Neues Kündigungsrecht 2004 Handlungsmöglichkeiten für den Betriebsrat von Marc Hessling, Rechtsanwalt in Mülheim an der Ruhr Im Auftrag von: ViA-B e.V., Duisburg 1. Version; Stand 10.06.2005 Vorbemerkung • Die nachfolgend zitierten Entscheidungen können in aller Regel über das Internet bezogen werden: – – – • • Die Entscheidungen können bei den Gerichten auch als Abschriften bestellt werden (kostenpflichtig). Nähere Informationen auf den o.g. Internetseiten. Sofern eine Entscheidung dort nicht veröffentlicht sein sollte oder empfohlene Aufsätze dem Benutzerkreis nicht zur Verfügung stehen, sendet der Referent die Entscheidungen / Fundstellen gerne den Betriebsräten zu: – – 10.06.2005 www.bundesarbeitsgericht.de www.bundesverfassungsgericht.de www.arbeitsrecht.de www.kanzlei-hessling.de [email protected] ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 2 Vorbemerkung • • 10.06.2005 Die mit dieser Präsentation verknüpften Dokumente (Vorlagen für Betriebsvereinbarungen etc.) sind im PDF-Format gespeichert. Die in dieser Präsentation enthaltenen Musterbetriebsvereinbarungen und Mustertextbausteine sind lediglich Formulierungsbeispiele. Es sei ausdrücklich davor gewarnt, diese unkritisch und unverändert für den eigenen Betrieb zu übernehmen. Betriebsvereinbarungen müssen wie ein Maßanzug auf die Besonderheiten des jeweiligen Betriebes zugeschnitten sein. Hierfür stehen wir ihnen gerne zur Verfügung. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 3 Übersicht • Übersicht über die Änderungen im KSchG • Änderungen im Sozialrecht • Bewertung der Änderungen • Handlungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer und betriebliche Interessenvertretungen • Aktuelle Rechtsprechung zum KSchG 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 4 Übersicht Änderungen des KSchG • Ausweitung der „Kleinbetriebsklausel“ • Einschränkung der Sozialauswahl • Einschränkung des Kündigungsschutzes bei Interessenausgleich mit „Namensliste“ • Anspruch auf Abfindung 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 5 Ausweitung der „Kleinbetriebsklausel“ • Bisher: Anwendbarkeit des 1. und 2. Abschnitts des KSchG wenn im Betrieb mehr als 5 Arbeitnehmer mit Ausnahme der nur zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt sind (Teilzeitbeschäftigte werden anteilig gezählt). 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 6 Ausweitung der „Kleinbetriebsklausel“ • Seit 01.01.2004: Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigt waren gilt der bisherige Schwellenwert (mehr als 5 Arbeitnehmer) unverändert weiter. • Für ab dem 01.01.2004 eingestellte Arbeitnehmer gilt ein erhöhter Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 7 Ausweitung der „Kleinbetriebsklausel“ • Sind also im Betrieb 10 oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt, so sind die Vorschriften des 1. Abschnitts des KSchG mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG nicht anzuwenden. • Das KSchG ist also nur anwendbar, wenn mehr als 10 Arbeitnehmer mit Ausnahme der Auszubildenden beschäftigt werden. • Auszubildende werden weiterhin nicht mitgezählt • Teilzeitbeschäftigte werden anteilig gezählt (auch „geringfügig Beschäftigte“). 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 8 Ausweitung der „Kleinbetriebsklausel“ • Es gelten also zwei unterschiedliche Schwellenwerte für Alt- und Neueinstellungen: Stichtag ist dabei der 31.12.2003 / 01.01.2004. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 9 Berechnung des Schwellenwerts • Abzustellen ist auf die Zahl der regelmäßig Beschäftigten im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, kurzfristige saisonale Schwankungen sind unbeachtlich. • Ruhende Arbeitsverhältnisse werden mitgezählt (z.B. Arbeitnehmer in Elternzeit); wurde hierfür eine Ersatzarbeitskraft eingestellt, so wird der Arbeitsplatz nur einmal gezählt. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 10 Schwellenwertberechnung bei Teilzeitbeschäftigten Beschäftigungsvolumen Zählfaktor Bis 20 Stunden / Woche 0,5 Bis 30 Stunden / Woche 0,75 Mehr als 30 Stunden / Woche 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 1 11 Begriff der „Berufsausbildung“ • • • • 10.06.2005 Für die Berechnung des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1 KSchG n.F. bleiben die lediglich zu ihrer „Berufsausbildung“ Beschäftigten außer Betracht. In § 23 Abs. 1 KSchG a.F. war noch von „Berufsbildung“ die Rede. Der Begriff der „Berufsausbildung“ ist enger, er ist durch § 1 Abs. 1 BBiG definiert und umfasst nur die Ausbildung im engeren Sinne; die „Berufsbildung“ (§ 1 Abs. 2 BBiG) erfasst dagegen auch die berufliche Umschulung, Berufsvorbereitung und berufliche Fortbildung. Vermutlich handelt es sich bei dieser „unglücklichen“ Wortwahl lediglich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers, nichts desto trotz sollte der Kreis von Umschülern etc. durch den BR etwa im Falle einer Kündigungsanhörung als Arbeitnehmer bei der Schwellenwertberechnung mitgezählt werden, jedenfalls solange diese Frage noch nicht endgültig durch die Rechtsprechung geklärt ist. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 12 Besitzstandsregelung • Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 01.01.2004 im Betrieb beschäftigt waren, bleibt es beim Schwellenwert von mehr als 5 Arbeitnehmern, unabhängig davon ob sie in diesem Zeitpunkt die 6 Monate Wartezeit nach § 1 KSchG bereits erfüllt hat, oder nicht. • Die Besitzstandsregelung gilt zeitlich unbefristet. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 13 Besitzstandsregelung • Tipp: Arbeitnehmer und Betriebsräte sollten möglichst schnell – wenn nicht schon geschehen – die regelmäßige Beschäftigtenanzahl im Betrieb zum Stichtag 01.01.2004 feststellen und wenn möglich die beschäftigten Arbeitnehmer mit jeweiliger Wochenarbeitszeit namentlich erfassen und vom Arbeitgeber bestätigen lassen. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 14 Einschränkung der Sozialauswahl • Hierzu lesenswert: Zwanziger, Änderungen der Sozialauswahl im neuen Kündigungsschutzrecht, AiB 2004, 10. • Beschränkung der Sozialauswahlkriterien • Herausnahme bestimmter Personengruppen aus der Sozialauswahl (sog. „Leistungsträgerklausel“) 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 15 Sozialauswahlkriterien • Sozialauswahlkriterien nur noch: – – – – Lebensalter Betriebszugehörigkeitsdauer Unterhaltspflichten Schwerbehinderung • Weitere Kriterien sind nicht (mehr) zu berücksichtigen • Nach bisherigem Recht konnten noch weitere Kriterien berücksichtigt werden, z.B. hohe Verschuldung, Berufskrankheit, Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger, die in häuslicher Pflege gepflegt werden etc. