Krebs bei Frauen. Da denken die meisten sofort an Brustkrebs und die Statistik gibt ihnen Recht. Es 15. Jahrgang · Nr. 4/2013 ist mit einem Anteil von 28 Prozent der häufigste Krebs bei Frauen in Deutschland. Brustkrebs verursacht nach wie vor die meisten krebsbedingten Todesfälle bei Frauen. Die Erkrankungshäufigkeit hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zugenom- Inhalt Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust men. Durch die verbesserte Überlebensrate ist die Zahl der erkrankten Frauen in der Bevölkerung insgesamt gestiegen. 4 Primärprävention des Mammakarzinoms 10 12. NZW Süd in Ravensburg 16 Leitlinien in der Onkologie 36 Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum Das führte dazu, dass in Deutschland bei ca. 0,9 Prozent aller Frauen in den vorangegangen zehn Jahren Brustkrebs festgestellt wurde, wenn man nur die Frauen ab 50 Jahren betrachtet, sind es etwas mehr als 2 Prozent.1 Bei einer beinahe schon Volkskrankheit zu nennenden Erkrankung kommt der Vorbeugung ein hoher Stellenwert zu. Lesen 40 Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik 42 Sie hierzu Vorschläge, die leider durchaus auch unbequem in der Durchführung sein können und somit viel Fingerspitzengefühl im Beratungsgespräch erfordern. Wir freuen uns, Ihnen zur Ultraschalldiagnostik, den neuesten Sachstand vorstellen zu können. Die Frage wie und ob Schwangere mit Onkologische Krankenpflegekräfte und onkologisch tätige Apotheker tauschen sich aus! 50 Brustkrebs in der Schwangerschaft 52 Arzneimittelinnovationen in der Onkologie: kurz gefasst EDITORIAL Inhalt/Editorial Brustkrebs behandelt werden sollen, wird in dieser Ausgabe der Onkologischen Pharmazie beantwortet. Die aktuelle Leitlinie zum Mammakarzinom sowie ein Bericht zur Nachsorge runden das Schwerpunktthema im vorliegenden Heft ab. 57 Aber Krankheit hat Einfluss auf die Lebensführung und Lebensgestaltung. Ein zentrales Lebensthema ist die Part- Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen 58 Ernährung nach Gastrektomie 62 Krebserkrankung und Partnersuche. Ein persönliches Abenteuer 64 nersuche. Hier der unkonventionelle Bericht über einen Selbstversuch, wie sich Partnersuche mit schwerer, auch überstandener, Krankheit gestalten kann. Mit diesem Heft dürfen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, schon die besten Wünsche für das nächste Jahr mit auf den Weg geben und wir hoffen, dass wir Sie auch im kommenden Jahr 2014 mit Informationen aus Wissenschaft und Pra- Ständige Rubriken xis rund um die Onkologische Pharmazie versorgen dürfen. Testiertes interaktives Selbststudium 6 Kommentar des Herausgebers 8 Impressum15 Ihre Gabi Gentschew 1 http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/ Praevalenzbroschuere/Lokalisationen/C50.pdf?__ blob=publicationFile Buchbesprechung47 Who is who 48 Die besten Websites 67 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 3 Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust Von Eberhard Merz, Frankfurt/Main B ei der Ultraschalldiagnostik der Brust handelt es sich um ein seit mehr als sechs Jahrzehnten bestehendes bildgebendes Verfahren, das im Vergleich zur Mammographie lange Zeit ein Schattendasein geführt hat. Mit der Entwicklung hochfrequenter Ultraschallsonden und unterschiedlicher Techniken hat sich die Ultraschalldiagnostik der Brust in der Zwischenzeit nicht nur zu einer wertvollen Ergänzungsuntersuchung zur Mammographie entwickelt, sondern ist in verschiedenen Situationen der Mammographie sogar überlegen. Heute hat die Ultraschalluntersuchung der Brust einen festen Bestandteil im Gesamtspektrum der verschiedenen bildgebenden Verfahren: digitale Mammographie, Ultraschall (2D- und 3D-Sonographie) und Magnetresonanz (MR)-Mammographie. Sonographie der Brust als wichtige Ergänzung zur Mammographie, da sich damit auch Tumoren erkennen lassen, die in der alleinigen Mammographie in bis zu 40 % der Fälle unentdeckt bleiben. Bei der sonographischen Untersuchung der Brust wird stets auch die Achselhöhle untersucht und auf vergrößerte und/oder struktu- Die Vorteile der Mammographie sind ohne Zweifel in der Standardisierbarkeit der Untersuchung und in der guten Erkennbarkeit von Mikrokalk zu sehen. Mikrokalk gilt in gruppierter Form als Hinweiszeichen für ein Brustkarzinom, in disseminierter Form als Zeichen für ein duktales in situ-Karzinom, das eine Krebsvorstufe darstellt. Die Nachteile der Mammographie liegen in der Strahlenbelastung, in der schlechten Beurteilbarkeit der Brust bei dichtem Drüsengewebe, wie man es besonders bei jüngeren Frauen findet, und in einer Fehlinterpretation durch Überlagerungseffekte. Letztere entstehen dadurch, dass bei der Mammographie das dreidimensionale Drüsengewebe auf ein zweidimensionales Bild projiziert wird, wodurch es bei bestimmten Gewebekonstellationen zur Überlagerung von Gewebestrukturen kommt, die auf dem zweidimensionalen Bild dann ein Karzinom vortäuschen können. Ein weiterer Nachteil der Mammographie ist die Tatsache, dass einzelne Karzinome, wie z.B. das lobuläre Mammakarzinom, nur schwer oder teilweise überhaupt nicht zu erkennen sind. Zudem wird die Mammographie von vielen Patientinnen als schmerzhaftes oder unangenehmes Verfahren empfunden. Trotz dieser Nachteile ist die Mammographie in Deutschland derzeit das einzige Verfahren, das im Rahmen eines gesetzlichen Früherkennungsprogramms für Brustkarzinome (sog. Brustkrebs-Screening) allen Frauen mit einem Alter zwischen 50 und 69 Jahren in Deutschland angeboten wird. Abb. 1: 2D-Sonographie: Einfache glatt begrenzte Mammazyste von 6 mm Durchmesser mit einzelnen Binnenechos und einer Schallverstärkung hinter der Zyste. Im Vergleich zur Mammographie stellt die Ultraschalluntersuchung der Brust ein harmloses Verfahren ohne Strahlenbelastung dar, das jederzeit und auch in kürzeren Abständen wiederholt werden kann. Dies gilt insbesondere für junge Patientinnen, bei denen es um die Abklärung von Zysten (Abb. 1) oder einem Fibroadenom geht und deren Größe kontrolliert werden müssen. Beim Fibroadenom handelt es sich um den häufigsten soliden gutartigen Tumor der Brust, der bereits bei jungen Frauen gefunden wird. Mit der Ultraschalluntersuchung lässt sich wie mit der Mammographie auch eine Vielzahl von bösartigen Tumoren in der Brust erkennen. Insbesondere beim dichten Drüsenkörper (ACR-Brustdichte Grad 3 oder 4) dient die 4 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Abb. 2: 2D-Shear-wave-Elastographie. Der rote Bereich über den beiden echoarmen Mastopathiearealen im Gewebe vor der echoarmen Brustprothese spricht für eine gutartige Veränderung. rell auffällig veränderte Lymphknoten überprüft. Zur histopathologischen Abklärung von Brusttumoren ist die Freihand-Hochgeschwindigkeitsstanze das Mittel der ersten Wahl. Diese wird in Lokalanästhesie und unter Ultraschallsicht praktisch schmerzfrei in wenigen Minuten durchgeführt. Aus den dabei gewonnenen Gewebezylindern kann der Pathologe dann exakt nachweisen, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Tumor der Brust oder um eine Vorstufe eines bösartigen Tumors handelt. Liegt ein Karzinom vor, bestimmt der Pathologe aus dem Stanzgewebe nicht nur den Tumortyp, sondern auch den Grad der Bösartigkeit, das sog. Grading, wie Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust auch die Hormonrezeptoren und den HER2neu-Status. Liegen alle Untersuchungsergebnisse vor, wird das weitere operative Vorgehen mit der Patientin gezielt besprochen. Abklärungsbedürftiger Mikrokalk wird hingegen meist in Form einer stereotaktischen Vakuum-Saug-Biopsie unter mammographischer Kontrolle entfernt. Hierbei kommt eine spezielle dicke Hohlnadel zum Einsatz (Mammotome-Verfahren). Dieses Verfahren ist deutlich aufwändiger als eine sonographisch-gesteuerte Punktion, gestattet aber die sichere Entfernung des Mikrokalks. Mit dem sog. Mammotome-Freihandverfahren kann Mikrokalk im Einzelfall auch in Form einer ultraschallgesteuerten Vakuum-Saug-Biopsie entfernt werden. In erster Linie wird dieses traschalluntersuchung deutlich schwieriger als bei der Mammographie ist. Bei der Mammasonographie kommen heute unterschiedliche Techniken zum Einsatz. Hierzu zählen die zweidimensionale (2D) Sonographie, die dreidimensionale (3D) Sonographie, die Farbdopplersonographie und die Strain- und Shear-wave-Sonographie. Bei der 2D-Sonographie erhält man zweidimensionale Bilder (Abb. 1), wobei auffällige Befunde nach bestimmten vom Arbeitskreis der DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) erstellten Kriterien beurteilt werden. Hierzu zählen z.B. Form, Achse, Rand, Echogenität, Schallfortleitung und Komprimierbarkeit eines Tumors wie Abb. 3: 3D-Sonographie. Darstellung eines gelappten Fibroadenoms (16x9x11 mm) in den drei senkrecht aufeinander stehenden Schnittebenen. Unten rechts Oberflächendarstellung der Schnittfläche des Tumors. Die glatte Begrenzung und das Verdrängen des umliegenden Gewebes (= Kompressionsmuster) sprechen für einen gutartigen Tumor. Verfahren jedoch zur Entfernung von Fibro­ adenomen in Lokalanästhesie herangezogen. In der Tumor-Nachsorge hat die Ultraschalluntersuchung heute einen festen Stellenwert, da sie problemlos und risikofrei in kürzeren Abständen durchgeführt werden kann. Die Nachteile der Mammasonographie sind in der geringeren Standardisierbarkeit der Untersuchung (die Brust wird zwar als Ganzes untersucht, aber nur in einzelnen Abschnitten abgebildet) und im höheren personellen Aufwand zu sehen. Dabei spielt vor allem die Erfahrung des Untersuchers eine große Rolle. Dies gilt insbesondere für die Erkennung von Mikrokalk, die bei der Ul- sondern Volumenblöcke gespeichert, aus denen sich dann zweidimensionale Schnittebenen oder dreidimensionale Bilder rekonstruieren lassen. Im Multiplanarmodus werden die drei senkrecht zueinander stehenden Schnittebenen gleichzeitig auf dem Monitor abgebildet (Abb. 3 u. 4). Im Tomographiemodus werden mehrere parallel zueinander angeordnete zweidimensionale Bilder wie bei der Computertomographie oder der Magnetresonanztomographie auf dem Monitor angezeigt. Bei der Unterscheidung zwischen gutartigen und bösartigen Tumoren hat sich insbesondere die dritte, parallel zur Körperoberfläche verlaufende Ebene als wichtigste Ebene gezeigt. Diese lässt sich nur mit der 3D-Sonographie darstellen. Bei gutartigen Tumoren findet man in dieser Ebene in den meisten Fällen Abb. 4: 3D-Sonographie. Darstellung eines Mammakarzinoms (16x9x11 mm) in den drei senkrecht aufeinander stehenden Schnittebenen und als Oberflächenbild in der dritten Ebene parallel zur Körperoberfläche (unten rechts). In der dritten Ebene lässt sich das typische strahlenförmige Muster um den echoarmen Tumor herum erkennen (= Retraktionsmuster). auch die Architekturstörung des umgebenden Gewebes. Mit der Farbdoppleruntersuchung wird das Durchblutungsmuster eines Tumors oder auffälliger Lymphknoten in der Axilla beurteilt. Eine neuere zweidimensionale Technik stellt die Shear-wave-Elastographie dar. Bei diesem Verfahren wird die Gewebeelastizität eines Tumors farbkodiert dargestellt. Gutartige Tumoren zeigen dabei eher eine hohe (Abb. 2), bösartige Tumoren eher eine niedrige Elastizität. Bei der 3D-Ultraschalluntersuchung werden im Vergleich zur herkömmlichen 2D-Sonographie nicht nur zweidimensionale Bilder, ein verdrängendes Wachstum (= Kompressions-Muster) (Abb. 3). Bei malignen Tumoren kann hingegen in ca. zwei Drittel der Fälle ein strahlenförmiges Muster um den Tumor beobachtet werden (= Retraktions-Muster) (Abb. 4 u. 5). In ca. einem Drittel der Fälle findet man andere Muster, wie z. B. eine unregelmäßige Außenbegrenzung. Mit dem sog. Glass bodyModus lassen sich Gefäße, die einen Tumor oder einen vergrößerten Lymphknoten versorgen, räumlich erkennen (Abb. 6). Einen weiteren Vorteil bietet die 3D-Sonographie bei der ultraschallgesteuerten Biopsie von Brusttumoren. Während man mit der 2D-Sonographie die Nadellage nur in zwei Ebenen darstellen kann, lässt sich die Nadel mit der Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 5 Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 4/2013 1. Zum Diagnostikspektrum der weiblichen Brust zählen die bildgebenden Verfahren a) digitale Mammographie, b) Ultraschall (2D- und 3D-Sonographie), c)Szintigraphie, d) Magnetresonanz (MR)-Mammographie. 2. Bei der Mammasonographie kommen folgende Techniken zum Einsatz a) Strain- und Shear-Wave-Sonographie, b)Farbdopplersonographie, c) dreidimensionale Sonographie, d) zweidimensionale Sonographie. 3. Zu den Kriterien des Arbeitskreises der DEGUM, nach denen auffällige Befunde bei der 2D-Sonographie beurteilt werden, zählen u.a. a)Echogenität, b)Schallfortleitung, c)Rand, d) Architekturstörung des umgebenden Gewebes. 4. Die Domäne der Mammasonographie liegt u.a. a) bei der dichten Brust (ACR-Grad 3 und 4). b) beim Nachweis von Mikrokalk. c) in der engmaschigen Tumornachsorge. d) bei der jungen Patientin mit einem schmerzhaften oder tast­ baren Befund. 5. Mit dem „Automatischen Brustvolumenscanner“ (ABVS) wird a) jedes Karzinom erkannt. b) die gesamte Brust dreidimensional abgebildet. c) die gesamte Brust automatisch sonographisch erfasst. d) die Beurteilung durch den Arzt überflüssig. Richtige Antworten zum Beitrag: „Zur Qualität klinischer Studien aus pharmazeutischer Sicht“ in Heft 2/2013 Frage 1: b Frage 2: b, d Frage 3: a-d Frage 4: a-d Frage 5: c Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2013 Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder­ lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende FaxNummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg! Name: Vorname: Einrichtung: Straße: Per Fax: +49-40-79 14 03 02 PLZ/Ort: Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust (Onkologische Pharmazie Nr. 4/2013) Meine Antwort (X) lautet bei: Frage 1: a b c d Frage 2: a b c d Frage 3: a b c d Frage 4: a b c d Frage 5: a b c d 6 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl. Datum: Unterschrift: Abb. 5: 3D-Sonographie. Darstellung eines kleinen Mammakarzinoms (6x4 mm) als Oberflächenbild in der dritten Ebene parallel zur Körperoberfläche. Selbst bei dieser geringen Größe kann bereits ein Strahlenmuster in der dritten Ebene erkannt werden. Abb.6: 3D-Sonographie. a. 3D-Oberflächendarstellung zweier Lymphknotenmetastasen in der Axilla. Typisch ist die kugelige Auftreibung der Lymphknoten mit Auflösung der normalen Organstruktur. b. Glass body-Modus mit dreidimensionaler Darstellung einer auffälligen Gefäßversorgung einer Lymphknotenmetastase in der Axilla. Abb. 7: Stanzbiopsie eines Mammakarzinoms mit Lagekontrolle der Nadel mittels 3D-Sonographie. Die Darstellung der Nadel in allen 3 Ebenen wie auch im Oberflächenmodus (unten rechts) zeigt, dass der Tumor exakt erfasst wurde. 3D-Sonographie in allen drei Ebenen kontrollieren und gegebenenfalls die Nadelrichtung korrigieren, bevor der Tumor selbst punktiert wird. Damit kann gewährleistet werden, dass der Tumor stets korrekt erfasst wird (Abb. 7). nerhalb der letzten 20 Jahre eine enorme Entwicklung erfahren hat und mit den unterschiedlichen Anwendungsmethoden ein breites diagnostisches Spektrum im Bereich der Brust und Axilla aufweist. American College of Radiology (ACR). ACR-BI-RADS® – Ultrasound. In: ACR Breast Imaging Reporting and Data System. Breast Imaging Atlas. In: Reston VA (Hrsg) 2003; American College of Radiology Im Vergleich zum zweidimensionalen Ultraschall bietet die dreidimensionale Sonographie noch den weiteren Vorteil, dass damit nicht nur Bilder, sondern Volumina verlustfrei digital abgespeichert werden können. Dadurch können auffällige Befunde jederzeit nochmals neu geladen und durch einen Zweituntersucher ergänzend beurteilt werden, ohne dass die Patientin anwesend sein muss (= sog. virtuelle Untersuchung). Als optimales bildgebendes Verfahren zur Früherkennung von bösartigen Brusttumoren wird nach wie vor die Kombination von Mammographie und Ultraschalluntersuchung angesehen. Mit dem „Automatischen Brustvolumenscanner“ (ABVS), einem seit wenigen Jahren auf dem Markt befindlichen Gerät, wird im Vergleich zum handgeführten Schallkopf die gesamte Brust automatisch sonographisch erfasst und dreidimensional abgebildet. Unklare Befunde in der Mammographie wie auch in der Sonographie werden heute üblicherweise mit der Magnetresonanz (MR)Mammographie abgeklärt. Diese Technik zeigt derzeit die höchste Entdeckungsrate von bösartigen Brusttumoren als Einzeluntersuchung. Hilfreich ist diese Technik auch bei der Differenzierung zwischen Narbe und Lokalrezidiv. Als Nachteile dieser Methode werden von Kritikern aufgeführt, dass sie eine hohe Expertise des Untersuchers erfordert, dass damit eine hohe Rate an falsch positiven Befunden von ca. 30% erzeugt wird und dass die Untersuchung im Vergleich zu den anderen bildgebenden Verfahren sehr teuer ist und die Kosten von den Krankenkassen nur bei besonderen Indikationen übernommen werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mammasonographie insbesondere in- Die Domäne der Mammasonographie ist derzeit bei der jungen Patientin mit einem schmerzhaften oder tastbaren Befund, bei der dichten Brust (ACR-Grad 3 und 4), bei Patientinnen, die eine Mammographie ablehnen, in der engmaschigen Tumornachsorge und in der Abklärung von Axillabefunden zu sehen. Obwohl man in Deutschland von einem sonographischen Brustkrebs-Screening entsprechend dem Mammographie-Screening noch weit entfernt ist, wird ein solches in Österreich bereits getestet. LITERATUR Kolb TM, Lichy J, Newhouse JH. Occult cancer in women with dense breasts: detection with screening US – diagnostic yield and tumor characteristics. Radiology 1998; 207: 191–199 Madjar H, Rickard M, Jellins J et al. IBUS guidelines for the ultrasonic examination of the breast. European Journal of Ultrasound 1999; 9:99–102 Kolb TM, Lichy J, Newhouse JH. Comparison of the performance of screening mammography, physical examination, and breast US and evaluation of factors that influence them: an analysis of 27,825 patient evaluations. Radiology 2002; 225: 165–175 Krishnamurthy S, Sneige N, Bedi DG et al. Role of ultrasound-guided fine-needle aspiration of indeterminate and suspicious axillary lymph nodes in the initial staging of breast carcinoma. Cancer 2002; 95: 982–988 Podkrajsek M, Music MM, Kadivec M et al. Role of ultrasound in the preoperative staging of patients with breast cancer. Eur Radiol 2005;15:1044–1050 Madjar H, Ohlinger R, Mundinger A, Watermann D et al. BI-RADS analoge DEGUM Kriterien von Ultraschallbefunden der Brust – Konsensus des Arbeitskreises Mamma-sonographie der DEGUM. Ultraschall in Med 2006; 27: 374–379 Weismann C, Hergan K. Aktueller Stand der 3D/4DVolumensonographie der Mamma. Ultraschall in Med 2007; 28: 273–282 Hille H, Vetter M, Hackelöer BJ. Die Eignung der hochfrequenten Sonographie zur Diagnostik des DCIS. Ultraschall in Med 2007; 28:307–312 Merz E, Eichhorn K.-H, Madjar H, Hackelöer BJ, Degenhard F. Indikation und Perspektiven der frauenärztlichen Mammasonografie nach Einführung des Mammografie-Screenings in Deutschland. Ultraschall in Med 2009; 30: 3–5 Svensson WE, Pandian A J, Hashimoto H. The Use of Breast Ultrasound Color Doppler Vascular Pattern Morphology Improves Diagnostic Sensitivity with Minimal Change in Specificity. Ultraschall in Med 2010; 31: 466–474 Koehler KE, Ohlinger R. Sensitivity and Specificity of Preoperative Ultrasonography for Diagnosing Nodal Metastases in Patients with Breast Cancer. Ultraschall in Med 2011; 32: 393–399 AUTOR: Prof. Dr. med. Prof. h.c. Eberhard Merz Chefarzt der Frauenklinik Zertifiziertes Brustzentrum Mamma-DEGUM Stufe III Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2-26 60488 Frankfurt/Main Telefon: 069-7601-3579 Telefax: 069-7601-3613 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 7 Kommentar des Herausgebers Kommentar des Herausgebers Die Tat muss dem Worte folgen. Klaus Meier D ie Apothekenbetriebsordnung erregt noch immer die Gemüter. Die Aufsichts­ beamten sind noch immer dabei, die Worte des Gesetzes richtig zu deuten. Alle maß­ geblich Betroffenen versuchen sich eben­ falls in ihrer vermeintlichen Deutungshoheit. Dabei scheinen sie ganz zu übersehen, dass nach den Wahlen ein großes Ringen um die große Koalition begonnen hat und aufgrund der Vielfalt der Themen die Öffentlichkeit den Ausstieg aus der Problemdebatte zu nehmen scheint. Wenn denn die Maut für die Ausländer durchgesetzt ist und die Ab­ hörung der Kanzlerin ausgeschlossen bleibt, der Mindestlohn nicht ausgeschlossen ist, dann scheint doch alles sich zum Guten zu wenden. Weit ab von dieser Diskussion hat das Sta­ tistische Bundesamt interessante Ergeb­ nisse veröffentlicht: Die Gefahr an Krebs zu sterben nimmt zu. Bei den ausländischen Mitbürgern ist sie sogar zur Todesursache Nr. 1 avanciert. Hinsichtlich der Krankheits­ kosten nahmen die krankhaften Neubildun­ gen (Krebs) jedoch nach Krankheiten des Kreislaufsystems, der Verdauungsorgane, der Psyche und Verhaltensstörungen und des Muskel-Skelett-Systems schließlich mit 7,1 % aller Krankheitskosten den 5. Rang ein. Demgegenüber aber hatten bei dem Verlust der Erwerbstätigkeit die Krebser­ krankungen mit 12,4 % den Rang 3, nach Verletzungen und psychischen Verhaltens­ störungen, inne¹. In Kenntnis dieser Daten kann ich die Ver­ suche einzelner Krankenkassen, die Versor­ gung krebskranker Patienten mittels Aus­ schreibung kostengünstiger zu gestalten, nicht nachvollziehen. Ist es doch bekannt­ lich so, dass ein Viertel aller zukünftigen Neuzulassungen auf orale Krebsmedika­ mente zielt und der Anteil der parenteralen Verabreichungen in Zukunft abzunehmen scheint. Was treibt diese Krankenkassen gerade­ zu mit krankhaftem Ehrgeiz dazu, die Aus­ schreibungen zu einer Glaubensfrage zu er­ klären? Offensichtlich in einer Allianz mit ei­ nem Teil der pharmazeutischen Firmen sind die Krankenkassen gewillt, die Versorgungs­ landschaft grundsätzlich umzukrempeln. Die Ausschreibungen haben ein wichtiges Ziel, durch den alleinigen Fokus auf den billigsten Preis, den industriellen Wettbe­ werb über die Inhaber geführten Apotheken hereinbrechen zu lassen. In diesem Wett­ bewerb soll das Feld bereinigt werden. In­ haltlich mit dem Aufruf nach sicherer Her­ stellung gewappnet, sollen die Apotheken vom Kriegsschauplatz verschwinden. In der nachfolgenden Monopolisierung ließe sich als Kriegsgewinnler dann eine eigene Preis­ politik erarbeiten. Der Schreck der Mangelversorgung, der uns das ganze Jahr nicht ruhen lässt und uns täglich vor Augen führt, dass eine sichere Versorgung seitens der Hersteller unter den bestehenden Bedingungen nicht gewährleis­ tet wird, soll in Zukunft das Seinige tun, um 8 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 dieses langfristige Ziel zu erreichen. Takti­ sche Verluste werden dabei unter Getöse akzeptiert. Was lässt sich daraus ableiten? Allianzen halten nicht ewig, wenn diese auf den Augenblick gerichtet sind. Zum einen, dass bei der Plünderung der Her­ stellungspauschale, dem einzigen wozu sich das Ministerium für Gesundheit per Schnell­ schuss verleiten ließ. Sowie zum anderen, die weitschweifige Formulierung zur Umset­ zung von Qualitätskriterien in der Apotheke, die bei bösartiger Auslegung das Gegenteil bewirken soll und die ortsnahe Versorgung von Krebskranken wie Korn zwischen zwei Mahlsteinen zu zerreiben drohen. Es mag sich wohl zeigen, dass die zögerli­ che Zertifizierung von Apotheken, die mit der Betreuung Krebskranker beschäftigt sind, kein einheitliches und umfassendes Bild der Qualitätsnorm zulässt und somit die Diskussion um eine Dienstleistung, die mehr als die reine Herstellung umfasst, nicht zum aktuellen Gegenstand der Diskussion - nicht einmal im engen Berufskreis - zählt. Dabei bietet der Qualitätsstandard für den pharmazeutisch-onkologischen Service (QuapoS), der nunmehr in der 5. Fassung seit 1996 vorliegt, den Handelnden eine bra­ vouröse Grundlage zur Präsentation spezi­ fischer pharmazeutischer Qualitätsarbeit. Dienstleistung ist eben mehr als die Prü­ fung, Entwicklung, Herstellung und Abgabe Kommentar des Herausgebers von Arzneimitteln verbunden mit Beratung, wie es die alte Apothekenbetriebsordnung allein vorschrieb. Nunmehr ist laut § 1a Abs. 3 Nr. 6 das Medikationsmanagement hinzu­ gekommen, „mit dem die gesamte Medikati­ on des Patienten, einschließlich der Selbst­ medikation, wiederholt analysiert wird mit den Zielen, die Arzneimitteltherapiesicher­ heit und die Therapietreue zu verbessern, indem arzneimittelbezogene Probleme er­ kannt und gelöst werden.“ In diese Ausgangslage stößt ein gemeinsames Thesenpapier nachfolgender Organisationen: rungen im Gesundheitswesen“ sei. Sondern „die Zahl von neu erkrankten Krebspatien­ ten wird in den nächsten 10 Jahren um etwa 15% steigen. Es besteht ein dringender ge­ sundheitspolitischer Handlungsbedarf, die derzeitige onkologische Versorgung an die bestehenden Realitäten anzupassen und auf zukünftige Anforderungen im Sinne und im Interesse der Patienten vorzubereiten.“ In diesem Papier der Berufsverbände von Ärzten, Apothekern und des Krankenpfle­ gepersonals, wird unter anderem gefordert: „Die Langzeitfolgen einer Krebserkran­ AkdÄ – Arzneimittelkommission der deut­ schen Ärzteschaft, Allianz gegen Brustkrebs e.V., BNGO –Berufsverband Niedergelassener Gynäkologischer Onkologen in Deutsch­ land e.V., BNHO – Berufsverband der Niedergelas­ senen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e.V., DGHO – Deutsche Gesellschaft für Häma­ tologie und Medizinische Onkologie e. V., DGOP – Deutsche Gesellschaft für Onkolo­ gische Pharmazie e.V., DKG – Deutsche Krebsgesellschaft e.V., KOK – Konferenz Onkologischer Krankenund Kinderkrankenpflege in der Deutschen Krebsgesellschaft e.V., VZA – Verband der Zytostatika herstellen­ den Apothekerinnen und Apotheker e.V. Dort wird festgestellt, dass nicht nur die Ver­ sorgung der steigenden Zahl von onkologi­ schen Patienten eine der großen Herausforde­ kung müssen evaluiert werden. Die Betreuung der Patienten durch eine qualifizierte Beratung durch den Arzt und den spezialisierten Apotheker ist im Rah­ men der künftig zunehmenden oralen Che­ motherapie sicherzustellen. Ausnahmeregelungen für Rabattverträge und ein Ausschreibungsverzicht bzw. das Verbot des Abschlusses von Selektivver­ trägen zur Sicherung einer durchgehenden und verlässlichen Versorgung sind in die Gesetze aufzunehmen (zur Vermeidung von Arzneimittel-Engpässen). Wir brauchen eine starke ambulante on­ kologische Versorgung in der Fläche. Die intersektorale und interdisziplinäre Kooperation muss ohne übermäßige Re­ glementierung ausgebaut werden.“ Wollen wir erreichen, dass die Möglichkei­ ten für die Umsetzung dieser Forderungen ergriffen werden, sind wir als Betroffene zusätzlich gefordert. Denn nicht um unserer Willen treten wir als onkologische Pharmazeuten für eine bes­ sere Versorgung ein. Die Krebspatienten, die künftig zur größten Gruppe der behand­ lungsbedürftigen Erkrankten werden, bedür­ fen einer solchen qualifizierten Beratung. Die Initiative, die im Juni mit der Dresdener Erklärung² auf dem 5. NZW-Dresden begon­ nen wurde und die Parteien vor der Bundes­ tagswahl auch zu Aussagen herausforderte, ist heute aktueller denn je. Noch haben diese Gedanken keinen nachhaltigen Eindruck auf die Parteien gemacht, die jetzt die Interes­ sen gegeneinander abwägen, um zu einem gedeihlichen Miteinander zu kommen. Die Dienstleistung, die gesetzlich eingefordert wird, muss eine sachliche Grundlage haben! Apotheken, ohne definierte Qualität, zig Ki­ lometer entfernt vom Patienten, sind nicht in der Lage, nur dem billigsten Preis gehor­ chend, diesen Patienten sachgerecht und zu­ gewandt pharmazeutisch zu betreuen. Die­ sem Mißstand kann neben der Botschaft an die Politiker mit einer verstärkten Umsetzung der QuapoS-Zertifizierung begegnet werden. Patienten erwarten von uns Redlichkeit und Können. Dies können wir durch unsere Ak­ tionen unter Beweis stellen. 1Karin Böhm. Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung. Kap. 9.1 in Datenreport 2011: 215-39 2Onkologische Pharmazie, 15. Jg. Nr. 3/2013: 33 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 9 Primärprävention des Mammakarzinoms Primärprävention des Mammakarzinoms Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten und Günther J. Wiedemann, Ravensburg Zusammenfassung Einige Faktoren, die das Brustkrebsrisiko erhöhen, wie Übergewicht, körperliche Inaktivität, hoher Alkoholkonsum, Diabetes oder Hormonersatztherapie, können durch Änderungen des Lebensstils günstig beeinflusst werden. Bei erhöhtem Risiko aufgrund nicht modifizierbarer Risikofaktoren, wie höheres Lebensalter, hereditäre Brustkrebsformen, Kinderlosigkeit, frühe Menarche oder späte Menopause, kann nach individueller NutzenRisiko-Abwägung eine medikamentöse (Tamoxifen, Raloxifen, Aromatasehemmer) oder chirurgische (bilaterale Mastektomie) Primärprävention in Betracht gezogen werden. Der Stellenwert anderer medikamentöser Interventionen, z.B. mit nicht steroidalen Antirheumatika, Vitamin D oder Antidiabetika ist bisher noch nicht ausreichend geklärt. Da medikamentöse und chirurgische Primärprävention gleichbedeutend mit einer Therapie gesunder Frauen mit lediglich statistisch erhöhtem Risiko ist, kann eine entsprechende Entscheidung nur gemeinsam mit der betroffenen Frau nach sorgfältiger Nutzen-Risikobewertung getroffen werden. Summary Some risk factors for breast cancer like obesity, sedentary lifestyle, diabetes, alcohol abuse or hormone replacement therapy are modifiable by lifestyle interventions. In women highly at risk with non modifiable risk factors, like age, hereditary risks, nulliparity, early onset of menarche or delayed menopause, the use of substances like tamoxifen, raloxifene or aromatase inhibitors may be considered after evaluation of the risks and benefits. In hereditary forms of breast cancer (like BRCA 1, 2 mutations) bilateral mastectomy reduces the risk considerably. The benefit of interventions like non steroidal anti inflammatory drugs, vitamin D or antidiabetics remains unclear. As preventive medication and surgery means treatment of healthy women at only statistically elevated risk, the decision must be discussed with the patient considering risks and benefits in a shared decision-making process. Key words breast cancer prevention, risk assessment, risk reduction, chemoprevention, lifestyle interventions Im Jahr 2010 gab das amerikanische National Comprehensive Cancer Network (www.nccn. org) aktualisierte Leitlinien zur Primärprävention des Mammakarzinoms heraus (1). Das größte Gewicht wird hier auf die medikamentöse Prävention mit Tamoxifen und Raloxifen bei Frauen mit erhöhtem Karzinomrisiko gelegt, dazu gibt es mittlerweile eine solide wissenschaftliche Datenbasis. Auch für die bilaterale prophylaktische Mastektomie bei Patientinnen mit BRCA 1 und 2 Mutationen gibt es genügend Evidenz für eindeutige Empfehlungen. Der Stellenwert weiterer Interventionen, wie beispielsweise die Einnahme von Aromatasehemmern, Antidiabetika, Vitamin D oder Nichtsteroidalen Antirheumatika wie ASS, Coxiben oder Ibuprofen ist bisher nicht eindeutig geklärt. Hier sind aber in naher Zukunft weitere interessante Studienergebnisse zu erwarten, die möglicherweise Eingang in die Leitlinien finden werden. Eher stiefmütterlich behandelt wird das weite Feld wirksamer Lebensstiländerungen, das nach unserer Überzeugung deutlich mehr Beachtung verdient. Risikoreduktionen um 25 bis 30 Prozent, die durch Lebensstilinterventionen wie Gewichtsreduktion oder vermehrte körperliche Aktivität erzielbar sind, haben bisher viel zu wenig Eingang in das Denken und Handeln von Ärzten gefunden. Dabei sind diese Maßnahmen nicht, wie medikamentöse Interventionen, durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen belastet. Das ist ein entscheidender Punkt, denn in der Primärprävention geht es um die Behandlung gesunder Frauen, um ein lediglich statistisch fassbares und damit letztlich hypothetisches Risiko zu reduzieren. Eine sehr sorgfältige 10 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Abwägung von Nutzen und Risiko ist daher von elementarer Bedeutung. Letztlich kann nur die betroffene Frau selber die Entscheidung treffen, ob sie bereit ist, eine medikamentöse Dauertherapie oder eine chirurgische Intervention für eine mehr oder weniger wahrscheinliche Krebsvermeidung in Kauf zu nehmen. Medikamentöse Prävention Eine medikamentöse Prävention kommt nur für Frauen in Frage, die ein deutlich erhöhtes Brustkrebsrisiko haben. Etablierte Risikofaktoren sind höheres Lebensalter, familiäre/ genetische Risiken (Brustkrebs bei Verwandten 1. Grades, besonders bei prämenopausaler Erkrankung; Mutation von BRCA 1 und 2, TP53 und PTEN), reproduktive Parameter (Menarche vor dem 12. Geburtstag, Menopause nach dem 52. Geburtstag, Kinderlosigkeit oder erstes Kind nach dem 30. Lebensjahr, nicht gestillt), Übergewicht, hoher Alkoholkonsum, auffällige Befunde der Brustdrüse (hohe mammografische Dichte, Biopsien aufgrund unklarer mammografischer Befunde, atypische Hyperplasien, Lobuläres Carcinoma in situ LCIS), mehrjährige Einnahme von Hormonersatztherapie. Es ist schwierig, anhand all dieser Faktoren das individuelle Risiko einer Frau abzuschätzen. Hilfreich ist hier das so genannte Gail-Modell, ein Risiko-Score für Frauen ab 35, mit dem anhand weniger Fragen das Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre an Brustkrebs zu erkranken, in Prozent ermittelt wird. Das Modell erfasst nicht das Risiko bei BRCA-Mutationen und früherer thorakaler Strahlentherapie (stark erhöhtes Risiko, z.B. nach M. Hodgkin im Jugendalter). Gemäß den amerikanischen Leitlinien wird eine medikamentöse Prävention ab einem nach dem Gail-Modell ermittelten 5-Jahresrisiko von 1,7 Prozent empfohlen bzw. für Frauen mit LCIS. Der Fragebogen wird online unter www.cancer.gov/bcrisktool ausgefüllt, die Risikoberechnung erfolgt unmittelbar danach automatisch. Tabellen 1 und 2 zeigen die on- Primärprävention des Mammakarzinoms line erzielten Ergebnisse für zwei verschiedene Frauen. Mit einem Gail-Score von 3,6 Prozent wäre die Frau in Beispiel 2 eine Kandidatin für eine medikamentöse Prävention. Tamoxifen und Raloxifen Tamoxifen ist in der Primärprävention für prä- und postmenopausale Frauen ab 35 Jahren zugelassen. 20 Milligramm Tamoxifen pro Tag, über fünf Jahre gegeben, reduzierten bei prämenopausalen Frauen mit einem Gail- Update 2013 Die aktuellen Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) zur medikamentösen Prävention von Mamma-Karzinomen Im August 2013 veröffentlichte die ASCO eine neue Clinical Practice Guideline (J Clin Oncol 31:2942-2962). Die wesentlichen Empfehlungen: •Bei Frauen ab 35 Jahre, die ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben (5-Jahresrisiko mindestens 1,66 %), ist Tamoxifen (20 mg pro Tag für 5 Jahre) eine Option, um das Risiko eines Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms zu reduzieren. Tabelle 1 5-Jahresrisiko, an Brustkrebs zu erkranken: Beispiel 1 Tabelle 2 5-Jahresrisiko, an Brustkrebs zu erkranken: Beispiel 2 5 Year Risk •This woman (age 53) 1.2% •Average woman (age 53): 1.4% 5 Year Risk •This woman (age 65) 3.6% •Average woman (age 65): 2% Explanation Based on the information provided (see below), the woman’s estimated risk for developing invasive breast cancer over the next 5 years is 1.2% compared to a risk of 1.4% for a woman of the same age and race/ethnicity. This calculation also means that the woman’s risk of NOT getting breast cancer over the next 5 years is 98.8%. Explanation Based on the information provided (see below), the woman’s estimated risk for developing invasive breast cancer over the next 5 years is 3.6% compared to a risk of 2% for a woman of the same age and race/ ethnicity. This calculation also means that the woman’s risk of NOT getting breast cancer over the next 5 years is 96.4%. Lifetime Risk •This woman (to age 90): 9.4% •Average woman (to age 90): 10.6% Lifetime Risk •This woman (to age 90): 13.1% •Average woman (to age 90): 7.8% Explanation Based on the information provided (see below), the woman’s estimated risk for developing invasive breast cancer over her lifetime (to age 90) is 9.4% compared to a risk of 10.6% for a woman of the same age and race/ethnicity. Explanation Based on the information provided (see below), the woman’s estimated risk for developing invasive breast cancer over her lifetime (to age 90) is 13.1% compared to a risk of 7.8% for a woman of the same age and race/ethnicity. These results are based upon the following answers: These results are based upon the following answers: •Bei postmenopausalen Frauen sind Raloxifen (60 mg pro Tag für 5 Jahre) oder Exemestan (25 mg pro Tag für 5 Jahre) weitere Optionen. Does the woman have a medical history of any breast cancer or of ductal carcinoma in situ (DCIS) or lobular carcinoma in situ (LCIS)? No Does the woman have a medical history of any breast cancer or of ductal carcinoma in situ (DCIS) or lobular carcinoma in situ (LCIS)? No •Andere selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (Arzoxifen, Lasofoxifen) oder Aromatasehemmer (Anastrozol) sollten nur im Rahmen von Studien zum Einsatz kommen. What is the woman’s age? 53 What is the woman’s age? 65 What was the woman’s age at the time of her first menstrual period? 12 to 13 What was the woman’s age at the time of her first menstrual period? 7 to 11 What was the woman’s age at the time of her first live birth of a child? 25 to 29 What was the woman’s age at the time of her first live birth of a child? No births How many of the woman’s first-degree relatives – mother, sisters, and/or daughters – have had breast cancer? 0 How many of the woman’s first-degree relatives – mother, sisters, and/or daughters have had breast cancer? 1 Has the woman ever had a breast biopsy? No Has the woman ever had a breast biopsy? No a How many breast biopsies (positive or negative) has the woman had? n/a a How many breast biopsies (positive or negative) has the woman had? n/a b Has the woman had at least one breast biopsy with atypical hyperplasia? n/a b Has the woman had at least one breast biopsy with atypical hyperplasia? n/a White What is the woman’s race/ ethnicity? Score ab 1,7 Prozent das Brustkrebsrisiko in fünf Jahren um 49 Prozent (absolut: 21,4 Fälle weniger pro 1000 Frauen) (2). Nach weiteren 7 Jahren Follow-up lag die Risikoreduktion bei 43 Prozent (3). Neuere Untersuchungen konnten ähnlich positive Ergebnisse nur für Östrogenrezeptor-positive Tumoren bestätigen (4), eine Reihe anderer Studien sahen nur schwache primärpräventive Effekte. Die Nutzen-Risiko Bewertung des Tamoxifens für prämenopausale Frauen durch das National Comprehensive Cancer Network fällt insgesamt positiv aus. Dennoch entscheiden sich nur vier Prozent der Frau- What is the woman’s race/ ethnicity? White Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 11 Primärprävention des Mammakarzinoms en, für die eine Prävention mit Tamoxifen in Frage käme, tatsächlich für die Therapie (5). Bisher ist die optimale Dauer der Therapie nicht geklärt. Die number needed to treat nach 5 Jahren beträgt 95; das heißt, 95 Frauen müssten mit Tamoxifen behandelt werden, um einen Fall von Brustkrebs zu verhindern. Raloxifen ist in der Primärprävention ausschließlich für postmenopausale Frauen zugelassen. In der MORE Studie (6) reduzierte Raloxifen das Risiko eines invasiven Mammakarzinoms gegenüber Placebo um 76 Prozent; dies ist vor allem der Abnahme Östrogenrezeptor-positiver Tumoren zu verdanken, der Effekt auf Östrogenrezeptornegative Karzinome war gering (Risikoreduktion 12 Prozent). Die number needed to treat betrug 126. Ein Update der MORE Studie (CORE Studie, 7) kam zu folgenden Resultaten nach insgesamt acht Jahren Follow-up: Reduktion des Risikos von invasivem Brustkrebs um 66 Prozent (wenn Östrogenrezeptor – positiv: 76 Prozent). Ein direkter Vergleich von Raloxifen und Tamoxifen erfolgte in den NSABP STAR Studien (8,9). Nach 8 Jahren erscheint Raloxifen etwas weniger effektiv vor allem in der Verhinderung invasiver Karzinome als Tamoxifen. Thromboembolische Ereignisse waren allerdings unter Raloxifen deutlich seltener. Unerwünschte Wirkungen Bei postmenopausalen Frauen hängt die Nutzen-Risiko-Bewertung von Tamoxifen und Raloxifen von Faktoren wie Alter, stattgehabter Hysterektomie und Komorbiditäten ab. Eine äußerst umfangreiche statistische Untersuchung zur Nettobilanz der Chemoprävention hinsichtlich der Häufigkeit lebensbedrohlicher Erkrankungen (neben Brustkrebs beispielsweise Lungenembolie, Endometriumkarzinom, Apoplex) bei unterschiedlichem Risikoprofil der Patientinnen haben kürzlich Freedman und Mitarbeiter vorgelegt (10); die Details würden den Rahmen dieser Übersicht sprengen, die Studie mit zahlreichen Risikotabellen ist aber im Internet als Volltext frei zugänglich. Bei der Beurteilung der Nutzen-Risiko-Relation sind unerwünschte Wirkungen und Kontraindikationen zu beachten. Bekann- te unerwünschte Wirkungen von Raloxifen sind Hitzewallungen, grippeähnliche Symptome mit Gliederschmerzen, Muskelkrämpfe und periphere Ödeme. Tiefe Venenthrombosen treten gehäuft auf (0,7 % unter Raloxifen, 0,2 % unter Placebo in der MORE Studie), ebenso Lungenembolien (0,3 vs. 0,1 %). Hingegen steigt, im Gegensatz zu Tamoxifen, nicht das Risiko eines Endometriumkarzinoms. Frauen, die nicht hysterektomiert sind, werden sich daher möglicherweise eher für Raloxifen entscheiden. Hitzewallungen treten unter Tamoxifen in 81 Prozent, unter Placebo in 69 Prozent auf. In der STAR Studie waren Hitzewallungen unter Tamoxifen häufiger als unter Raloxifen. Bei Tamoxifen ist von einem erhöhten EndometriumskarzinomRisiko auszugehen (2,2 Fälle pro 1000 Frauenjahre unter Tamoxifen, 0,71 unter Placebo; Herstellerangabe). Auch die Katarakthäufigkeit steigt leicht an. Das Thromboembolierisiko ist deutlich erhöht (11,12). Schlaganfälle treten unter Raloxifen und Tamoxifen vergleichbar häufig auf. Aromatasehemmer Aromataseinhibitoren reduzieren den Plasma-Östrogenspiegel um rund 90 Prozent. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Reduktion von Rezidiven in der adjuvanten Therapie liegt eine relevante Wirkung in der Primärprävention nahe. Die Ergebnisse einer großen randomisierten placebokontrollierten Studie mit Exemestan erschienen 2011 (13). Die jährliche Inzidenz invasiver Mammakarzinome sank für postmenopausale Frauen mit moderat erhöhtem Risiko (Gail Score im Mittel 2,3 Prozent) unter Exemestanbehandlung von 0,55 auf 0,19 Prozent; das entspricht einer relativen Risikominderung um 65 Prozent. Die number needed to treat nach drei Jahren betrug 94. Unerwünschte Wirkungen traten in der Interventionsgruppe in 88 Prozent auf, in der Kontrollgruppe in 85 Prozent. Das sind erste Hinweise, dass Aromatasehemmer eine günstigere RiskBenefit Ratio haben könnten als Tamoxifen und Raloxifen. Antidiabetika Präklinische Studien haben gezeigt, dass Metformin die maligne Zellproliferation hemmt (14). Krebspatienten, deren Diabetes mit Metformin behandelt wurde, zeigten eine verminderte krebsspezifische Sterblichkeit (15). Verlässliche Empfehlungen zu einem 12 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Einsatz von Antidiabetika in der Primärprävention sind zurzeit nicht möglich. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), COX-1 und 2 Inhibitoren Die Datenlage zur Effektivität von NSAR wie Coxiben, Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen ist widersprüchlich. Eine Metaanalyse von Zhao und Mitarbeitern aus dem Jahr 2009 (16) zeigte eine relative Senkung des Karzinomrisikos um rund 9 Prozent unter ASS und rund 19 Prozent unter Ibuprofen, wobei nur knapp Signifikanzniveau erreicht wurde. Die Datenlage gibt es angesichts der häufigen unerwünschten Wirkungen der NSAR zurzeit nicht her, gesunden Frauen solche Arzneimittel zur Primärprävention zu empfehlen. Erst kürzlich wurde das nicht unbeträchtliche Risiko gastrointestinaler Blutungen unter Dauertherapie mit ASS bestätigt (eine relevante Blutung pro 73 therapierten Patienten; 17) Anders erscheint die Situation in der Sekundärprävention, im Sinne einer adjuvanten Therapie. Hier zeigte sich im Rahmen einer prospektiven Beobachtungsstudie (18) unter Einnahme von niedrig dosierter ASS eine beträchtliche Senkung der brustkrebsbedingten Mortalität um bis zu 70 Prozent; gemessen an Effektivität und Risiken herkömmlicher adjuvanter Therapien verdient dieser Ansatz sicher weitere Aufmerksamkeit. Bilaterale totale Mastektomie Das Lebenszeitrisiko für Frauen mit BRCA 1 bzw. 2 Mutationen wird auf 56 bis 84 Prozent geschätzt. Die bilaterale Mastektomie reduziert das Risiko bei Frauen mit hoher familiärer Belastung oder BRCA-Mutation um 90 Prozent (19,20). Die number needed to treat liegt bei 6, es müssen also sechs Frauen mastektomiert werden, um einen Fall von Brustkrebs zu verhindern (21). Psychische Belastung, Körperbildstörungen und Partnerschaftsprobleme können auftreten. Sofern eine betroffene Frau die Mastektomie wünscht, sollte sie auf die Möglichkeit des unmittelbaren Wiederaufbaus der Brust hingewiesen werden. Lebensstil Vor fast zehn Jahren sprach das amerikanische National Cancer Institute erstmals von Primärprävention des Mammakarzinoms der Notwendigkeit, aussagekräftige Studien durchzuführen, die die Rolle von Bewegung, Ernährung und Gewichtskontrolle für Prävention und Prognose von Krebserkrankungen beleuchten (22). Zahlreiche retrospektive und epidemiologische Studien haben gezeigt, dass es Risikofaktoren für die Entstehung eines Mammakarzinoms gibt, die durch den persönlichen Lebensstil beeinflussbar sind. Ein Bericht des World Cancer Research Fund (23) über diese Zusammenhänge im Jahr 2007 führte zur Durchführung weiterer relevanter, auch prospektiver Studien, von denen erste Ergebnisse vorliegen. Es wird geschätzt, dass in Deutschland allein durch eine weitere Eingrenzung der Hormonersatztherapie und eine Steigerung der durchschnittlichen körperlichen Aktivität die Inzidenz des postmenopausalen, insbesondere des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms um fast 30 Prozent gesenkt werden könnte (24). Übergewicht Adipositas stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Entstehung und die Prognose des Mammakarzinoms dar (25); dies gilt insbesondere für postmenopausale Frauen. Postmenopausale Frauen, die seit ihrem 18. Lebensjahr mindestens 25 kg zugenommen haben, haben ein 45 Prozent erhöhtes Brustkrebsrisiko (26). Ursächlich sind hier u.a. eine vermehrte Östrogenbildung im Fettgewebe, bestimmte Adipokine und eine begleitende Insulinresistenz. Tatsächlich ist Diabetes Typ 2 mit einem höheren Brustkrebsrisiko vergesellschaftet (27). Die Rolle von Insulin bei der Krebsentstehung ist Gegenstand neuerer Studien (28,29), auch die Insulin-like Growth Factors (IGF) als endokrine Mediatoren des Wachstumshormons stehen zurzeit im wissenschaftlichen Fokus. Es gibt vermutlich eine Vielzahl endokriner Faktoren im Zusammenhang mit Übergewicht und Metabolischem Syndrom, die das Tumorwachstum fördern. Alle Maßnahmen, die gegen das Metabolische Syndrom gerichtet sind (u.a. Gewichtsabnahme, Bewegung, Begrenzung der Kalorien- und Kohlenhydratzufuhr, antidiabetische Arzneimittel (siehe dort) sind daher gleichzeitig auch Präventivmaßnahmen gegen das Mammakarzinom. Eine präventiv wirksame Gewichtsabnahme bei Übergewicht sollte mindestens 10 Prozent des Ausgangsgewichts betragen, dies ist allerdings bisher ein Schätzwert (30). Bewegung Körperliche Aktivität (Sport und Alltagsaktivitäten) senkt das Krebsrisiko über verschiedene Mechanismen, u.a. durch eine Reduzierung der Östrogen- (31), Glukose-, Insulin- und IGF-1 (Insulin Like Growth Factor)- Spiegel. Eine Vielzahl epidemiologischer Studien legt eine Minderung des Mammakarzinomrisikos um ca. 25 Prozent gegenüber körperlich inaktiven Frauen nahe, wenn wöchentlich 10-15 MET (siehe Kasten) an körperlicher Aktivität erbracht werden (32). Bewegung ist nicht nur effektiv in der Primärprävention, sondern hat auch Einfluss auf die Prognose von Mammakarzinompatientinnen. Bei Frauen, die nach einer Brustkrebserkrankung körperlich aktiv wurden (entsprechend zwei bis drei Stunden Walking pro Woche), war die Mortalität um 45 Prozent geringer als bei Frauen, die auch nach der Krebserkrankung körperlich inaktiv blieben (33). In einer großen prospektiven Untersuchung etablierten Michelle Holmes und Mitarbeiter (34) eine Dosis-Wirkungs-Beziehung von sportlicher Aktivität und Brustkrebssterblichkeit. Verglichen mit körperlich inaktiven Frauen sank das relative Mortalitätsrisiko auf 80 Prozent bei wöchentlich 3-9 MET, auf 50 Prozent bei 9-15 MET und auf rund 60 Prozent bei darüber liegenden Belastungen. Eine optimale sportliche Aktivität hinsichtlich der Prognose von Brustkrebspatientinnen stellen also drei bis fünf Stunden Walking pro Woche (oder entsprechende Belastungen) dar. Ernährung Den Einfluss einzelner Komponenten der Ernährung auf die Karzinomentstehung zu erfassen, ist methodisch schwierig. Zunehmend wird daher ein bestimmtes Ernährungsmuster (z.B. mediterrane Kost) als Kriterium herangezogen. Eine Metanalyse aus dem Jahr 2010 (35) zeigte hinsichtlich der Prävention einen Trend zugunsten einer Ernährung, in der Obst, Gemüse, Geflügel, Fisch, fettarme Milchprodukte und Vollkornprodukte überwiegen, im Vergleich zu einer Ernährung, die reich an rotem Fleisch, fetten Milchprodukten und schnell verwertbaren Kohlenhydraten ist. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass Personen, die auf eine „gesunde“ Ernährung achten, in der Regel auch weniger rauchen, weniger Alkohol trinken und sich mehr bewegen. Eine große Interventionsstudie der Women´s Health Initiative (36) zeigte, bei allerdings geringer Compliance der Interventionsgruppe, eine geringe, nicht signifikante Senkung des Karzinomrisikos durch Reduzierung des Fettkonsums. Diskutiert wird ein protektiver Effekt von Vitamin D (37). Die Datenlage ist hier aber noch zu inkonsistent, um Empfehlungen für die Primärprävention aussprechen zu können (38). Metabolisches Äquivalent (MET) MET ist ein Maß für die Intensität körperlicher Belastung. Ein MET entspricht einem Kalorienverbrauch von 1 kcal pro Kilogramm Körper­ gewicht pro Stunde. Bei 3-6 MET spricht man von moderater, darüber von intensiver körperlicher Aktivität. Einige Beispiele: 1 MET = ruhiges Sitzen 2,5 MET = leichte Hausarbeit 3 MET = zügiges Gehen 4 MET = Gartenarbeit 6 MET = mäßig schnelles Joggen 7 MET = Schwimmen, langsam 8 MET = Rad fahren (25 km/h) 11 MET = schnelles Joggen, schnelles Schwimmen Alkoholkonsum Alkohol begünstigt die Entstehung von Mammakarzinomen genauso wie von zahlreichen anderen malignen Tumoren. Als Faustregel kann gelten, dass 10 Gramm Alkohol pro Tag das relative Brustkrebsrisiko um rund 10 Prozent steigern (23). Ein bis zwei Drinks pro Tag sind mit einer rund 30-prozentigen Steigerung des Brustkrebsrisikos verbunden (39). Frauen sollten, neben vielen anderen gesundheitlichen Aspekten, auch aus diesem Grund maximal 100 ml Wein oder 200 ml Bier pro Tag trinken. Rauchen Rauchen galt lange Zeit als protektiv hinsichtlich des Mammakarzinoms, da Raucherinnen weniger Östrogene bilden. Dies trifft jedoch nicht für prämenopausale Frauen zu, wie eine prospektive Kohortenstudie im Rahmen der Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 13 Primärprävention des Mammakarzinoms großen Nurses’ Health Study aus dem Jahr 2011 zeigte (40). Je jünger die Frauen waren, je länger und je mehr sie rauchten, umso größer war ihr Karzinomrisiko. Dies galt insbesondere, wenn Frauen bereits vor der Geburt des ersten Kindes rauchten, ihr relatives Mammakarzinomrisiko stieg nach 20 Jahren (bei einer Packung pro Tag) um 18 Prozent. Begrenzung der Hormonersatztherapie Seit der Publikation der großen WHI (Women´s Health Initiative) Studie 2002 (41), kurz darauf gefolgt von der britischen Million Women Study (42), gilt als gesichert, dass die auch zuvor schon bekannte Erhöhung des Brustkrebsrisikos durch eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Ersatztherapie bei postmenopausalen Frauen nicht durch eine Minderung des kardiovaskulären Risikos kompensiert wird. Roussow und Mitarbeiter (41) fanden für die Kombinationstherapie eine relative Risikoerhöhung von 26 Prozent, allerdings nicht bei alleiniger Östrogentherapie bei hysterektomierten Frauen. Im Gegensatz dazu zeigte sich in der Million Women Study und in der Nurses’ Health Study (43) auch für die alleinige Östrogentherapie ein erhöhtes Risiko (Risikosteigerung 30 bzw. 43 Prozent). Die Risiken einer Hormonersatztherapie müssen gegen den Nutzen, insbesondere bei der Linderung vasomotorischer Symptome (Hitzewallungen) abgewogen werden; generell gilt, dass wegen des erhöhten Brustkrebsrisikos, das mit der Hormonersatztherapie verbunden ist, diese so kurz und so niedrig dosiert wie möglich durchgeführt werden soll. LITERATUR 1. Bevers TB et al. Breast Cancer Risk Reduction J Natl Compr Canc Netw 2010; 8:1112-46 ded tamoxifen breast cancer prevention trial J Natl Cancer Inst 2007; 99: 283–290 5. Ropka ME et al. Patient decisions about breast cancer chemoprevention J Clin Oncol 2010; 28: 3090-95 6. Cummings SR et al. The Effect of Raloxifene on Risk of Breast Cancer in Postmenopausal Women JAMA 1999; 281: 2189-97 7. Martino S et al. Continuing outcomes relevant to Evista: breast cancer incidence in postmenopausal osteoporotic women in a randomized trial of raloxifene J Natl Cancer Inst 2004; 96: 1751–1761 8. Vogel VG et al. Effects of Tamoxifen vs Raloxifene on the Risk of developing Invasive Breast Cancer and other Disease Outcomes JAMA 2006; 295: 2727-41 18. Holmes MD et al., Aspirin Intake and Survival after Breast Cancer J Clin Oncol 2010; 28: 1467-72 19. Hartmann LC et al. Efficacy of bilateral prophylactic mastectomy in women with a family history of breast cancer N Engl J Med 1999; 340:77–84. 20.Hartmann LC et al. Efficacy of bilateral prophylactic mastectomy in BRCA1 and BRCA2 gene mutation carriers. J Natl Cancer Inst 2001; 93:1633–1637 21. Hamm RM, Lawler F, Scheid D Prophylactic mastectomy in women with a high risk of breast cancer N Engl J Med 1999; 340:1837–1839 22. National Institutes of Health: Optimizing Energy Balance to Reduce the Cancer Burden NIH Publication 03-5446, 2003 9. Vogel VG et al. Update of the National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project Study of Tamoxifen and Raloxifene (STAR) P-2 Trial: Preventing breast cancer Cancer Prev Res 2010; 3: 696-706 23. World Cancer Research Fund, American Institute for Cancer Research (2007) Food, nutrition, physical activity, and the prevention of cancer: a global perspective. AICR, Washington DC 10. Freedman AN et al. Benefit/Risk Assessment for Breast Cancer Chemoprevention with Raloxifene or Tamoxifen for Women Age 50 Years or older J Clin Oncol 2011; 29: 2327-33 24.Barnes BE et al. Population attributable risk of invasive postmenopausal breast cancer and breast cancer subtypes for modifiable and non-modifiable risk factors Cancer Epidemiology 2011; 35: 345-352 11. Bushnell CD, Goldstein LB. Risk of ischemic stroke with tamoxifen treatment for breast cancer: a meta-analysis Neurology 2004;63:1230–1233 12. Braithwaite RS et al. Meta-analysis of vascular and neoplastic events associated with tamoxifen J Gen Intern Med 2003;18:937–947 13. Goss PE et al. Exemestane for breast cancer prevention in postmenopausal women N Engl J Med 2011; 364: 2381-91 14. Pollak M Metformin and other Biguanides in Oncology Cancer Prev Res 2010; 3:1060-65 15. Landman GW et al. Metformin associated with Lower Cancer Mortality in Type 2 Diabetes Diabetes Care 2010; 33: 322-26 2. Fisher B et al. Tamoxifen for Prevention of Breast Cancer J Natl Cancer Inst 1998; 90: 1371-88 16. Zhao YS et al. Association between NSAIDs use and breast cancer risk: a systematic review and meta-analysis Breast Cancer Res Treat 2009; 117:141-50 3. Fisher B et al. Tamoxifen for the prevention of breast cancer: current status of the National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project P-1 study J Natl Cancer Inst 2005; 97: 1652–1662 17. Seshasai SRK et al. Effect of Aspirin on Vascular and Nonvascular Outcomes Arch Intern Med online January 9, 2012 Doi:10.1001/archinternmed.2011.628 4. Powles TJ et al. Twenty-year follow-up of the Royal Marsden randomized, double-blin- 14 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 25. Mahoney MC et al. Opportunities and strategies for breast cancer prevention through risk reduction CA Cancer J Clin 2008; 58:347-371 26.Eliassen AH et al. Adult weight change and risk of postmenopausal breast cancer JAMA 2006; 296:193–201 27. Giovannucci E et al. Diabetes and Cancer: A Consensus Report Diabetes Care 2010; 33:1674-85 28.Barone BB et al. Long-term all Cause Mortality in Cancer Patients with Preexisting Diabetes Mellitus JAMA 2008; 300: 2754-64 29.Pollak M Insulin and Insulin-like Growth Factor Signalling in Neoplasia Nat Rev Cancer 2008; 8: 915-928 30.Ballard-Barbash R et al. Physical Activity, Weight Control and Breast Cancer Risk and Survival J Natl Cancer Inst 2009; 101: 630-43 31. Friedenreich CM et al. Sex hormone changes in a year-long exercise intervention among postmenopausal women J Clin Oncol 2010; 28:1458-66 Primärprävention des Mammakarzinoms 32. Kohler S, Leitzmann M Körperliche Aktivität in der Tumorprävention FORUM der DKG 2011; 26:25-30 40.Xue F et al. Cigarette Smoking and the Incidence of Breast Cancer Arch Intern Med. 2011; 171(2):125-133 Herausgeber: Klaus Meier, Soltau 33. Irwin ML et al. Influence of pre- and postdiagnosis Physical Activity on Mortality in Breast Cancer Survivors J Clin Oncol 2008; 26: 3958-64 41. Rossouw JE et al. Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women: principal results from the Women’s Health Initiative randomized controlled trial JAMA 2002; 288:321–333 Verlag: onkopress, Theo-Mülders-Straße 92, 47918 Tönisvorst, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825 34.Holmes MD et al. Physical Activity and Survival after Breast Cancer Diagnosis JAMA 2005; 293: 2479-86 35. Brennan SF et al. Dietary Patterns and Breast Cancer Risk: a systematic Review and Metaanalysis Am J Clin Nutr 2010; 91: 1294-1302 42.Beral V Breast cancer and hormone-replacement therapy in the Million Women Study Lancet 2003; 362:419–427 43.Chen WY et al. Unopposed estrogen therapy and the risk of invasive breast cancer Arch Intern Med 2006;166:1027–1032. 36.Prentice RL et al. Low-fat Dietary Pattern and Risk of Invasive Breast Cancer JAMA 2006; 295: 629-642 KORRESPONDENZ 37. Bertone-Johnson ER et al. Plasma 25-hydroxyvitamin D, and 1,25-dihydroxyvitamin D and risk of breast cancer Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2005; 14:1991–1997 Dr. med. Sabine Thor-Wiedemann Medizinpresse Altdorfstraße 5 88250 Weingarten [email protected] 38.Manson JAE, Mayne ST, Clinton SK Vitamin D and Prevention of Cancer: Ready for Prime Time? N Engl J Med 2011; 364: 1385-1387 39.Terry MB et al. Lifetime alcohol intake and breast cancer risk Ann Epidemiol 2006;16:230–240 Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl Demeter Verlags im Georg Thieme Verlag, Stuttgart. Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen der PTA-Weiterqualifizierung: „PTA Onkologie (DGOP)“ Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden: am 1. September 2013 Ahlroth, Luisa /Kassel Ahrenberg, Nicki /Berlin Epp, Anna /Porta-Westfalia Fischer, Isolde /Fürth Göckeritz, Nadine /Cottbus Hecht, Katrin /Göttingen Kanigowski, Sylvia /Kassel Kohlmai, Svetlana /Dormagen Krüger, Gabriele /Neuruppin Tittlus, Christin /Berlin Wafai, Diba /Hamburg am 22. September 2013 Bukvarevic, Merisa /Osnabrück Ertmer, Andrea /Hildesheim Faltus, Julia /Halle Frowein, Sabine /Schwelm Hafner, Christine /Klagenfurt Hautzel, Stephanie /Siegen Hoffmann, Ines /Halle Jähnig, Gabi /Klagenfurt Kreidler, Stefanie /Baden-Baden Oelke, Katharina /Hannover Schiz, Nelli /Wolfsburg Chefredakteurin: Dr. Karla Domagk, Cottbus Fotos: Seite 49 oben: Knape/www.istockphoto.com, Seiten 47 oben: Sasa/www.istockphoto.com Redaktion: Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg, Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas Schubert, Mönchen­gladbach; Wioletta Sekular, Tönisvorst; Dr. Gisela SproßmannGünther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine ThorWiedemann, Ravensburg. Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitäts­klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid RosenMarks, Hamburg; Carola Freidank, Hannover. Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungs­ anlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redak­tion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung. Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 15 12. NZW-Süd NZW Süd in Ravensburg 13. und 14. September 2013 12. NZW Süd in Ravensburg 13. und 14. September 2013 Adé und Grüß Gott Viele Besucher des NZW Süd haben die stilvolle Atmosphäre des Konzerthauses und den Charme der lebendigen mittelalterlichen Stadt Ravensburg zu schätzen gelernt. Dennoch bricht der Kongress zu neuen Ufern auf und wird ab dem nächsten Jahr in München stattfinden (12. und 13. September 2014). Jetzt heißt es also: Adé Ravensburg, Grüß Gott München! Das passt zur generellen Aufbruchsstimmung in der DGOP, die mit ihrer Oralia-Initiative ihren Wirkungskreis erweitert und mehr onkologische Fachkompetenz auch bei den Offizinapothekern anstrebt. Kongresspräsident Prof. Günther Wiedemann betonte in seiner Begrüßung, welche großen Herausforderungen nicht nur auf onkologisch tätige Ärzte, sondern auch auf Apotheker zu- kommen. Die Zahl der Krebspatienten wird in den nächsten 20 bis 30 Jahren stark ansteigen, viele von ihnen werden orale Medikamente erhalten. Die nötige Beratungskompetenz in den Apotheken muss jetzt dringend geschaffen werden. DGOP-Präsident Klaus Meier sieht die Fachgesellschaft dafür gut gerüstet: die DGOP bietet umfangreiche Fortbildung sowie seit kurzem auch eine OraliaDatenbank, auf die online zugegriffen werden kann. Zurzeit gibt es bereits 90 Referenten der DGOP, die bundesweit in den Apotheken über Oralia informieren – und es sollen noch mehr werden. Apropos: Auf dem Kongress konnte das 1000. Mitglied der DGOP begrüßt werden, eine Kollegin aus der nahen Schweiz. 16 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 12. NZW-Süd Komedikationen in Ravensburg GastrointestinaleArzneimittelinteraktionenoralerAntitumortherapeutika:Essen,Trinken,Lebensstil,Einnahmezeitpunkte, Gastrointestinale Arzneimittelinteraktionen oraler Antitumortherapeutika: Essen, Trinken, Lebensstil, Einnahmezeitpunkte, Komedikationen Jürgen Barth, Gießen Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Oralia, die in der onkologischen Therapie eingesetzt werden (Abb. 1). Bei jeder dieser Substanzen sind gastrointestinale Arzneimittelinteraktionen möglich. → → → → → → • → Einnahme mit oder ohne Nahrung? Alkylanzien: Busulfan Chlorambucil Estramustin Lomustin Melphalan Oxazaphosphorine → → Procarbazin Temozolomid Treosulfan Nahrung oder Nahrungsbestandteile können zu nachteiligen Reaktionen führen, z.B. einer verzögerten Magenpassage und entsprechender Verzögerung der Resorption. Dies ist ein Problem, wenn schnelle Spitzenspiegel benötigt werden. Reaktionen mit Nahrungsbestandteilen vermindern die Bioverfügbarkeit; Beispiele sind mehrwertige Kationen (Ca2+, Mg2+, Fe2+/3+…) in Mineralwasser mit resultierender Unterdosierung durch Bildung unlöslicher Komplexe (Tetrazykline, Bisphosphonate, Gyrasehemmer, Eltrombopag). Umgekehrt kann durch die Nahrung die Auflösung von Substanzen auch verbessert und die Bioverfügbarkeit gesteigert werden (Toxizität?), möglich ist das z.B. bei Erlotinib, Lapatinib, Nilotinib, Pazopanib und Posaconazol. Das bedeutet für den Apotheker, Einnahmevorschriften zwar zu beachten, aber auch kritisch zu hinterfragen. Was bedeutet z.B. „Nüchterneinnahme“, wenn die Magen-Darm-Transitzeit je nach Nahrung zwischen 2 und 9 Stunden betragen kann? Reicht die Einnahme eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit, um von „Nüchterneinnahme“ sprechen zu können? So wird z.B. im Fall von Melphalan die Einnahme eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit empfohlen. Es ist davon auszugehen, dass dies keine Nüchterneinnahme ist. Je nach L-Leucingehalt der Nahrung kann die Bio- Cyclo-, Trofosfamid → → → → → Vinca-Alkaloide → Vinorelbin Podophyllotoxinderivate • Capecitabin → Etoposid • UFT (Tegafur : Uracil) • Tegafur : Gimeracil : Oteracil Topoisomerase I Hemmer → Topotecan 6-Mercaptopurin Topoisomerase II Hemmer 6-Tioguanin → Idarubicin Fludarabinphosphat IMIDs® Methotrexat → Lenalidomid → Thalidomid Sonstige → Hydroxycarbamid → Mitotane → Hormone/Anti-Hormone Antimetabolite: 5-FU-Derivate Neu sm-KIs: Afatinib 2. Axitinib 3. Bosutinib 4. Crizotinib 5. Dabrafenib 6. Dasatinib 7. Erlotinib 8. Everolimus 9. Gefitinib 10. Imatinib 11. Lapatinib 12. Nilotinib 13. Pazopanib 14. Ponatinib 15. Regorafenib 16. Sorafenib 17. Sunitinib 18. Trametinib 19. Vandetanib 20. Vemurafenib 21. Vismodegib 1. Abb. 1 verfügbarkeit dann massiv eingeschränkt sein, siehe Kasten: Auch die Resorption von etlichen Tyrosinkinaseinhibitoren wird stark von der Nahrungsaufnahme beeinflusst (siehe Seite 30, Vortrag Freidank, Abb. 8) Womit wird am besten eingenommen? Medikamente sollen in aufrechter Körperhaltung mit mindestens 100 ml, besser 250 ml (Leitungs-)Wasser in hinreichend großen Schlucken, d.h. > 10 ml pro Schluck, eingenommen werden. Bei Einnahme im Liegen besteht ein großes Risiko, dass Tabletten in der Speiseröhre hängen bleiben (Abb. 2). Verschiedene Einflussfaktoren auf die Bioverfügbarkeit Einfluss von Nahrung auf die Bioverfügbarkeit von Melphalan •Resorption durch Anwesenheit von L-Leucin kompetitiv vermindert –Adair CG, McElnay JC. Cancer Chemother Pharmacol 1987;19:343-6. •Reichhaltige Lebensmittel: –Weizenkeime: 2170 mg –Thunfisch: 2170 mg –Erdnüsse: 2050 mg –Lachs: 1770 mg –Rindfleisch, Filet: 1700 mg –Kichererbsen: 1460 mg –Hüttenkäse: 1230 mg –Reis, unpoliert: 690 mg •BV im Mittel(!): –nüchtern 85% Ein Anstieg des Magen-pH-Wertes über 5 (Antacida, PPIs), kann die Resorption ver- –mit Mahlzeit 58% Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 17 12. NZW-Süd inArzneimittelinteraktionen Ravensburg Gastrointestinale oralerAntitumortherapeutika:Essen,Trinken,Lebensstil,Einnahmezeitpunkte,Komedikationen schiedener Tyrosinkinaseinhibitoren (Erlotinib, Dasatinib, Gefitinib, Lapatinib, Nilotinib, Sorafenib) in therapeutisch unwirksame Bereiche drücken. Es gibt auch Hinweise, dass Übergewicht zu einer schlechteren Resorption und zu reduzierten Plasmaspiegeln beispielsweise von Sunitinib führen kann. Grapefruitsaft ist Ursache zahlreicher In- teraktionen, auch direkt bei der Einnahme, und deshalb tabu bei allen oralen Medikationen. So können beispielsweise Transportsysteme im Gastrointestinaltrakt (OATP =Organisches-Anionen-Transporter Polypeptid) durch Grapefruit gehemmt werden, dies führt zur Unterdosierung zahlreicher Substanzen (Abb. 3). Aber auch Überdosierungen durch Körperhaltung und Schluckvolumen • Testtablette mit 12,5 mm Durchmesser (BaSO4) • Rückenlage Trinkvolumen Wasser [ml] Hängen gebliebene Tabletten [%] 0 91 15 61 30 44 60 30 100 18 Gallo et al. Gastrointest. Endosc. 1996; 44: 181-184. Enzymhemmung sind möglich. Da ein doppelt konzentrierter Grapefruitsaft auch verschiedene CYP in der Leber hemmt, sind auch Parenteralia von den Interaktionen betroffen. Weniger bekannt für beträchtliche Effekte auf Transporter und Enzymsysteme ist Grüner Tee. Die darin enthaltenen Phenole wie Epigallocatechingallat (EGCG) sind Enzymgifte (Abb. 4). Wegen des Interaktionspotenzials dürfen beispielsweise Bortezomib und Sunitinib nicht mit grünem Tee kombiniert werden. Ein weiteres häufig unterschätztes Problem ist die Enzyminduktion durch Rauchen („Raucher-Cytochrome“ wie CYP 1A2 oder CYP 2E1). Sie haben Einfluss auf die Verstoffwechselung verschiedener in der Onkologie relevanter Supportiva wie Aprepitant, Naproxen, Ondansetron oder verschiedene Analgetika, beeinflussen aber auch den Abbau von Erlotinib und können zum Therapieversagen führen. Stoffwechseleffekte von TKIs In den Fachinformationen werden verschiedene Effekte der TKIs auf Glukose-, Lipidund Elektrolytstoffwechsel genannt (Abb. Abb. 2 Mögliche Effekte von Grapefruitinhaltsstoffen auf orale Medikamente 2. Hemmung von AM-Transportern im GI • • OATP Folge: Unterdosierung, Nicht-Resorption – Beispiele: • • • • • • • Fexofenadin – Antihistaminikum Ciclosporin – Immunsuppressivum Talinolol, Celiprolol,Atenolol – Betablocker Etoposid oral – Zytostatikum Ciprofloxacin, Levofloxacin Quetiapin – Neuroleptikum Itraconazol - Antimykotikum nachgewiesen Abb. 3 18 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 12. NZW-Süd Komedikationen in Ravensburg GastrointestinaleArzneimittelinteraktionenoralerAntitumortherapeutika:Essen,Trinken,Lebensstil,Einnahmezeitpunkte, Epigallocatechingallat (EGCG) 5). Diese Effekte fallen jedoch im klinischen Alltag selten ins Gewicht. Bei Diabetikern sollten hypoglykämische Effekte von TKIs und hyperglykämische Effekte von mTORInhibitoren bei der antidiabetischen Dauermedikation berücksichtigt werden. Hemmung durch EGCG FAZIT: Es gibt eine Reihe therapierele­ vanter „physikalischer“ und pharma­ kodynamischer Interaktionen, schon bevor ein Medikament den systemi­ schen Kreislauf erreicht. Die Bera­ tung von Patienten sollte im Rahmen einer Gesamtschau erfolgen, zu der die Interaktionen der eingenomme­ nen Substanzen, der Einnahmemo­ dus, aber auch Lebensstilfaktoren wie Alkohol, Rauchen und Überge­ wicht gehören. Steigerung durch EGCG Cyp 3A Cyp 2A6 Cyp 2C19 Cyp 2E1 Cyp 1A2 Cyp 2B SULT1A1 SULT1A3 NDAPH-Cyp450-Reduktase-Aktivität OATP1A2, OATP1B1 OATP2B1 OATP1B3 PgP OATP = organisches AnionenTransporterPolypeptid PgP = P-Glykoprotein 170 SULT = Sulfotransferase Abb. 4 INN Afatinib Medikamentös bedingte Elektrolyt-, Lipid-, Glukoseentgleisungen ® GILOTRIF Stoffwechseleffekte Hypokaliämie Axitinib INLYTA Hyperkaliämie, Hyperkalziämie Bosutinib BOSULIF Hyperkaliämie, Hypophosphatämie Crizotinib XALKORI Hypophosphatämie Dabrafenib TAFINLAR Hyperglykämie, Hypophosphatämie, Hyponatriämie Dasatinib SPRYCEL Hypokalzämie, Hypokaliämie, Hypophosphatämie Everolimus AFINITOR Erhöhte Glucose, erhöhter Cholesterinwert, erhöhte Triglyzeride, Hypophosphatämie, Hypokaliämie, Hypokalzämie Imatinib GLIVEC Hypokaliämie, Hypophosphatämie, Hyperkalzämie, Hyperglykämie, Hyponatriämie, Selten: Hyperkaliämie, Hypomagnesiämie Nilotinib TASIGNA Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie, Hyperglykämie, Hypomagnesiämie, Hyperkaliämie, Gelegentlich: Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypokalzämie, Hypophosphatämie Pazopanib VOTRIENT Hypophosphatämie, Hypomagnesiämie Regorafenib STIVARGA Hypokalzämie, Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypophosphatämie Sorafenib NEXAVAR Hypophosphatämie, Selten: Hyponatriämie Temsirolimus TORISEL Erhöhte Glucose (Hyperglykämie/Diabetes mellitus), erhöhter Cholesterinwert, erhöhte Triglyzeride, Hypokaliämie, Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie, Hypophosphatämie Vandetanib CAPRELSA Hypokalzämie, Hypokaliämie, Hyperkalzämie, Hyperglykämie, Hyponatriämie (Schilddrüseneffekte?) Vismodegib ERIVEDGE Hyponatriämie Reihenfolge der Nennung in Effektstärke gemäß FI Abb. 5 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 19 12. NZW-Süd in Ravensburg Cancer of Unknown Primary (CUP): Sinnvolle radiologische Diagnostik Cancer of Unknown Primary (CUP): Sinnvolle radiologische Diagnostik Prof. Dr. Martin Heuschmid, Ravensburg Bei einem CUP-Syndrom, dem “cancer of unknown primary”, handelt es sich um eine Tumorerkrankung, deren primärer Ursprungsort nicht gesichert ist. Es betrifft ca. 3-5% aller Krebspatienten. Die Prognose ist mit einer mittleren Überlebenszeit von 11 Monaten ungünstig. Die histologische Untersuchung der manifesten Tumoren (Metastasen) ergibt Adenokarzinome in 40-60%, undifferenzierte Karzinome in 15-30%, Plattenepithelkarzinome in 15-20% und Kleinzellige Karzinome / Neuroendokrine Tumoren in 3-5%. Der Primärtumor kann nur in 10-20 % aller Fälle zu Lebzeiten identifiziert werden (in Autopsien in 50-70%). Eine extensive Primärtumorsuche ist aus Zeit- und Kostengründen nicht immer sinnvoll. Die diagnostische und therapeutische Strategie beruht bei unbekanntem Primärtumor auf der Histologie und Lokalisation der Metastasen. Die Rolle der Bildgebung besteht nicht nur in einer möglichen Diagnose des Primärtumors, sie ist auch wichtig zur Differenzierung zwischen lokalisierter und disseminierter Erkrankung (Abb. 1) und damit zur Erfassung potentiell kurativer bzw. therapiesensitiver Subgruppen. Auch im Rahmen des Therapiemonitorings nimmt die Bildgebung eine wichtige Rolle beim CUP ein. Im Rahmen der Basisdiagnostik (Abb. 2) wird ein Ganzkörper-CT durchgeführt. Diese Untersuchung dauert heute nur noch 20-40 Sekunden (reine Scanzeit), der zeitliche Aufwand insgesamt beträgt 10 Minuten. Mithilfe des CT wird ein Primärtumor in etwa 20% der Fälle entdeckt (Abb. 3). Der Stellenwert eines zusätzlichen PET/CT (18FFDG, 68Ga-DOTATATE) in der klinischen Bildgebung: lokal vs. disseminiert Abgrenzung lokale vs. disseminierte Erkrankung, Identifikation behandelbarer Subgruppen (solitäre Metastasen) FDG-PET/CT bei zervikalen LKMetastasen Fall 1 - singuläre Metastase - Möglichkeit der lokoregionären Therapie - bessere Prognose Fall 2 - disseminierte Metastase - schlechte Prognose Abb.1 |1M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013 OBERSCHWABENKLINIK Basisdiagnostik bei CUP Abb. 2 Neben et al, Review DÄ 2008 2 | M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013 20 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 OBERSCHWABENKLINIK 12.radiologische NZW-Süd in Ravensburg Cancer of Unknown Primary (CUP): Sinnvolle Diagnostik Routine ist nicht abschließend geklärt. Eine Indikation besteht am ehesten bei solitären Metastasen oder zervikalen Lymphknoten. Ein Beispiel der Detektion eines Mammakarzinoms mithilfe eines PET/CT aufgrund zervikaler Lymphknoten zeigt Abb. 4. Ein PET/CT kann auch helfen, gut erreichbare Biopsieorte für die histologische Diagnostik zu finden. Eine ergänzende Bildgebung, z.B. MRT oder Mammografie, ist nur in bestimmten Fällen sinnvoll. FAZIT: Die radiologische StandardUntersuchung bei CUP ist ein Ganzkörper-CT. Ergänzend oder alter­ nativ kann ein PET/CT durchgeführt werden, fallbezogen sind eventuell weitere bildgebende Verfahren wie MRT Kopf / Hals, Mammographie oder MRT Mamma sinnvoll. Konventi­ onelles Röntgen sowie Sonographie spielen in der Primärdiagnostik bei CUP eine untergeordnete Rolle. Methoden der Bildgebung Standarduntersuchung für alle Patienten mit CUP-Syndrom ESMO Clinical Recommendations, Ann Oncol 2007 CT-Hals / Thorax / Abdomen / Becken (=Ganzkörper) � schnelle, nahezu ubiquitäre Verfügbarkeit � Ganzkörperuntersuchung � häufigste Primärtumoren werden erfasst: Lunge 17-28%, Pankreas 11-27% � geringe Belastung für Patienten � Kosten moderat � Detektionsrate des Primärtumors ca. 20% M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013 Abb.3 | 3 OBERSCHWABENKLINIK Methoden der Bildgebung 18F-FDG PET/CT LK Primär aufgefallen: Zervikale Lymphknoten LK Histologie: Adeno-CUP PT PET/CT: LK-Metastasen, PET: V.a. Mamma-Karzinom links als Primärtumor MR-Mammographie: Mamma-Ca links Operation: T2 N2 Therapie: CTx, Rx, PD nach 14 Monaten Abb. 4 4 | M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013 OBERSCHWABENKLINIK Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 21 12. NZW-Süd in Ravensburg Cancer of Unknown Primary (CUP): Therapeutische Strategie Cancer of Unknown Primary (CUP): Therapeutische Strategie Dr. Gerhard Fischer, Ravensburg Mit nur 10% 5-Jahresüberleben ist das CUPSyndrom insgesamt eine prognostisch ungünstige Krebserkrankung. Allerdings verbergen sich hinter der Diagnose CUP sehr heterogene Krankheitsbilder. Die Prognose ist deshalb sehr variabel und reicht von wenigen Wochen bis zum Langzeitüberleben (Abb. 1). Die Zuordnung zu definierten Subgruppen mit Hilfe pathologischer und klinischer Kriterien ermöglicht eine präzisere Prognoseabschätzung und ist entscheidend für die Auswahl der bestmöglichen Therapie. Prognosegruppen und Therapeutische Prognosegruppen und Therapeutische StrategieStrategie I: Solitäre Organmetastase oder einer Lymphknotenregion II: Primär disseminierter Organbefall III: Primär disseminierter Organbefall, biol. Alter > 70, ECOG > 2 Kriterien für Therapieentscheidungen G. Hübner 2006 OBERSCHWABENKLINIK Prognosegruppen und Therapeutische Strategie Prognosegruppen und Therapeutische Strategie Abb. 1 Die Entscheidung für eine bestimmte Therapie hängt von Ausdehnung und Lokalisation der Metastasen sowie von ihrer Histologie ab. Den Algorithmus für ein systematisches Vorgehen zeigt Abb. 2. Prognostisch günstige Subgruppen sind beispielsweise der „KopfHals-Typ“ (zervikale Lymphknotenmetastasen eines undifferenzierten oder Plattenepithel-Karzinoms), der Befall nur einer Lymphknotenregion bzw. eine solitäre Organmetastase, z.B. in der Leber oder auch der so genannte „Mamma-Typ“ (Axilläre LKMetastase eines AdenoCa, Abb. 3). Hier ist durch Operation und/oder Strahlentherapie, ggfs. in Kombination mit einer Chemotherapie, häufig ein kurativer Therapieansatz möglich. Die Identifizierung prognostisch günstiger bzw. sogar heilbarer CUP-Syndrome ist essenziell für Therapieentscheidungen und Verlauf. Ein systematisiertes Vorgehen ist dabei unerlässlich (Abb. 4). Die Immunpathologie liefert gemeinsam mit klinischen Informationen und der Bildgebung wesentli- CUP Zuordnung zu Prognosegruppen I: Primär lokalisierte Erkrankung II: Primär disseminierte Erkrankung III: Primär infauste Prognose Eine solitäre Organmetastase oder Metastasierung in nur einer Lymphknotenregion Primär disseminierter Organbefall ± LK-Befall. Keine Kriterien der Gruppe III Primär disseminierter Organbefall ± LK-Befall. biol. Alter > 70, red. AZ (ECOG > 2) Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 20 Monate, die 5Jahresüberlebensrate 30-35% Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 7 Monate, die 5Jahresüberlebensrate ca. 5% Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 3 Monate, kein Patient lebt länger als 2 Jahre Zuordnung zu spezifischen Subgruppen Spezifische / empirische Therapie Abb. 2 22 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Palliativmedizin OBERSCHWABENKLINIK 12.Therapeutische NZW-Süd in Ravensburg Cancer of Unknown Primary (CUP): Strategie Prognostisch günstige Prognostisch günstige Subgruppen Subgruppen „Mamma-Typ“ Therapie analog nodal-positivem Mammakarzinom Axilläre Lymphknotenmetastasen eines Adenokarzinoms bei Frauen 4-Stufen Diagnostik 4-Stufen-Diagnostik OBERSCHWABENKLINIK Abb. 3 1. Ausschluss eines gutartigen Tumors Identifikation eines therapierbaren Primärtumors 2. Identifikation von potenziell heilbaren Tumorentitäten, z.B. Lymphome, Keimzelltumoren 3. Identifikation von lokal begrenzten Tumorentitäten, z.B. zervikaler LK 4. Identifikation von Eigenschaften eines systemischen CUP, die neben der prognostischen Zuordnung eine spezielle Therapie ermöglichen: Antihormonelle Therapie, Herceptin-Therapie, EGFR-/ k-ras Mutation Pathologie OBERSCHWABENKLINIK Abb. 4 Pathologie C. Wittekind 2008 OBERSCHWABENKLINIK Abb. 5 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 23 12. NZW-Süd in Ravensburg Cancer of Unknown Primary (CUP): Therapeutische Strategie Pathologie Pathologie A.Tannapfel J Munding 2013 OBERSCHWABENKLINIK Therapeutisches Vorgehen Abb. 6 che Informationen für die Charakterisierung der Erkrankung als Grundlage zur Wahl der systemischen Therapie (Abb. 5 und 6). Eine molekulare Tumordiagnostik durch Genexpressionsanalysen ist ein vielversprechender Ansatz, aber noch nicht als Standardmethode etabliert. Nach Abschluss der Diagnostik erfolgt, falls indiziert, eine systemische Therapie je nach identifiziertem Tumortyp (Abb. 7). FAZIT: Auch ohne Identifizierung eines Primärtumors können nach der Analyse klinischer Kriterien (wie Zahl und Ausbreitungstyp der Metasta­ sen, Alter und Allgemeinzustand des Patienten) und nach histologischer und pathologischer Charakterisie­ rung der Metastasen Aussagen über die Prognose und sinnvolle thera­ peutische Entscheidungen getroffen werden. In einem Teil der Fälle wird so ein Langzeitüberleben oder sogar eine Heilung möglich. Therapeutisches Vorgehen „Kopf-Hals-Typ“ „SCLC-Typ“ „NSCLC-Typ“ Cisplatin / 5-FU ± Radiatio Cisplatin / Etoposid Carboplatin / Paclitaxel „Magen-Typ“ „Pankreas / CCC-Typ“ Oxaliplatin / 5-FU Gemcitabin / Cisplatin Hormontherapie Taxanhaltige Kombination Monotherapie „Ovar-Typ“ Carboplatin / Paclitaxel „Kolorektal-Typ“ „Spezielle OberflächenAntigene oder Mutationen“ Oxaliplatin / 5-FU Targeted Therapy Abb. 7 LITERATUR Abbildung 1: Hübner, G, Tamme C, Schöber C et al. (1989) Prognostically different subgroups in patients with carcinoma of unknown primary (CUP-Syndrome). Z Antimikrob Antineopl Chemoth (Suppl 1) :A16 24 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 „Mamma-Typ“ OBERSCHWABENKLINIK Abbildung 5: Wittekind, C., Horn, L.