall hatte der Arbeitgeber das Risiko der
mangelnden Eignung des Maschinenbau-Ingenieurs trotz Fortbildung zu tragen. Dieser hatte
es nicht in der Hand, durch eigene Betriebstreue einer Rückzahlungspflicht zu entgehen.
Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 24. Juni 2004 - 6 AZR 320 und 383/03 Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Februar 2003 - 7 Sa
1141/02 – ; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8. Mai 2003 - 11 Sa 1584/02 –
ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
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Betriebsbedingte Änderungskündigung - Umwandlung einer
Vollzeitstelle in zwei Halbtagsstellen
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10.06.2005
Die Klägerin war seit 1997 bei der Beklagten als Vollzeitkraft (40 Wochenstunden) beschäftigt. Als
technische Mitarbeiterin hatte sie zwei Arbeitsgebiete zu betreuen, in denen sie dem technischen
Leiter einerseits und dem Bauleiter andererseits zuarbeitete. Im November 2001 kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2001 und bot der Klägerin zugleich die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 1. Januar 2002 mit reduziertem Arbeitsgebiet, halbierter
Stundenzahl (20 Wochenstunden, montags bis freitags vormittags) und entsprechend geringerer
Vergütung an. Sie sollte allein noch für die vom technischen Leiter zugewiesene Arbeit zuständig
sein. Für das der Klägerin entzogene Arbeitsgebiet (Bauleiter) stellte die Beklagte eine weitere
Halbtagskraft ein, die zeitgleich mit der Klägerin (20 Wochenstunden, montags bis freitags
vormittags) eingesetzt wurde. Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen
und geltend gemacht, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte
hat sich auf die höhere Effizienz des neuen Arbeitszeitkonzepts berufen. Arbeitsgericht und
Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben, weil die Reorganisation nicht zwingend
notwendig gewesen sei und die frühere zeitliche Aufteilung zu keinen Nachteilen geführt habe.
Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht. Entschließt sich der Arbeitgeber zu einer betrieblichen Umorganisation, die
zu einer anderen zeitlichen Lage und Herabsetzung der Dauer der Arbeitszeit führt, so handelt
es sich dabei um eine im Ermessen des Arbeitgebers stehende unternehmerische
Entscheidung, die von den Arbeitsgerichten nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern lediglich
- zur Vermeidung von Missbrauch - auf offenbare Unvernunft oder Willkür zu überprüfen ist.
Ein Missbrauch der unternehmerischen Organisationsfreiheit liegt nicht schon dann vor,
wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, auf die Reorganisation zu verzichten. War die
Reorganisation im vorliegenden Fall dauerhafter Natur und nicht nur vorgeschoben, so
bestand ein anerkennenswerter Anlass zum Ausspruch einer Änderungskündigung. Allerdings
hat die Klägerin geltend gemacht, die betriebliche Umorganisation sei allein deshalb erfolgt, weil sie
sich über den Bauleiter beschwert habe. Trifft dies zu, so kann ein Missbrauch vorgelegen haben. Da
es insoweit an Tatsachenfeststellungen fehlt, war die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 Sächsisches LAG, Urteil vom 8. April 2003 - 9 Sa 709/02 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
61
Außerordentliche Kündigung wegen
sexueller Belästigung am Arbeitsplatz
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10.06.2005
Nach § 2 Abs.2 Satz 1 Beschäftigtenschutzgesetz (BSchG) ist eine sexuelle Belästigung
am Arbeitsplatz jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von
Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Nach Satz 2 Nr. 2 dieser Norm gehören dazu
sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche
Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen und sichtbare Anbringen
pornographischer Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden.
Durch eine solche sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verletzt der Arbeitnehmer nach §
2 Abs.3 BSchG seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Deshalb kann die sexuelle
Belästigung einer Arbeitnehmerin an ihrem Arbeitsplatz durch einen Vorgesetzten eine
außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs.1 BGB an sich
rechtfertigen. Dabei sind der Umfang und die Intensität der sexuellen Belästigung zu
berücksichtigen.
Der 52-jährige Kläger war seit 1972 bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin als
Schwerpunktreiseleiter beschäftigt. Im Mai 1998 kam es während einer Dienstreise zu
mehrfachen sexuellen Kontakten zwischen dem Kläger und einer ihm unterstellten, damals
25 Jahre alten Reiseleiterin. Hierüber informierte die Reiseleiterin im Juni 1999 die Beklagte.
Deshalb kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers Anfang Juni 1999
außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 20.Juni 1999, hilfsweise fristgemäß zum 31.Januar
2000. Die vom Kläger mit dem Hinweis erhobene Kündigungsschutzklage, die Reiseleiterin sei
mit den sexuellen Handlungen einverstanden gewesen, haben die Vorinstanzen abgewiesen.
Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision hatte vor dem Zweiten Senat Erfolg. Die
zwischen dem Kläger und der Reiseleiterin erfolgten sexuellen Handlungen würden nur
dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnis rechtfertigen, wenn
feststünde, die Reiseleiterin habe diese für den Kläger erkennbar abgelehnt. Hierzu fehlten
aber hinreichende Feststellungen der Vorinstanzen. Dementsprechend musste der Rechtsstreit
zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
BAG, Urteil vom 25.März 2004 - 2 AZR 341/03 LAG Niedersachsen, Urteil vom 21. Januar 2003 - 12 Sa 1418/02 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr
62
Kündigung wegen Privattelefonaten Zustimmung des Betriebsrats
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10.06.2005
Der Kläger war bei der beklagten Immobiliengesellschaft als Organisator beschäftigt. Er war
Mitglied des Betriebsrats. Zwischen März und Mai 2002 führte der Kläger, ohne dass die
Beklagte davon wusste, von Dienstanschlüssen private Telefongespräche nach Mauritius
(über 18 Stunden, Kosten 1.355,76 Euro). Die Beklagte, die anfangs einen anderen
Arbeitnehmer verdächtigt hatte, kündigte mit Zustimmung des Betriebsrats das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Ein
wichtiger Grund liege nicht vor. Außerdem sei dem Kündigungsschreiben die
Zustimmungserklärung des Betriebsrats nicht in schriftlicher Form beigefügt gewesen, was er
unverzüglich gerügt habe. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage
abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.
Unerlaubt und heimlich auf Kosten des Arbeitgebers geführte Privattelefonate können
eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Außerdem ließ der Kläger es zu, dass
der Verdacht zunächst auf einen nicht beteiligten Kollegen fiel. Die Kündigung ist auch
nicht nach §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB unwirksam. Diese Vorschriften enthalten
Regelungen über einseitige Rechtsgeschäfte (zB Kündigungen), die von der
Einwilligung eines Dritten abhängen. Ein derartiges Rechtsgeschäft ist unwirksam,
wenn der Erklärende die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der
Erklärungsgegner das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Zwar bedarf nach § 103 BetrVG die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers
gegenüber einem Betriebsratsmitglied der "Zustimmung" des Betriebsrats, also eines
"Dritten". Auf diese "Zustimmung", für die kein Schriftformzwang besteht, sind jedoch
§§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB nicht anwendbar. § 103 BetrVG enthält eine in sich
geschlossene, den Schutz des Betriebsrats und des Betriebsratsmitglieds umfassend
ausgestaltende Sonderreglung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. März 2004 - 2 AZR 147/03 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 14 Sa 1847/02 -
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ANWALTSBÜRO
HESSLING
Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in
Mülheim an der Ruhr
Anwaltsbüro Hessling
• Rechtsanwalt Marc Hessling gründete
die Kanzlei im Jahre 2002 im
Mülheimer Gewerkschaftshaus.
• Wir sind auf die Wahrnehmung
arbeitsrechtlicher
Arbeitnehmerinteressen spezialisiert.
• Wir vertreten nur Arbeitnehmer.
Garantiert.
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Anwaltsbüro Hessling
• Rechtsanwalt Marc Hessling vertritt und berät
insbesondere Betriebsräte, Personalräte,
Mitarbeitervertretungen und Gewerkschaften
in kollektivarbeitsrechtlichen Angelegenheiten.
• Er ist Mitglied der Gewerkschaften ver.di und
NGG, sowie des Deutschen
Arbeitsgerichtsverbandes.
• Wenn unsere Betriebsratsmandanten es
wünschen, arbeiten wir gerne auch mit den sie
betreuenden Gewerkschaftssekretären
zusammen – so ist eine Beratung und
Vertretung „aus einer Hand“ garantiert, zum
Vorteil für den Betriebsrat.
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Anwaltsbüro Hessling
• Gerne führen wir auch Seminare und
Schulungen für
Arbeitnehmerinteressenvertretungen
durch, hierzu arbeiten wir auch mit
verschiedenen Bildungsträgern
insbesondere mit dem Verein für
innovative Arbeitnehmerbildung in
Duisburg zusammen.
• Sprechen Sie uns wegen Ihrer
individuellen Seminarwünsche an,
gerne führen wir auch InhouseSeminare durch.
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• Unsere Anschrift:
Friedrichstr. 28
45468 Mülheim an der Ruhr
– Gegenüber dem evangelischen Krankenhaus
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Tel.: 0208-4372358
Fax: 0208-4378204
E-Mail: [email protected]
www.kanzlei-hessling.de
Wir vertreten nur Arbeitnehmer. Garantiert.
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Ende
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ViA-B e.V. / RA M. Hessling
Impressum
• V.i.S.d.P.: Rechtsanwalt Marc Hessling
Friedrichstraße 28
45468 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 0208-4372358
Fax.: 0208-4378204
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• Die Vervielfältigung oder öffentliches
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