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 16 Sozialauswahlkriterium „Unterhaltsverpflichtung“ • • • • 10.06.2005 Problem bei Doppelverdienerehe: Hier kann familienrechtlich die Unterhaltsplicht gegenüber dem Ehegatten ganz oder teilweise entfallen und gegenüber den Kindern geringer ausfallen. Problematisch ist, ob dies bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden muss. Der Gesetzgeber wollte eine einfach zu handhabende Regelung für den Arbeitgeber schaffen, dem würde es widersprechen, wenn der Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch erst die Familienverhältnisse ausforschen müsste. Nach dem eindeutigen Wortlaut kommt es jedoch nur auf die „Unterhaltsverpflichtungen“ an, diese sind m.E. familienrechtlich zu verstehen, so dass die „Doppelverdienerehe“ bei der Sozialauswahl Berücksichtigung finden sollte, dergestalt, dass der Doppelverdiener weniger schutzbedürftig ist. Dies wird m.E. auch dem sozialen Schutzgedanken der Sozialauswahl gerechter. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 17 Sozialauswahlkriterium „Schwerbehinderung“ • Die Schwerbehinderung oder die Gleichstellung einem Schwerbehinderten ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie anerkannt ist oder zumindest im Moment des Zugangs der Kündigung beantragt ist. • Dies entspricht dem Stand der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 18 Berücksichtigung weiterer Sozialauswahlkriterien • Die Berücksichtigung weiterer Kriterien durch den Arbeitgeber im Sinne einer „freiwilligen Selbstbindung“ ist hingegen durch § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausgeschlossen. • Nur der Arbeitnehmer kann sich nicht mehr auf weitere Sozialauswahlgesichtspunkte berufen. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 19 Berücksichtigung weiterer Sozialauswahlkriterien • • 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr Bei der Berücksichtigung weiterer Aspekte der Sozialauswahl muss jedoch das Schwergewicht der Wertung auf den gesetzlichen Kriterien liegen. Tipp: Bei der Vereinbarung von Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) – sofern sich ein Betriebsrat überhaupt darauf einlässt – sollte der Betriebsrat auf die Definition zusätzlicher Sozialauswahlkriterien drängen. 20 Durchführung der Sozialauswahl • Weiterhin sind in die Sozialauswahl alle vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen (Faustformel: Vergleichbar sind jedenfalls alle diejenigen, die durch Ausübung des Direktionsrechts ohne Änderungskündigung ausgetauscht werden könnten). • Weiterhin kann der Arbeitgeber bei der Vornahme der Sozialauswahl ein Punkteschema einsetzen. • Hinweis: Ein Punkteschema stellt regelmäßig eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 BetrVG dar, und ist mitbestimmungspflichtig! 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 21 Leistungsträgerklausel • Intention des Gesetzgebers: Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betriebes durch Herausnahme von bestimmten Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 22 Betriebliche Interessen • Berücksichtigung besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen • Besondere körperliche Eignung des Arbeitnehmers (z.B. geringe Krankheitsanfälligkeit) • Herausnahme von mitarbeitenden Familienangehörigen des Arbeitgebers (str.) • Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur insbesondere im Hinblick auf die Altersstruktur. • Diese Aufzählung ist nicht abschließend. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 23 Leistungsträgerklausel • Das BAG (Urt. v. 12.04.2002, NZA 2003, 42) hat zur Leistungsträgerklausel entschieden: Wenn es ein „berechtigtes“ betriebliches Interesse zur Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl gibt, dann gibt es auch ein „unberechtigtes“ und damit unbeachtliches Interesse des Arbeitgebers. • Unberechtigt ist das betriebliche Interesse des Arbeitgebers, wenn es bei Abwägung mit den sozialen Belangen des Arbeitnehmers deutlich geringeres Gewicht hat, als das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. • Die o.g. Entscheidung des BAG erging zur „Leistungsträgerklausel“ die vom 1.10.96 bis 31.12.98 bestand. Sie dürfte auf die jetzige Regelung übertragbar sein, da die Regelungen wortgleich sind. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 24 Leistungsträgerklausel • Nach der Rechtsprechung des BAG sind zwei Abwägungsvorgänge vorzunehmen: 1. Abwägung des betrieblichen Interesses des Arbeitgebers mit dem sozialen Interesse des zu kündigenden Arbeitnehmers. 2. Sodann Abwägung des sozialen Interesses des zu kündigenden Arbeitnehmers mit dem sozialen Interesse des vermeintlichen Leistungsträgers. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 25 Kritik • • 10.06.2005 In seiner Entscheidung über den Kündigungsschutz in Kleinbetrieben hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass die Kleinbetriebsklausel verfassungsrechtlich nicht unproblematisch ist. Eine Ausweitung der Kleinbetriebsklausel in unserer klein- und mittelständisch geprägten Wirtschaft bedeutet, dass sehr viele Arbeitnehmer den Kündigungsschutz verlieren werden. Dies ist m.E. mit dem Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) der Beschäftigten in solchen „Kleinbetrieben“ unvereinbar. Die Betriebsgröße ist kein geeigneter Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Betrieben und Unternehmen. In der heute vielmehr von Dienstleistungen geprägten Wirtschaft sind oft kleine Dienstleistungsunternehmen wirtschaftlich leistungsfähiger als größere produzierende Betriebe. Zudem wird man nicht wirklich behaupten können, dass die kleine 10 Arbeitnehmer beschäftigende Zweigniederlassung der Firma Siemens sich den Kündigungsschutz nicht „leisten“ kann. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 26 Kritik • Die Beschränkung des Kündigungsschutzes schafft keine neuen Arbeitsplätze, sondern fördert nur deren weitren und beschleunigten Abbau. Dies zeigt einerseits der Umstand, dass die CDU-geführte Bundesregierung zwischen 1996 und 1998 den Kündigungsschutz eingeschränkt hatte, ohne dass dies zu einer Belebung auf dem Arbeitsmarkt führte, andererseits dürften Länder mit geringem Kündigungsschutz, etwa die USA oder Japan keine Arbeitslosigkeit haben, dies ist jedoch nicht der Fall. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 27 Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats • • 10.06.2005 Wichtiger Hinweis: Die in dieser Präsentation enthaltenen nachfolgenden Musterbetriebsvereinbarungen und Mustertextbausteine sind lediglich Formulierungsbeispiele. Es sei ausdrücklich davor gewarnt, diese unkritisch und unverändert für den eigenen Betrieb zu übernehmen. Betriebsvereinbarungen müssen wie ein Maßanzug auf die Besonderheiten des jeweiligen Betriebes zugeschnitten sein. Hierfür stehen wir ihnen gerne zur Verfügung. Die wiedergegebenen Musterbetriebsvereinbarungen enthalten Verhandlungsentwürfe des Betriebsrats, im Rahmen der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber, insbesondere im Einigungsstellenverfahren, ist es möglich, dass an die Arbeitgeberseite Zugeständnisse gemacht werden müssen. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 28 Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats • Das „Entstehen“ von Leistungsträgern kann in einem gewissen Maße durch den BR gesteuert werden: Der BR sollte von seinem Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Fort- und Weiterbildung exzessiv Gebrauch machen. • Das Ziel soll sein, möglichst die gesamte Belegschaft auf einem möglichst hohen Bildungsniveau zu halten. • Formulierungsvorschläge für Betriebsvereinbarungen über betriebliche Fort- und Weiterbildung. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 29 Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats • • In Betriebsvereinbarungen über technische Arbeitnehmerüberwachungseinrichtungen, sollte geregelt werden, dass die Daten über das Leistungsvermögen einzelner Arbeitnehmer nicht zur Rechtfertigung einer Kündigung verwendet werden dürfen. Formulierungsvorschläge für Betriebsvereinbarungen über technische Arbeitnehmerüberwachung: – – 10.06.2005 „Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass erhobene Leistungsdaten von Arbeitnehmern nur anonymisiert erhoben werden, so dass eine Rückverfolgung und/oder Zuordnung dieser Daten auf einzelne/bestimmte Arbeitnehmer nicht möglich sind“ „Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass erhobene Leistungsdaten einzelner Arbeitnehmer im Rahmen der Begründung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, insbesondere im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreites nicht verwendet werden dürfen. Auf solche Daten gestützte Kündigungen sind unwirksam.“ ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 30 Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats • • In Betriebsvereinbarungen über Leistungsentlohnung sollte vereinbart werden, dass die Leistungsdaten, die über die einzelnen Arbeitnehmer erhoben werden, ausschließlich zur Berechnung des Arbeitsentgeltes verwendet werden dürfen, nicht jedoch zur Rechtfertigung einer Kündigung. Formulierungsvorschläge für Betriebsvereinbarungen über allgemeine Entlohnungsgrundsätze: – 10.06.2005 „Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass Leistungsdaten über einzelne Arbeitnehmer ausschließlich zum Zwecke der Berechnung der Leistungsentlohnung verwendet werden dürfen. Die erhobenen Leistungsdaten sowie daraus abgeleitete Berechnungen dürfen keinesfalls zur Begründung der Kündigung eines Arbeitnehmers herangezogen werden. Kündigungen, die mit solchen Daten begründet werden, sind unwirksam.“ ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 31 Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats • Auf die Einführung von Gruppenarbeit sollte möglichst verzichtet werden, da bei der Gruppenarbeit die Leistungsfähigkeit der Gruppe im Verhältnis zu anderen Gruppen besonders leicht zu ermitteln ist. • Das Gleiche gilt für die Einführung von Zielvereinbarungen. Je konkreter dort die Ziele definiert sind, desto einfacher werden Arbeitnehmer miteinander vergleichbar. So können „Leistungsträger“ leicht ermittelt werden. Je unkonkreter Ziele formuliert sind, desto besser. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 32 Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats • In Auswahlrichtlinien sollte die Anwendung der „Leistungsträgerklausel“ idealer Weise abbedungen werden, jedenfalls sollten jedoch restriktive Einschränkungen vereinbart werden, um kranke oder leistungsschwächere Arbeitnehmer zu schützen. • In Auswahlrichtlinien sollte der Betriebsrat die Berücksichtigung zusätzlicher Sozialauswahlkriterien vereinbaren. • Formulierungsvorschläge für Auswahlrichtlinien. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 33 Auswahlrichtlinie nach § 1 IV KSchG • Sind die Sozialauswahlkriterien in einer Auswahlrichtlinie im Hinblick auf ihre Gewichtung zueinander konkretisiert, so ist eine hiernach erfolgende Sozialauswahl in einem Kündigungsschutzprozess nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. • Der Betriebsrat muss also – wenn er eine Auswahlrichtlinie vereinbart – sehr sorgfältig arbeiten. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 34 Auswahlrichtlinie nach § 1 IV KSchG • Fazit: Der Betriebsrat muss sorgfältig abwägen, ob die Vorteile der Auswahlrichtlinie (Erweiterung der Sozialauswahlkriterien, Einflussnahme auf die Gewichtung der Kriterien untereinander, Abbedingen oder Einschränkung der „Leistungsträgerklausel“) die Nachteile (eingeschränkter Rechtsschutz für gekündigte Arbeitnehmer) aufwiegen, wenn er über eine Auswahlrichtlinie verhandelt. • Formulierungsvorschläge für Auswahlrichtlinien. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 35 Exkurs: Auswahlrichtlinien • Mitbestimmungsrecht geregelt in § 95 BetrVG. • Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. • Bei Betrieben mit bis zu 500 Arbeitnehmern: Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 36 Exkurs: Auswahlrichtlinien • Ausnahme: In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann auch der Betriebsrat die Vereinbarung einer Auswahlrichtlinie erzwingen (Initiativrecht). Bei Nichteinigung oder wenn der Arbeitgeber darüber überhaupt nicht verhandeln will, kann auch der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. • Also ohne Zustimmung des Betriebsrats keine Auswahlrichtlinie! Aber kein Initiativrecht des Betriebsrats in Betrieben mit bis zu 500 Arbeitnehmern. • Formulierungsvorschläge für Auswahlrichtlinien. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 37 Interessenausgleich mit „Namensliste“, § 1 V KSchG • Bei Betriebsänderungen (z.B. Betriebsschließung, Teilbetriebsschließung etc. §§ 111 ff. BetrVG) können in einem Interessenausgleich die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet werden (Namensliste). • Rechtsfolge: In einem möglichen Kündigungsschutzprozess des gekündigten Arbeitnehmers wird die soziale Rechtfertigung der Kündigung vermutet. Es ist dann ggf. Sache des gekündigten Arbeitnehmers zu beweisen, dass die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist (Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitnehmers). • Zudem kann die Sozialauswahl nur noch gerichtlich auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden. • Die Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Arbeitnehmer sind also stark eingeschränkt. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 38 Interessenausgleich mit „Namensliste“, § 1 V KSchG • • • 10.06.2005 Die Namensliste ist verfassungsrechtlich nicht unproblematisch: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 6.10.1999 (1 BvR 2110/93 = NZA 2000, 110) in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass es gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verstößt, wenn dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen aufgebürdet wird, die nicht in seiner Sphäre liegen und über die er daher naturgemäß keine vollständige Kenntnis hat, während der Arbeitgeber über diese Kenntnis ohne weiteres verfügt. Allerdings hat der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess das Recht, den Arbeitgeber zur Offenlegung der Gründe für die von ihm vorgenommene Sozialauswahl aufzufordern (§ 1 Abs. 3 S. 1 2. HS KSchG). Ob die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Namensliste auch hier tatsächlich durchgreifen, ist bisher vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden worden. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 39 Interessenausgleich mit „Namensliste“, § 1 V KSchG • • • 10.06.2005 Der Betriebsrat sollte sich die Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste sehr genau überlegen: Die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer haben nur noch geringe Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Kündigung, einerseits wegen der Beweislastumkehr zu ihren Lasten, andererseits, weil nur noch grobe Verstöße gegen die Grundsätze der Sozialauswahl zur Rechtswidrigkeit der Kündigung führen. Dies verpflichtet den Betriebsrat zu besonders gewissenhaftem Arbeiten, wenn er sich auf eine solche „Namensliste“ einlässt. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 40 Interessenausgleich mit „Namensliste“, § 1 V KSchG • • • 10.06.2005 In der Regel macht der Betriebsrat – wenn er sich auf einen Interessenausgleich mit Namenliste einlässt – also ein „schlechtes Geschäft“. Wenn der Betriebsrat sich dennoch darauf einlässt, sollte der Arbeitgeber sich dieses extreme Entgegenkommen des Betriebsrats durch erhebliches Entgegenkommen bei den Verhandlungen an anderer Stelle „erkaufen“. Hier ist z.B. an deutlich höhere Abfindungsbeträge oder ein teilweises Zurücknehmen der Betriebsänderung zu denken. Der Betriebsrat darf dabei aber auf keinen Fall aus den Augen verlieren, dass die betroffenen Arbeitnehmer hierdurch weit gehend ihren Rechtsschutzmöglichkeiten beraubt werden, der Preis, den die Arbeitnehmerseite zu zahlen hat, ist also in jedem Falle erheblich. Der Betriebsrat wird letztlich zur letzten Überprüfungsinstanz über die getroffene Sozialauswahl, er macht sich quasi zum „Ersatzrichter“ über seine Kollegen, eine Rolle, die ihm m.E. nicht zustehen sollte. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 41 Interessenausgleich mit „Namensliste“, § 1 V KSchG • Wirksamkeitsvoraussetzung für eine „Namensliste“ ist in jedem Fall ein wirksamer Betriebsratsbeschluss über die Vereinbarung der Namensliste. • Jedem Arbeitnehmer ist daher im Kündigungsschutzprozess dringend anzuraten, das ordnungsgemäße Zustandekommen eines solchen Beschlusses zu bestreiten. Einen unwirksamen Betriebsratsbeschluss muss sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess zurechnen lassen. • Es soll schon Betriebsräte gegeben haben, denen bei der Beschlussfassung ausgerechnet über die Namensliste ein bedauerlicher Fehler unterlaufen ist. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 42 Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung • § 1 a KSchG n.F. • Da diese Regelung keine kollektivarbeitsrechtliche Relevanz hat, soll hierauf im Weiteren nur kurz eingegangen werden. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 43 Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung • Voraussetzungen: – Betriebsbedingte Kündigung – Hinweis in der schriftlichen Kündigungserklärung (Schriftformerfordernis § 623 BGB auch für den Hinweis!), dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt wird und dass der Arbeitnehmer im Falle des Verstreichenlassens der 3-Wochen-Kündigungsschutzklagefrist eine Abfindung beanspruchen kann. • Höhe des Anspruchs: – ½ Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Für die Berechnung des Monatsverdienstes gilt § 10 Abs. 3 KSchG. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 44 Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung • Die bloße Hinnahme einer Kündigung löst keine Sperrfrist nach § 144 SGB III aus. • Auch ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III findet nicht statt, soweit die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wird. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 45 Taktisch kluges Vorgehen des Arbeitnehmers • • 10.06.2005 Es sollte trotz Angebot der Abfindung Kündigungsschutzklage erhoben werden, um im Gütetermin zu versuchen, eine optimalere Abfindung zu erreichen. Gelingt dies nicht kann bis zum Kammertermin immer noch die Klage ohne Zustimmung der Arbeitgeberseite zurückgenommen werden. Die Folge ist, das die Klage als nicht anhängig geworden anzusehen ist (§ 269 Abs. 3 ZPO), die angegriffene Kündigung gilt dann als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG). Ob die Rechtsprechung diesen „Trick“, der sicherlich die gesetzgeberische Intention der Entlastung der Arbeitsgerichte unterläuft, rechtlichen Bestand hat, ist noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 46 Überblick - Reform des Arbeitsförderungsrechts (SGB III) • Nachstehend sind nur einige Reformbausteine im Überblick dargestellt. • Meldepflicht des Arbeitnehmers nach § 37b SGB III – Arbeitnehmer sind verpflichtet sich unverzüglich nach Kenntniserlangung von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsagentur zu melden. – Verabsäumt der Arbeitnehmer dies, drohen Leistungskürzungen. – Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer hierüber zu informieren. – Der Arbeitgeber „soll“ den Arbeitnehmer zur Meldung bei der Arbeitsagentur freistellen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). • Verkürzung der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld gem. § 127 SGB III 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 47 Bezugsdauer ALG 1 (§ 127 Abs. 2 SGB III) Nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von mindestens … Monaten 10.06.2005 Und nach Vollendung des … Lebensjahres … Monate 12 6 16 8 20 10 24 12 30 55. 15 36 55. 18 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 48 Aktuelle Rechtsprechung Zum Thema Kündigung Sicherung ausgewogener Altersstruktur • 1. Bei betriebsbedingter Kündigung einer größeren Zahl von Arbeitnehmern in einer Kindertagesstätte können zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb Altersgruppen gebildet werden, um daraus proportional Kündigungen vorzunehmen. • 2. Eine davon abweichende Umsetzung der Kündigungen, die zu einer weiteren Verjüngung der Belegschaft führt, macht die Sozialauswahl fehlerhaft und die Kündigungen rechtsunwirksam. • Urteil des LAG Brandenburg vom 27. April 2004 - 2 Sa 51/04 = LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 44 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 50 Neue Regeln bei der Massenentlassung • EuGH, v. 27.01.2005 – c-188/03 = NZA 2005, 213 = AiB 2005, 319 • Die Anzeige der Massenentlassung bei der Arbeitsverwaltung (§§ 17, 18 KSchG) hat vor Ausspruch der Kündigung zu erfolgen. Andernfalls steht zu befürchten, dass die Arbeitsgerichte zukünftig Kündigungen als unwirksam ansehen werden, wenn das Anzeigeverfahren nicht vor Ausspruch der Kündigung durchgeführt wurde. • Auch die Beteiligung des Betriebsrats gem. § 17 II KSchG muss damit also vor Ausspruch der Kündigung stattfinden. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 51 Berücksichtigung von durch Prozessvergleich zugesagten Betriebszugehörigkeitszeiten bei der Sozialauswahl • • • • 10.06.2005 Der 42-jährige Kläger war seit 1995 als "Ausbilder im Bereich der Bürokaufleute" bei dem beklagten Bildungswerk tätig. Nachdem die Zahl der auszubildenden Bürokaufleute erheblich gesunken war, beschloss die Beklagte unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zu kündigen und den 55-jährigen Arbeitnehmer A, der seit dem Jahr 2000 bei ihr beschäftigt war, weiterzubeschäftigen. A war zuvor seit 1990 bei einem anderen Bildungswerk tätig. Im Rahmen eines zwischen A und der Beklagten geführten Rechtsstreits über die Frage eines Betriebsübergangs hatten die damaligen Streitparteien einen Vergleich geschlossen, der ua. festlegte, dass die Beklagte dem A eine Betriebszugehörigkeit seit 1990 anrechnen müsse. Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage blieb - wie schon in der Vorinstanz - auch vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der Arbeitnehmer die Sozialdaten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dabei kommt keinem der vier sozialen Auswahlkriterien, nämlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter, den Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung, ein überwiegendes Gewicht zu. Da der Arbeitgeber nur zu einer "ausreichenden" Sozialauswahl gesetzlich verpflichtet ist, steht ihm bei der Gewichtung der Auswahlkriterien ein Wertungsspielraum zu. Unter Berücksichtigung dieses gesetzlichen Rahmens hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts im Entscheidungsfall keinen Fehler bei der Sozialauswahl feststellen können. Es spricht schon vieles dafür, dass die Sozialauswahl auch ohne Berücksichtigung der Vorbeschäftigungszeiten A´s noch ausreichend ist. Auf Grund des von der Beklagten mit A geschlossenen Prozessvergleichs ist jedenfalls dessen Vorbeschäftigungszeit bei dem anderen Arbeitgeber mit zu berücksichtigen, weil für diese Anrechnung ein sachlicher Grund gegeben und sie nicht willkürlich ist. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 2004 - 12 (3) Sa 1104/04 - ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 52 Keine Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB • • • • • 10.06.2005 Wird der Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet, läuft die einmonatige Widerspruchsfrist gem. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht. Die Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB begründet auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kein Kündigungsverbot. Der Kläger ist seit 1990 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zuletzt in der sog. Camcorder-Werkstatt eingesetzt. Mit Wirkung zum 1. Mai 2003 übertrug die Beklagte diesen Betriebsteil auf die S. GmbH. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 9. Mai 2003 fristgemäß aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Oktober 2003. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte ihn nicht ausreichend iSv. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang und seine Folgen informiert und sich damit pflichtwidrig verhalten habe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Kündigung sei wegen Verletzung der Unterrichtungspflicht gem. § 613a Abs. 5 iVm. § 242 BGB unwirksam. Dieser Begründung ist der Senat nicht gefolgt. Er hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und dabei offen gelassen, ob die Beklagte den Kläger ausreichend unterrichtet hat. Wegen der noch zu prüfenden Sozialauswahl hat der Senat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Mai 2005 - 8 AZR 398/04 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 29. April 2004 - 18 Sa 2424/03 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 53 Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung eines "Trainees in allen Filialen" • • • • • • 10.06.2005 Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers zu hören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen vorherigen Anhörung der Arbeitnehmervertretung auch dann, wenn der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat beteiligt. Der Kläger wurde von der Beklagten auf der Basis eines auf sechs Monate befristeten außertariflichen - Anstellungsvertrags als "Trainee in allen Filialen" eingestellt. Er wurde zunächst im Markt in W. eingesetzt. Nach einer knapp dreimonatigen Tätigkeit kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß, nachdem sie zuvor den Betriebsrat des Marktes in W. angehört hatte. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Beteiligung des Betriebsrats unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat der Hauptverwaltung in K., der die Ausbildung der "Trainees in allen Filialen" obliege, hätte anhören müssen. Die Zuordnung zu einer Filiale erfolge nur im Rahmen der praktischen Einarbeitung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er konnte den Rechtsstreit in der Sache nicht endgültig entscheiden, weil wesentliche Tatsachen noch nicht aufgeklärt sind. Ob der Arbeitgeber bei einem "Trainee in allen Filialen" den Betriebsrat der die "Ausbildung" leitenden Stelle oder der jeweiligen Einsatzfiliale zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses anhören muss, richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung des Traineeverhältnisses. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die (Gesamt-) Ausbildung im Wesentlichen von einer Stelle organisiert und überwacht wird und ob die für das Arbeitsverhältnis grundlegenden Entscheidungen dort oder im Einsatzbetrieb getroffen werden. Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 4. November 2003 - 13 Sa 596/03 - ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 54 Schriftform der Kündigung • • • • 10.06.2005 Für die Einhaltung der Schriftform der Kündigung (§ 623 BGB) ist es erforderlich, dass der Kündigende die Kündigung unterzeichnet. Wird die Kündigung durch einen Vertreter unterschrieben, muss dies in der Kündigung durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Sind in dem Kündigungsschreiben einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) alle Gesellschafter sowohl im Briefkopf als auch maschinenschriftlich in der Unterschriftszeile aufgeführt, so reicht es zur Wahrung der Schriftform nicht aus, wenn lediglich ein Teil der GbRGesellschafter ohne weiteren Vertretungszusatz das Kündigungsschreiben handschriftlich unterzeichnet. Eine solche Kündigungserklärung enthält keinen hinreichend deutlichen Hinweis darauf, dass es sich nicht lediglich um den Entwurf eines Kündigungsschreibens handelt, der versehentlich von den übrigen Gesellschaftern noch nicht unterzeichnet ist. Die Klägerin war seit 1. November 2001 bei der in Form einer GbR betriebenen Gemeinschaftspraxis dreier Zahnärzte als Zahntechnikerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 26. April 2002 erhielt sie eine Kündigung zum 10. Mai 2002. Das Kündigungsschreiben war nur von zwei Zahnärzten unterschrieben. Über dem maschinenschriftlich aufgeführten Namen des dritten Zahnarztes fehlte die Unterschrift. Die Klägerin hält die Kündigung mangels Schriftform für unwirksam und macht Zahlungsansprüche geltend. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst auf Grund einer Eigenkündigung der Klägerin mit dem 30. September 2002 sein Ende gefunden hat und auf Zahlung des Annahmeverzugslohns bis 30. September 2002 Erfolg. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. April 2005 - 2 AZR 162/04 Vorinstanz: LAG München, Urteil vom 28. Oktober 2003 - 6 Sa 47/03 - ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 55 Kündigung wegen unzulässiger Sonntagsarbeit • • • • • 10.06.2005 Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonntagen nicht beschäftigt werden. Hiervon gelten nach § 10 Abs. 1 ArbZG verschiedene Ausnahmen, ua. für das Austragen von Presseerzeugnissen. Werden Arbeitnehmer ausnahmsweise sonntags beschäftigt, müssen sie nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb der nächsten zwei Wochen zu gewähren ist. Kann der Ersatzruhetag nicht gewährt werden, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer sonntags nicht beschäftigen. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ausschließlich sonntags beschäftigt, der vorgeschriebene Ersatzruhetag jedoch deshalb nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer von Montag bis Samstag in einem anderen Arbeitsverhältnis tätig ist. In diesem Fall besteht für den Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer für die Sonntagsarbeit eingestellt hat, in der Regel ein Grund zur ordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die Beklagte als Arbeitgeberin die Klägerin zum Austragen von Sonntagszeitungen in den Morgenstunden eingestellt. Bei einem weiteren Arbeitgeber trug die Klägerin von Montag bis Samstag ebenfalls Zeitungen aus. Nachdem das Gewerbeaufsichtsamt der Beklagten mit einem Bußgeld gedroht hatte, weil sie den Ersatzruhetag nicht gewähren konnte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Da die Klägerin von Montag bis Samstag arbeitet, kann die Beklagte ihre gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung eines Ersatzruhetages nicht erfüllen. Deshalb darf sie die Klägerin nicht beschäftigen. Dass die Arbeit von Montag bis Samstag bei einem anderen Arbeitgeber geleistet wird, steht dem nicht entgegen. Die gesetzlichen Vorschriften über Sonntagsarbeit gelten arbeitgeberübergreifend. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2005 - 2 AZR 211/04 Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 15. April 2004 - 5 Sa 667/03 - ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 56 Keine Beschränkung der Sozialauswahl bei beabsichtigter Teilbetriebsstilllegung und Teilbetriebsübergang • • • • • 10.06.2005 Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn ein Betriebsteil stillgelegt und der andere Betriebsteil auf einen Erwerber übertragen werden soll. Bei der betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers des stillzulegenden Betriebsteils ist daher bei der Sozialauswahl auch ein vergleichbarer Arbeitnehmer zu berücksichtigen, der zur Zeit der Kündigung dem später zu übertragenden Betriebsteil angehört. Dies folgt aus dem Schutzzweck der Sozialauswahl, den Arbeitsplatz des sozial schwächeren Arbeitnehmers zu erhalten. Die Regelung des § 613a Abs. 4 BGB, die ein Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs vorsieht, steht dem nicht entgegen. Der Kläger war seit 1994 bei der K. GmbH, zuletzt als Lagerleiter, beschäftigt. Diese betrieb einen Handel mit Schiffsarmaturen und einen Stahlhandel. Der Kläger war im Bereich Armaturenhandel eingesetzt. Über das Vermögen der K. GmbH wurde am 13. März 2002 das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet, der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 27. März 2002 beschloss die K. GmbH mit Zustimmung des Beklagten die Stilllegung des Betriebsteils Armaturen. Zugleich führte der Beklagte Gespräche über eine übertragende Sanierung des Betriebsteils Stahlhandel. Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 kündigte die K. GmbH mit Zustimmung des Beklagten das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum 31. August 2002. Der Betriebsteil Stahlhandel wurde am 1. Juni 2002 veräußert. Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Er meint, die Sozialauswahl hätte auch auf den Bereich Stahlhandel erstreckt werden müssen. Der dort eingesetzte Lagerleiter sei sozial weniger schutzwürdig als er. Auf die Zuordnung zu den einzelnen Betriebsteilen komme es nicht an. Der Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, einer Sozialauswahl habe es wegen der Stilllegung nicht bedurft. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 27. März 2003 - 2 Sa 109/02 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 57 Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern bei Massenänderungskündigungen • • • • • 10.06.2005 Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass der besondere Kündigungsschutz nach § 15 KSchG uneingeschränkt auch bei sog. Massenänderungskündigungen gilt. Auch wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen allen oder der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebes kündigt und ihnen eine Weiterarbeit zu schlechteren Arbeitsbedingungen anbietet, rechtfertigt ein solcher Massentatbestand nicht ausnahmsweise eine ordentliche Kündigung gegenüber Betriebsratsmitgliedern und den anderen durch § 15 KSchG geschützten Amtsträgern. § 15 KSchG schließt abgesehen von den Sonderfällen der Betriebsstilllegung und der Stilllegung einer Betriebsabteilung (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG) eine ordentliche Kündigung gegenüber diesem Personenkreis völlig aus und lässt nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu. Letztere ist während der Amtszeit des Betreffenden nach § 103 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats bzw. deren Ersetzung durch die Arbeitsgerichte zulässig. Diese im Interesse des (Betriebsrats-) Amts und der ungestörten Amtsführung geschaffene generelle Regelung lässt keine Einschränkung für sog. Massenänderungskündigungen zu. Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion liegen nicht vor. Der Kläger ist bei der Beklagten als Drucker beschäftigt. Er ist Ersatzmitglied des Betriebsrats und hat innerhalb des letzten Jahres vor der Kündigung an Betriebsratssitzungen teilgenommen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2003 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Änderungskündigung zum 31. Mai 2003 aus. Das neue Vertragsangebot sah ua. eine Änderung der Arbeitszeit sowie den Wegfall verschiedener Zulagen und Sonderzahlungen vor. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger wie allen anderen Mitarbeitern eine entsprechende einvernehmliche Vertragsänderung angeboten. Das Änderungsangebot nahmen 27 von 139 Mitarbeitern in der Produktion - darunter der Kläger - nicht an. Mit der Klage hat sich der Kläger gegen die Änderungskündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon deswegen unwirksam, weil nach § 15 KSchG nur eine außerordentliche Kündigung habe ausgesprochen werden können. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, bei Massenänderungskündigungen sei das Betriebsratsmitglied nicht durch § 15 KSchG geschützt, weil bei generellen Maßnahmen des Arbeitgebers gegenüber allen Arbeitnehmern keine besondere Schutzbedürftigkeit der Betriebsratsmitglieder bestehe. Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Oktober 2004 - 2 AZR 81/04 Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Dezember 2003 - 8 Sa 930/03 - ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 58 Schriftform für Auflösungsvertrag und Kündigung - Treu und Glauben • • • • 10.06.2005 Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Auflösungsvertrag oder durch Kündigung der Schriftform. Ein mündlich geschlossener Auflösungsvertrag ist danach ebenso unwirksam wie eine mündlich erklärte Kündigung. Es verstößt in aller Regel nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich derjenige, der in einem kontrovers geführten Gespräch eine Kündigung ausgesprochen oder sich mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt hat, nachträglich darauf beruft, die Schriftform sei nicht eingehalten. Der gesetzliche Formzwang soll die Parteien des Arbeitsvertrages vor Übereilung bei Beendigungserklärungen bewahren (Warnfunktion) und dient außerdem der Rechtssicherheit (Klarstellungs- und Beweisfunktion). Von ihm kann deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die in einem Baustoffhandel angestellte Klägerin am Morgen des ersten Arbeitstages nach Rückkehr aus dem Urlaub mit der Geschäftsführerin der Beklagten eine von wechselseitigen Vorwürfen gekennzeichnete Auseinandersetzung, nach deren Ende die Klägerin den Betrieb verließ. Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe, obwohl sie sich über die Folgen vollkommen im Klaren gewesen sei, in vollem Ernst mündlich gekündigt oder es sei doch - ebenfalls mündlich - ein Auflösungsvertrag geschlossen worden. Die Klägerin könne sich angesichts der Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit ihrer Erklärungen nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Schriftform berufen. Dem ist das Bundesarbeitsgericht, wie schon die Vorinstanzen, nicht gefolgt. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. September 2004 - 2 AZR 659/03 Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Oktober 2003 - 5 Sa 754/03 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 59 Erstattung von Fortbildungskosten bei Arbeitgeberkündigung • • • • 10.06.2005 Ein Arbeitnehmer kann sich wirksam zur Rückzahlung von Fortbildungskosten verpflichten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist endet. Die Kostenerstattung muss ihm allerdings bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben zumutbar sein. Sie muss einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Daran fehlt es in der Regel, wenn die Rückzahlungspflicht auch bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung vereinbart ist. Wird einem Arbeitnehmer vorzeitig aus einem Grund gekündigt, auf den er keinen Einfluss hat, liegt es nicht an ihm, dass sich die Bildungsinvestition des Arbeitgebers nicht amortisiert. Eine Rückzahlung ist dem Arbeitnehmer dann nicht zumutbar. Auf Erstattung von Fortbildungskosten geklagt hatte eine Arbeitgeberin, die einer Krankenschwester eine berufsbegleitende Weiterbildung "Leitung/Management von ambulanten Pflegediensten" finanzierte und das Arbeitsverhältnis bereits während der sechsmonatigen Probezeit kündigte, sowie ein Arbeitgeber, der die Kosten einer "CATIASchulung" eines Maschinenbau-Ingenieurs übernahm und das Arbeitsverhältnis nach siebeneinhalb Monaten wegen fehlender Eignung des Arbeitnehmers beendete. Beide Klagen hatten vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar bedurfte im ersten Fall die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit keines Kündigungsgrundes. Für ihren Erstattungsanspruch musste die Arbeitgeberin jedoch ein vertragswidriges Verhalten der Krankenschwester als Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit belegen. Einen solchen Nachweis hatte sie nicht führen können. Im zweiten Fall hatte der Arbeitgeber das Risiko der mangelnden Eignung des Maschinenbau-Ingenieurs trotz Fortbildung zu tragen. Dieser hatte es nicht in der Hand, durch eigene Betriebstreue einer Rückzahlungspflicht zu entgehen. Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 24. Juni 2004 - 6 AZR 320 und 383/03 Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Februar 2003 - 7 Sa 1141/02 – ; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8. Mai 2003 - 11 Sa 1584/02 – ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 60 Betriebsbedingte Änderungskündigung - Umwandlung einer Vollzeitstelle in zwei Halbtagsstellen • • • • 10.06.2005 Die Klägerin war seit 1997 bei der Beklagten als Vollzeitkraft (40 Wochenstunden) beschäftigt. Als technische Mitarbeiterin hatte sie zwei Arbeitsgebiete zu betreuen, in denen sie dem technischen Leiter einerseits und dem Bauleiter andererseits zuarbeitete. Im November 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2001 und bot der Klägerin zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 1. Januar 2002 mit reduziertem Arbeitsgebiet, halbierter Stundenzahl (20 Wochenstunden, montags bis freitags vormittags) und entsprechend geringerer Vergütung an. Sie sollte allein noch für die vom technischen Leiter zugewiesene Arbeit zuständig sein. Für das der Klägerin entzogene Arbeitsgebiet (Bauleiter) stellte die Beklagte eine weitere Halbtagskraft ein, die zeitgleich mit der Klägerin (20 Wochenstunden, montags bis freitags vormittags) eingesetzt wurde. Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen und geltend gemacht, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte hat sich auf die höhere Effizienz des neuen Arbeitszeitkonzepts berufen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben, weil die Reorganisation nicht zwingend notwendig gewesen sei und die frühere zeitliche Aufteilung zu keinen Nachteilen geführt habe. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entschließt sich der Arbeitgeber zu einer betrieblichen Umorganisation, die zu einer anderen zeitlichen Lage und Herabsetzung der Dauer der Arbeitszeit führt, so handelt es sich dabei um eine im Ermessen des Arbeitgebers stehende unternehmerische Entscheidung, die von den Arbeitsgerichten nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern lediglich - zur Vermeidung von Missbrauch - auf offenbare Unvernunft oder Willkür zu überprüfen ist. Ein Missbrauch der unternehmerischen Organisationsfreiheit liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, auf die Reorganisation zu verzichten. War die Reorganisation im vorliegenden Fall dauerhafter Natur und nicht nur vorgeschoben, so bestand ein anerkennenswerter Anlass zum Ausspruch einer Änderungskündigung. Allerdings hat die Klägerin geltend gemacht, die betriebliche Umorganisation sei allein deshalb erfolgt, weil sie sich über den Bauleiter beschwert habe. Trifft dies zu, so kann ein Missbrauch vorgelegen haben. Da es insoweit an Tatsachenfeststellungen fehlt, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 Sächsisches LAG, Urteil vom 8. April 2003 - 9 Sa 709/02 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 61 Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz • • • • • 10.06.2005 Nach § 2 Abs.2 Satz 1 Beschäftigtenschutzgesetz (BSchG) ist eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Nach Satz 2 Nr. 2 dieser Norm gehören dazu sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen und sichtbare Anbringen pornographischer Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Durch eine solche sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verletzt der Arbeitnehmer nach § 2 Abs.3 BSchG seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Deshalb kann die sexuelle Belästigung einer Arbeitnehmerin an ihrem Arbeitsplatz durch einen Vorgesetzten eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs.1 BGB an sich rechtfertigen. Dabei sind der Umfang und die Intensität der sexuellen Belästigung zu berücksichtigen. Der 52-jährige Kläger war seit 1972 bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin als Schwerpunktreiseleiter beschäftigt. Im Mai 1998 kam es während einer Dienstreise zu mehrfachen sexuellen Kontakten zwischen dem Kläger und einer ihm unterstellten, damals 25 Jahre alten Reiseleiterin. Hierüber informierte die Reiseleiterin im Juni 1999 die Beklagte. Deshalb kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers Anfang Juni 1999 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 20.Juni 1999, hilfsweise fristgemäß zum 31.Januar 2000. Die vom Kläger mit dem Hinweis erhobene Kündigungsschutzklage, die Reiseleiterin sei mit den sexuellen Handlungen einverstanden gewesen, haben die Vorinstanzen abgewiesen. Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision hatte vor dem Zweiten Senat Erfolg. Die zwischen dem Kläger und der Reiseleiterin erfolgten sexuellen Handlungen würden nur dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnis rechtfertigen, wenn feststünde, die Reiseleiterin habe diese für den Kläger erkennbar abgelehnt. Hierzu fehlten aber hinreichende Feststellungen der Vorinstanzen. Dementsprechend musste der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. BAG, Urteil vom 25.März 2004 - 2 AZR 341/03 LAG Niedersachsen, Urteil vom 21. Januar 2003 - 12 Sa 1418/02 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 62 Kündigung wegen Privattelefonaten Zustimmung des Betriebsrats • • • • 10.06.2005 Der Kläger war bei der beklagten Immobiliengesellschaft als Organisator beschäftigt. Er war Mitglied des Betriebsrats. Zwischen März und Mai 2002 führte der Kläger, ohne dass die Beklagte davon wusste, von Dienstanschlüssen private Telefongespräche nach Mauritius (über 18 Stunden, Kosten 1.355,76 Euro). Die Beklagte, die anfangs einen anderen Arbeitnehmer verdächtigt hatte, kündigte mit Zustimmung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Außerdem sei dem Kündigungsschreiben die Zustimmungserklärung des Betriebsrats nicht in schriftlicher Form beigefügt gewesen, was er unverzüglich gerügt habe. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Unerlaubt und heimlich auf Kosten des Arbeitgebers geführte Privattelefonate können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Außerdem ließ der Kläger es zu, dass der Verdacht zunächst auf einen nicht beteiligten Kollegen fiel. Die Kündigung ist auch nicht nach §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB unwirksam. Diese Vorschriften enthalten Regelungen über einseitige Rechtsgeschäfte (zB Kündigungen), die von der Einwilligung eines Dritten abhängen. Ein derartiges Rechtsgeschäft ist unwirksam, wenn der Erklärende die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der Erklärungsgegner das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Zwar bedarf nach § 103 BetrVG die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem Betriebsratsmitglied der "Zustimmung" des Betriebsrats, also eines "Dritten". Auf diese "Zustimmung", für die kein Schriftformzwang besteht, sind jedoch §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB nicht anwendbar. § 103 BetrVG enthält eine in sich geschlossene, den Schutz des Betriebsrats und des Betriebsratsmitglieds umfassend ausgestaltende Sonderreglung. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. März 2004 - 2 AZR 147/03 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 14 Sa 1847/02 - ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 63 ANWALTSBÜRO HESSLING Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Mülheim an der Ruhr Anwaltsbüro Hessling • Rechtsanwalt Marc Hessling gründete die Kanzlei im Jahre 2002 im Mülheimer Gewerkschaftshaus. • Wir sind auf die Wahrnehmung arbeitsrechtlicher Arbeitnehmerinteressen spezialisiert. • Wir vertreten nur Arbeitnehmer. Garantiert. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 65 Anwaltsbüro Hessling • Rechtsanwalt Marc Hessling vertritt und berät insbesondere Betriebsräte, Personalräte, Mitarbeitervertretungen und Gewerkschaften in kollektivarbeitsrechtlichen Angelegenheiten. • Er ist Mitglied der Gewerkschaften ver.di und NGG, sowie des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes. • Wenn unsere Betriebsratsmandanten es wünschen, arbeiten wir gerne auch mit den sie betreuenden Gewerkschaftssekretären zusammen – so ist eine Beratung und Vertretung „aus einer Hand“ garantiert, zum Vorteil für den Betriebsrat. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 66 Anwaltsbüro Hessling • Gerne führen wir auch Seminare und Schulungen für Arbeitnehmerinteressenvertretungen durch, hierzu arbeiten wir auch mit verschiedenen Bildungsträgern insbesondere mit dem Verein für innovative Arbeitnehmerbildung in Duisburg zusammen. • Sprechen Sie uns wegen Ihrer individuellen Seminarwünsche an, gerne führen wir auch InhouseSeminare durch. 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 67 Anwaltsbüro Hessling • Unsere Anschrift: Friedrichstr. 28 45468 Mülheim an der Ruhr – Gegenüber dem evangelischen Krankenhaus • • • • • 10.06.2005 Tel.: 0208-4372358 Fax: 0208-4378204 E-Mail: [email protected] www.kanzlei-hessling.de Wir vertreten nur Arbeitnehmer. Garantiert. ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 68 Ende Wir hoffen, diese Präsentation hat Ihnen gefallen. ViA-B e.V. / RA M. Hessling Impressum • V.i.S.d.P.: Rechtsanwalt Marc Hessling Friedrichstraße 28 45468 Mülheim an der Ruhr Tel.: 0208-4372358 Fax.: 0208-4378204 • © 2005 by RA Marc Hessling • Die Vervielfältigung oder öffentliches Zugänglichmachen dieser Präsentation bedarf der Zustimmung des Autors Marc Hessling (Anschrift siehe oben). 10.06.2005 ViA-B / RA Marc Hessling, Mülheim an der Ruhr 70