-C. (2008) Pathohistologische und molekulargenetische Diagnostik beim CUP-Syndrom. Der Onkologe 2008 14:870-878 Abbildung 6: Munding, J., Tannapfel, A. (2013) Pathologie des CUP-Syndroms. Der Onkologe 2013 19:15-21 12. NZW-Süd inUpdate Ravensburg Hormontherapie beim Prostatakarzinom: 2013 Hormontherapie beim Prostatakarzinom: Update 2013 Prof. Dr. Jürgen Breul, Freiburg Für die Hormontherapie (Androgen deprivierende Therapie=ADT) des Prostatakarzinoms werden heute routinemäßig Antiandrogene und GnRH-Agonisten und –Antagonisten eingesetzt. Die aktuelle Fachdiskussion beschäftigt sich vor allem mit optimalen Kombinationen, dem Timing der Therapie und mit neuartigen Medikamenten. Intermittierende versus kontinuierliche Androgenblockade Die Androgenblockade ist eine sehr wirksame Therapie, hat aber den Nachteil, dass jeder Tumor irgendwann hormonunabhängig (kastrationsresistent) wird; die Nebenwirkungen der Dauertherapie können belastend sein; die Therapie ist teuer. Mit einer intermittierenden Androgenblockade (IAD) soll diesen drei Aspekten entgegengewirkt werden. In der neuesten Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Urologie wird die IAD nicht mehr als experimentelle Methode, sondern als eine mögliche Therapieoption betrachtet. Die S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie besagt, die IAD sei ohne Einschränkungen einsetzbar, wenn zuvor eine Aufklärung über die fehlende Evidenz erfolge. Diese Einschätzung ist auf die Ergebnisse mehrerer Phase III Studien zurückzuführen (Abb. 1). Bei näherer Betrachtung der SEUG 9401 Studie zeigt sich, dass es zwischen Patienten, die kontinuierlich (CAD) vs. intermittierend (IAD) behandelt wurden, keinen Unterschied in der Gesamtmortalität gibt. Die Prostata-Ca spezifische Mortalität ist jedoch bei intermittierender Therapie höher (Abb. 2). Bezüglich der Lebensqualität war die IAD allenfalls in Teilaspekten überlegen (Hitzewallungen, allgemeine Aktivität, erektile Funktion). In den Jahren 2012 und 2013 wurden zwei „non inferiority“ Studien veröffentlicht, NCIC CTG PR7 (Crook et al., NEJM 9/2012) und SWOG 9346 (Hussain et al., NEJM 4/2013). Sie kamen zu unterschiedlichen Bewertungen bezüglich der Gleichwertigkeit intermittierender vs. kontinuierlicher Therapie (s. Tabelle 1); dies hat aber vor allem methodische Gründe aufgrund unterschiedlich definierter Zielkriterien. Tabelle 1 Vergleich von zwei aktuellen non inferiority Studien NCIC CTG PR7 (NEJM 9/2012) SWOG 9346 (NEJM 4/2013) 1.367 Pat. mit PSA Anstieg nach Strahlentherapie 3.040 Pat. M+ PSA >3 ng/ml PSA Abfall ≤ 4 ng/ml: Random (n= 1.535) 8 Monate ADT Trigger für Re-Therapie: PSA 20,0 ng/ml 6 Monate Leu + CPA für 4 Wo Trigger für Re Therapie: PSA 10,0 ng/ml Ergebnis: Ergebnis: Survival IAD: 8.8 Jahre, CAD: 9.1 Jahre medianes Überleben IAD: 5,1 J; CAD: 5,8 Jahre IAD ist nicht unterlegen („non inferior“ 7 Jahres Überleben IAD: 38%, CAD: 42% IAD ist der CAD unterlegen! („Nicht-Unterlegenheit kann nicht festgestellt werden“) Was sagen die Phase III Studien ? Was sagen die Phase-III-Studien? Studie Population Ergebnis 507-AP06/95 (2007) PSA Anstieg nach radikaler Prostatektomie Kein Unterschied im progressionsfreien Überleben AUO AP 17/95 (2007) Tx, N1-3, M0 oder TxNx, M+ Kein Unterschied im progressionsfreien Überleben EC210/AU0 19/96 (2012) M+, PSA > 20 ng/ml kein Unterschied im survival SEUG 9401 (2009, 2013) lokal fortgeschritten oder M+ kein Unterschied im survival Abb. 1 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 25 12. NZW-Süd in Ravensburg Hormontherapie beim Prostatakarzinom: Update 2013 SEUG9401: Todesursachen Bei der SWOG-Studie ist außerdem zu beachten, dass nur die Hälfte der Patienten bei der zunächst durchgeführten kontinuierlichen Therapie auf PSA-Werte unter 4 ng/mL fiel – dies war Voraussetzung für die Randomisierung in den Studien- und Kontrollarm. Ein solch starker PSA-Abfall unter Hormontherapie ist per se ein günstigerer Prognoseparameter. Die Lebensqualität war unter intermittierender Therapie zunächst besser, nach 15 Monaten bestand aber kein signifikanter Unterschied mehr. Zu diesem Zeitpunkt standen 78 % der Patienten ohnehin wieder unter Hormonentzug. Es gibt keine eindeutige Empfehlung für eine intermittierende Therapie in bestimmten Situationen. Nach sorgfältiger Aufklärung erfolgt eine individuelle Entscheidung mit dem Patienten. Als Faustregel kann gelten, dass die IAD in der metastasierten Situation der CAD eher unterlegen ist, bei fortschreitendem Tumor ohne Metastasenbildung aber verantwortet werden kann, da die Überlebenskurven hier erst spät auseinanderlaufen (Abb. 3). Grundsätzlich sollte man den positiven psychologischen Aspekt für den Patienten nicht unterschätzen, wenn Aussicht auf eine Therapiepause besteht. Nicht jeder Patient fühlt sich aber während der Therapiepause auch tatsächlich besser. FAZIT: Eine intermittierende Andro­ gendeprivation (IAD) führt nicht zu einer Verlängerung der Zeit bis zur Hormonresistenz. Sie ist der kontinu­ ierlichen Androgendeprivation (CAD) im metastasierten Stadium hinsicht­ lich des Überlebens unterlegen, kann im nicht metastasierten Stadium aber erwogen werden. Die objektiven Auswirkungen auf die Lebensqua­ lität sind marginal, die subjektiven Auswirkungen der Therapiepause dagegen oft positiv. SEUG9401: Todesursachen % Abb. 2 Intermittierende vs kontinuierliche ADT Abb. 3 26 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 12. NZW-Süd in Ravensburg Medikamentöse Behandlung von Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts Medikamentöse Behandlung von Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts PD Dr. Tobias Dechow, Ravensburg In Deutschland erkranken jährlich rund 22 000 Menschen neu an einem Ösophagus- oder Magenkarzinom. Während Magenkarzinome leicht rückläufig sind, steigt die Zahl der Ösophaguskarzinome. Dies betrifft allerdings in erster Linie die Karzinome im Bereich der Cardia (Adenokarzinome des ösophago-gastralen Übergangs, AEG). Diese Karzinome sind Folge einer chronischen Refluxerkrankung (Risikofaktor: Übergewicht!), bei der über eine chronische Entzündung eine Transformation des Epithels erfolgt (Abb. 1). Pathogenese Pathogenese Gastroösophageale Refluxkrankheit 50 % (20% der Bevölkerung) Reflux-Ösophagitis = Entzündung der Speiseröhre 10% Symptome: Barrett-Ösophagus = „Magenähnliche“ Schleimhaut in der unteren Speiseröhre • Sodbrennen • saures Aufstoßen • Schmerzen hinter der Brust • Schmerzen im Oberbauch 10% • Schmerzen beim Schlucken • Reizhusten Resektable Tumoren ohne Fernmetastasen können chirurgisch kurativ behandelt werden. Nicht resektable Tumoren oder Fernmetastasen erlauben nur eine palliative Therapie. Offene Fragen gibt es vor allem in der Therapie lokal fortgeschrittener Tumoren (T3), bei Lymphknotenbefall (T2N+ oder T3N+) bzw. in der metastasierten Situation. Lokal fortgeschrittene Tumoren bzw. Lymphknotenbefall In dieser Situation stellt sich die Frage nach zusätzlichen Therapieoptionen neben der Operation. Möglich sind adjuvante oder neoadjuvante Chemo- oder Radiochemotherapie, bzw. eine perioperative (vor und nach OP) Chemotherapie. Hier gibt es weltweit unterschiedliche Präferenzen, in den USA wird die adjuvante Radiochemotherapie bevorzugt. Dieses Vorgehen stützt sich in erster Linie auf die so genannte Mac Donald Studie (N Engl J Med 2001;345:725-309). Diese hat- Adenokarzinom des Ösophagus (AEG I) = Barrett-Karzinom • Heiserkeit Therapieoptionen bei AEG • Asthma, Bronchitis Abb. 1 Adjuvante RCTX Adjuvante RCTX SWOG 9008/INT0116 D0- Resektion 54% D1- Resektion 36% D2- Resektion 10% Mac Donald JS et al. N Engl J Med 2001;345:725-30 Abb. 2 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 27 12. NZW-Süd in Ravensburg Medikamentöse Behandlung von Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts te ein deutlich besseres 3-Jahres Überleben unter adjuvanter Therapie gezeigt (Abb.2). Die Ergebnisse relativieren sich allerdings, wenn man die Qualität der vorangegangenen Resektion berücksichtigt. Nur Patienten, die „schlecht“ operiert wurden (d.h., bei denen keine oder nur wenige Lymphknoten entnommen wurden, so genannter D0 oder D1 Eingriff ), profitierten von der adjuvanten Therapie. Bei vollständiger Entfernung lokaler Lymphknoten (D2; Standard in Deutschland) bietet die adjuvante Therapie keinen Vorteil. Für Patienten mit R0 Resektion (komplette Entfernung des Tumors) und D2 Lymphadenektomie ist die adjuvante Radiochemotherapie kein Standard in Deutschland. In Asien hat sich nach einer Studie von Sakuramoto (N Engl J Med 2007;357:1810-20) die adjuvante Chemotherapie durchgesetzt. Die Ergebnisse zugunsten einer adjuvanten Chemotherapie konnten in mehreren Studien für westliche Patienten jedoch nicht bestätigt werden. Nach primärer R0 Resektion (ohne präoperative Chemotherapie) sollte keine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. perioperative Perioperative Therapie MAGIC Studie 3xECF OP 3xECF OP Cunningham D et al. N Engl J Med 2006;355:11 Abb. 3 perioperative Perioperative Therapie Therapie FNCC 94012-FFCD 9703 2xCF OP 2xCF In Europa ist zurzeit die perioperative Chemotherapie Standard. Dies beruht auf zwei Studien, MAGIC (Abb. 3) und FNCC (Abb. 4). Eine Alternative könnte die neoadjuvante Radiochemotherapie sein (Abb. 5). Es ist aber unklar, ob sie einer perioperativen Therapie überlegen ist. Palliative Therapie Palliativ werden überwiegend Zweier- und Dreierkombinationen auf der Basis von 5-FU eingesetzt (5-FU oder Capecitabin, Cisplatin oder Oxaliplatin, Paclitaxel oder Docetaxel, Irinotecan (v.a. second line), Epirubicin). Unter dieser Therapie hat sich das mittlere Überleben in den letzten 15 Jahren auf 11 Monate verdoppelt. Ein von van Cutsem ( JCO 2006; 24:4991-7) vorgeschlagenes Behandlungsregime (Docetaxel 75 mg/qm Therapie OP Abb. 4 28 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Ychou M et al. JCO 2011;29:1715- 12. NZW-Süd in Ravensburg Medikamentöse Behandlung von Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts d1, Cisplatin 75 mg/qm d1, 5-FU750 mg/ qm d1-5) ist zwar effektiv, wegen erheblicher Grad ¾ Toxizitäten für die meisten Patienten in der palliativen Situation jedoch inakzeptabel. Modifizierte taxanhaltige Therapien wie Gastro-Tax (Lorenzen et al., GI-ASCO 2006), FLOT (Al-Batran et al., Ann Oncol 2008) und mDCF (Manish Shah et al., ASCO 2010) sind gleich effektiv, aber deutlich besser verträglich. neoadjuvante Neoadjuvante Therapie (RCTX)Therapie Carboplatin AUC2 Paclitaxel 50 mg/m2 41,4 Gy GD RCTx OP OP Eine targeted therapy mit Trastuzumab kommt für Patienten in Frage, deren Tumoren HER2neu positiv sind. In der TOGAStudie konnte damit das mediane Überleben dieser Subgruppe auf 14 Monate (Abb. 6), bei besonders starker HER2-Expression sogar auf 16 Monate gesteigert werden. Zweitlinientherapie Eine Monotherapie mit einem Taxan oder Irinotecan verlängert das Überleben im Schnitt lediglich um ein bis zwei Monate. Sie hat ihre Berechtigung vor allem wegen ihres günstigen Effekts auf die Lebensqualität. (RCTX) van Hagen, NEJM 2012 Abb. 5 ToGA-Studie ToGA-Studie FAZIT: Adenokarzinome des öso­ phago-gastralen Übergangs (AEG) können in frühen Stadien chirurgisch geheilt werden. Bei lokal fortge­ schrittenen Tumoren mit Lymphkno­ tenbefall gilt in Deutschland eine perioperative Chemotherapie zu­ sätzlich zur Resektion als Standard, eine Alternative ist die neoadjuvante Radio-Chemotherapie. In der pallia­ tiven Situation werden verschiedene kombinierte Chemotherapie-Regime eingesetzt; im Fall einer HER2 neu Überexpression verbessert die Zuga­ be von Trastuzumab das Überleben. Abb. 6 Bang et al Lancet 2010; 376:687- Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 29 12. NZW-Süd in Ravensburg Welcher Patient kommt in die Apotheke? Welche oralen Wirkstoffe und gängigen Therapieschemata gibt es? Welcher Patient kommt in die Apotheke? Dr. Annette Freidank, Fulda Die Inzidenz von Krebserkrankungen nimmt zu, die Patienten überleben immer länger. Die Zahl der Krebspatienten nimmt daher zu. Ihre Betreuung und Beratung bringt Herausforderungen mit sich: (lebens)lange Therapie/ Begleitung, Polypharmazie bei älteren und multimorbiden Patienten, Berücksichtigung von Arzneimittelinteraktionen und Adhärenzprobleme bei den oralen Chemotherapien. Inzwischen können über die Hälfte der neu zugelassenen Zytostatika, vorwiegend Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (Abb. 1), oral appliziert werden. Sie sind für rund 10-30% der Patienten geeignet. Neuartige unerwünschte Wirkungen der targeted therapies, für die nicht immer eine befriedigende Supportivtherapie zur Verfügung steht, erfordern ein besonders sorgfältiges Monitoring. Gerade bei seltenen Tumorarten, mit denen man als Apotheker nicht täglich zu tun hat, kann die Beratung schwierig sein. Wichtige Indikationen der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) Nierenzellkarzinom (RCC= Renal Cell Carcinoma) Die einzige kurative Therapie ist eine Operation im Frühstadium. Eine adjuvante Therapie erfolgt zurzeit nur im Rahmen von Studien. Im metastasierten Stadium ist i.d.R. nur eine Palliativtherapie möglich. Bis 2005 war hier die Immuntherapie (Interferon, Interleukin) Standard. Heute besteht die Erstlinientherapie aus Pazopanib, Sunitinib, (Bevacizumab + IFN) oder Temsirolimus (wenn prognostisch ungünstig). Das mediane Überleben im metastasierten Stadium konnte von 6-10 Monate auf 24 bis 30 Monate erhöht werden. Das Therapieschema des Sunitinibs mit zweiwöchigen Einnahmepausen ist bezüglich der Adhärenz der Patienten problematisch. Hier wird sich in Zukunft möglicherweise eine durchgehende Therapie mit INN Präparat Indikation Ziel Axitinib Inlyta® Markt 2012 mRCC VEGFR Bosutinib Bosulif® 2013 CML Ph+ Crizotinib Xalkori® 2012 NSCLC ALK+ Dabrafenib Tafinlar® 2013 mMelanom BRAF-V600 Mutation Dasatinib Sprycel® 2006 CML Ph+ Erlotinib Tarceva® 2005 NSCLC, Pankreas-Ca (EGFR-Mutation) Gefitinib Iressa® 2009 NSCLC EGFR-Mutation Imatinib Glivec® 2003 CML, GIST Ph+ Lapatinib Tyverb® 2008 Mamma-Ca Her2+ Nilotinib Tasigna® 2007 CML Ph+ Pazopanib Votrient® 2010 mRCC, Weichteilsarkom Ponatinib Iclusig® 2013 CML Sorafenib Nexavar® 2006 RCC, Leber-Ca Ph+, T315I-Mutation Regorafenib Stivarga® 2013 mKolon-Ca Sunitinib Sutent® 2006 mRCC, GIST Vandetanib Caprelsa® 2012 Schilddrüse Vemurafenib Zelboraf® 2012 mMelanom BRAF-V600 Mutation CML-chronisch myeloische Leukämie; NSCLC-non-small-cell-lung-cancer; GIST-gastrointestinaler Stromatumor; mRCC-metastasiertes Nierenzellkarzinom der TKIs beim RCC Einsatz der TKIsEinsatz beim RCC Oralia-Symposium - NZW Süd 2013 INN Präparat Indikation Dosierung N Bemerkungen Sorafenib Nexavar® 2nd, fortgeschritten 2 x 400 mg x1 Leberzellkarzinom Sunitinib Sutent® 1st, fortgeschritten 1 x 50 mg -- 4 Wochen Therapie, 2 Wochen Pause Pazopanib Votrient® 1st, fortgeschritten 1 x 800 mg x 2nd, Weichteilsarkom Axitinib Inlyta® 2nd, fortgeschritten 2 x 5 mg -- Abb. 1 Dr. Annette Freidank N – Nüchterneinnaahme, 1 – keine fettreiche, sondern leichte Mahlzeit Relative 5-Jahres-Überlebensrate: 65 – 75% Mittlere Lebenserwartung: bisher 6 – 10 Monate heute 24 – 30 Monate Offene Fragen – optimale Sequenztherapie Abb. 2 Einsatz beim NSCLC Einsatz beim NSCLC Fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung INN Präparat Stufe Dosis N Alter Keine speziellen Studien Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober Ziel © Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie Erlotinib Tarceva® 1st 1 x 150 mg X Gefitinib Iressa® 1st 1 x 250 mg - -- EGFR-Mutation - > 65 Jahre begrenzte Daten > 85 Jahre keine Daten ALK+ Crizotinib Xalkori® 2nd 2 x 250 mg EGFR-Mutation EGFR – epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor; ALK – anaplastische-Lymphom-Kinase Therapie bis zum Progress oder nicht tolerierbarer Toxizität 5 – 15% der Patienten in Europa haben aktivierende Mutationen (Asien ca. 30%) Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober 30 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 © Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie Abb. 3 12. kommt NZW-Süd in Ravensburg Welcher Patient in die Apotheke? täglich 37,5 mg durchsetzen. In der Zweitlinientherapie werden Axatinib, Everolimus, Pazopanib und Sorafenib eingesetzt (Schemata siehe Abb. 2). Nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC=Non Small Cell Lung Cancer) Im Stadium I und II erfolgt eine operative Therapie. Im Stadium III wird die OP mit adjuvanter und/oder neoadjuvanter Chemotherapie (Cisplatin + Docetaxel/Etoposid/ Gemcitabin/Pemetrexed/Vinorelbin/Paclitaxel) und Strahlentherapie kombiniert. Im Stadium IV (multiple Metastasen) beträgt die mediane Überlebenszeit 8 bis 12 Monate, die 5-Jahres-Überlebensrate 15-18%. Bei entsprechenden Mutationen im Tumor (wie EGFR, ALK+) verbessert sich die Überlebenszeit durch den Einsatz gezielter Therapien (TKIs, Abb. 3). In der Patientenberatung ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass nur ein kleiner Teil der Patienten Mutationen im Tumor hat, die eine TKI-Therapie ermöglichen und dass es daher keine „Sparmaßnahme“ des Arztes oder der Krankenkasse ist, wenn ein Patient eine solche Therapie nicht erhält. Brustkrebs Beim fortgeschrittenen Mamma-Ca ist bisher nur der TKI Lapatinib in der Erst- und Zweitlinientherapie in einem Kombinationsregime zugelassen (Abb. 4). Zu beachten ist, dass Lapatinib je nach Kombinationspartner unterschiedlich dosiert wird. Als kleines Molekül überwindet Lapatinib die Blut-Hirnschranke und kann deshalb auch gegen Hirnmetastasen eingesetzt werden. Die Bioverfügbarkeit der Substanz steigt bei Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit an (Abb. 5). Chronisch Myeloische Leukämie (CML) Bei Nachweis des Philadelphia-Chromosoms (BCR-ABL Fusionsprotein) stehen mehrere TKIs zur Verfügung (Abb. 6 und 7). Die viele Jahre währende Therapie (Gesamtüberleben nach 8 Jahren 85%) führt oft zu Adhärenzproblemen. Dies hat fatale Folgen für den Therapieerfolg (bei Adhärenz >85% werden über 90% komplette zytogenetische Remissionen erzielt; liegt die Adhärenz darunter, sinken die kompletten Remissionen auf 65%). Einsatz beim Mamma-Ca Einsatz beim Mamma-Ca Fortgeschrittene oder metastasierende Erkrankung INN Präparat Indikation Dosis (Lapatinib) Lapatinib Tyverb® + Capecitabine, 2nd 1 x 1250 mg + Aromatasehemmer, 1st 1 x 1500 mg + Trastuzumab, 2nd 1 x 1000 mg Vorteil bei ZNS-Metastasen Ausweitung der Indikationen? neoadjuvant mit Trastuzumab – gute Wirksamkeit, aber höheres Nebenwirkungsrisiko adjuvant bisher nur in Studien - Abb. 4 CML-chronisch myeloische Leukämie; NSCLC-non-small-cell-lung-cancer; GIST-gastrointestinaler Stromatumor; mRCC© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie metastasiertes Nierenzellkarzinom Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober Einfluss der NahrungEinfluss der Nahrung Erhöhung der AUC von Lapatinib auf 425% mit fettreicher Nahrung 167% mit fettarmer Nahrung Koch, JCO;27:1191-1196, 2009 Abb. 5 © Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober Therapie der CML Therapie der CML CML mit BRC-ABL-Nachweis Imatinib 40-800 mg/d ↓ Nilotinib 2x300 mg/d Dasatinib 100 mg/d ↓ ↓ Unzureichendes Ansprechen, Resistenz, Intoleranz ↓ Dasatinib 100 mg/d ↓ Nilotinib 2x300 mg/d Dasatinib 100 mg/d ↓ Bosutinib 1x500 mg/d ↓ Nilotinib 2x400 mg/d ↓ Progress, Therapieversagen, T3151 Mutation ↓ Allogene Stammzelltransplantation Ponatinib 1 x 45 mg Studien Abb. 6 Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober © Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 31 12. NZW-Süd in Ravensburg Welcher Patient kommt in die Apotheke? Beratung bei Abgabe von TKIs Generell sollte immer die Einnahme mit oder ohne eine Mahlzeit thematisiert werden (Abb. 8). Bei einem Magen-pH-Wert über 5 kann die Resorption von TKIs beeinträchtigt sein. Abhängig vom TKI kann die gleichzeitige Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI), H2-Blockern oder Antazida s problematisch sein, ihre Notwendigkeit sollte kritisch hinterfragt werden (sie können z.B. abgesetzt werden, wenn in der Schmerztherapie NSAR durch magenverträglichere Substanzen ersetzt werden). Auch das hohe Interaktionspotenzial der TKIs sollte beachtet werden (Abb. 9). Außerdem sollte man sich bewusst sein, dass es mit einer einmaligen Beratung bei Erstabgabe nicht getan ist, sondern dass kontinuierlich nachgefasst werden muss. Einsatz bei CML Einsatz bei CML INN Präparat Indikation Dosis N Ziel Imatinib Glivec® 1st 1 x 400 mg -- Ph+ Dasatinib Sprycel® 1st 1 x 100 mg -- Ph+ Nilotinib Tasigna® 1st 2 x 300 mg x Ph+ Ponatinib Iclusig® 2nd 1 x 45 mg -- Ph+, T315I-Mutation Bosutinib Bosulif® 2nd 1 x 500 mg -- Ph+ Heute - Gesamtüberleben nach 8 Jahren 85% Behandlung sollte immer innerhalb von Studien erfolgen Offene Fragen/Studien - Kombinationstherapie mit Interferon? - kontrolliertes Absetzen 3 Jahren Therapie und molekularer Remission -Sequenzen Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober Abb. 7 Nüchterneinnahme? © Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie Nüchterneinnahme? Verbesserung der Adhärenz Einige Patientengruppen sind mit der Eigenverantwortung im Rahmen einer oralen Therapie zu Hause überfordert. Mentale und körperliche Defizite v.a. im Alter, Verständnisschwierigkeiten (z.B. auch bei Sprachproblemen), komplizierte Dosierungsschemata, Depressionen, mangelndes Vertrauen zu Arzt und Apotheker bzw. abweichende Krankheitsauffassung, aber auch mangelnde soziale Unterstützung z.B. durch die Familie, können den Erfolg der oralen Therapie gefährden. Gravierende Nebenwirkungen führen nicht selten zu unregelmäßiger Einnahme oder zum Therapieabbruch. All diese angesprochenen Schwierigkeiten sollte der Apotheker bei seiner Beratung im Blick haben. FAZIT: Die Zunahme oraler Therapien in der Onkologie stellt hohe Anforde­ rungen an die Beratungskompetenz von Apothekern. Mehr Sicherheit für die Beratung bietet eine Initiative der DGOP und OPH in Zusammenarbeit mit der DKG (Deutsche Krebsgesell­ schaft). Das Fortbildung- und Unter­ stützungsangebot umfasst ein phar­ mazeutisches Betreuungskonzept speziell für die Abgabe von oralen Chemotherapeutika, ein Curriculum für Apotheker (8 Stunden) und eine Datenbank (https://dgop-oralia.de). Dabrafenib (AUC↓) Nüchtern Erlotinib (AUC↑) (1 h vor bzw. 2 h nach einer Lapatinib (AUC↑) Mahlzeit) Nilotinib (AUC↑) Pazopanib (AUC↑) Bosutinib Mit einer „leichten“ Mahlzeit Imatinib mit Wasser Regorafenib Sorafenib unabhängig Axatinib Ponatinib Crizotinib Sunitinib Dasatinib Vandatanib Gefitinib Fachinformationen Abb. 8 Oralia-Symposium - NZW Süd 2013 Dr. Annette Freidank Interaktionen der TKIs über CYP Interaktionen der3A4 TKIs über CYP 3A4 Arzneimittel Inhibitor Effekt - AUC Induktor Effekt - AUC Dasatinib Ketoconazol 5fach � Rifampicin > 80% � Erlotinib Ketoconazol > 85% � Rifampicin > 80% � Gefitinib Itraconazol 60-8% � Rifampicin > 80% � Imatinib Ketoconazol 80% � Rifampicin 75% � Lapatinib Ketoconazol 3-6fach � Carbamazpin 75% � Nilotinib Ketoconazol 3fach � Rifampicin Pazopanib Ketoconazol 66% � -- Sorafenib Ketoconazol --- Rifampicin 37% � Sunitinib Ketoconazol 50% � Rifampicin 45% � > 80% � -- Abb. 9 Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober 32 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 © Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie 12. NZW-Süd–inUpdate Ravensburg Medikamentöse Therapie des Dickdarmkarzinoms 2013 Medikamentöse Therapie des Dickdarmkarzinoms – Update 2013 Prof. Dr. Dirk Jäger, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen, Heidelberg In der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms stellt die Chemotherapie (FOLFOX) nach wie vor den Therapiestandard im UICC-Stadium III des Kolonkarzinoms bzw. im Stadium II bei Risikokonstellation dar. Monoklonale Antikörper haben hier in keiner der durchgeführten Studien einen Überlebensvorteil gezeigt. Toxizität neoadjuvanter Therapie • • • • • In der metastasierten Situation ergeben sich zusätzliche Therapieoptionen aufgrund der Zulassung von zwei neuen Substanzen (Aflibercept und Regorafenib). 5-FU: Irinotecan: Oxaliplatin: Bevacizumab: Anti-EGFR: Steatose Steatohepatitis Sinusoidales Obstruktionssyndrom Wundheilungsstörungen, Blutungskomplikationen OP-Morbidität/Mortalität nach derzeitigem Stand nicht signifikant beeinflusst) Inzidenz postoperativer Komplikationen steigt mit Dauer der Systemtherapie Steatohepatitis Sinusoidales Obstruktionssyndrom Therapie in metastasierter Situation 1. Resektion Bei singulären oder wenigen Metastasen in Leber und/oder Lunge besteht potenziell die Chance einer kurativen Metastasenresektion. In 15-20% sind Lebermetastasen resektabel, das 5-Jahresüberleben liegt dann bei 20-50 %. Dagegen beträgt das 5-Jahresüberleben bei nicht resektablen Metastasen nur 1-2%. Die Aussicht auf Heilung verschlechtert sich bei ungünstigen Prognosefaktoren: Abb. 1 Neu: Oktober 2012 Krankheitsfreies Intervall < 12 Monate Größe der Einzelmetastasen > 5 cm Anzahl der Metastasen > 1 Nodal-positiver Primärtumor CEA prä-operativ >200 ng/ml Voraussetzungen für die Resektabilität von Lebermetastasen sind: Eine vollständige (R0) Resektion aller intra- und extrahepatischen Tumormanifestationen ist möglich; Durchblutung und biliäre Drainage können erhalten werden; eine adäquate Funktion des verbleibenden Lebergewebes ist gegeben (mind. 20%; oder mehr bei Leberparenchymschädigung sowie nach neoadjuvanten Therapien). Abb. 2 Schmoll et al., Annals of Oncology 2012; 23: 2479-2516 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 33 12. NZW-Süd in Ravensburg Medikamentöse Therapie des Dickdarmkarzinoms – Update 2013 Verbessererung systemischer Therapieoptionen Verbesserung systemischer Therapieoptionen Saltz1, 2000 12,6 5-FU/LV Bolus Douillard2, 2000 14,1 5-FU/LV Infusion Saltz1, 2000 14,8 IFL Douillard2, 2000 FOLFIRI (de Gramont oder AIO) Goldberg3, 2004 FOLFOX Hurwitz 4, 2004 Bokemeyer 7, 2011 Van 19,5 20,3 21,3 XELOX/FOLFOX + Bevacizumab Falcone6, 2007 Cutsem8, 17,4 IFL + Bevacizumab Saltz5, 2008 2011 FOLFOXIRI 22,6 FOLFOX + Cetuximab 22,8* 23,5* FOLFIRI + Cetuximab Douillard9, 2011 23,9* FOLFOX + Panitumumab 0 Das progressionsfreie Überleben kann durch eine perioperative Therapie mit FOLFOX verbessert werden. Die neoadjuvante Therapie ist aber relativ toxisch (Abb. 1), sodass sie i.d.R. nur in komplexeren Situationen (z.B. mehr als eine Metastase) eingesetzt wird. Auch eine alleinige adjuvante Therapie kann erwogen werden. 5 10 15 Gesamtüberleben (Monate) Abb. 3 20 25 *KRAS-wt-Population 1. N Engl J Med 2000; 343:905–14; 2. Lancet 2000; 355:1041–7; 3. J Clin Oncol 2004; 22:23–30; 4. N Engl J Med 2004; 350:2335–42; 5. J Clin Oncol 2008; 26:2013–9; 6. J Clin Oncol 2007; 25:1670–6; 7. Ann Oncol 2011; 22:1535–46; 8. J Clin Oncol 2011; 29:2011–9; 9. J Clin Oncol 2011; 29(Suppl):3510. Den zurzeit gültigen Algorithmus für Therapieentscheidungen in der metastasierten Situation zeigt Abb. 2. 