Neuropathischer Schmerz Sportärztewoche 2004 Zell am See Stefan Quasthoff Neurologische Klinik Medizinische Universität Graz Diagnose häufiger Symptome der neuro-muskulären Ambulanz Schmerzen (lokalisiert und generalisiert) Paresthesien und Taubheitsgefühl Fokale Muskelschwäche Generalisierte Muskelschwäche und Ermüdbarkeit Muskel Atrophie und/oder Hypertrophie Deformitäten (Fuß) Myotonie, Muskelsteifheit, Krämpfe und Faszikulieren Häufige Lokalisation von Schmerzen Schmerzen in den Händen und Armen (CTS) Lumboischalgie Nackenschmerzen Schulterschmerzen Hüftschmerzen Schmerzhafte Füße (Painful foot) Ganzkörperschmerzen Definition neuropathischer Schmerz Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) • Läsion oder Dysfunktion des zentralen oder peripheren Nervensystems als Ursache der Schmerzen NEUROPATHISCHER SCHMERZ • Charakteristik – Spontaner Brennenschmerz, lancierend, konstant, Parästhesien, Dysästhesie, Veränderungen der Empfindungen, mechanische Überempfindlichkeit und Allodynie, Hitze Überempfindlichkeit und Allodynie, Käte Überempfindlichkeit und Allodynie, Berührungsempfindlichkeit, Tinel`s Zeichen, Projizierte Schmerzen, Abnormale temporale Summation, Überschreitung der anatomischen Gebiete • typ. Kennzeichen – Empfindungsverlust + gestörte Empfindungen SCHMERZ • Nozizeptorenschmerz – Erregung von Schmerzrezeptoren • Neuropathischer Schmerz – Schädigung des peripheren od. zentralen NS • Schmerz infolge von – Störungen einschl. psychosomat. Vorgänge NEUROPATHISCHER SCHMERZ • Mechanismen – – – – abnormale ektopische neuronale Aktivität Faser Interaktionen (ephaptic) Nozizeptor Empfindlichkeit sympathisch sensorische Kopplung Die Klassifikation neuropathischer Schmerzen • • • • Einteilung nach der Kranheitsentität Beschreibung der anatomischen Verteilung Nachweis pathohistologischer Veränderungen Entstehung und Aufrechterhaltung neuropathischer Schmerzen nicht das Resultat eines einzelnen pathophysiologischen Mechanismus, sondern das Endprodukt einer geänderten peripheren, spinalen und supraspinalen Signalverarbeitung NEUROPATHISCHER SCHMERZ Nicht nur bei Polyneuropathien: • • • • • • • Metabolische PNP: Diabetes mellitus, Alkohol abusus Medikamantös, toxisch, paraneoplastisch, inflamatorisch Infektiös und post-infektiös: Post Zoster, Lyme Borreliose CRPS I und CRPS II Vertebrogen: Discopathien, Postdisektomiesyndrom etc. Engpasssyndrome: CTS, SUS, Pirifromis, Thoracic outlet etc. Mutiple Sklerose Untersuchungsmethoden • Klinisch – Reflexstatus – Sensible Testung (Vibrationsempfinden, KaltWarm, spitz-stumpf, zwei Punkte, Hyperalgesie, Allodynie, etc.) – Schmerzfragebogen, visuelle Skalen, etc. • Zusatzuntersuchungen – EMG - NLG – quantitative sensorische Testung (TSA, medoc) Es gibt keine Methode mit der man Schmerzen meßbar objektivieren kann! SCHMERZ • Schmerzskalen f. Patienten Therapie neuropathischer Schmerzen Behandlungsstrategien: - Patientengespräch - Therapieziel - Stoffwechseleinstellung bei Diabetes, Niereninsuffizienz und Alkohol Karenz! - physikalische Therapie ?: Einreibungen, Massagen, Kälte-Wärme, Akupunktur, TENS? -Medikamentöse Therapie: Antidepressiva - Amitriptylin (25-150 mg), Imipramin (25-300mg), Desimipramin (50-200 mg), Serotonin re-uptake Hemmer (Seroxat 20-40 mg) Schwache bis starke Opiate - Tramadol (100 - 300 mg), DHC, MST, Morphin (10-20 mg) Ionenkanalblocker: Carbamazepin (200 - 1200 mg), Gabapentin (Neurontin 1200-3200 mg), Pregabalin (Lyrika 300-600 mg) Phenytoin, Lidocain (Infusion 5 mg/kg in 30 min), Mexiletin (450 - 700 mg) Andere: a-Liponsäure (600 mg/iv über 12 Tage, dann oral 3x600 mg), Capsaicin Salbe (4 x 0.025-0.075%), Cortison (500 mg/iv 5x) Schmerzhafte Neuropathie Postherpetische Peripherer Neuralgie Nervenschaden Zentraler Schmerz Trigeminus neuralgie 2.4 (2.0-3.0) 2.3 (1.7-3.3) 2.5 (1.4-10.6) 1.7 (1.1-3.0) ND 6.7 (3.4-43.5) ND ND ND ND Antikonvulsiva Phenytoin Carbamazepin Gabapentin Pregabalin Topiramat 2.1 (1.5-3.6) 3.3 (2-9.4) 3.7 (2.4-8.3) 2.5 4.0 ND ND 3.2 (2.4-5.0) 3.0 ND ND ND ND ND ND ND 3.4 (1.7-105) ND ND ND ND 2.6 (2.2-3.3) 3.1 ND ND Opioide Oxycodon Tramadol ND 3.4(2.3-6.4) 2.5 (1.6-5.1) ND ND ND ND ND ND ND NMDA Antagonisten 1.9 (1.1-3.7) Dextromethorphan ND Memantine ND ND ND ND ND ND ND ND Varia Capsaicin a-Liponsäure 5.3 (2.3-1000) 3.5 (1.6-1000) ND ND Antidepressiva Trizyclica SSNR SSRI 5.9 (3.8-13) 3.6 (3-10) Häufigste Nebenwirkungen der Schmerztherapie • Somnolenz • Schwindel • Gangstörung • Kopfschmerzen • Diarrhoe • Konstipation • Libidoverlust 33% 24% 23% 11% 11% 15 % 15 % Fall 1: Schmerzhafter Arm 37 männlicher Patient, Rechtshänder Langsam zunehmender Schmerz des l. Arms Dumpf, konstant vorhanden, wenig Veränderung Schwer definierbar: max. VAS 6/10 Spontane Verschlechterung über Stunden andauernd Keine Besserung mit üblichen Analgetika Fleckförmige Taubheit des Unterarms ? Angina Pectoris: vom Kardiologen gesehen, EKG normal, CTS? C6? SUS? Tennisarm, Psychogen? Fall 1: Schmerzhafter Arm • Patient ist glaubt das der Arm “gebrochen” ist; Notaufnahme Unfallklinik • Mögliche radikuläre Schädigung? C6-C8? • CTS, SUS, muskulär? • MRT der HWS und Arm ohne path. Befund • Vorstellung in der Elektrophysiologie: Grenzwertiges CTS, mögliches SUS, neuropathischer Schmerz! • Taubheit im link Gesichtsbereich, Mundinnenseite nicht betroffen Fall 1: Schmerzhafter Arm Normale neurologische Untersuchung bis auf: Diagnose? Fall 1: Schmerzhafter Arm Hämangiom Folgerung • Schmerz ist nur ein Symptom • Wo keine zufriedenstellende Ursache gefunden wird, sollte weitergesucht werden • Übersehe nicht andere Symptome Versuche die Schmerzen zu lindern sollten immer damit verbunden sein eine mögliche Ursache zu finden Fall 2: Taubes und Schmerzhaftes Gesicht 68 Jahre alter Mann Zustand nach Herpes Zoster Taubes Gesicht Schmerzhaftes Gesicht: – Konstant VAS 5/10 – Plötzliche Verschlechterung bis 9/10 – Keine Besserung unter: Amitriptylin, Carbamezepin or Opioide – Ausgeprägte Schlafstörung Fall 2: Taubes und Schmerzhaftes Gesicht Areas of sensory loss to: • Warmth • Cold • Pinprick • Von-Frey hair Pain levels unchanged Fall 2: Taubes und Schmerzhaftes Gesicht Behandlung mit Gabapentin Gebiet des Sensibilitätsverlustes nach 2 und 3 Monaten Schmerzintensität Nach 2 Monaten: – Weniger plötzlicher Verschlechterung Nach 3 Monaten: – VAS 4/10 – Keine plötz. Verschlechterung – Verbesserung des Schlafes Folgerung • Schmerzen können mit anderen neurologischen Symptomen und Zeichen vergesellschaftet sein • Gewissenhafte Untersuchung kann dies zeigen • Neurologischen Begleitsymptome können sich vor der Schmerzlinderung verändern • Schmerzlinderung bedeutet nicht nur Beseitigung von “Unwohlsein”, sondern kann auch die Verbesserung der sensorischen und motorischen Funktionen bewirken