Evelyn Regner, Berichterstatterin. Herr Präsident, sehr geehrte Frau Kommissarin! Zunächst möchte ich mich bei den Schattenberichterstattern für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Vor allem bei Herrn Lehne und Frau Thein, aber auch bei Herrn Boulland, dem Verfasser der Stellungnahme im Beschäftigungsausschuss, der interessante, sehr brauchbare Aspekte zum Verlegungsplan sowie zur Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Vertreter eingebracht hat. Der Berichtsentwurf wurde im Rechtsausschuss einstimmig angenommen, die Stellungnahme im Beschäftigungsausschuss mit überwältigender Mehrheit. Das soll ein Aufruf an die Kommission sein, endlich legislativ tätig zu werden, denn es werden hier heikle Themen behandelt: Die Sitzfrage und die Frage der Arbeitnehmerbeteiligung. Eine Kapitalgesellschaft, die ihren Sitz von einem EU-Staat in einen anderen verlegen möchte, steht vor einer Herausforderung. Sie muss rechtlich gesehen ihre Zelte komplett abbauen, um sie in einem anderen EU-Land wieder aufbauen zu können. Sie muss ihre Rechtspersönlichkeit aufgeben – und das im Jahr 2012 vor dem Hintergrund des EU-Binnenmarkts. Das heißt, das kostet Zeit, Geld, Nerven und ist auch mit sozialen Kosten verbunden. Es handelt sich also um eine echte Regelungslücke, und das Europäische Parlament ist sich dessen bewusst. Es hat die Kommission auch in der Vergangenheit schon wiederholt aufgefordert, endlich legislativ tätig zu werden. Was ist die Folge für Unternehmen? Unternehmen flüchten ganz einfach. Es findet ein Wettbewerb der nationalen Gesellschaftsrechtsformen statt – Limited gegen Gesellschaft mit beschränkter Haftung –, wir haben hier sehr viele Beispiele. Sie flüchten in Verschmelzungen, das heißt, es findet ein race to the bottom statt. Das will ich nicht! Es soll keinen sogenannten Delaware-Effekt geben. Das heißt, wir brauchen eine Richtlinie, eine vierzehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie zur Sitzverlegung. Aber die Verlegung des Sitzes soll geordnet erfolgen, nicht in Cowboy-Manier. Ich will keinen hektischen Aufbruch von Unternehmen, bei dem die Hälfte auf der Strecke bleibt. Unternehmen dürfen nicht quasi ihre Spuren verwischen und ihre Pflichten im Wegzugstaat zurücklassen, wenn sie ihren Sitz verlegen. Nun zu den beiden Hauptproblemen, um die es hier geht. Zunächst zur Frage der Beteiligung der Arbeitnehmer: Die Beteiligung der Arbeitnehmer trägt zum nachhaltigen Erfolg von Unternehmen bei. Arbeitnehmerrechte im Einklang mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand, das ist die Forderung in meinem Bericht. Dies bedeutet Respekt vor Information und Konsultation sowie Mitbestimmung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter. De facto bedeutet dies, so meine Aufforderung an die Kommission, dass gegebenenfalls Verhandlungen über eine Auffanglösung zum Schutz bestehender Mitbestimmungsrechte notwendig sind. Mir schwebt da schon ein Best Practice-Beispiel vor. Wir haben bereits Regelungen im Zusammenhang mit der europäischen Aktiengesellschaft. Nun zur Sitzfrage, der zweiten heißen Kartoffel, um die es hier geht. Es gibt in der Europäischen Union Länder, die die Trennung von Verwaltungs- und Satzungssitz zulassen, und jene, bei denen das nicht der Fall ist. Eine Sitztrennung begünstigt die Umgehung von zwingenden Schutznormen jenes Staates, in dem die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz, sozusagen ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt hat. Der Bericht hält fest, wir wollen keine Steuerflucht, keinen Missbrauch von Briefkastenfirmen zur Umgehung rechtlicher, sozialer und steuerlicher Bedingungen. Was wir wollen, ist eine praktische Lösung. Im Bericht haben wir das recht salomonisch gelöst. Frau Kommissarin, bitte bestellen Sie Herrn Barnier, der dafür zuständig ist, endlich tätig zu werden und dabei auf den Kernbereich abzuzielen, auf die gemeinsame Sitzverlegung, also jene politischen Bereiche, denen letztlich alle Staaten entsprechend zustimmen können. Stellen Sie auf die wirtschaftliche Tätigkeit im Zuzugstaat ab. Der Binnenmarkt kann seinen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten, das wir heute mehr denn je brauchen. Zögern Sie also nicht, endlich einen Vorschlag vorzulegen, und wiederholen Sie bitte nicht jene Fehler, die bei der europäischen Privatgesellschaft gemacht wurden.