2. Alleinige systemische Therapie In den letzten 15 Jahren haben die Erfolge der systemischen Therapie zugenommen (Abb. 3). Bei einer Peritonealkarzinose hat sich in letzter Zeit ein zunehmend aggressiveres Vorgehen durchgesetzt (Peritonektomie, Organresektion wie Kolektomie, Hypertherme intraPEritoneale Chemoperfusion HIPEC). Selbst bei einer Peritonealkarzinose können so noch Langzeitremissionen erzielt werden (Abb. 4). Bei selektierten Patienten 16% Langzeitremissionen bei Chirurgie plus IPC Abb. 4 Ann Surg 2013 Im Jahr 2013 wurden Aflibercept (Zaltrap®) und Regorafenib (Stivarga®) für die Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms zugelassen und erweitern das Spektrum der Therapiemöglichkeiten. Beide wirken unter anderem über die Blockade des VEGFPathways (Abb. 5). Regorafenib ist ein Multityrosinkinaseinhibitor für die „Letztlinientherapie“. Ein Überlebensvorteil von eineinhalb Monaten führte zur Zulassung (Abb. 6). Die Effektivität von Aflibercept ist ähnlich, es ist aber weniger toxisch und für die Zweitlinientherapie in Kombination mit FOLFIRI zugelassen. Abb. 5 ©Sanofi Oncology 34 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 12. NZW-Süd–inUpdate Ravensburg Medikamentöse Therapie des Dickdarmkarzinoms 2013 FAZIT: Aflibercept und Regorafenib erweitern jetzt das Spektrum der Therapiemöglichkeiten des metas­ tasierten kolorektalen Karzinoms. Der individuellen molekularen und immunologischen Charakterisierung von einzelnen Tumorpatienten kommt eine immer größere Bedeutung zu. Zukünftige Therapiestrategien zielen darauf, Tumor-Host-Immuninter­ aktionen therapeutisch nutzbar zu machen. Regorafenib – ein Multityrosinkinaseinhibitor Regorafenib vs. Placebo nach Versagen Standardtherapie CORRECT Phase III Regorafenib 1.00 Survival distribution function 3. Neue Therapieansätze Es gibt bei verschiedenen Patienten große Unterschiede im Grad der T-Zellinvasion am Rand ihrer Lebermetastasen (Abb. 7). Eine starke Zellinvasion verbessert das Ansprechen auf eine Chemotherapie. Es wird vermutet, dass die Chemotherapie nicht nur direkt zytotoxisch wirkt, sondern das Tumormilieu auch im Sinne einer besseren Angriffsmöglichkeit für Immunzellen verändert. Die Modulation von Immunmechanismen, beispielsweise mithilfe der Blockade bestimmter Chemokinrezeptoren (mit Substanzen wie PD1-Antikörper, PD1-Ligand-Antikörper) ist therapeutisch vielversprechend. Zukünftige Therapiestrategien zielen darauf, TumorHost-Immuninteraktionen therapeutisch nutzbar zu machen durch Verstärkung der Immunantwort gegen Tumoren oder durch gezielte Beeinflussung des lokalen Tumormilieus. Median 95% CI Placebo 6.4 mo 5.0 mo 5.9–7.3 4.4–5.8 Hazard ratio: 0.77 (95% CI: 0.64–0.94) 1-sided p-value: 0.0052 0.75 0.50 0.25 Placebo N=255 Regorafenib N=505 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Days from randomization Abb. 6 Grothey et al., ASCO GI 2012 Mod. nach T-Zellinfiltrate an der Invasionsgrenze: `Density Score´ 0 1 2 3 4 4 Abb. 7 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 35 Leitlinien in der Onkologie Leitlinien weisen den Weg in schwierigem Gelände. S3-Leitlinien besitzen den höchsten Evidenzgrad. Derzeit liegen zehn S3-Leitlinien zu onkologischen Themen vor. Leitlinien in der Onkologie Von Petra Jungmayr, Esslingen Heute: S3-Leitlinie Mammakarzinom Update 2012 ier Jahre nach der ersten Überarbeitung liegt seit Juli 2012 die aktualisierte Version der S3 Leitlinie zum Mammakarzinom vor. Änderungen betreffen vor allem das chirurgische und strahlentherapeutische Vorgehen. In den Abschnitten zur systemisch adjuvanten und endokrinen Therapie finden sich wenige Aktualisierungen. Neu hinzugekommen sind das Kapitel zu den komplementären Heilmethoden und die Empfehlungen zur sportlichen Aktivität. Die neue S3-Leitlinie zum Mammakarzinom ist mit dem Titel „Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ überschrieben und liegt nunmehr in ihrer dritten Fassung vor. Herausgeber sind die Leitlinienprogramme der AWMF (Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften), der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und der Deutschen Krebshilfe e.V. Als federführende Fachgesellschaften zeichnen die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Die Leitlinie ist im AWMF-Register unter der Nummer 032-045OL gelistet. Am Zustandekommen dieser Leitlinie waren zahlreiche Autoren sowie 30 wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaften beteiligt, um die Besonderheiten unterschiedlicher Therapiesituationen angemessen zu berücksichtigen. Bei der Erstellung der Leitlinie wurden ferner Aussagen und Empfehlungen mehrerer internationaler Leitlinien aufgenommen sowie 36 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 die Ergebnisse internationaler Studien und Metaanalysen berücksichtigt. Die vergebenen Evidenzgrade richten sich nach den Kriterien des Oxford Centre of Evidence-based Medicine. In der Leitlinie werden alle evidenzbasierten Kernaussagen und Empfehlungen hinsichtlich der Evidenzstärke mit dem Grad der Empfehlung ausgewiesen. Empfehlungsgrad „A“ bedeutet eine starke Empfehlung, Empfehlungsgrad „B“ eine Empfehlung und der Empfehlungsgrad „0“ lässt die Empfehlung offen. In der Regel bestimmt die Evidenzstärke die Stärke der Empfehlung, Abweichungen werden begründet. Statements und Empfehlungen, deren Überarbeitung von der Leitliniengruppe beschlossen wurde, sind mit der Graduierung „GCP“ gekennzeichnet. Bild: Dr. Christian Öhlschlegel, St. Gallen V Leitlinien in der Onkologie Die Leitlinie liegt in einer Lang- und einer Kurzversion vor. Die Langversion beinhaltet 362 Seiten. Die 104 Seiten umfassende Kurzversion enthält im Wesentlichen die konsentierten und abgestimmten Empfehlungen und Statements. Ferner wird auf ergänzende Dokumente wie z.B. eine Patientenleitlinie oder die Leitlinie des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hingewiesen. Aufbau der Leitlinie Die Leitlinie enthält 10 Kapitel, die folgendermaßen überschrieben sind: Information zu der Leitlinie Einleitung Allgemeines Lokoregional begrenzte Primärerkrankung Das rezidivierte oder metastasierte Mammakarzinom Behandlung, Betreuung, Begleitung (inklusive Nachsorge) Versorgungskoordination, Qualitätsmanagement und Qualitätsindikatoren Anhänge (hier finden sich unter anderem Risikoeinteilungen, pathomorphologische Klassifikationen sowie gängige Therapieschematas) Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis (duktalen Carcinoma in situ) 2 mm. Beim frühen invasiven Mammakarzinom mit oder ohne begleitendes DCIS sollte der Sicherheitsabstand mindestens 1 mm betragen. Bei bis zu zwei befallenen Wächterlymphknoten kann bei klinisch und bildgebend unauffälligen axillaren Lymphknoten und brusterhaltender Operation mit geplanter Nachbe- Tumorbiologie zunehmend an Bedeutung. Die Bestimmung des Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus sollte immunhistochemisch erfolgen. Der prognostische und prädiktive Wert des Proliferationsmarkers Ki-67 ist nicht ausreichend belegt und sollte daher außerhalb von Studien nicht als Entscheidungsgrundlage für die systemische Thera- Neue S3-Leitlinen im zweiten Quartal 2013 Im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie sind im zweiten Quartal 2013 neue S3-Leitlinien zum kolorektalen und hepatozellulären Karzinom sowie zum Ovarialkarzinom erschienen. Diese Leit­ linien enthalten neben evidenzbasierten Entscheidungshilfen für den Arzt auch Qualitätsindikatoren, das heißt Mess­ größen, die zur Beurteilung diagnosti­ scher und therapeutischer Vorgehens­ weisen eingesetzt werden können. Kolorektales Karzinom: Eine S3-Leitli­ nie zum kolorektalen Karzinom wurde erstmals 1998 veröffentlicht und mehrere Male, zuletzt 2007, aktuali­ siert. Die vorliegende Überarbeitung entstand unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdau­ ungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS); die wichtigsten Aktualisierun­ gen betreffen Prävention, Screening, Risikogruppen, Diagnostik, Therapie sowie Nachsorge. Ovarialkarzinom: Die neue S3-Leitlinie löst die bislang geltende konsens­ basierte S2-Leitlinie ab. Die Leitlinie entstand unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäko­ logie und Geburtshilfe (DGGG) und umfasst alle Aspekte maligner Ovari­ altumoren. Hepatozelluläres Karzinom: Die neue S3-Leitlinie, die unter der Federfüh­ rung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkran­ kungen (DGVS) entstand, ist die erste nationale Leitlinie für diese Tumoren­ tität. Ein Schwerpunkt liegt auf der Prävention und den Risikofaktoren. Ferner werden verschiedene Verfahren der Diagnose sowie der operativen, interventionellen und systemischen Therapien erläutert. Was ist neu? Wichtige Änderungen im Vergleich zur Leitlinie von 2008 betreffen die operative Therapie, pathomorphologische Untersuchungen und das Vorgehen bei der Bestrahlung. Bei den adjuvant systemischen und endokrinen Therapien ergaben sich wenige Änderungen. In der metastasierten Situation wird mehr Wert auf die Lebensqualität gelegt. Neu hinzugekommen sind die Abschnitte zur komplementären Therapie. Operative Therapie und Bestrahlung Die beiden wichtigsten Veränderungen betreffen den Schnittrand und die Axilladissektion. Die Mindestabstände des Tumorgewebes zum gesunden Gewebe nach brusterhaltender Operation mit nachfolgender Bestrahlung sind beim reinen DCIS strahlung der Brust auf eine Axilladissektion verzichtet werden. Aktualisierungen zu den Indikationen für eine Strahlentherapie betreffen Zielvolumina bei lokoregionalem Befall, Teilbrustbestrahlungen einschließlich (alleiniger) intraoperativer Radiotherapie, Hypofraktionierungskonzepte, die Kombination mit systemischen Therapien im Rahmen der Primärtherapie sowie der Einsatz der Strahlentherapie bei lokoregionalem Rückfall und Organmetastasierung. Stärkere Berücksichtigung der Tumorbiologie Bei den Empfehlungen zu den pathomorphologischen Untersuchungen gewinnt die pie dienen. Dasselbe gilt für den Einsatz von Genexpressionsanalysen, die für den Routineeinsatz nicht empfohlen werden. Wenig Neues in der adjuvanten Therapie Im Vergleich zur vorhergehenden Version finden sich in der aktuellen Leitlinie keine wesentlichen Änderungen im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Wirkstoffe. Bei der Indikationsstellung zu einer Chemotherapie wird die Tumorbiologie stärker gewichtet. Die adjuvante und neoadjuvante Chemotherapie führen zu denselben Überlebensraten und sind als gleichwertig anzusehen. Ältere Patienten sollten dieselbe Therapie erhalten wie jüngere. Bei jeder systemischen Therapie ist eine optimale supportive Therapie obligat. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 37 Leitlinien in der Onkologie Fernmetastasen Neu ist die Empfehlung, den Hormonrezeptorstatus sowie den HER2-Status in der Metastase erneut zu bestimmen, da sich der Rezeptorstatus zwischen Primärtumor und Metastase verändern kann. Ferner haben sich einige Änderungen bei der Auswahl der einzusetzenden zytotoxischen Substanzen ergeben; so wurde etwa Halichondrin neu aufgenommen. Für die Therapie HER2-positiver Tumore wird folgende Empfehlung ausgesprochen: Tritt unter einer Trastuzumabgabe eine Progression auf, sollte die Folgetherapie weiterhin eine Anti-HER2-gerichtete Komponente enthalten. Bei einer hormonrezeptorpositiven Erkrankung ist der endokrinen Therapie der Vorzug zu geben. Betreuung: Sport und Stärkung der Compliance Bereits im Abschnitt zur Supportivtherapie wird auf den günstigen Einfluss sportlicher Aktivitäten hingewiesen. Während der Chemo- und Strahlentherapie wirkt sich die körperliche Bewegung positiv auf die Fitness der Patientin aus und erleichtert das Ausführen täglicher Arbeiten. Auch in der Rehabilitation kann durch Bewegung die Fatigue verringert werden. Im Rahmen der Nachsorge wird ebenfalls auf die Bedeutung körperlicher Aktivität hingewiesen. So soll die Patientin zu körperlicher Aktivität (zwei bis drei Stunden pro Woche) sowie zur Normalisierung des Körpergewichts motiviert werden. Neu aufgenommen wurde der Hinweis, dass die Compliance der Patientin zu stärken ist. Dies gilt vor allem für endokrine Therapien mit Tamoxifen oder Aromatase-Inhibitoren, die mindestens fünf Jahre lang eingenommen werden müssen. Keine Empfehlung für komplementäre Therapien Neu hinzugekommen ist ein Absatz zur komplementären Therapie, nach der alle Patienten befragt werden sollten. Laut Leitlinie gibt es aber nur wenige alternative Therapiekonzepte, die den Betroffenen empfohlen werden können. Diese Aussage wird mit Hilfe einer Tabelle untermauert, in der die wichtigsten komplementären Methoden im Hinblick auf ihren propagierten Einsatz, Nebenwirkungen und Interaktionen bewertet werden. Diagnostische Maßnahmen der Alternativmedizin werden abgelehnt. Nahrungsergänzungsmittel während einer Chemo-, Hormon- oder Strahlentherapie sollten über die natürliche Ernährung und dem physiologischen Bedarf entsprechend zugeführt werden. LITERATUR www.awmf-online.org www.leitlinienprogramm-onkologie.de Harbeck N et al. Aktuelle Veränderungen der S3-Leitlinie Mammakarzinom. Der Gynäkologe 2012;45:443447. Souchon R et al. Strahlentherapie. Der Gynäkologe 2012;45: 448-452 AUTORIN Dr. Petra Jungmayr Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Onkologische Pharmazie Esslingen Pressemitteilung PR ESS EM I TTEI LU N G Brustkrebs: Bestrahlung von Lymphknoten hilft Patientinnen mit mittlerem oder leicht erhöhtem Rückfallrisiko U m bei Brustkrebspatientinnen zu prüfen, ob der Tumor bereits Krebszellen in das umliegende Gewebe gestreut hat, untersuchen Ärzte benachbarte Lymphknoten und entfernen sie. In den letzten Jahren zeigte sich, dass die Entnahme einer ganzen Reihe von Achsellymphknoten keinen Vorteil in Bezug auf das Überleben der Patientinnen bietet. Eine neue Studie weist jetzt aber darauf hin, dass eine zusätzliche Bestrahlung der Lymphknotenstationen den Frauen Überlebensvorteile bringt. In den letzten Jahren wurde die operative Entfernung der Lymphknoten bei Brustkrebs immer weiter eingeschränkt, da die Eingriffe das Leben der Frauen nicht verlängerten. Prof. Dr. med. W. Budach, Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioon­ kologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Mitglied der DEGRO-Arbeitsgruppe Mam­ makarzinom: „Indirekte Hinweise ließen uns aber vermuten, dass eine Bestrahlung der Lymphknotenstationen für bestimmte Pati­ entinnengruppen Überlebensvorteile bringt.“ Die lang erwarteten Ergebnisse einer euro­ paweiten Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC22922-10925) mit über 4.000 Patientinnen und 43 beteiligten Zentren scheinen dies nun zu bestätigen: Danach führt die zusätzliche Bestrahlung zu einem statistisch signifikan­ ten besseren Gesamtüberleben. Die Forscher um Philip Poortmans stellten die Ergebnisse der EORTC-Studie auf dem European Cancer Congress (ECCO) am 28. September 2013 vor. An der Studie nahmen Frauen teil, bei denen der Brustkrebs auch die Lymphknoten befallen hatte. Einschlusskrite­ rien für die Studie waren ein Lymphknotenbe­ fall der Achsel und die Lage des Tumors. Nach brusterhaltender Operation – bei drei Viertel der Frauen – erhielten die Patientinnen eine Bestrahlung der Brust. Bei Frauen, denen die Brust komplett entfernt wurde, bestrahlten die Ärzte in 73 Prozent der Fälle die Brust­ wand. 99 Prozent der nodal-positiven Pati­ entinnen, bei denen sich also in den Lymph­ knoten Krebszellen fanden, und 66 Prozent der nodal-negativen Patientinnen erhielten zusätzlich eine Chemo- oder Hormonthera­ pie. Deren Ziel ist es, vom Tumor gestreute Mikrometastasen im ganzen Körper zu zer­ stören. Die Hälfte der Frauen erhielt eine zu­ sätzliche Bestrahlung der Lymphabflussregion oberhalb des Schlüsselbeins und neben dem Brustbein, die andere Hälfte bekam keine Be­ strahlung der Lymphabflusswege. Nach einer mittleren Nachbeobachtungs­ zeit von 10,9 Jahren erhöhte sich durch die zusätzliche Bestrahlung der Lymphknoten das krankheitsfreie Überleben von 69,1 auf 72,1 Prozent (p= 0,04), das metastasenfreie Überleben von 75 auf 78 Prozent (p= 0,02) und das Gesamtüberleben von 80,7 auf 82,3 Prozent (p= 0,056). Der Effekt der Lymphab­ flussbestrahlung auf das Gesamtüberleben war statistisch signifikant (p= 0,03). Patien­ tinnen, die eine Chemotherapie benötigten und zusätzlich eine Hormontherapie erhalten haben, profitieren am stärksten von der Lym­ phabflussbestrahlung. Prof. Dr. med. Michael Baumann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden und Präsident der DEGRO betont: „Eine wichtige und auf­ grund der sehr langen Nachbeobachtungszei­ ten sichere Erkenntnis ist, dass es durch die zusätzliche Bestrahlung nicht zu mehr Herz­ schäden kommt.“ Diese Befürchtungen sei­ en – zumindest in den ersten elf Jahren nach Strahlentherapie – unbegründet. Der relativ kleine Überlebensvorteil von der­ zeit 1,6 Prozent nach über 10 Jahren wird die Frage aufwerfen, welche Patientinnen eine komplette Lymphabflussbestrahlung routine­ mäßig erhalten sollen. Prof. Budach: „Dazu sind weitere Subgruppenanalysen erforder­ lich.“ Die neuen Erkenntnisse werden nach Einschätzung der DEGRO-Experten in die Leit­ linien zur Behandlung des Mammakarzinoms einfließen müssen und für die Behandlung einiger Patientinnengruppen Änderungen in der Behandlungspraxis nach sich ziehen. LITERATUR: Poortmans P, Struikmans H, Kirkove C, Budach W, Maingon P, Valli MC, Collette S, Fourquet A, Bartelink H, Van den Bogaert W: Irradiation of the internal mammary and medial supraclavicular lymph nodes in stage I to III breast cancer: 10 years results of the EORTC Radiation Oncology and Breast Cancer Groups phase III trial 22922/10925. Abstract online recherchierbar unter: Abstract search ECCO 2013 [nach der Pressemitteilung der DEGRO vom 02.10.2013] Neue App zur Therapie des Mamma-CA Die medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH bietet seit Kurzem eine neue App zur Therapie des Mamma-CA an: den leitlinienbasierten Folder zur Therapie des Mam­ makarzinoms der medac gibt es ab sofort auch als App für iOS und Android im iTunes bzw. GooglePlay Store oder unter www.medac.de/iPhone-Mamma-Ca bzw. unter www.medac. de/Android-Mamma-Ca. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 39 Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum Von Jochem Potenberg und Gisela Sprossmann-Günther, Berlin-Spandau Einführung Die Nachsorge nach der Primärtherapie eines Mammakarzinoms hat verschiedene Aspekte: die Betreuung der Patientinnen und die Qualitätssicherung der Behandlung. Aufgabe eines Brustzentrums ist es, beiden Ansprüchen gerecht zu werden. 2008 erkrankten in Deutschland ca. 72.000 Frauen an einem Mammakarzinom (Inzidenz 171 pro 100.000 Einwohner und Jahr). Damit ist Brustkrebs die häufigste bösartige Erkran­ kung der Frau. Die letzten Jahrzehnte haben wesentliche Fortschritte in der Früherkennung (z.B. Mammographie Screening) und in der multimodalen Therapie (Operation, Bestrahlung, systemische Therapien) gebracht. Somit zeigt sich trotz des Anstieges neu diagnostizierter Karzinome eine kontinuierliche Senkung der altersstandardisierten Letalität (Abb. 1; 5). Das 5-Jahres Überleben beträgt beim Mammakarzinom 78% (Vergleich Lungenkarzinom 15%). änderten Wahrnehmung der Körperlichkeit, sondern bedürfen wegen der psychosozialen Belastung des multiprofessionellen Therapieansatzes durch Sozialarbeiter, Psychoonkologen, Physio­therapeuten und onkologische Pharmazeuten. Während der initialen Behandlung der Primärerkrankung ist die Patientin durch die Vielzahl der Maßnahmen (Operation, Chemotherapie, Radiatio) eher körperlich belastet. 3 Monate nach Abschluss der primären Therapie beginnt die Nachsorge. In dieser Phase erhält die Mehrzahl der Patientinnen eine antihormonelle Therapie. Hier wird den sachten Symptome zu erfassen und Angebote zur physischen, psychischen und psychosozialen Rehabilitation bereit zu stellen. Der Wunsch der Patientinnen während der Nachsorge nach Diagnostik und Angeboten zur Betreuung ist erheblich (6). Die Empfehlungen zur Nachsorge der Deutschen Krebsgesellschaft beruhen auf der Erkenntnis, dass technische Untersuchungsverfahren (Sonographie, Röntgen des Thorax, Knochenszintigraphie) nicht zu einer Verbesserung des Überlebens geführt haben. Deshalb erfolgt die Nachsorge individualisiert und symptom-orientiert (2). Bei der Patientin mit Fernmetastasen liegt der Schwerpunkt der Betreuung auf der Erhaltung der Lebensqualität. Patientinnen ohne Fernmetastasen werden unter dem Gesichtpunkt der Früherkennung eines Lokalrezidivs nachgesorgt. Die Mammographie ist das einzige bildgebende Verfahren in der Nachsorge, das in der Routine empfohlen wird (Tab. 1). Anamnese, Untersuchung, Beratung Abb. 1: Altersstandardisierte Erkrankungs- und Sterberate am Mammakarzinom (5) Die neugestellte Diagnose von Brustkrebs hat einen erheblichen Einfluss auf die Lebens­ qualität betroffener Frauen. Medizinische Maßnahmen führen nicht nur zu einer ver- Frauen der Einschnitt in ihr tägliches Leben stärker bewusst. Die Nachsorge hat die Aufgabe, die durch Behandlung der Erkrankung und durch die systemische Therapie verur- 40 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Durch die Anamnese lassen sich Symptome einer Krankheitsprogression oder unerwünschte Wirkungen der Therapie erfassen. Muskuloskelettale Beschwerden können durch Aromata­se-Inhibitoren induziert oder Ausdruck einer neu aufgetretenen ossären Metastasierung sein. Die körperliche Untersuchung schließt die Palpation der Mamma und Axilla ein. Die frühzeiti­ge Erkennung des Lokalrezidives ermöglicht häufig einen erneuten kurativen Ansatz. Oft ist es durch Operation und Bestrahlung zu einer Veränderung der Brustdrüse gekommen, sodass die Mammographie, besonders im Verlauf, zur Erkennung intramammärer Verände­rungen hilfreich ist. Wich- Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum tige Therapie-verbundene Symptome sind Lymphödeme des Arms, Funktionsstörun­ gen der Schulter und Nachwirkungen von Bestrahlung und Chemotherapie. Die Beratung soll sicherstellen, dass die Patientin auch im Verlauf Zugang zur Physiothera­pie, Psychoonkologie und Arzneimittelsprechstunde erhält. Follow-up Das Follow-up dient der wissenschaftlichen Erfassung des Verlaufes nach Primärdiagnose einer Neoplasie. Dieses ist in den Erhebungsbögen für Brustzentren der Deutschen Krebs­gesellschaft gefordert. Die aufwändige Tumordokumentation dient der Qualitätssicherung der Behandlung und gewährleistet die Vergleichbarkeit der Behandlung in den verschiedenen Zentren (Benchmarking). Die Prognose des individuellen Mammakarzinoms ist unterschiedlich. So haben Größe des Primärtumors (T-Stadium), der nodale Befall (N-Stadium) und der Nachweis von Fernmeta­stasen (M-Status) Einfluss auf das Gesamtüberleben. Darüber hinaus beeinflussen biologi­sche Faktoren (ER, PR, Ki67, Her2-neu) die Prognose. Molekulargeneti- Qualitätssicherung. So wird der Einfluss einer neuartigen Therapie durch Darstellung auf das progressionsfreie Überleben (PFS = progression free survival) und das Gesamtüberleben (OS = overall survival) im Vergleich zur Standard Therapie darstellt und bewertet. So erfolgte die Einführung von Trastuzumab in die adjuvante Therapie des Her2-neu positiven Mammakarzinoms, da eine 12 monatige Therapie das PFS und das OS signifikant verbesserte (1). Derartige Phase III Studien werden mit erheblichem Aufwand durch einen pharmazeutischen Hersteller als Sponsor durchgeführt. Für die Tumordokumentation stehen derartige Mittel nicht in diesem Umfang zur Verfügung. Das Entgelt für die Behandlung des Mammakarzinoms erfolgt durch die Einordnung in eine DRG (diagnosis related group). Dieses Entgelt schließt die Kosten einer mehrjährigen Nachsorge nicht ein. Im Ev. Waldkrankenhaus werden ca. 400 Neuerkrankungen am Mammakarzinom und 500 weitere Neoplasien pro Jahr neu festgestellt. Das bedeutet am Beispiel des Mammakarzi­noms, das innerhalb von 5 Jahren ca. 2.000 Patienten eine jährliche Nachsorge erhalten und diese in der Tumordoku- Tab. 1: Nachsorge-Empfehlungen beim Mammakarzinom (Deutsche Krebsgesellschaft) Jahre nach Primärtherapie 1.-3. Jahr 4.-5. Jahr Ab 6. Jahr Anamnese, Untersuchung, Beratung Alle 3 Monate Alle 6 Monate Alle 12 Monate Mammographie (betroffene Brust) Alle 6 Monate Alle 12 Monate Mammographie (andere Brust) Alle 12 Monate Bildgebene Verfahren, Labor Nur bei Verdacht auf einem Tumor sche Analysen (Oncotype DX, Endopredict) werden zunehmend eingesetzt. Probleme der Nachsorge Die Erfassung des Zeitpunktes von Rezidiv und Tod nach Primärtherapie einer bösartigen Erkrankung ist das klassische Mittel der vollständig gesichert. Der Nationale Krebsplan (4) zeigt jedoch die Wichtigkeit dieser Qualitätssichernden Maßnahme auf und verspricht eine zukünftige Finanzierung. Zusammenfassung Das Mammakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor der Frau. Trotz steigender Inzidenz konnte ein Rückgang der Mortalität erreicht werden. Für die individuelle Patientin führt die multimodale Therapie zu krankheitsspezifischen und Therapie-assoziierten Symptomen. Die Nachsorge dient der Erkennung dieser Symptome, die durch ein Angebot an Physiotherapie, Psychoonkologie, Sozialmedizin und Arzneimittelsprechstunde aufgefangen werden sollen. Die Nachsorge wird 5 Jahre nach der Primärerkrankung durch die Früherkennung abgelöst. Das Follow-up durch die Tumordokumentation dient der Qualitätssicherung durch Vergleich­barkeit der Ergebnisse in verschiedenen Institutionen. Der Nationale Krebsplan verspricht eine Finanzierung dieser onkologisch notwendigen Strukturen. LITERATUR 1. Hudis CA: Trastuzumab – Mechanism of action and use in clinical practice. N Engl J Med 357. 2007. 39-51. 2. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mamma­karzinoms. Deutsche Krebsgesellschaft 2012. 3. Meier F, Kneier R.: Zertrechner des Onkologischen Zentrums des Ev. Waldkrankenhauses. 2013. 4. Nationaler Krebsplan. Handlungsfelder, Ziele und Umsetzungsempfehlungen. Bundes­ministerium für Gesundheit. Januar 2012. 5. RKI Robert Koch Institut. Krebs in Deutschland 2007/2008. 8. Ausgabe 2012. mentation dokumentiert werden muss (3). Dafür stehen in unserem Onkologischen Zentrum 2,75 Vollzeitkräfte in der Dokumentation und ein medizi­nischer Koordinator zur Verfügung, die für die Qualität der erhobenen Daten verantwortlich sind. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist nicht 6. Sprossmann-Günther G, Potenberg J: Quality of life in patients with breast cancer during followup. (submitted). Deutscher Krebskongress 2014. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 41 Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik Von Heiner Schwenke, Weinböhla N ach dem Inkrafttreten der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) am 12. Juni 2012 /1/ gilt für die Umsetzung dieser Vorgaben eine Übergangsfrist bis spätestens 01.06.2014. An einem Beispiel für den Neubau einer Apotheke im Land Brandenburg wird besonders auf die reinraumtechnischen Belange wie Reinraumkonzept, Qualifizierung, Raumlufttechnik, Reinraumumschließungsflächen und technischen Anforderungen für medizinische Ausrüstungen eingegangen. Die Kenntnis und Einhaltung dieser Grundlagen sind eine wichtige Voraussetzung für die aseptische Herstellung von Arzneimitteln nach der neuen ApBetrO. faden der Guten Herstellungspraxis (GMP) /4/, DIN EN ISO 14 644 /5/ und VDI 2083 /6/ und QuapoS /7/ durchzuführen. Die Herstellung sollte immer eine Einheit mit den übrigen Apothekenräumen bilden oder sich in angemessener Entfernung von diesen befinden. Für die räumliche Umgebung existieren 3 Möglichkeiten: Reinraumkonzept Am Anfang steht die möglichst genaue Angabe über Art und Umfang der Herstellung durch den Apothekenleiter. Dabei sind CMR-haltige Arzneimittel möglichst getrennt von sterilen Arzneimitteln (Antikörperlösungen, Parenterale Ernährungslösungen, Schmerzpumpen) herzustellen. 1. Herstellung in Sicherheitswerkbank RK A in Raum RK B 2. Herstellung in Sicherheitswerkbank RK A in Raum RK C und Nachweis der Arzneimittelsicherheit Laut ApBetrO § 35 ist die Herstellung von Zytostatika bzw. sterilen Ansätzen immer in einer Sicherheitswerkbank nach DIN 12 980 /2/ (ZSW) oder DIN EN 12 469 /3/ (MSW) der Reinheitsklasse (RK) A nach EG-Leit- Tabelle 1: Reinheitsklassen in der Pharmazie 3. Herstellung im Isolator RK A im Raum RK D mit Zusatznachweisen In allen drei Fällen ist eine Abstimmung mit dem Landesamt für Umwelt und Verbraucherschutz (LUGV) /8/ erforderlich. Die erste Variante - RK A in RK B – ist die sicherste Variante, da hier die geringsten Partikel- und Keimzahlen in der Umgebung vorliegen. Die zweite Variante – RK A in RK C - bringt Vorteile bei Invest- und Betriebskosten, erfordert aber einen zusätzlichen Nachweis der Arzneimittelsicherheit. Die dritte Variante – Isolator RK A in RK D – bringt ebenfalls Kostenvorteile, ist aber ungünstig bei häufig wechselnden Grundstoffen und erfordert zusätzliche Nachweise zur Dichtheit und eine aufwendigere Desinfektion. Tabelle 1: Reinheitsklassen in der Pharmazie /4/ max. zulässige Partikelzahl /m³ - Reinheitsklasse ISO 14644 (RK) Reinheitsklasse at rest (RK) ISO 14644 in operation ISO 14644 ≥ 0,5 μm ≥ 5,0 μm RK ≥ 0,5 μm ≥ 5,0 μm RK A 3.520 20 5 3.520 20 5 B 3.520 29 5 352.000 2.900 7 C 352.000 2.900 7 3.520.000 29.000 8 D 3.520.000 29.000 8 at rest – Leerlauf at rest –inLeerlauf operation – Fertigung in operation - Fertigung 42 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 nicht festgelegt nicht festgelegt keine Forderungen Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik Abb. 1: Reinraum-Layout Apotheke mit Personal- und Materialfluss (Beispiel /11/) Bei dem hier beschriebenen Neubau einer Apotheke wurde gemeinsam mit dem LUGV die sicherste Variante 1 festgelegt. Es wurden getrennte Herstellungsräume für Zytostatika und Sterile Lösungen mit einer Personalschleuse RK B mit „Druckfalle“ gewählt. In Abbildung 1 ist zu sehen, dass Personal und Material auch bei Apotheken auf getrennten Wegen in die Herstellungsräume gehen, da Kleiderwechsel der Personen sowie Auspacken und Desinfektion des Materials unterschiedliche Abläufe sind. Die Personalschleusen und Materialschleusen müssen bei RK B und C aktiv belüftet und können bei RK D aktiv belüftet werden. Sie sind mit einer Türverriegelung, optischen Anzeige, Notaus und Zeitverriegelung auszustatten. In Personal- und Materialschleusen muss die Reinheitsklasse des nächsten Arbeitsraumes erreicht werden. Zum Reinraumkonzept gehört das DruckLayout. Hier gilt eine positive Druckstufe je Verwendete Abkürzungen: DQ – Design-Qualifizierung RK – Reinheitsklasse IQ – Installations-Qualifizierung OQ – Funktions-Qualifizierung URS –Betriebsbeschreibung (UserRequirement-Spezifikation) PQ – Prozess-Qualifizierung VE – Vollentsalztes (Wasser) Reinheitsklasse von +10 bis 15 Pa. Schleusen liegen in der Regel dazwischen. Im Herstellungsraum von Zytostatika wird zum Schutz der angrenzenden Räume ein niedrigerer Druck, z. B. +15 Pa, gewählt. Die Personalschleuse vor der Herstellung wird als Druckfalle, z.B. mit +45 Pa, ausgebildet. Qualifizierung Die Qualifizierung ist die dokumentierte Beweisführung, dass die technischen Anlagen und die Umgebung einwandfrei arbeiten und die Voraussetzungen zur Herstellung eines Produktes gegeben sind /4/. Apotheken müssen eine Qualifizierung durchführen. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 43 Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik Abb. 2: Qualifizierungsablauf User Requirement Spezifikation URS Lastenheft ProzessQualifizierung PQ Risikoanalyse RA FunktionsQualifizierung OQ DesignQualifizierung DQ InstallationsQualifizierung IQ Die Validierung ist der Nachweis, dass das in den qualifizierten Anlagen hergestellte Produkt den vorgegebenen Anforderungen entspricht. Mit dem Reinraum-Layout sollte durch einen Mitarbeiter der Apotheke und einen Qualifizierungsverantwortlichen eine Betriebsbeschreibung oder User Requirement Spezifikation (URS) mit der Aufgabenstellung für die Planung und Realisierung erstellt werden. Die Risikoanalyse hat die Aufgabe, kritische Grenzwerte und Eigenschaften der Ausrüstungen zu bewerten und Fehler auszuschließen. Zweck des Design-Qualifizierungs (DQ)Prüfplanes/-Berichtes ist die dokumentierte Überprüfung, dass die Anforderungen aus Betriebsbeschreibung und Risikoanalyse sowie die GMP-Vorgaben /4/ bei der Planung eingehalten werden. Zweck des Installations-Qualifizierings (IQ)Prüfplanes/-Berichtes ist die dokumentierte Überprüfung, dass alle technischen Ausrüstungen sowie die Reinraumoberflächen von Decke, Wand und Fußboden entsprechend der Planung installiert sind und den künftigen Reinraumanforderungen entsprechen. Der Funktions-Qualifizierungs (OQ)Prüfplan/-Bericht hat die Aufgabe, die Funktion der installierten Anlagen zu überprüfen und alle Betriebszustände, Alarme und Sicherheitsverriegelungen im Zustand „at rest“ ohne Personen und ohne Produktion nachzuweisen. Der Prozess-Qualifizierungs( PQ)-Prüfplan/Bericht dokumentiert, dass die Räume und technische Anlagen bei simulierten Produktionsbedingungen alle Anforderungen für die Herstellung von Arzneimitteln „in operation“ erfüllen. Die Qualifizierungsunterlagen müssen rechtzeitig von einem erfahrenen Fachmann mit Kenntnissen auf allen reinraumtechnischen Gebieten erarbeitet werden, damit Fehler bei der Neukonzeption und hohe Zusatzkosten für nachträgliche Änderungen vermieden werden. Raumlufttechnik Die raumlufttechnische Anlage hat die Aufgabe für eine Erneuerung der Außenluft zu sorgen und die klimatechnischen Gesichtspunkte laut Annex 1 /4/ einzuhalten. In der Regel wird im Reinraum von der raumlufttechnischen Anlage nur der Produktschutz, jedoch bei Zytostatika auch der Personenund der Umweltschutz durch geeignete Maßnahmen gefordert. Regelhaft werden dafür 3 Filterstufen, F 7 und F 9 im Klimagerät und H 14 direkt am Luftauslass erforderlich. Bei Sicherheitswerkbänken gibt es insgesamt 3 Filter H14, wobei das erste Filter für die Filterung der Zuluft, das zweite Filter (Hauptfilter) für die Filterung der Umluft und das dritte Filter für die Filterung der Fortluft zum Schutz der Umgebung verantwortlich ist. Mit der Wahl von 100 % Außenluft, speziellen Raumströmungsbedingungen in der Sicherheitswerkbank und dem richtigen Druckkonzept wird Kreuzkontamination verhindert. 44 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Realisierung Planung Validierung Produktion Abb. 2: Qualifizierungsablauf Es ist eine Klimaanlage mit allen 4 Aufbereitungsstufen, Heizen, Kühlen, Entfeuchten und Befeuchten erforderlich /3/. Mit dem Einsatz von Filter-Fan-Units, mit 50% Teillast bei Betriebsunterbrechung und mit Wärmerückgewinnung können Energiekosten eingespart werden. Für die Raumlufttemperatur gilt für RK B 19/20°C +- 2K und für die übrigen RK 21/22°C +- 2K. Eine kurzzeitige Überschreitung dieser Grenzwerte bei extremen Sommerbelastungen bis 23/25°C ist zulässig. Die Raumluftfeuchtigkeit muss durch Be- und Entfeuchtung im Bereich 35 bis 65 % gehalten werden. Für den LaminarFlow-Bereich (LF-Bereich) mit turbulenzarmer Verdrängungsgeschwindigkeit gilt eine Geschwindigkeit von 0,45m/s +- 20%. In der Sicherheitswerkbank wird mit messtechnischem Nachweis meist nach unten abgewichen. Im Reinraum gilt wegen der besonderen Kleidung der sonst übliche Grenzwert von < 0,20m/s nicht. Die geforderte Reinheitsklasse wird durch die 3-Stufen-Luftfilterung und den notwendigen Luftwechsel erreicht. Die notwendige Druckdifferenz zur Umgebung wird durch Volumenstromregler mit speziellen Antrieben durch die Regelung eingehalten. Es sollten für alle Klimaparameter Warn- und Alarmwerte für Über- oder Unterschreitung festgelegt werden. Den wesentlichen Einfluss auf die Reinheitsklasse und die Mikrobiologie hat der Luftwechsel mit der vorhandenen Partikelzahl, da Mikroorganismen sich an Partikel anlagern. Deshalb bringt ein großer Luftwechsel eine bessere Reinheitsklasse und wenige Mikroorganismen. Die Forderungen nach GMP /4/, FDA /9 / und die bei der realisierten Apotheke gewählten Luftwechsel sind in Tabelle Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik 2 eingetragen. Die geforderten Mindestluftwechsel nach GMP und FDA sind besonders bei RK B im Zustand „at rest“ nicht ausreichend, um alle Reinheitsklassen mit Sicherheit einzuhalten. Einflussgrößen sind hier noch Fortluft, Leckluft, Wärmelast und kleinere Raumhöhen als 3,0m. Alle im Raum freiwerdenden Wärmelasten sind in der Betriebsbeschreibung genau anzugeben. Dabei sollen alle Wärmelasten von Sicherheitswerkbänken, medizinischen Geräten und Kühlschränken direkt abgesaugt werden. Ebenso sind die Personenbelegung und die Beleuchtung anzugeben. Die äußere Last ist durch den Planer zu ermitteln und ggf. mit dem Architekten ein elektrisch betriebener äußerer Sonnenschutz zu vereinbaren. Alle erforderlichen Fortluftvolumenströme sind in der Betriebsbeschreibung anzugeben. Die Leckluft ist durch den Reinraumplaner nach Erfahrungswerten einzuschätzen. Deshalb sollten sowohl bei der Planung als auch bei der Realisierung alle Reinraumgewerke in einer Hand liegen! Bei dem vorliegenden Beispiel erfolgte die Realisierung durch einen Reinraum-Generalunternehmer und die Gesamtkoordinierung der Planung durch einen Reinraumberater. Fragen zur Ausfallsicherheit, Notstromversorgung und Aufschaltung von Störmeldungen auf die Gebäudeleittechnik sind ebenfalls von vorn herein zu klären. Ein Monitoringsystem ist für alle für die Herstellung notwendigen Parameter als vollautomatisches System oder als System mit teilweise Handprotokollierung außer Partikelzähler erforderlich. Die zu registrierenden Parameter sind: Reinheitsklasse im Herstellungsbereich RK A Raumlufttemperatur und relative Raumluftfeuchtigkeit für alle Arbeitsräume Luftgeschwindigkeit RK A oder Betriebsmeldung und jährliche Überprüfung Druckdifferenz für alle Reinräume Temperatur der Kühlschränke oder Kühlzellen Ggf. weitere Parameter für Reinstwasser, Vollentsalztes (VE)-Wasser oder andere Medien Bei dem Apothekenbeispiel wurde ein vollautomatisches Monitoringsystem mit Datenregistrierung und Datenspeicherung eingesetzt. Alle Klima- und Reinraumparameter wurden bei den OQ-Messungen nachgewiesen. Reinraumumschließungsflächen Bei Reinräumen handelt es sich in um eine Raum im Raumkonstruktion. Die äußere Hülle ist immer durch den Architekten zu konzipieren, während die Reinraumhülle immer an einen Reinraumbauer gegeben werden sollten. Dabei sind Metalloberflächen in verzinkter und pulverbeschichteter Ausführung für Decke und Wände zu bevorzugen, da sie nach den Regeln des Maschinenbaues mit geringen Toleranzen, glatten Oberflächen, Tab. 2: Erforderliche Luftwechselzahlen zur Einhaltung der Reinheitsklasse Luftwechsel 1/h bzw. LF-Geschwindigkeit in m/s min. Auslegungswert 1) min. Auslegungswert ¹) A 0,36 m/s Auslegung Apotheke SKL Auslegung Apotheke SKL FDA 0,35 m/s 0,45 m/s +/- 20 % B 40 1/h 60 1/h > 20 1/h C 30 1/h 40 1/h > 20 1/h D 10 1/h 20 1/h > 20 1/h E, F 4 1/h oder Auslegung nach Wärmelast Die wesentlichen Merkmale der Reinraumoberflächen von Decke, Wand und Fußboden sind: Oberflächen glatt, undurchlässig und ohne Hohlräume oder Risse Versiegelung aller Fugen mit Reinraumsilikon und Werkstoff mit GMP-Zulassung Leichte Reinigung aller Oberflächen durch Metall, Edelstahl oder Kunstharz Fußboden mit Hohlkehle ggf. ableitfähig Oberflächen mechanisch beständig, Kanten oder Anfahrschutz Lampen und Luftdurchlässe deckenbündig Fenster und Türen wandbündig 10 1/h Verglasung, Senkdichtung, Obentürschließer und bei Schleusen mit Verriegelung, Ampel, Notaus und Zeitsteuerung keine Fliesen oder Holzoberflächen FDA ≙ 430 1/h2) 1) Sollten Trockenbauleistungen mit Zweifachbeplankung und mehrfacher Spachtelung angewendet werden, sind hier nur speziell geschulte Fachfirmen einzusetzen. Bei Malerleistungen im Reinraum sind besonders glatte und desinfektionsmittelbeständige Farben mit Zertifikat einzusetzen. Der Maler muss hier exakt wie ein „Autolackierer“ arbeiten. Betrachtet man den erhöhten Reinigungsaufwand bei Trockenbauarbeiten und die schlechtere Beständigkeit gegenüber Desinfektionsmitteln, gibt es kaum noch Kostenvorteile für diese Lösung. Türen mit Blockzargen und 2fach- Tabelle 2: Erforderlicher Luftwechselzahlen zur Einhaltung der Reinheitsklasse Reinheitsklasse wenig Staubbelastung und Lasernivellierung erstellt werden. Decken können als pulverbeschichtete Metalldecken mit Klemm-Kassetten ausgeführt werden. Flächenbündige Bandraster- oder Knotensystem-Decken sind teurer, aber stabiler. Gipskarton-Decken mit 2fach-Beplankung, glatter Spachtelung und GMP-gerechter Farbe haben bei den vielen Luftdurchlässen, Filter-Ventilator-Einheiten, Leuchten und sonstigen Einbauten Nachteile. 2) bezogen auf 3 m Raumhöhe Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 45 Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik Wände in Metall mit Ständer-Riegelbauweise und zweischaliger Konstruktion eignen sich gut für die Unterbringung aller technischen Medien, von Rückluftschächten oder Verkleidung von Maschinen und Ausrüstungen. Monoblockelemente mit Installationskanälen haben bei einfacheren Anforderungen Vorteile. Für Trockenbauwände gelten die oben angegebenen Einschränkungen. Fußböden aus Kunststoffbelägen oder Naturkautschuk mit Hohlkehle sind relativ einfach herzustellen. Epoxydharzbeläge oder Pharmaterrazzo sind durch die Hohlkehle sehr aufwendig. Bei der hier erwähnten Apotheke wurden für die RK B bis D alle Decken als Metall-Kassetten-Decken und alle Wände, Türen und Fenster als Ständer-Riegel-System mit Metallwänden von einer Reinraumfirma gewählt. Der Fußboden wurde in Mipolam-Kunststoff-Belag ausgeführt. Vorräume der Reinheitsklasse E wurden in Trockenbau erstellt. Technische Anforderungen an medizinische und technische Geräte Sicherheitswerkbänke für die Zytostatikaherstellung sollten 3 Filterstufen H14 nach/2/ und für die Sterilherstellung 2 Filter H14 nach /3/ haben. Zytostatika-Sicherheitswerkbänke sind über einen über der Werkbank liegenden Zugunterbrecher an jeweils eine eigene Fortluftanlage anzuschließen, da Zytostatika mögliche dampfförmige Stoffe abgeben können. Der Fortluftvolumenstrom ist 250 bis 350 m³/h größer als der Abluftvolumenstrom aus der Sicherheitswerkbank /10/ zu wählen, damit keine Kontamination im Raum eintritt. Die Abluft bei Sterilen Ansätzen darf in der Regel in die normale Abluft eingeleitet werden. Für Sicherheitswerkbänke RK A ist ein Partikelzähler mit Probenahmesonde und einer maximalen Schlauchlänge von 3 m erforderlich. Am günstigsten lässt sich der Partikelzähler über der Werkbank mit einer Revisionsöffnung einbauen. Für Isolatoren ist eine Vielzahl von technischen Anforderungen zu beachten, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Bei Reinigungsautomaten sind 5 verschiedene Medien (Kaltwasser, Warmwasser, VE-Wasser, Abwasser und Elektroanschluss) in der Wand heranzuführen. Ein Abluftanschluss ist ebenfalls erforderlich. Bei Hoch-Druck-Dampf -Sterilisatoren sind ebenfalls 5 verschiedene Medien (Kühlwasser, VE-Wasser, Abwasser, Reine Druckluft und Elektroanschluss) in der Wand erforderlich. Ein Abzugsschrank für die Desinfektion mit einer Fortluftanlage ist günstig, da die Desinfektionsmittel dann direkt ins Freie geführt werden. Kühlschränke in RK B und C müssen mit GMP-Zulassung (Tauwasserwanne mit Elektroheizung) sein und an einen Abluftkanal direkt angeschlossen werden. Damit wird auch die Wärmelast direkt abgeführt. Ein Bildschirm mit Reinraumtastatur sollte bündig in der Sicherheitswerkbank eingebaut sein. Auch im Vorbereitungsraum sollten nur Bildschirm und Reinraumtastatur stehen. Der eigentliche PC oder Server ist außerhalb des Reinraumes anzuordnen. Damit werden die nicht desinfizierbaren Hohlräume und die Wärmelast im Reinraum vermieden. wenn die technischen Gewerke einschließlich Raumumschließungsflächen von einem Reinraumplaner mit guten Fachkenntnissen und einem Realisierungsbetrieb mit Referenzen für alle Reinraumgewerke vergeben werden. Für die Qualifizierung sollte ebenfalls ein Fachmann eingeschaltet werden. Bei dem hier vorgestellten Apothekenprojekt wurden durch Einhaltung dieser GMP-Vorgaben sehr gute Werte für die Reinheitsklasse „at rest“ und „in operation“ gemessen, die Einhaltung aller mikrobiologischen Grenzwerte festgestellt und die Herstellungserlaubnis durch die Behörde auf Anhieb erreicht. LITERATUR /1/ Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung ApBetrO), 12.06.2012 /2/ DIN 12980 Loboreinrichtungen – Sicherheitswerkbänke für Zytostatika, Juni 2005 /3/ DIN EN 12469 Biotechnik – Leistungskriterien für mikrobiologische Sicherheitswerkbänke, Deutsche Fassung, September 2000 /4/ EU-GMP-Leitfaden zur Guten Herstellungspraxis Anhang 1, Herstellung steriler Arzneimittel, 2007 /5/ DIN EN ISO 14 644 Blatt 1 bis 8 Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche /6/ VDI 2083 Blatt 1 bis 18 Reinraumtechnik Drucker sind nur mit Reinraumzulassung einzusetzen. /7/ QuapoS 4 Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service, Januar 2007 Fußbodeneinläufe im Reinraum nur als Reinraumeinlass mit VA-Deckel, Waschbecken und Abwasseranschlüsse nur bei RK D und mit Rückstauklappe und Waschbecken-Verkleidung. /9/ US-Standard Food Drug Administration 209 E Alle diese Anforderungen wurden in dem vorliegenden Apothekenprojekt beachtet. Zusammenfassung Die technischen Anforderungen an Reinraumkonzept, Qualifizierung, Raumlufttechnik, Raumumschließungsflächen und medizinischen Ausrüstungen sollten in der URS für die Planung und Realisierung dokumentiert werden. Von großem Vorteil ist, 46 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 /8/ Abnahmeinspektion – Begehungsbogen für die aseptische Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken LUGV Brandenburg, Juli 2012 /10/Firmenunterlage zu Sicherheitswerkbänke Fa. Berner International GmbH , Elmshorn /11/ Abb. 1 aus DQ-Dokument Firma WISAG Gebäudeund Industrieservice Dresden AUTOR: Dr. Heiner Schwenke, Weinböhla [email protected] Nuchbesprechung Buchbesprechung Rezension von Gisela Sproßmann-Günther Überlebensbuch Brustkrebs Von Ursula Goldmann-Posch und Rita Rosa Martin Schattauer Verlag 5. Auflage 2012, 400 Seiten, 15 Abb., 26 Tab., kart. ISBN 978-3-7945-2862-2 € 39,95 Wie man an der bereits fünften Auflage un­ schwer erkennen kann, handelt es sich um das Buch: das Fachbuch für die mündige, aktive Patientin. Beide Autorinnen gehen in sehr gut ver­ ständlicher Weise sowie fachlich aktuell und umfassend recherchiert auf alle Fra­ gen ein, die die betroffenen Frauen inter­ essieren könnten. Dabei begleiten sie die Patientinnen von der Beunruhigung durch einen Tumorverdacht bis in die Nachsorge. In acht Kapiteln werden „Schritt für Schritt“ alle Themengebiete des Medizinischen Wis­ sens zum Mammakarzinom behandelt. Das betrifft das Basiswissen vom Brustkrebs, die Behandlungsmethoden genau so wie biologische Tumoreigenschaften, die Be­ deutung von Tumormarkern, neueste Thera­ piestrategien u.ä. Durch die Tatsache, dass die Qualitätsstandards der deutschen und europäischen Leitlinien die Basis bilden und die Inhalte durch Experten fachlich abgesi­ chert sind, ist dieses Buch ein verlässlicher und hilfreicher Ratgeber. Die Themenbereiche sind aufgebaut wie ein Beipackzettel von Arz­ neimitteln. Es ist von Gegenanzeigen, Nebenund Wechselwirkungen die Rede. Dieser Aufbau des Textes führt neben der Information selbst auch immer wieder zum Schmunzeln. Das führt dazu, dass das Lesen, das Infor mieren auch Freude macht und dass man dieses Buch – trotz aller Sorgen und Fragen – gerne in die Hand nimmt und gerne liest. Dabei scheuen sich die Au­ torinnen auch nicht, kritische und umstrittene Dinge beim Namen zu nen­ nen: „Die Welt der Vitamine ist schillernd“ oder „Nutzen Sie die Wahlfreiheit und wech­ seln Sie die Kasse“. Für alle Gebiete werden hilfreiche Adressen und Ansprechpartner gleich mitgeliefert. Das „Überlebensbuch Brustkrebs“ hilft beim Überleben im Sinne des Wortes. Es ist in­ teressant, hilfreich und lesenswert für Pa­ tientinnen, für Angehörige und Frauen im Allgemeinen und selbstverständlich auch für Fachleute, die an Hand dieses Buches die wirklichen Nöte und Bedürfnisse ihrer Patientinnen verstehen lernen. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 47 Who is who Who is who Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin Heute: Professor Dr. Eckart Laack, Hamburg Prof. Laack ist in Hamburg geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Er studierte Medizin in Hamburg und promovierte auch dort. Ein waschechter Hamburger eben, der bis heute eine sehr enge Bindung zu seiner Heimatstadt hat. Nach seinem Studium war er 2 Jahre als Arzt im Praktikum und später als Assistenzarzt in der Lungenabteilung des Allgemeinen Kran­ kenhauses Hamburg-Harburg tätig, bevor er 1996 in die Me­ dizinische Klinik II (Hämatologie und Onkologie) des Universi­ tätsklinikums Hamburg-Eppen­ dorf (UKE) wechselte und dort seine Facharztausbildung unter der Leitung von Prof. Hossfeld absolvierte. Seine breite onko­ logische und hämatologische Ausbildung komplettierte er 1998 durch eine Hospitation am M.D. An­ derson Center in Houston, Texas. Prof. Laack schrieb seine Habilitation zum Thema: „Das nicht-kleinzellige Bronchial­ karzinom – Optimierung der Chemotherapie und Untersuchung neuer biologischer prog­ nostischer Faktoren“ und erhielt 2003 die Lehrbefugnis „Venia legendi“. Von 2002 bis 2009 war er Oberarzt und Lehrbeauftragter im UKE und ist heute Facharzt für Innere Me­ dizin mit den Schwerpunktbezeichnungen Hämatologie und Internistische Onkologie sowie Pneumologie und der Zusatzbezeich­ nung Palliativmedizin. Seit dem Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit liegt Prof. Laack die Behandlung von Patien­ ten mit Lungenkrebs besonders am Herzen. Mehr als 10 Jahre war er Leiter der Lungen­ krebs-Sprechstunde des UKE, initiierte und leitete große randomisierte Lungenkrebsstu­ dien mit einer von ihm aufgebauten Studi­ engruppe in Deutschland und der Schweiz. Seit mehreren Jahren betreut er die Hambur­ ger Lungenkrebs-Selbsthilfegruppen. Nach dem seine Lungenkrebspatienten immer jün­ ger wurden, gründete er 2004 das interdis­ ziplinäre Projekt „Nichtrauchen ist cool – Prävention der Nikotinsucht bei Kindern und Jugendlichen in Hamburg und Umgebung“. Seit 2005 bis heute haben über 70.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 10 bis 13 Jahren aus ganz Norddeutschland an seinem Projekt teilgenommen, welches 2007 mit dem HanseMerkur-Preis für Kinderschutz ausgezeichnet worden ist. Der engagierte Mediziner infor­ miert über die Gefahren des ak­ tiven und passiven Zigaretten­ rauchens auch per Fernsehen und Radio, um eine möglichste große Anzahl Menschen zu er­ reichen. Dabei weist er auch immer auf die Vorbildfunktion von Eltern bezüglich des Nichtrauchens in allen Situationen des täg­ lichen Lebens hin. Der Gesundheitsausschuss der Hamburgi­ schen Bürgerschaft hatte ihn mehrfach als Sachverständigen geladen. Einen Ruf auf die Professur für Innere Me­ dizin (Onkologie, Hämatologie, Pneumo­ logie) der Westfälischen Wilhelms-Univer­ sität Münster im Jahre 2006 lehnte er ab, um 2007 die Bereiche „Krebsprävention“ und „Thorakale Tumore“ des UCCH (Univer­ sitäres Cancer Center Hamburg) des UKE zu übernehmen. Seit dieser Zeit prüft Prof. Laack auch den medizinischen Nachwuchs in der Ärztekammer Hamburg in den Fächern „Hämatologie und Internistische Onkolo­ gie“ und „Palliativmedizin“. Seit 2008 ist er im Sachverständigenrat der Deutschen Kinderhilfe. 48 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Trotz mehrerer Berufungen auf Chefarzt­ stellen entschied sich Prof. Laack ganz be­ wusst, in „seiner Stadt“ Hamburg zu blei­ ben. Am 1.1.2013 gründete er nach 3 jäh­ riger Tätigkeit in einem als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) strukturierten ambulanten Krebszentrum die „HämatoOnkologie Hamburg – Prof. Laack und Part­ ner“, welche je einen Standort nördlich und südlich der Elbe hat. Hier bietet er ein umfas­ sendes Spektrum an Prävention, Diagnos­ tik, Therapie und Nachsorge von Blut- und Krebserkrankungen an. Die Hämato-Onkolo­ gie Hamburg ist eingebettet in ein interdis­ ziplinäres Netzwerk mit anderen Fachdiszi­ plinen, wie z.B. Chirurgie, Strahlentherapie, Psycho-Onkologie, um für jeden einzelnen Patienten das Optimum zu erreichen. In „seinem“ Zentrum sind alle Patienten willkommen. Bei ihm spielt es keine Rolle, ob ein Patient gesetzlich oder privat kran­ kenversichert, reich oder arm ist. Er hilft sehr vielen Patienten und einige kommen sogar aus dem Ausland zu ihm. „Medizin von Hand gemacht“ nennt der Hamburger Professor sein persönliches Ziel, alle Patien­ ten umfassend und fürsorglich zu betreuen. „Wir können immer etwas für unsere Patien­ ten tun. Man ist nie austherapiert“ sagt der Arzt selbst, „sei es mit Hilfe von Gesprächen oder der Behandlung von Nebenwirkungen oder Symptomen“. Seine Intention und Organisation ermög­ lichen, dass Patienten mit einer neu dia­ gnostizierten Krebserkrankung oder dem Verdacht auf das Vorliegen eine Krebser­ krankung innerhalb von 24 bis 48 Stunden einen Termin erhalten, wenn möglich sogar noch am selben Tag, damit die Patienten so schnell wie möglich einen Halt bekommen. Prof. Laack ist Reviewer für medizinische Fachjournale wie „Lung Cancer“, “Journal Who is who of Thoracic Oncology”, “Chest”, “Journal of Cancer Research and Clinical Oncolo­ gy”, “Respiratory Medicine” und weiteren Fachzeitschriften. Er ist Mitglied in diversen Berufsverbänden wie der ESMO (European Society for Medical Oncology), der IASLC (International Association for the study of Lung Cancer), der AIO und der DKG. Wir kennen Prof. Laack als hochkompeten­ ten und versierten Referenten sowohl bei der Weiterbildung zum Onkologischen Phar­ mazeuten als auch beim Pharmazeutischonkologischen Fachkongress NZW, der sein fundiertes Fachwissen gern weitergibt. Neben der Geburt seiner beiden Töchter war eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg für den gläubigen evangelisch-lutherischen Chris­ ten ein ganz besonderes Ereignis und Er­ lebnis in seinem Leben. Dass es das große Glück nicht gibt, sondern dass das Glück in den kleinen Dingen des Lebens liegt, hat er von seinen Patienten und dem Leben ge­ lernt. Zur Entspannung joggt Prof. Laack gerne oder arbeitet in seinem Garten. Er hört gern die fröhliche und beschwingte Musik von Mozart. In seinem Privatleben erfreut er sich besonders über seine beiden Töchter und über die viel zu seltenen Siege des HSV im Fußball („Hamburg, meine Perle“). Prof. Laack wünscht sich, dass es in der Onkologie durch die invidualisierte Thera­ pie in Zukunft noch besser gelingt, metas­ tasierte Krebserkrankungen in chronische Erkrankungen zu überführen und dass der Zeitgeist noch lange ein Nichtraucher blei­ ben möge. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 49 Onkologische Krankenpflegekräfte und onkologisch tätige Apotheker tauschen sich aus! Neu auf dem NZW 2013: das KOK-Symposium – Onkologische Krankenpflegekräfte und onkologisch tätige Apotheker tauschen sich aus! Von Susanne Rau, Hannover A uf dem diesjährigen NZW in Hamburg veranstalteten die KOK und die OPH, zwei Arbeitsgruppen der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), ein gemeinsames Symposium. Unter der Überschrift „Sicherer Umgang mit Zytostatika im multiprofessionellen Team“ präsentierten vier Vortragende aus verschiedenen Berufsgruppen ihre Aspekte zur Thematik. Nachdem Klaus Meier, Vorstandsvorsitzender der OPH, die zahlreichen Teilnehmer begrüßte, führten Frau Kerstin Paradies als Sprecherin der KOK (Konferenz der Onkologischen Kranken- und Kinderpflege) sowie Frau Anita Margulies, Universitätsspital Zürich, als Vertreterin der EONS (European Oncology Nursing Society) durch die Veranstaltung. Als erste Referentin stellte Frau Apothekerin Dr. Yvonne Remane, Uniklinikum Leipzig, die Umsetzung der aktuellen QUAPOS (Qualitätsstandards für den Pharmazeutisch-onkologischen Service) am Beispiel ihrer Apotheke in einem kurzen Überblick vor. „Umgang mit Zytostatika bedeutet nicht nur, sich auf die Herstellung zu konzentrieren, sondern es gibt auch Schritte davor und danach“, erläuterte die Referentin. Die jährliche Zytostatika-Unterweisung in der Apotheke muss deshalb auch die Beschäftigten im Wareneingang, im Transportwesen und in der Entsorgung einbeziehen. Ideal ist es, alle Mitarbeiter zu schulen. Der Standort des Spill-Kits muss allen bekannt sein. Das Verhalten im Havariefall in der Theorie zu verDie bereits im Januar 1987 in Frankfurt/ Main gegründete „Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege“ (KOK) ist eine Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. mit gegenwärtig ca. 1000 ordentlichen und fördernden Mitgliedern. http://kok-krebsgesellschaft.de/ tiefen und in der Praxis regelmäßig zu trainieren, erhöht die Sicherheit aller Mitarbeiter, im Kontaminationsfall das Richtige zu tun. Wichtig ist dabei, sich Hilfe zu holen und die notwendigen Schritte dann gemeinsam durchzuführen. Im zweiten Vortrag ging Frau Carola Freidank, onkologisch tätige Krankenschwester der MHH Hannover, auf die „Vermeidung von Kontaminationen von CMR-Stoffen im Pflegealltag“ ein. Der Nachweis zytostatischer Substanzen im Urin von Pflegekräften bildete 1979 den Ausgangspunkt aller Überlegungen und Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitssicherheit für das Personal. 2011 ergab eine Untersuchung mit Wischproben auf Station Kontaminationen an diversen Orten 50 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 (z.B. Telefon, Türklinken, Infusionsständer, Aufziehzimmer, Betten, Nachtschränke). Die Zyto­statika aus der Apotheke müssen auf Station an einem definierten, ruhigen Ort (mit oder ohne Werkbank) mit arbeitsplatznahen Entsorgungsmöglichkeiten in Schutzkleidung durch geschultes Personal zur Applikation vorbereitet werden. Bei der Applikation von Zytostatika-Lösungen ist die Information des Patienten sehr wichtig zur Vorbeugung von Paravasationen und einer Diskonnektion. Ein besonderer Fall liegt bei zu teilenden oralen Zytostatika vor. In Absprache mit der Apotheke und unter Einhaltung des Arbeitsschutzes kann dort eine Portionierung vorgenommen werden. Die Entsorgung von gering- oder höhergradig kontaminierten Abfällen bzw. von Ausscheidungen des Patienten (Urin, Kot, Erbrochenem) muss standardisiert vorgenommen werden. Die Patienten sind zu informieren, wie sie damit zu Hause umgehen sollten. Ansprechpartner in Havariefällen und die Standorte der Spill-Kits im Haus müssen bekannt sein, Spill-Kits dürfen nur durch unterwiesenes Personal angewendet werden. Als dritter Referent sprach Herr Prof. Robert Mader, Medizinische Universität Wien, über die Prävention von Paravasaten. Jeder 30. Patient ist durchschnittlich von einem Paravasat Die Risikofaktoren für Paravasationen sind entweder a) arzneimittelbedingt (Schädigungspotential der Substanz sowie Konzentration, pHWert etc.), b)patientenbedingt (Anamnese, Polyneuropathie oder Gefäßerkrankungen, Situation der Lymphwege und Venen, aber auch mangelnde Kommunikationsfähigkeit des Patienten) oder c)iatrogen (Zeitmangel bei Applikation/ Überwachung, ungünstig gewählte Gefäße etc.). Zur Prävention von Paravasaten gehöre, nur qualifiziertes Personal mit ausreichend Zeit einzusetzen. Die Patienten sind zu informieren – mündlich und schriftlich – und damit in die Überwachung einzubinden. Der Gefäßzugang sollte möglichst neu gelegt werden und immer sichtbar bleiben (Fixierung des Arms!). Es muss immer eine Lagekontrolle des Venflons erfolgen. Dauerinfusionen sollten nur über Port-a-cath-Systeme infundiert und engmaschig kontrolliert werden. „Generell sollte mehr Wert auf Prävention zum Wohle der Patienten gelegt werden und die PflegerInnen und ApothekerInnen hierbei initiativ tätig werden“, so der Referent. Im letzten Vortrag ging Herr Matthias Naegele als Pflegeexperte der Hämatologie/Onkologie am Uniklinikum Freiburg auf das Die „Arbeitsgemeinschaft Onkologische Pharmazie in der Deutschen Krebs­ gesellschaft“ (OPH) vertritt seit 2007 die Fachdisziplin Pharmazie in der Deutschen Krebsgesellschaft (Sektion B). Sie kooperiert zu diesem Zweck eng mit der Deutschen Gesellschaft für Onko­ logische Pharmazie (DGOP e.V.). „Freiburger Modell“ ein, in welchem Pflegende Zytostatika applizieren. 