Henri Bergson: Von der Auswahl der Bilder bei der Vorstellung (1896) Jan Storek Henri Bergson: Biographie geb. 1859 in Paris 1877-81 Studium am Ecole Normale Supérieure, anschl. bis 1897 Lehrer für Philosophie ab 1900 Professor am Collège de France 1921 emeritiert, um sich verstärkt dem Schreiben zu widmen gest. 03.01.1941 (Bronchitis) Henri Bergson: Werke 1889 Zeit und freier Wille 1896 Materie und Gedächtnis 1900 Das Lachen 1903 Einführung in die Metaphysik 1907 Die kreative Evolution 1919 Die spirituelle Energie 1921 Durée et Simultanéité à propos de la théorie d‘Einstein 1932 Zwei Quellen von Moral und Religion 1934 Le Pensée et le Mouvant Henri Bergson „Es gibt in der Philosophie nichts, was nicht in alltäglicher Sprache gesagt werden könnte“ Zwischen den beiden Weltkriegen erfreuten sich seine Schriften größter Beliebtheit, wurden allerdings auch kritisiert, die Gedankengänge seien hochtrabend und schwer nachvollziehbar. Henri Bergson Bergson unterschied erstmals zwischen dem Konzept und der Wahrnehmung von Zeit und Realität. Öffentliche Debatte mit Einstein seit 1911, insbesondere bezüglich der Relativitätstheorie H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder I Alle Bilder unterliegen Wechselwirkungen gemäß konstanten Naturgesetzen; Auf einen Reiz folgt eine festgelegte Reaktion, daher ist theoretisch alles vorhersehbar. Eine Besonderheit ist das Bild des eigene Leibes, in dem zwischen Reiz und Reaktion eine Affektion beobachtet werden kann. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder I Ein begrenzter eigener Wille ist auch in der Natur vorzufinden neben automatisierten Reaktionen, nämlich immer dann, wenn ein Lebewesen mit der Fähigkeit zur räumlichen Fortbewegung per Emotion vor einer Gefahr gewarnt wird, ihm aber offen bleibt, wie es darauf reagiert. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder I Beobachtung: „In der Welt der Bilder, die ich das Universum nenne, geht alles so vor sich, als ob etwas wirklich Neues nur durch dir Vermittlung gewisser eigentümlicher Bilder entstehen könne, deren Typus mir in meinem Leibe gegeben ist.“ H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder II Allg. These der Physiologie und Psychologie: Das zentripetale Nervensystem erzeugt die Vorstellung von der Außenwelt. Überlegung: „Wenn jenes Bild, das ich Gehirnreiz nenne, die äußeren Bilder erzeugen soll, so müßten diese Bilder in irgendeiner Form in ihm enthalten sein.“ H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder II Aber: „Nicht das Universum bildet einen Teil des Gehirns, sondern das Gehirn bildet einen Teil der materiellen Welt.“ Folgerung: „Weder die Nerven noch die Nervenzentren können das Bild des Universums bedingen.“ Der Leib nimmt Bewegung auf und gibt Bewegung ab. Er ist aber nicht imstande, eine Vorstellung zu erzeugen. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder III Annahme: Das Bild „Leib“ nimmt eine bevorzugte Stellung ein - ihm bleibt die Wahl zwischen verschiedenen materiell möglichen Akten und Reaktionen. Voraussetzung ist die Wahrnehmung von möglichen Vorteilen oder Gefahren, die von umgebenden Bildern ausgehen. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder III Beobachtung: „Die Gegenstände, welche meinen Körper umgeben, reflektieren die mögliche Wirkung meines Körpers auf sie.“ Die Entfernung selber ist das Maß, „in dem die Dinge der Umwelt gegen die unmittelbare Wirkung meines Leibes sozusagen versichert sind.“ H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder IIIa Definition: Materie nenne ich die Gesamtheit der Bilder, Wahrnehmung der Materie diese selben Bilder bezogen auf die mögliche Wirkung eines bestimmten Bildes, meines Leibes. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder IV Komplexere, größere Wahrnehmung und motorische Apparate ermöglichen einen größere Wirkungsspielraum. Bessere Wahrnehmung bedeutet eine größere Indeterminiertheit eines Lebewesens. Wahrnehmung ist demnach offenbar auf Tätigkeit ausgerichtet, nicht auf Erkenntnis. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder V Wahrnehmung entsteht, wenn ein Reiz empfangen wird und sich nicht sofort in einer notwendigen Reaktion verlängert. Je unmittelbarer die Reaktion, umso mehr gleicht die ganze Wahrnehmung einer bloßen Berührung; der Vorgang von Wahrnehmung und Reaktion unterscheidet sich kaum noch von einem mechanischen Anstoß. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder V Indeterminiertheit bedeutet: Je größer der Bereich ist, in dem ein Lebewesen die Wirkungen eines Gegenstandes empfindet, umso ungewisser ist die Reaktion und umso eher ist ein Abwarten möglich. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder V Gesetz: „Die Wahrnehmung beherrscht den Raum in genau dem Verhältnis, in dem die Tat die Zeit beherrscht.“ Folgerung: Wahrnehmung ist die variable Beziehung zwischen einem Lebewesen und den mehr oder minder fernen Einflüssen der Gegenstände, die es umgeben. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder VI Wahrnehmung ist immer mit Erinnerung getränkt. These: „Das Gedächtnis bildet bei der Wahrnehmung den Hauptbestandteil des individuellen Bewußtsein; die subjektive Seite unserer Erkenntnis der Dinge.“ H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder VII „Das Auseinanderfallen der Begriffe Gegenwärtigkeit und Vorstellung scheint die Differenz zwischen Materie und bewußter Wahrnehmung der Materie auszumachen.“ Der Zusammenhang, in dem die Bilder untereinander stehen, ist der indifferente einer rein mechanischen Beziehung. H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder VII Unsere Vorstellung der Materie ist reduziert: Sie entspricht „ganau unserer Möglichen Wirkung auf die Körper; sie resultiert, wenn wir alles eliminieren, was was für unsere [..] Funktionen ohne Interesse ist.“ H. Bergson: Von der Auswahl der Bilder VII „Gerade in dieser Auswahl besteht soweit die außere Wahrnehmung in Betracht kommt - das Wesen des Bewußtseins. Aber in dieser notwendigen Armut steckt etwas Positives, das bereits den Geist ankündigt: das Vermögen zu unterscheiden.“