OnkPharm 2013_4 Innenteil - Deutsche Gesellschaft für

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Krebs bei Frauen. Da denken die
meisten sofort an Brustkrebs und
die Statistik gibt ihnen Recht. Es
15. Jahrgang · Nr. 4/2013
ist mit einem Anteil von 28 Prozent
der häufigste Krebs bei Frauen in
Deutschland. Brustkrebs verursacht nach wie vor die meisten
krebsbedingten Todesfälle bei Frauen. Die Erkrankungshäufigkeit hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zugenom-
Inhalt
Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der
weiblichen Brust
men. Durch die verbesserte Überlebensrate ist die Zahl der
erkrankten Frauen in der Bevölkerung insgesamt gestiegen.
4
Primärprävention des Mammakarzinoms
10
12. NZW Süd in Ravensburg
16
Leitlinien in der Onkologie
36
Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum
Das führte dazu, dass in Deutschland bei ca. 0,9 Prozent
aller Frauen in den vorangegangen zehn Jahren Brustkrebs
festgestellt wurde, wenn man nur die Frauen ab 50 Jahren
betrachtet, sind es etwas mehr als 2 Prozent.1
Bei einer beinahe schon Volkskrankheit zu nennenden Erkrankung kommt der Vorbeugung ein hoher Stellenwert zu. Lesen
40
Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung
aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik 42
Sie hierzu Vorschläge, die leider durchaus auch unbequem
in der Durchführung sein können und somit viel Fingerspitzengefühl im Beratungsgespräch erfordern. Wir freuen uns,
Ihnen zur Ultraschalldiagnostik, den neuesten Sachstand
vorstellen zu können. Die Frage wie und ob Schwangere mit
Onkologische Krankenpflegekräfte und onkologisch
tätige Apotheker tauschen sich aus!
50
Brustkrebs in der Schwangerschaft
52
Arzneimittelinnovationen in der Onkologie:
kurz gefasst
EDITORIAL
Inhalt/Editorial
Brustkrebs behandelt werden sollen, wird in dieser Ausgabe
der Onkologischen Pharmazie beantwortet. Die aktuelle Leitlinie zum Mammakarzinom sowie ein Bericht zur Nachsorge
runden das Schwerpunktthema im vorliegenden Heft ab.
57
Aber Krankheit hat Einfluss auf die Lebensführung und Lebensgestaltung. Ein zentrales Lebensthema ist die Part-
Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder
Das Kreuz mit den Kontaminationen
58
Ernährung nach Gastrektomie
62
Krebserkrankung und Partnersuche.
Ein persönliches Abenteuer
64
nersuche. Hier der unkonventionelle Bericht über einen
Selbstversuch, wie sich Partnersuche mit schwerer, auch
überstandener, Krankheit gestalten kann.
Mit diesem Heft dürfen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,
schon die besten Wünsche für das nächste Jahr mit auf den
Weg geben und wir hoffen, dass wir Sie auch im kommenden Jahr 2014 mit Informationen aus Wissenschaft und Pra-
Ständige Rubriken
xis rund um die Onkologische Pharmazie versorgen dürfen.
Testiertes interaktives Selbststudium
6
Kommentar des Herausgebers
8
Impressum15
Ihre Gabi Gentschew
1 http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/
Praevalenzbroschuere/Lokalisationen/C50.pdf?__
blob=publicationFile
Buchbesprechung47
Who is who 48
Die besten Websites
67
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 3
Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust
Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik
bei der weiblichen Brust
Von Eberhard Merz, Frankfurt/Main
B
ei der Ultraschalldiagnostik der Brust handelt es sich um ein seit mehr als sechs Jahrzehnten bestehendes bildgebendes Verfahren, das im Vergleich zur Mammographie
lange Zeit ein Schattendasein geführt hat. Mit der Entwicklung hochfrequenter Ultraschallsonden und unterschiedlicher Techniken hat sich die Ultraschalldiagnostik der Brust
in der Zwischenzeit nicht nur zu einer wertvollen Ergänzungsuntersuchung zur Mammographie entwickelt, sondern ist in verschiedenen Situationen der Mammographie sogar
überlegen. Heute hat die Ultraschalluntersuchung der Brust einen festen Bestandteil im
Gesamtspektrum der verschiedenen bildgebenden Verfahren: digitale Mammographie,
Ultraschall (2D- und 3D-Sonographie) und Magnetresonanz (MR)-Mammographie.