1994 wurde dies zwischen dem Ärztlichen Direktor und der Pflegedirektion beschlossen und in einer Dienstanweisung festgelegt. Ziel war die Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs durch das Einhalten der vorgegebenen Zeitpunkte bei den verschiedenen Schemata für die Patienten. Dies führte zu einer höheren Patientenzufriedenheit. Das Modell wurde seither mehrfach modifiziert und erfolgreich umgesetzt. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Qualifikation der Pflegekräfte: Mindestanforderungen an Berufspraxis, das Durchlaufen eines definierten Schulungskonzeptes und der Nachweis von praktischen Kenntnissen in mehrfachen Praxischecks. In den nachfolgenden zwei Jahren müssen vier weitere Aufbauseminare absolviert werden. Die Applikation durch Pflegepersonal erfolgt nur mit Einverständnis des Patienten, der Arzt muss immer erreichbar sein, und es dürfen nur Zytostatika einer klinikinternen Positivliste appliziert werden. Der Arzt ordnet die Chemotherapie schriftlich an, und er muss vor der Applikation schriftlich bestätigen, dass der zentralvenöse Zugang ordnungsgemäß funktioniert. Die Stationsärzte müssen informiert sein, welche PflegerInnen die Qualifikation zur Zytostatika-Gabe haben. Die examinierte Pflegekraft http://www.krebsgesellschaft.de/ arbeitsgemeinschaft_onkologische_ pharmazie,80451.html hat die Durchführungsverantwortung. Diese Tätigkeiten sind durch die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses abgedeckt. Die Teilnehmer des Symposiums stellten fest, dass durch die Auseinandersetzung mit diesen Fragen nicht nur das Bewusstsein für mögliche Probleme und erforderliche Konsequenzen im eigenen Arbeitsalltag geschärft wird, sondern auch neue Optionen für eine fachübergreifende Zusammenarbeit zur Erhöhung der Therapiesicherheit in der Onkologie aufgezeigt wurden. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 51 Bild: © Fitzer/iStockphoto.com betroffen. Ein Paravasat stellt immer einen Notfall dar. Brustkrebs in der Schwangerschaft Brustkrebs in der Schwangerschaft Von Sibylle Loibl, Neu-Isenburg Einleitung Die Diagnose Mammakarzinom in der Schwangerschaft wird häufiger.1 Ca. 1% aller Mammakarzinome wird während der Schwangerschaft diagnostiziert. Im Folgenden werden die Therapiemöglichkeiten der Patientinnen dargelegt mit einem Fokus auf die Systemtherapie. Das Mammakarzinom kann während der Schwangerschaft behandelt werden, und sollte sich dabei an den Richtlinien für junge Nichtschwangere Mammakarzinompatientinnen orientieren. Dabei gilt der Grundsatz so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Eine systematische Erfassung der Daten sollte in der Registerstudie der GBG erfolgen. Unterlagen hierzu finden Sie unter http://www.germanbreastgroup.de/studien/adjuvant/ brustkrebs-in-der-schwangerschaft/127-unterlagen-brustkrebs-inder-schwangerschaft.html. Mithilfe der Registerstudie konnten bereits Erkenntnisse gewonnen werden, die in die Therapieempfehlungen Eingang gefunden haben. 52 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Bild: © ingret/iStockphoto.com Das Mammakarzinom tritt bei ca. 1% der Frauen während der Schwangerschaft auf. Aufgrund der Seltenheit und der besonderen Umstände stammen die meisten Daten aus Fallserien und Kohortenstudien. Die Frauen sollen und können so nah wie möglich am Standard für junge nicht-schwangere Mammakarzinompatientinnen behandelt werden. Alle Patientinnen mit Mammakarzinom in der Schwangerschaft sollten in der Registerstudie der GBG gemeldet werden. www. germanbreastgroup.de/pregnancy Brustkrebs in der Schwangerschaft Epidemiologie Nach den Daten des Robert Koch Instituts ist das Mammakarzinom mit einem Drittel aller Malignome die häufigste Krebserkrankung bei Frauen unter 35 Jahren.2 Stensheim et al. konnten in einer Auswertung des norwegischen Krebsregisters der Jahre 1967-2000 zeigen, dass das Mammakarzinom neben dem Melanom und dem Zervixkarzinom die häufigste Erkrankung in der Schwangerschaft ist.¹ Die Inzidenzen der Karzinomerkrankungen haben sich jedoch in den letzten 10-15 Jahren verschoben, so dass anzunehmen ist, dass das Mammakarzinom die häufigste eine Schwangerschaft verkomplizierende, maligne Erkrankung darstellt. Geschätzt werden ca. 1% aller Mammakarzinome während der Schwangerschaft diagnostiziert. Epidemiologische Daten haben suggeriert, das Risiko ein Mammakarzinom in der Schwangerschaft zu entwickeln sei größer, wenn die Frauen in jungen Jahren vor der ersten Schwangerschaft mit dem Rauchen beginnen. Eine neue Metaanalyse mit 15 Studien konnte einen zwar signifikanten Zusammenhang zeigen, der aber sehr schwach war, mit einer Risikosteigerung von ca. 10%.3 Das Mammakarzinom, das in der Schwangerschaft diagnostiziert wird, hat heute, wenn man es Stadien gerecht und am biologischen Subtyp orientierend behandelt keine schlechtere Prognose als ein Karzinom gleichen Typs bei einer Frau gleichen Alters, die nicht schwanger ist. Dies konnte an den Daten aus dem Register zum Mammakarzinom in der Schwangerschaft gezeigt werden.4 Insgesamt haben junge Mammakarzinompatientinnen eine schlechtere Prognose als ältere Patientinnen.5, 6 Diagnostik Die überwiegende Mehrheit der Mammakarzinome wird in der Schwangerschaft durch die Patientin selbst entdeckt. Eine physiologische Hypervaskularisation und eine damit einhergehende Brustvergrößerung während der Schwangerschaft können die Karzinome maskieren oder aber Zeichen einer Karzinomerkrankung werden nicht als solche verstanden. Jedoch konnten die Daten aus der Registerstudie keinen Hinweis für eine verzögerte Diagnosestellung liefern.7 Eine erste Abklärung sollte per Ultraschall erfol- Inoperabel gen. Nach gesichertem Mammakarzinom sollte jedoch auch eine Mammographie beidseits mindestens in einer Ebene durchgeführt werden, um weitere Herde auszuschließen.8 Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahme wie Bleischürze wird die Grenzdosis für das ungeborene Kind von 10 rad (100mGy) weit unterschritten und stellt zu keinem Zeitpunkt während der Schwangerschaft eine Gefahr für das Ungeborene dar. Die MRT-Untersuchung, die um wirklich aussagekräftig zu sein mit Kontrastmittel durchgeführt werden muss, wofür aber in der Schwangerschaft Bedenken bestehen, sollte Einzelfällen vorbehalten bleiben und ist nicht indiziert.9 Die Daten aus dem Register haben gezeigt, dass ein Ultraschall bei 83%, eine Mammographie bei 51% und das MRT bei 16% der Patientinnen zur Anwendung kam.7 Besteht der Verdacht einer malignen Veränderung, muss die histologische Abklärung erfolgen. Eine Core-Biopsie kann in Lokalanästhesie erfolgen. Untersuchungen bei (Verdacht auf ) Mammakarzinom in der Schwangerschaft: Jede verdächtige Veränderung der Brust, die länger als einen Monat besteht, muss abgeklärt werden. Ultraschalluntersuchung der Brust Bei Verdacht auf Malignität muss eine histologische Sicherung mittels Stanzbiopsie erfolgen Nach histologischer Sicherung des Mammakarzinoms Staging mit • beidseitiger Mammographie (mindestens in einer Ebene) zum Ausschluss bilateraler oder multifokaler Karzinome • Ultraschall der Leber • Röntgen der Lunge mit entsprechendem Schutz • Ggfs. Kernspinntomographie ohne Kontrastmittel der Wirbelsäule zum Ausschluss von Knochenmetastasen. • Kein Knochenszintigramm wegen der Strahlenbelastung – zu komplettieren nach der Entbindung Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 53 Brustkrebs in der Schwangerschaft Tabelle 1: Histopathologische Kriterien bei Patientinnen mit einem Mammakarzinom in der Schwangerschaft im Vergleich zu nicht schwangeren Mammakarzinompatientinnen (German Breast Group data on file) Vergleich T-stage N-stage Histologie Grading ER und PR Her-2/neu Mammakarzinom in der Schwangerschaft (n=403) T1: 21% T2: 51% T3: 21% T4: 8% N0: 44% N+: 57% Ductal invasiv: 97% G1: 3% G2: 21% G3: 76% HR+: 47% HER2+: 35% Patientinnen <= 35 Jahre aus der neoadjuvanten Meta-Datenbank der GBG (n=704) T1: 10% T2: 68% T3: 14% T4: 8% N0: 53% N+: 47% Ductal invasiv: 82% G1: 4% G2: 47% G3: 50% HR+: 36% HER2+: 33% Um ein Mammakarzinom während der Schwangerschaft frühzeitig zu identifizieren oder die Koinzidenz von Schwangerschaft und Mamma-Ca zu vermeiden kann folgendes empfohlen werden. • Die Untersuchung der Brust bei der ersten Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung • Vor Beginn einer Sterilitätsbehandlung sollte eine Brustuntersuchung in Kombination mit einer Mammographie und ggfs. einer Ultraschalluntersuchung erfolgen, da diese Frauen in der Regel älter sind und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit einer malignen Erkrankung der Brust haben. des Paares nicht aus. Der Kinderwunsch ist in jedem Falle zu respektieren. Die Patientin und deren Familie sollen über die Therapiemöglichkeiten, die Risiken für Mutter und Kind, die Möglichkeit einer Erfüllung des Kinderwunsches nach der Brustkrebserkrankung aufgeklärt werden. Aber auch darüber, dass nach heutigem Wissen, eine Beendigung der Schwangerschaft die Prognose der Erkrankung nicht verbessert. Es gilt der Grundsatz, so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Pathologie Die Rate der nodal-positiven Mammakarzinome lag im Register bei 57% und damit deutlich unter den 80% aus der älteren Literatur.⁷ Die Tumorcharakteristika der schwangeren und nicht-schwangeren Mammakarzinompatientinnen gleichen Alters sind durchaus vergleichbar (vgl. Tabelle 1). Therapie Frauen mit einem Mammakarzinom in der Schwangerschaft sollten möglichst genauso behandelt werden, wie Frauen gleichen Alters und mit vergleichbarem Tumorstadium außerhalb der Schwangerschaft. In Abb. 1a und 1b sind Therapieempfehlungen vorgestellt. Diese Empfehlungen schließen ein individuelles Vorgehen in Abhängigkeit von der Schwangerschaftswoche bei Erstvorstellung, dem Erkrankungsstadium, dem Kinderwunsch sowie den Wünschen der Patientin/ 54 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Lokale Therapie Eine Operation kann zu jeder Zeit während der Schwangerschaft sicher für das Ungeborene durchgeführt werden. Im ersten Trimenon besteht dadurch ein leicht erhöhtes Abortrisiko. Die Indikation zur Mastektomie oder brusterhaltenden Operation orientiert sich an den geltenden Richtlinien außerhalb der Schwangerschaft.10 Ist eine Brustrekonstruktion vorgesehen, sollte diese auf die Zeit nach der Schwangerschaft verschoben werden. Die Methodik der Lymphknotenentfernung aus der Axilla orientiert sich ebenfalls an den generellen Empfehlungen. Die Sentinel-Node-Biopsie, mittlerweile der Standard außerhalb der Schwangerschaft, kann auch während der Schwangerschaft durchgeführt werden. Die geschätzte radioaktive Dosis lag bei Nichtschwangeren am Epigastrium, Nabel und Hypogastrium nach Injektion von 92.5 MBq 99 mTc Kolloid unter der Grenze von 0,1 Gy für den Fötus.11, 12 Die Ent- Brustkrebs in der Schwangerschaft fernung des Wächterlymphknotens anstelle der klassischen Axillaoperation wurde auch an schwangeren Patientinnen untersucht. Es wird empfohlen eine leichte Modifikation des Ablaufes vorzunehmen und ein 1-Tagesprotokoll anzuwenden, bei dem geringere radioaktive Dosen verwendet werden. Ein Blasenkatheter vermindert zusätzlich die Strahlenbelastung. Auf Patentblau sollte wegen der erhöhten Gefahr anaphylaktoider Reaktionen verzichtet werden.13 In der Regel ist eine Radiatio der Brust/ Thoraxwand in der Schwangerschaft nicht indiziert, da im Anschluss oder noch vor der Operation die Chemotherapie durchgeführt wird. Dies ist in der Regel der Ablauf der Standardtherapie und eine Verzögerung der Bestrahlung um bis zu 6 Monaten ist nicht von Nachteil und daher möglich14 (Tabelle 2). Für eine Radiatio während der Schwangerschaft gelten strenge Indikationsstellungen.15 Systemische Therapie In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien sollte auch während der Schwangerschaft einer neoadjuvanten Chemotherapie der Vorzug gegeben werden (Abb. 1a-b). Aber das gewählte Vorgehen hängt natürlich sehr von der Schwangerschaftswoche ab. Grundsätzlich kann mit einer Chemotherapie ab der 13. SSW, also nach Beendigung der Organogenese begonnen werden. Die häufigsten in der Schwangerschaft eingesetzten Regime sind die anthrazyklinhaltigen Regime wie (F)AC oder (F)EC. Diese Standardregime (F)E(A)C sind gut beschrieben, hierzu gibt es die beste Datenlage. Sie werden auch in den Leitlinien der AGO Kommission Mamma empfohlen (www.ago-online.de).16 Die Daten zum Einsatz der Taxane mehren sich.6, 17, 18 Daten aus dem GBG-Register und einer Publikation von Cardonick zeigen auch für die Taxane eine gute Verträglichkeit für das Kind. Meistens erfolgt die Gabe eines Taxans beim Mammakarzinom in der Schwangerschaft in der Sequenz zu den Anthrazyklinen und eine Gabe während der Schwangerschaft entfällt, v.a. dann wenn die Diagnose im 2. Trimenon gestellt wurde. Die Plazenta verfügt über potente Mechanismen, um Medikamente zu blockieren, z.B. können das P-Glykoprotein oder das BCRP (Breast Cancer Related Protein), Tubulin bindende Zytostatika wie die Taxane und Vinkaalkalo- ide abfangen, die daher wahrscheinlich auch während der Schwangerschaft im 2. und 3. Trimenon gefahrlos appliziert werden können.19 Insgesamt zeigt das, dass eine Standardtherapie mit z.B. EC-Paclitaxel auch bei einem Mammakarzinom in der Schwangerschaft machbar ist und die Patientin bezüglich ihrer Therapie keine Kompromisse eingehen muss. Ob eine Chemotherapie in der Schwangerschaft das Risiko einer Präeklampsie erhöht ist nicht bewiesen, auch wenn es Einzelfälle hierzu gibt.20 Im GBG-Register konnte hier kein Zusammenhang hergestellt werden. Die Dosierung der Zytostatika richtet sich nach dem aktuellen Gewicht in der Schwangerschaft. Die supportive Therapie wird wie gewohnt durchgeführt. Mit der Gabe von Kortikosteroiden sollte etwas zurückhaltender Auf eine endokrine Therapie mit Tamoxifen sollte während der Schwangerschaft verzichtet werden, da hierunter Fehlbildungssyndrome wie das sog. Goldenhar Syndrom, bei welchem es zu Gesichtsfehlbildungen kommt, oder Fehlbildungen des Genitales beschrieben wurden.22 Trastuzumab kann im Primatenmodel die Plazentaschranke passieren, es konnten aber keine Veränderungen der Affen beobachtet werden. Trastuzumab kann die VEGF Expression hemmen, daher ist es möglich, dass auf diesem Weg, die Bildung des Fruchtwassers verhindert wird. Diese unerwünschte Nebenwirkung wurde auch klinisch beobachtet: am häufigsten wurde über ein Oligohydramnion bis hin zum Anhydramnion unter Trastuzumab berichtet, das sich meist nach Absetzen der Therapie zurückgebildet hat. Tabelle 2: Risiko der Bestrahlung während der Schwangerschaft (nach Kal et al. 2005) Zeit nach Konzeption in Wochen Effekt Grenzwert Risiko pro 0,1 Gy Spontane Häufigkeit 0-2 Abort Unbekannt 0,1 0,3-0,6 3-8 Fehlbildung 0,1-0,2 0,05 0,06 8-15 Mentale Retardierung IQ-Abfall 0,1 0,1 0,04 0,005 16-25 Mentale Retardierung 0,01 0,005 IQ-Abfall 0,3 0,1 0-38 Leukämie oder solide Tumoren in der Kindheit Kein Grenzwert 0,02-0,03 0,002-0,003 verfahren werden. Im ersten Trimenon sind Lippen-Kiefer-Gaumenspalten beschrieben und in der fortgeschrittenen Schwangerschaft kann es zu neurologischen Beeinträchtigungen kommen. Methylprednisolon sollte nach den Empfehlungen der Vorzug gegeben werden, aber die meisten Patientinnen erhalten eine Standardsupportivtherapie. Ondansetron ist in der Schwangerschaft am besten untersucht,21 die anderen 5-HT3 Antagonisten sind allesamt schlechter untersucht, während es zu den Neurokinin-1 Rezeptoren wie z.B. Aprepitant keine Daten während der Schwangerschaft gibt. Insgesamt scheint die Chemotherapie während der Schwangerschaft subjektiv besser verträglich zu sein als bei Nicht-Schwangeren. G-CSF muss, wenn nötig appliziert werden, ist bei den angezeigten Sequenzregimen aber nicht üblich. Trotzdem ist der Einsatz von Trastuzumab in der Schwangerschaft aber nach wie vor nicht indiziert.23 Eine Analyse aus der HERA-Studie zeigt, dass in der Gruppe, die direkt nach Absetzen des Trastuzumab schwanger wurde, eine höhere Abortrate beobachtet wurde, sonst aber keine Auffälligkeiten bei den Kindern oder während der Schwangerschaft zu sehen waren.24 Das Neugeborene Kurzzeit- ebenso wie die Langzeitnebenwirkungen sind bei Kindern, die in utero einer Chemotherapie ausgesetzt waren als gering zu betrachten.7, 25, 26 Mögliche frühe Nebenwirkungen der Therapie auf das Kind betreffen das blutbildende System und einen eventuellen Haarverlust, von denen sich die Neugeborenen erholen. Die Daten aus dem Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 55 Brustkrebs in der Schwangerschaft Register zeigen, dass die Kinder ein geringeres Geburtsgewicht aufweisen, ohne weitere Konsequenzen.7 Alle potentiellen Nebenwirkungen sind gegen durch Frühgeburtlichkeit bedingte Morbidität und Mortalität abzuwägen, die mit abnehmendem Geburtsgewicht steigen.27 Die Gabe von Zytostatika auch in der Schwangerschaft ist nach Abschluss des ersten Trimenon eine relativ sichere therapeutische Option. Ausblick in die Zukunft Aufgrund der Fortschritte und der Erfahrungen im Umgang mit schwangeren Karzinompatientinnen, muss und sollte aufgrund des Mammakarzinoms, keine Abruptio erfolgen. Eine Beratung und Betreuung dieser Patientinnen sollte in jedem Falle in einem ausgewiesenen Zentrum erfolgen, mit Erfahrung in der Systemtherapie dieser Patientinnen. Um mehr über diese seltene Koinzidenz zu erfahren, wurde eine Registerstudie der German Breast Group (GBG-29/BIG 02-03) ins Leben gerufen. Bis zum 1.10.2013 wurden 574 Patientinnen registriert, davon stammt allein knapp die Hälfte aus Deutschland. Aufgrund der Heterogenität der Patientinnen und um auch Subgruppenanalysen durchführen und Langzeiteffekte beobachten zu können, ist es wichtig das Register möglichst flächendeckend weiterzuführen. Paraffingewebe des Karzinom und der Plazenta wird für translationale Fragestellungen asserviert. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie unter www.germanbreastgroup.de/pregnancy oder [email protected] und bei der Autorin. LITERATUR 1 Stensheim H, Moller B, van Dijk T, Fossa SD (2009) Cause Specific Survival for Women Diagnosed with Cancer During Pregnancy and Lactation: A Registry Based Cohort Study. J Clin Oncol 27: 45-51. 2 www.rki.de 3 LaDe Roo, P Cummings, BA Müller, et al. (2007) Smoking Before the First Pregnancy and the Risk of Breast Cancer: A Meta-Analysis. Am J Epidemiol 174; 390-402. 4 Amant F, von Minckwitz G, Han SN, Bontenbal M, Ring AE, Giermek J, Wildiers H, Fehm T, Linn SC, Schlehe B, Neven P, Westenend PJ, Müller V, Van Calsteren K, Rack B, Nekljudova V, Harbeck N, Untch M, Witteveen PO, Schwedler K, Thomssen C, Van Calster B, Loibl S.(2013) Prognosis of Women With Primary Breast Cancer Diagnosed During Pregnancy: Results From an International Collaborative Study. J Clin Oncol 31(20):2532-9. 5 Loibl S, Jackisch C, Gade S, Untch M, Paepke S, Kuemmel S, Schneeweiss A, Jackisch C, Huober J, Hilfrich J, Hanusch C, Gerber B,Eidtmann H, Denkert C, Costa S-D, Blohmer J-U, Nekljudova V, Mehta K, von Minckwitz G (2012) Neoadjuvant chemotherapy in the very young 35 years of age or younger. Cancer Res 72 (24 Suppl.): 96s, 6 Anders CK, Hsu DS, Broadwater G, et al (2008) Young age at diagnosis correlates with worse prognosis and defines a subset of breast cancers with shared patterns of gene expression. J Clin Oncol 26:3324-3330. 7 Loibl S, Han SN, von Minckwitz G, et al. (2012) Treatment of Breast Cancer during pregnancy. Lancet Oncol 13(9):887-96. 8 Amant F, Loibl S, Neven P, Van Calsteren K. (2012) Breast cancer in pregnancy. Lancet. Feb 11;379(9815):570-9. 9 Kanal E, Barkovich AJ, Bell C, Borgstede JP, Bradley WG, Jr., Froelich JW, et al. (2007) ACR guidance document for safe MR practices: Am J Roentgenol 188:1447-74. 10 Loibl S, von Minckwitz , Gwyn K, et al (2006) Breast carcinoma during pregnancy. Recommendations from an International Expert Meeting. Cancer 106:237-46 11 Gentilini O, Cremonesi M, Trifiro G, (2004) Safety of sentinel node biopsy in pregnant patients with breast cancer. Ann Oncol 15:1348-1351 12 Gentilini O, Cremonesi M, Toesca A, et al (2010) Sentinel lymph node biopsy in pregnant patients with breast cancer. Eur J Nucl Med Mol Imaging 37:78-83 13 Crivellaro M, Senna G, Dama A, Bonadonna P, Passalacqua G (2003) Anaphylaxis due to patent blue dye during lymphography, with negative skin prick test. J Investig Allergol Clin Immunol 13:71–72 14 Hebert-Croteau N, Freeman CR, Latreille J, Rivard M, Brisson J (2004) A population-based study of the impact of delaying radiotherapy after conservative surgery for breast cancer. Breast Cancer Res Treat 88:187-196 15 Kal HB and Struikmans H (2005) Radiotherapy during pregnancy: fact and fiction. Lancet Oncol 6:328-33 16 www.ago-online.de 17 Cardonick E, Bhat A, Gilmandyar D, Somer R. (2012) Maternal and fetal outcomes of taxane chemotherapy in breast and ovarian cancer du- 56 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 ring pregnancy: case series and review of the literature. Ann Oncol Aug 8. Epub ahead of print 18 Mir O, Berveiller P, Goffinet F, Treluyer JM, Serreau R, Goldwasser F, Rouzier R (2010) Taxanes for breast cancer during pregnancy: a systematic review. Ann Oncol21:425-6. 19 Smit JW, Huisman MT, van TO, Wiltshire HR, Schinkel AH (1999) Absence or pharmacological blocking of placental P-glycoprotein profoundly increases fetal drug exposure. J Clin Invest 104:14411447. 20 Massey Skatulla L, Loibl S, Schauf B, Müller T. (2012) Pre-eclampsia following chemotherapy for breast cancer during pregnancy: case report and review of the literature. Arch Gynecol Obstet 286:89-92. 21 Pasternak B, Svanström H, Hviid A. Ondansetron in pregnancy and risk of adverse fetal outcomes. N Engl J Med. 2013 Feb 28;368(9):814-23. 22 Cunha GR, Taguchi O, Namikawa R, Nishizuka Y, Robboy SJ (1987) Teratogenic effects of clomiphene, tamoxifen, and diethylstilbestrol on the developing human female genital tract. Hum Pathol 18:1132–1143. 23 Zagouri F, Sergentanis TN, Chrysikos D, et al. (2013) Trastuzumab Administration During Pregnancy: a systematic review and metaanalysis. sBreast Cancer Res Treat 137: 349-57. 24 Azim HA Jr, Metzger-Filho O, de Azambuja E, Loibl S, Focant F, Gresko E, Arfi M, Piccart-Gebhart M. (2012) Pregnancy occurring during or following adjuvant trastuzumab in patients enrolled in the HERA trial (BIG 01-01). Breast Cancer Res Treat 133:387-91. 25 Amant F, Van Calsteren K, Halaska et al. (2012) Long-term cognitive and cardiac outcomes after prenatal exposure to chemotherapy in children aged 18 months or older: an observational study. Lancet Oncol 13:256-64. 26 Aviles A, Neri N (2001) Hematological malignancies and pregnancy: a final report of 84 children who received chemotherapy in utero. Clin Lymphoma 2:173–177. AUTORIN: Prof. Dr. med. Sibylle Loibl German Breast Group und Sana Klinikum Offenbach Martin-Behaim-Straße 12 63263 Neu-Isenburg [email protected] Tel.: +49-6102-7480-426 Fax.: +49-6102-7480-126 Interessenskonflikt: Es besteht kein Interessenskonflikt Arzneimittelinnovationen in der Onkologie: kurz gefasst Arzneimittelinnovationen in der Onkologie: kurz gefasst Von Brigitte Hübner, Quedlinburg D as Antikörper-Wirkstoff-Konjugat BrentuximabVedotin (Adcetris®) wurde im Jahre 2012 zugelassen zur Therapie des fortgeschrittenen CD30-positiven Hodgkin-Lymphoms sowie zur Behandlung des rezidivierten anaplastischen großzelligen Lymphoms (ALCL). Es handelt sich um einen monoklonalen CD30-Antikörper (AK) ohne antitumorale Eigenschaften und das Zytostatikum Monomethyl-Auristatin E (MMAE), die über ein Linkermolekül miteinander verknüpft sind. Der Antikörper bindet an CD30-positive Tumorzellen. Dadurch wird die Internalisierung des AK-WirkstoffKonjugates ausgelöst, das dann in das lysosomale Kompartiment eingeschleust wird. In der Zelle wird der Linker durch lysosomale Enzyme gespalten und das Zytostatikum freigesetzt. Dieses bindet an Tubulin und verhindert die Tubulinpolymerisation, wodurch der Zellzyklus unterbrochen und programmierter Zelltod (Apoptose) ausgelöst wird. In mehreren Phase-II-Zulassungsstudien an 102 Patienten mit Hodgkin-Lymphom und 58 Patienten mit ALCL wurde BrentuximabVedotin in einer Dosis von 1,8 mg/kg KG alle 3 Wochen untersucht. Beim HodgkinLymphom sprachen 94% der Patienten an (75% komplette bzw. partielle Remission), beim ALCL lag die Ansprechrate bei 86% (57% komplette Remission, 97% der Patienten zeigten eine Reduktion des Tumor- volumens). Das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 5,6 bzw. 13,3 Monaten. Als häufigste unerwünschte Ereignisse traten sensorische Neuropathien, Nausea, Infusionsreaktionen und Neutropenien auf. Die empfohlene Dosierung beträgt 1,8 mg/kg KG als intravenöse Kurzinfusion alle 3 Wochen. Cave: Wechselwirkungen von BrentuximabVedotin mit CYP3A4 Inhibitoren und Induktoren sind möglich (Anstieg an Neutropenien). Vemurafenib (Zelboraf®) ist ein oral zu verabreichender BRAF-Inhibitor, der als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit BRAF-V600-Mutation-positivem metastasiertem Melanom zugelassen ist. V600-Mutationen treten bei 50% der malignen Melanome auf und kodieren die BRAF-Serin-Threonin-Kinase. Diese Genmutationen führen somit zu verstärkter Zellproliferation und verhindern den programmierten Zelltod (Apoptose). In der randomisierten multizentrischen Phase-III-Studie BRIM-3 an 675 nicht vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Melanom und positiver BRAF-V600-Mutation wurde Vemurafenib (n=337; 960 mg zweimal täglich) mit Dacarbazin (n= 338; 100 mg/ m2 alle 3 Wochen) verglichen. Nach einer Interims-Analyse wurde das Studienproto- koll aufgrund des deutlichen Zugewinns an overall survival geändert, so dass DacarbazinPatienten in den Vemurafenib-Arm wechseln konnten. Zum Zeitpunkt des Cut-off betrug das mediane Gesamtüberleben (OS) 13,2 Monate im Vemurafenib-Arm im Vergleich zu 9,6 Monaten im Dacarbazin-Arm (HR=0,62). Vemurafenib führte im Vergleich zu Dacarbazin zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) im Median um 3,7 Monate (HR=0,26), was einer relativen Risikoreduktion von 74% entspricht. Die Ansprechrate lag im Vemurafenib-Arm bei 48,8% und damit deutlich höher als im Chemotherapie-Arm (5,5%). Die empfohlene Dosis beträgt zweimal täglich 960 mg. Die bessere Wirksamkeit von Vemurafenib geht einher mit höherer Toxizität (häufigeres Auftreten von kutanen Plattenepithelkarzinomen, Keratoakanthom, Athralgie und Rash). Bei schweren Überempfindlichkeitsreaktionen und dermatologischen Nebenwirkungen sollte die Therapie abgebrochen werden. Cave: Zahlreiche Interaktionen von Vemurafenib mit CYP1A2 und CYP3A4 metabolisierten Wirkstoffen sind bekannt. Gleichzeitige Gabe von P-Glykoprotein-Induktoren führen zu veränderten, suboptimalen Plasmaverfügbarkeiten. (Literatur bei der Verfasserin) Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen Von Jan Thesenvitz, Fürstenwalde Mainz I Sonntag, 22.08.2010 – 18:59 Uhr, SPIEGELONLINE PANORAMA: „Uniklinik Mainz: Zwei Säuglinge sterben nach verseuchter Infusion Auf der Intensivstation der Mainzer Universitätsklinik sind zwei Babys gestorben – wahrscheinliche Ursache: eine mit Bakterien verschmutzte Infusionslösung. Fünf weitere Kinder sind in kritischem Zustand, die Staatsanwaltschaft ermittelt.“ Freitag, 14.01.2011 – Post vom Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Schwerpunktprüfung 2011 „Herstellung von sterilen Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken Sehr geehrter Herr Thesenvitz, die Ereignisse in der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikums Mainz aus dem vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Herstellung von sterilen Arzneimitteln haben dazu geführt, dass das LUGV in 2011 eine Schwerpunktprüfung „Herstellung von sterilen Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken“ durchführt. Ihre Apotheke ist mir als „Apotheke mit erweitertem Herstellungsspektrum (Sterilherstellung)“ bekannt. … Zur Erfassung des Ist-Standes der Herstellung von sterilen Arzneimitteln in Ihrer Apotheke bitte ich Sie um Zusendung folgender Unterlagen: … (bis) 11.02.2011 Im Auftrag Volker Gieskes“ Donnerstag, 16.06.2011 – Post vom LUGV „… musste ich leider feststellen, dass in Ihrer Apotheke von gesetzlich definierten Mindeststandards abgewichen wird… . … (da die) zu tätigenden aufwändigen Umbaumaßnahmen kurzfristig durch Sie nicht realisiert werden (können), schlage ich Ihnen eine vorübergehende Auslagerung Ihrer Herstellungstätigkeiten… vor… . Mit freundlichem Gruß Gieskes“ Mein Ego schreit: “Nein! Das gibt´s doch nicht! Die komplette MiBi war immer in Ordnung! Aufgeben? Nie! Jetzt erst recht; was ich will, schaff ich auch! Koste es, was es wolle … Du kannst mich mal…“ ... kurzfristig am Freitag (Ego voll in Rage!) in Deinem Büro zu einem klärenden Gespräch begrüßen… Und siehe: Reden hilft. Man lernte sich kennen, Standpunkte wurden ausgetauscht, Lösungsmöglichkeiten angedeutet, Übergangsfristen ausgehandelt. Der Beginn eines langen, anstrengenden, holprigen aber letztendlich zielführenden Weges war geschafft. In den Wirren um die neue, damals noch unveröffentlichte Apothekenbetriebsordnung sandte Herr Gieskes uns betroffenen Apothekern ein vielseitiges Schreiben zu: „Abnahmeinspektion - Begehungsbogen für die aseptische Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken“. Heute sage ich dankenswerter Weise, damals wollte ich mich ganzkörper­ rasieren, weil mir alle Haare zu Berge standen. Aber so hatten wir, mein Planer und ich, eine anspruchsvolle aber hilfreiche „Bastelanleitung“ in der Hand. Aufgrund der räumlichen Situation vor Ort und des sich abzeichnenden Unterschieds im Investitionsvolumen und bei den Folgekosten war zeitnah der Entschluss gereift, ein RK-D-Labor mit Isolator zu bauen. Das war Neuland, auch für Herrn Gieskes. Dank der 58 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 OMNICARE-Kollegen war es mir kurzfristig möglich, 3 entsprechende Labore zu besichtigen. Nach vielen Irrungen und Wirrungen konnten wir im September 2012 mit dem Labor-Neubau beginnen. Und am 14.02.2013 trafen sich die beteiligten, geschafften aber stolzen Leistungserbringer, ein gut gelaunter neugieriger und erwartungsvoller Herr Gieskes und ein erschöpfter, in der Bauphase öfter am Rande des Nervenzusammenbruches gestandener Apotheker zur Abnahmeinspektion. Im Laufe dieser mehrstündigen, vor allem mit angeregten teils kontrovers geführten Diskussionen gefüllten, aber immer freundlich-konstruktiven Veranstaltung schälten sich zwei zu lösende Probleme heraus: 1) Ist anstatt eines Absenkbetriebes in den Nicht-Betriebsstunden das komplette Ausschalten der raumlufttechnischen Anlage ohne Gefährdung der Reinraumklasse D möglich? 2) Sind beim Einsatz von Isolatoren Festlegungen zur Häufigkeit des Wechsels der Handschuhe (mind. alle 20 min) und der Stulpen/Stulpenüberzieher (arbeitstäglich) getroffen? Warum ich doch kein Windrad brauche Ego: „Bei 2 Stunden Herstellung am Arbeitstag lass ich doch nicht die RLT-Anlage 7 Tage die Woche 24 Stunden laufen! Ich hab doch kein Kraftwerk und ich hasse die Windräder, die unser Land verschandeln und dank EEG und anderem Politiker-Wahnsinn den Strom schier unbezahlbar machen… Ich hab mir doch was bei der Entscheidung für A in D, für Isolator gegen LAF gedacht… niedrigere Betriebskosten… und natürlich Umweltschutz dank Energieeinsparung…“ Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen Und siehe: Reden hilft! Der konstruktiv beratende Aufsichtsbeamte Herr Gieskes baute mir die Brücke, den Nachweis zu führen, dass bei Abschaltung der raumlufttechnischen Anlage nicht die versammelten Fürstenwalder Bakterien, Viren, Sporen und sonstigen Elemente das Labor stürmen, um die Reinraumklasse D zu zerstören. Gefordert – getan. Auch wenn Ego quietschte: „Bloß weil der am längeren Hebel sitzt…“ Aber solange der längere Hebel auch an einer qualitativen und realisierbaren Lösung interessiert ist …. Nach Absprache mit Herrn Gieskes wurden am 19.07.13 die Partikelzahlen im Labor bei laufender RLT-Anlage (Messreihe 1), am 23.07.13 nach 4 Tagen Abschaltung ohne Betreten des Labors (Messreihe 2) und nochmals nach der im Vorfeld ermittelten Erholzeit von 7 Minuten (Recovery Test gem. DIN EN 14644 Teil 3) nach Wiederinbetriebnahme der Lüftungsanlage (Messreihe 3) an 4 Messpunkten durch einen Sachverständigen des Ingenieurbüros Xaver Beer ermittelt. Da staunt der Fachmann und das Ego wundert und freut sich: „Statt RK D haben wir gar RK C!“ Doch jetzt kommt die Antwort auf die spannende Frage: Was ist in 4 Tagen Stromsparen passiert? Im Bereich der „großen“ Partikel bleiben wir im C-Bereich, ihre Gesamtzahl sinkt im Messreihe 1 wahrsten Sinne des Wortes sogar (zu Boden), die Anzahl der kleinen Partikel nimmt stark zu (Konvektion?), bleibt aber immer noch weit unter dem erlaubten Grenzwert von 3,52 Mio/m². Die raumlufttechnische Anlage kann folglich in Nicht-Betriebszeiten abgeschaltet werden, ohne die Qualität der geforderten RK-D-Umgebung zu gefährden, zumal wenn sie, wie in unseren SOP festgelegt, mindestens 10 Minuten vor Wiederaufnahme der Arbeit im Labor wieder in Betrieb genommen wird, denn nach nur 7 Minuten Erholzeit wurden folgende Werte festgestellt (Messreihe 3): Messreihe 3 Die GMP-Klasse D wurde während der gesamten Messreihe erreicht.“ Ego: „Hab ich doch gewusst! Schade um das schöne Geld!“ Und ich freu mich, dass meinen Augen ein weiteres, von mir verursachtes Windrad erspart bleibt… Und Herr Gieskes ist froh, dass er seiner Pflicht Genüge getan und die Wissenschaft angeregt hat. Partikel 0,5µm Partikel 5,0 µm Messpunkt 1 32.902/m² 743/m² Messpunkt 2 9.259/m² 318/m² Messpunkt 3 12.157/m² 531/m² Messpunkt 4 3.039/m² 212/m². Und so schreibt (und ich find’s toll) mir Herr Beer ins Protokoll: „Auch nach 4 tägigem Ausschalten der Lüftungsanlage wurde die GMP-Klasse D erreicht. Die Partikelwerte sind zwar im Vergleich erhöht, jedoch NICHT im oberen Grenzbereich. Nach Einschalten der Lüf- Partikel 0,5µm Partikel 5,0 µm Messpunkt 1 7.881/m² 354/m² Messpunkt 2 9.471/m² 531/m² Messpunkt 3 44.988/m² 2.332/m² Messpunkt 4 10.991/m² 955/m² Partikel 0,5µm Partikel 5,0 µm Messpunkt 1 869.046/m² 495/m² Messpunkt 2 1.100.735/m² 707/m² Messpunkt 3 519.788/m² 2.262/m² Messpunkt 4 1.266.361/m² 71/m² Messreihe 2 tungsanlage reicht eine 7minütige Erholzeit aus, um auf die sehr guten Standard-Werte (im Bereich GMP-Klasse C) zu kommen. Das Kreuz mit den Kontaminationen Als Begründung für diese (eigenartigerweise) nur für den Isolator im Abnahmeinspektionsbogen aufgestellte Forderung des Handschuhwechsels alle 20 Minuten führte Herr Gieskes die Gefahr von Kreuzkontaminationen an, die von mir vehement in Zweifel gezogen wurde. Die Gefahr von Kreuzkontaminationen sah und sehe ich als nur theoretisch existent und praxisirrelevant an. Ich fand im Vorfeld keinerlei herstellungsbezogene Literatur über dieses „kreuzgefährliche Phänomen“ im www. Im Rahmen der Abnahmeinspektion stellte ich demgegenüber ausführlich die Gefahr der Öffnung des Systems Isolator beim Handschuhwechsel dar und führte die Idee des Einsatzes eines dritten Paares Handschuhe (unsterile Nitril-Unterhandschuhe + an den Isolatorstulpen montierte sterile Neopren-Handschuhe + darüber Latex-Zytostatikaschutzhandschuhe (alle 20 Minuten wechseln!))aufgrund des Totalverlustes jeglicher Taktilität ad absurdum. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 59 Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen 60 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen Und siehe: Reden hilft! Im Laufe der Diskussion schlug Herr Gieskes vor, eine Versuchsreihe dahingehend durchzuführen, dass wir verschiedene Zytostatikalösungen herstellen und jeweils danach Aqua ad injectabilia in Leerbeutel abfüllen sollten, die anschließend im Landeslabor im Auftrag des LUGV auf Spuren von Zytostatika untersucht würden. In Vorbereitung auf den GeKkbdZhtU-Tag (Gibt-es-Kreuzkontaminationen-bei-derZytostatikaherstellung-tatsächlich-Untersuchungs-Tag) haben Herr Gieskes und ich uns letztendlich auf folgendes Prozedere verständigt: 1) Herstellung von zytostatikahaltigen Lösungen aus 10 unterschiedlichen Substanzen in jeweils 50 ml Aqua ad Injectabilia in 100-ml-Leerbeuteln. 2) Nach jeder Dummy-Herstellung erfolgt die Abfüllung von 50 ml Aqua ad Injectabilia in einen 100-ml-Leerbeutel für die Laboruntersuchung. 3) Manipulation enstprechend der Mitarbeiter-Revalidierung nach QuapoS 4 mit 5 Beutelpaaren. 4) Wiederholung der Schritte 1 - 3 mit jeweils absichtlich kontaminierten Handschuhen, Abtupfen der Kontaminationen mit einem Gazetupfer ohne Handschuhwechsel (Worst Case Scenario). Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) würde also 40 wirkstofffreie Beutel zur Untersuchung erhalten und dürfte (so meine Hoffnung) keine Zytostatika nachweisen. Gesagt, getan. Am 27.05.2013 war es soweit. Herr Gieskes organisierte freundlicherweise den Transport der 40 Prüfbeutel ins LLBB und deren Analyse dort. Die Untersuchung aller Prüfbeutel erfolgte mittels HPLC-QTof (PV 3673-01) auf Carboplatin (Nachweisgrenze (= NG) 50 ng/ml), Cisplatin (NG 100ng/ml), Cyclophosphamid (NG 580 pg/ml), Docetaxel (NG 120 ng/ml), Doxorubicin (NG 97 ng/ml), Epirubicin (NG 50 ng/ml), Fluorouracil (NG 1,0 ng/ml), Paclitaxel (NG 41 ng/ml) und Vinorelbin (NG 120 ng/ml). Am 04.07.2013 wurde uns vom Landeslabor Berlin-Brandenburg folgendes mitgeteilt: „In keinem der 40 untersuchten Prüfbeutel konnte eine der 10 Substanzen nachgewiesen werden.“ Herr Gieskes schrieb daraufhin am 11.7.2013: „Sehr geehrter Herr Thesenvitz, als Anlage erhalten Sie eine Kopie des Berichtes des Landeslabors Berlin-Brandenburg mit der Auswertung der Ergebnisse. Als Schlussfolgerung kann bei Ihnen ein Handschuhwechsel zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen alle 20 Minuten unterbleiben.“ Ego jubilierte: „Hab ich´s doch gewusst: Es gibt Kreuzspinnen, Kreuzschnäbel, Kreuzottern aber keine Kreuzkontaminationen, wenn man sie nicht absichtlich macht!“ Oder wie Herr Menges bei der Podiumsdiskussion auf dem 5. NZW in Dresden sinngemäß sagte: „Sie arbeiten ja ordentlich in den Apotheken und wechseln Spritzen und Kanülen, wenn Sie einen anderen Wirkstoff verarbeiten.“ Ego kommentiert: „Ja, das machen wir so, schon immer, auch ohne GMP, QMS, SOP und Apothekenbetriebsordnung – einfach wegen gesundem Menschenverstand - weil wir das Gehirn nicht ausschalten können und wollen…“ Mainz II Freitag, 27.08.2010 – 12:22 Uhr, SPIEGEL­ ONLINE PANORAMA: …Flasche mit dem stark verkeimten Inhalt… Den Mitarbeitern in der Universitätsapotheke und in der Kinderklinik könne kein Schuldvorwurf gemacht werden, unterstrich der Oberstaatsanwalt. … Die Vermutung sei deshalb nun, dass die Flasche eine nicht erkennbare Beschädigung wie einen Haarriss aufwies und die Bakterien auf diesem Weg eindringen konnten. … Der Vorfall hat eine Diskussion über Hygiene an Kliniken ausgelöst.“ Ego sinniert: „… und Anlass und eben nur Anlass für diverse Änderungen in der Apothekenbetriebsordnung gegeben. Dahinter stecken ganz andere Kräfte, denn die tragischen Mainzer Geschehnisse hätte die neue Apothekenbetriebsordnung auch nicht verhindert… Wer legt hier wem mit wessen Hilfe auf wessen Kosten mit welchen (langfristigen) Folgen warum die Latte höher – oder kurz: Wem nützt das?“ Mittwoch, 04.09.2013 – E-mail von Herrn Gieskes (Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz): „Sehr geehrter Herr Thesenvitz, …Fachlich habe ich keine Ergänzungen. Ich möchte nur herausstellen, dass die von Ihnen erbrachten Nachweise nicht ohne Weiteres auf Herstellungsbereiche anderer Apotheken übertragbar sind, da sich die dortigen Verhältnisse grundsätzlich von denen Ihrer Apotheke unterscheiden dürften.“ Was lernen wir daraus? Reden hilft!: Der Aufsichtsbeamte sitzt fast immer am längeren Hebel; deshalb empfiehlt sich ein proaktiver, konstruktiver und informativer Dialog – dann findet sich in der Regel auch eine Lösung mit der Aufsicht und Apotheke leben können! „Mainzer Infusion offenbar bei Transport verseucht Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 61 Ernährung nach Gastrektomie Ernährung nach Gastrektomie Erfahrungsbericht von E. M., Berlin enn ich nach einer Magenkrebs-Erkrankung wegen Gastrektomie keinen Magen mehr habe, ist dies für meinen Körper bzw. den Organismus ein erheblicher Einschnitt. Mir wurde mit 39 Jahren im Januar 2011 der komplette Magen entfernt und seitdem hat es im Grunde keinen einzigen Tag mehr gegeben, an dem ich mich richtig fit gefühlt habe oder einmal so zurecht war wie vor der Gastrektomie. kommen, um zumindest das Gewicht konstant zu halten. Aber: Man muss nicht den Kopf unbedingt in den Sand stecken. Wenn ich mich als Patient an die entsprechenden Spielregeln bei der deutlich veränderten Ernährung halte, konnte ich mit der neuen Situation sehr gut klar kommen. Mir war es sogar möglich, in meinem Beruf als Journalist in Vollzeit zu arbeiten. Freunde und Familienangehörige waren aber immer wieder erstaunt, welch große Portionen ich trotz fehlenden Magens essen kann und konnte. Allerdings sind dabei verschiedene Dinge zu beachten, um mit viel Freude durchs Leben zu kommen. Erst die immer stärker werdenden Nebenwirkungen der Peritonealkarzinose mit Nierenstau, Gelbsucht und Juckreiz haben schließlich dazu geführt, dass ich meine Tätigkeit an den Nagel hängen musste. Sehr viel geholfen hat mir die Ernährungstherapie in der Tumornachsorge-Klinik „Bergisch-Land“ in Wuppertal bei Therapeut Herman Mestrom. Ich rate jedem Betroffenen, bei ihm in die Schule zu gehen, auch wenn Mestrom sehr rabiat vorgeht. Aber lieber etwas zu viel als zu wenig. Mit den Küchen deutscher Krankenhäuser machte ich die Erfahrung, dass sie nicht auf gastrektomierte Patienten eingestellt sind. Hier empfehle ich allen Betroffenen schnellstmöglich ein Gespräch mit einer Diätassistentin zu suchen (eventuell auch hier unter Zuhilfenahme des Mestrom-Buches), um im weiteren Verlauf eines Krankenhausaufenthaltes wenigstens halbwegs mit der Ernährung hinzukommen. Sollte es gar nicht funktionieren, etwa weil nach einer Narkose der Hunger eingeschränkt ist, wäre parenterale Ernährung (etwa über den Port) eine Alternative, um das Gewicht stabil zu halten. So war dadurch der Druck, essen zu müssen, nicht so hoch. Mir ist es nicht gelungen, nach der Magenentfernung an Gewicht zuzunehmen. Mit der parenteralen Ernährung konnte ich die für mich so wichtigen Kalorien hinein be- 62 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Alles essen, was schmeckt? Das stimmt bei Weitem nicht! 1. Obst und Gemüse schälen, Pelle von der Wurst entfernen So kann einem lebensgefährlichen Darmverschluss vorgebeugt werden. Einfach ist dies etwa bei Tomaten, deren Haut man abziehen kann, nachdem man sie mit kochend heißem Wasser übergossen hat. Für das Schälen von Paprika gibt es spezielle Messer im Fachhandel. Das Schälen von Äpfeln, Birnen, Gurken, Kartoffeln oder Zucchini ist im Handumdrehen gemacht. Bild: © robynmac/fotolia.com W Ernährung nach Gastrektomie Wichtig ist es, darauf zu achten, dass man bei Bock,- Grill- oder Bratwürsten die Pelle entfernt – am besten, bevor man sie brät oder kocht, dann geht es erfahrungsgemäß einfacher. Darüber hinaus rate ich allen, sich konsequent an die Lebensmittel-Liste zu halten, die Ernährungstherapeut Herman Mestrom in seinem Buch „Essen und Trinken nach Magenentfernung“ angibt: Also keine Hülsenfrüchte, keine Nüsse, keine Artischocken, Muscheln oder Pilze usw. Der Erfolg liegt in der Konsequenz! Probleme mit einem Darmverschluss durch Ernährung habe ich bislang nicht gehabt. Er drohte mir allein auf einer anderen Baustelle, nämlich durch einen weiteren Tumor. 2. Fette sparsam verwenden Nach der Gastrektomie ist die Verdauung gestört und wenn Fette nicht verdaut werden, haben sie abführende Wirkung. Daher ist es ratsam, beim Kochen Fette nur sehr sparsam zu verwenden. Ohne an dieser Stelle Werbung für den Bioladen zu machen, empfehle ich qualitativ gute Fette zu gebrauchen. Es gilt: Je mehr Fette der Körper aufnimmt, desto geringer ist die Gewichtszunahme, je weniger Fette, desto größer. ten ab. Kleine Mahlzeiten können sein: eine Kiwi, ein kleiner Joghurt, eine halbe Scheibe Brot etwa mit Käse, eine Banane. Aus meiner Sicht sollte man spätestens um zehn Uhr morgens mit der ersten Mahlzeit beginnen, damit man bis (spät) abends hinkommt. trägt. Ich musste sie regelmäßig auswürgen und habe dann Abstand davon genommen. Ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen bitte nichts mehr essen, eventuell nur eine halbe Tasse Fenchel-Anis-Kümmel-Tee trinken, damit es nachts nicht zum Sodbrennen kommt. Denn: Dieses ist weder mit Säure­ blockern noch mit Säurebindern zu behandeln. Natürlich ist es möglich, einmal ein bisschen Weingummi zu kauen oder mal eine Kugel Eis zu essen. Der Betroffene sollte allerdings darauf achten, zuckerhaltige Lebensmittel nur sehr sparsam in den Nahrungsplan aufzunehmen, weil er sonst sehr schnell in eine Unterzuckerung kommen kann. Bei mir ist dieses Problem noch relativ gering ausgeprägt, allerdings bin ich immer wieder unterzuckert gewesen. Behoben habe ich das Problem in der Regel, indem ich ein Plättchen Traubenzucker verzehrte und anschließend eine Scheibe Brot mit Marmelade aß. Wenn der Patient selbst kocht, kann er in der Regel sehr gut dosieren, wie viel Zucker er in das Essen einbringt, etwa beim Pudding. Um das Körpergewicht stabil zu halten, kann man sich auch 150 g Maltodextrin in einen Liter schwarzen Tee mischen, wenn man es verträgt. Das sind rund 600 Kalorien. Die Frage ist allerdings, ob man durch den MaltoTee nicht in eine Unterzuckerung kommt. Eine Möglichkeit wäre es, den Tee über zehn Stunden in kleinen Portionen zu trinken. Eine Alternative dazu ist hochkalorische Trinknahrung – wenn der Patient das ver- Generell ist es ratsam, langsam zu essen und gut zu kauen, damit der Nahrungsbrei besser verdaut wird – auch wenn gelegentlich das Essen dabei kalt wird. Dann muss man es eben wieder erwärmen. Die Folge des guten Kauens: Es drückt und schmerzt weniger oder gar nicht hinter dem Brustbein. Wichtig ist es, dem Rat zu folgen, konstant über den Tag verteilt viele kleine Mahlzeiten zu konsumieren. Ob es sechs, acht oder zehn Mahlzeiten sind, hängt am Ende vom Patien- 5. Selbst kochen statt Fertigprodukte kaufen Es empfiehlt sich, sein Essen jeden Tag selbst zu kochen – sofern es der Gesundheitszustand und die Kraft zulassen. Viele der Fertigprodukte aus dem Supermarkt sind leider für mich und andere Gastrektomierte vollkommen ungeeignet: zu fettig, zu süß oder weil das Obst und Gemüse noch Schalen haben. Kocht der Patient, entscheidet er selbst: Wie viele Fette und wie viel Zucker kommt in das Essen? 3. Langsam essen und gut kauen Essen sollte der Betroffene nach Möglichkeit in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre. Stress sollte der Gastrektomierte im Allgemeinen weitgehend vermeiden, da es dadurch zu Übelkeit und Krämpfen im Oberbauch kommen kann und dann Mahlzeiten ausgelassen werden müssen. 4. Zuckerhaltige Lebensmittel sparsam einsetzen Denjenigen, die nie gekocht haben, sei die Scheu genommen. Auch ich habe erst im Zuge meiner Erkrankung das Zubereiten von Mahlzeiten erlernt und komme mittlerweile bestens damit zurecht. Herman Mestrom, unter Mitarbeit von Cerstin Grabandt und Ute Lindenbeck Essen und Trinken nach Magenentfernung Eine Anleitung zur Selbsthilfe. Informationen für Betroffene und Angehörige Broschiertes Buch ISBN-10: 3930896044; ISBN-13: 978-3930896042 Meiden sollte man auf jeden Fall Fast-FoodRestaurants und irgendwelche Essens-Buden auf Volksfesten, da der Fettanteil im Essen zu hoch ist. Geht man in ein Restaurant, so sollte man mit dem Koch absprechen, was auf den Teller kommt. Hierbei habe ich in den vergangenen Monaten sehr gute Erfahrungen gemacht, meistens verlief die Absprache unkompliziert, und ich musste dem Koch auch nicht jeweils meine komplette Krankheitsgeschichte erzählen. Krebserkrankung und Partnersuche. Ein persönliches Abenteuer KO L U M N E Vom GEHEN, SUCHEN, FINDEN oder BLEIBEN Krebserkrankung und Partnersuche. Ein persönliches Abenteuer Von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg s begann alles ganz harmlos. Ich fuhr zur Nachuntersuchung nach Essen. Dort machte mich mein Arzt auf eine soziologische Studie* aufmerksam, die belegt, dass Männer häufig das Weite suchen, wenn die Ehefrau an Krebs oder einer anderen schweren Krankheit leidet. Eigentlich verlässt man erfreuliche Nachuntersuchungen beschwingten Schrittes, doch dieses Mal war es anders. Ich war betroffen und meine Neugierde war geweckt. Nach einer leitenden frauenpolitischen Tätigkeit bin ich auch heute, 23 Jahre später, immer noch für das Thema sensibilisiert. Konnte es wirklich sein, dass Frauen in dieser Situation so offensichtlich benachteiligt sind? Auf jeden Fall belegte bei der letzten Re­ daktionssitzung der „Onkologischen Phar­ mazie“ die überaus lebhafte Reaktion der männlichen Redaktionsmitglieder auf mei­ nen Vorschlag, einen Text zu diesem Thema zu schreiben, dass es hier um ein heißes Eisen ging. Und dann fiel mir auch noch die Frage meines Vaters ein, der mich nach der Ovarialkarzinom-OP ernsthaft fragte, ob denn mein Mann nun bei mir bliebe. Schließ­ lich könne ich jetzt keine Kinder mehr be­ kommen! Aber mein Vater hatte meine Mut­ ter bis zu ihrem Tod gepflegt – sie war zehn Jahre lang an Krebs erkrankt. Männer Da fragt sich frau doch: Sind Männer wirklich so schlimm? Der Professor in Essen hat die Sache ganz kurz zusammengefasst: „Wenn 64 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 Sie als Frau krebskrank sind, dann haben Sie am besten eine Tochter!“. Die bleibe und ste­ he der erkrankten Mutter zuverlässig bei. Ich war innerlich aufgerüttelt und wollte es nun wissen. Die Zahlen der Studie sprechen hier eine klare Sprache: Frauen trennen sich nur in 2,9 Prozent der Fälle vom schwerkranken Partner; Männer hingegen in 20,8 Prozent der Fälle. Da mein Mann hinsichtlich der Krebserkran­ kung immer felsenfest zu mir gestanden hat­ te, konnte ich zu diesem Thema nichts Per­ sönliches beitragen. Aber wie stand es mit der Suche? Frau mit überstandener Krebs­ erkrankung auf dem Partnermarkt – diese Frage ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und wie würde es erst Frauen ergehen, die chro­ nisch an Krebs erkrankt sind? Denen es zwar Bild: © goodluz/fotolia.com E Krebserkrankung und Partnersuche. Ein persönliches Abenteuer noch lange Zeit erträglich gut geht, die aber keine Aussicht auf Heilung haben? Müssen diese Frauen zwangsläufig alleine bleiben? Und wie erging es den 20,8 Prozent der Frau­ en, die während der Erkrankung verlasse­ nen wurden? Konnten die, wenn es Ihnen irgendwann besser ging, auf einen neuen Partner hoffen? Fragen über Fragen. Mein Kopf rauchte und Antworten mussten her. Eine Studie konnte ich nicht in Auftrag geben. Aber der Gedanke an eine sehr persönliche Recherche wurde mir immer vertrauter. nommen. Einem Mann – übrigens der Ver­ waltungsleiter einer Klinik – sagte ich, als wir nach einigen Telefonaten auf das Thema kamen, dass ich vor langer Zeit krebskrank gewesen sei. Obwohl er vorher vor Begeis­ terung sprühte und ich schon überlegt hat­ te, wie ich die Sache anständig beenden könnte, war dann alles sofort vorbei. Keine Meldung mehr. Nichts. Aus. Ich bat ihn per Mail um eine Begründung seines Verhaltens und ob seine Reaktion an der Erwähnung der überstandenen Krebserkrankung gelegen hatte. Nichts. Die Sache war klar. Ich konnte sein Verhalten nur dahingehend interpre­ tieren, dass die Erwähnung von Krebs sein Interesse im Keim erstickt hatte. Das Abenteuer Gedacht, getan. Ich melde­ te mich bei einer bekannten Internetplattform für Part­ nersuche für drei Monate an. Trotz allen Forscher­ drangs – auf den ersten Blick erkannt werden wollte ich auch nicht. Also wählte ich ein Foto aus dem Urlaub in Südfrankreich mit Stroh­ hut und großer Sonnenbril­ le. Ich bin 1,78 m groß – ich schrieb 1,76 m in meinen Steckbrief. Das klang we­ niger einschüchternd! Um den Versuch realistisch zu gestalten, musste ich mich natürlich als Single ausgeben und meine 23 Ehejahre unterschlagen (etwa­ ige Gewissensbisse in dieser Sache verflüch­ tigten sich schnell, als in den Gesprächen klar wurde, dass auch nicht alle Männer mit ehrlichen Karten gespielt hatten). Und dann erwartete ich mit Spannung, was passieren würde. Und dabei blieb es nicht. Den anderen Kandidaten sagte ich daraufhin erst gar nicht, dass ich krank gewesen war. Ich teilte Ih­ nen aber meinen vollen Na­ men mit. Und danach war dann auch bei fast allen sofort Schluss. Ich kann nur mutmaßen, dass die­ se Männer meinen Namen gegoogelt haben und dann beim Lesen der Artikel im Internet erfuhren, dass ich eine Krebserkrankung überstanden hatte. Ich schreibe in den Artikeln immer: Überstan­ dene Erkrankung (für mich ist das wichtig: Körper und Seele hören schließlich immer mit!). Nur Einer hätte mich sofort genommen: ein Mann, der seine eigene Krebserkrankung gerade überstanden hatte! Dieser Mann hat seine Krankengeschichte im ersten Ge­ spräch offengelegt und es stellte sich her­ aus, dass er immer wieder auf Frauen traf, die bereit waren, seine Krankengeschichte zu akzeptieren. Die Erlebnisse Es meldeten sich fünfzehn Männer in einem akzeptablen Alter zwischen 54 und 60 Jah­ ren. Ich war zu diesem Zeitpunkt 54 Jahre alt. Deutlich ältere Männer oder gar ganz junge meldeten sich auch. Aber eher als Ausnahme. Mit fünf Männern habe ich über das Mai­ len hinaus Kontakt über das Telefon aufge­ Da ich keinen der Männer persönlich treffen wollte – hier war meine Grenze – war ich auf den Eindruck angewiesen, den mir die Mails und die persönlichen Gespräche ver­ mittelten. Auffallend war bei allen vierzehn Männern die sich gemeldet hatten, wie sehr die Fitness und körperliche Unversehrtheit betont wurden (mit Ausnahme des Krebspa­ tienten). Ich kann mir kaum vorstellen, dass vierzehn Männer zwischen 54 und 60 Jah­ ren keinerlei Zipperlein haben. Wirklich un­ glaubwürdig. Aber demzufolge erwarteten diese Männer dann auch völlige Unversehrt­ heit beim weiblichen Gegenüber. Ebenso unrealistisch. Ganz zu schweigen von der Erwähnung einer Krebserkrankung! Moral von der Geschichte Natürlich weiß ich, dass meine sehr persön­ liche Recherche nicht repräsentativ ist und unter subjektiven Bedingungen stattfand. Dennoch spiegelt sie die Ergebnisse der Stu­ die und den von mir erweiterten Gedanken der Partnersuche anschaulich wider. Der immer noch latent vorhandene gesellschaft­ liche Chauvinismus zeigt sich an der Part­ nerproblematik bei einer Krebserkrankung leider deutlich. Laut Studie falle es Männern schwer, sich mit der Rolle des Umsorgenden zurechtzufinden. Bei der Partnersuche scheint es keinen Un­ terschied zu machen, ob die Frau den Krebs überstanden hat oder noch erkrankt ist. Das Stigma der Krebserkrankung an sich ist hier vorherrschend. Es zeigt sich: Frauen mit die­ ser Krankengeschichte haben es auf dem Markt der Partnersuche schwer. Und seien wir ehrlich, das Diktat der weib­ lichen Attraktivität wird auch eine Rolle gespielt haben. Kein Körper bleibt auf dem Lebensweg für immer gesund und unver­ sehrt. Das Leben und seine Ereignisse hin­ terlassen ihre Spuren. Es ist eine Frage der persönlichen Reife, sich diesem Thema zu stellen – auch in der Partnerschaft und bei der Partnersuche. Zum Abschluß noch ein lobender Hinweis auf den Ex-Beatle Sir Paul McCartney. Sei­ ne zweite Ehefrau Heather war vor der Ehe an Gebärmutterhalskrebs erkrankt und hat zudem eine Beinprothese. Angesichts der Studie ist diese Partnerwahl ein leuchten­ des Gegenbeispiel. Zumal McCartneys erste Ehefrau Linda an Brustkrebs erkrankt war und er daher mit dem Leid einer Krebser­ krankung vertraut war. Schön, dass es auch anders geht! *Die erwähnte Studie erschien im Fachblatt „Cancer“, 2009; 115: 5237-5242 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 65