Sonographie der Brust als wichtige Ergänzung zur Mammographie, da sich damit auch
Tumoren erkennen lassen, die in der alleinigen Mammographie in bis zu 40 % der Fälle
unentdeckt bleiben.
Bei der sonographischen Untersuchung der
Brust wird stets auch die Achselhöhle untersucht und auf vergrößerte und/oder struktu-
Die Vorteile der Mammographie sind ohne
Zweifel in der Standardisierbarkeit der Untersuchung und in der guten Erkennbarkeit
von Mikrokalk zu sehen. Mikrokalk gilt in
gruppierter Form als Hinweiszeichen für ein
Brustkarzinom, in disseminierter Form als
Zeichen für ein duktales in situ-Karzinom,
das eine Krebsvorstufe darstellt.
Die Nachteile der Mammographie liegen
in der Strahlenbelastung, in der schlechten Beurteilbarkeit der Brust bei dichtem
Drüsengewebe, wie man es besonders bei
jüngeren Frauen findet, und in einer Fehlinterpretation durch Überlagerungseffekte. Letztere entstehen dadurch, dass bei der
Mammographie das dreidimensionale Drüsengewebe auf ein zweidimensionales Bild
projiziert wird, wodurch es bei bestimmten Gewebekonstellationen zur Überlagerung von Gewebestrukturen kommt, die
auf dem zweidimensionalen Bild dann ein
Karzinom vortäuschen können. Ein weiterer Nachteil der Mammographie ist die
Tatsache, dass einzelne Karzinome, wie z.B.
das lobuläre Mammakarzinom, nur schwer
oder teilweise überhaupt nicht zu erkennen
sind. Zudem wird die Mammographie von
vielen Patientinnen als schmerzhaftes oder
unangenehmes Verfahren empfunden. Trotz
dieser Nachteile ist die Mammographie in
Deutschland derzeit das einzige Verfahren,
das im Rahmen eines gesetzlichen Früherkennungsprogramms für Brustkarzinome
(sog. Brustkrebs-Screening) allen Frauen
mit einem Alter zwischen 50 und 69 Jahren
in Deutschland angeboten wird.
Abb. 1: 2D-Sonographie: Einfache glatt
begrenzte Mammazyste von 6 mm Durchmesser mit einzelnen Binnenechos und
einer Schallverstärkung hinter der Zyste.
Im Vergleich zur Mammographie stellt die
Ultraschalluntersuchung der Brust ein
harmloses Verfahren ohne Strahlenbelastung dar, das jederzeit und auch in kürzeren
Abständen wiederholt werden kann. Dies gilt
insbesondere für junge Patientinnen, bei denen es um die Abklärung von Zysten (Abb.
1) oder einem Fibroadenom geht und deren
Größe kontrolliert werden müssen. Beim Fibroadenom handelt es sich um den häufigsten
soliden gutartigen Tumor der Brust, der bereits bei jungen Frauen gefunden wird. Mit
der Ultraschalluntersuchung lässt sich wie mit
der Mammographie auch eine Vielzahl von
bösartigen Tumoren in der Brust erkennen.
Insbesondere beim dichten Drüsenkörper
(ACR-Brustdichte Grad 3 oder 4) dient die
4 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Abb. 2: 2D-Shear-wave-Elastographie. Der
rote Bereich über den beiden echoarmen
Mastopathiearealen im Gewebe vor der
echoarmen Brustprothese spricht für eine
gutartige Veränderung.
rell auffällig veränderte Lymphknoten überprüft.
Zur histopathologischen Abklärung von
Brusttumoren ist die Freihand-Hochgeschwindigkeitsstanze das Mittel der ersten
Wahl. Diese wird in Lokalanästhesie und
unter Ultraschallsicht praktisch schmerzfrei
in wenigen Minuten durchgeführt. Aus den
dabei gewonnenen Gewebezylindern kann
der Pathologe dann exakt nachweisen, ob es
sich um einen gut- oder bösartigen Tumor der
Brust oder um eine Vorstufe eines bösartigen
Tumors handelt. Liegt ein Karzinom vor, bestimmt der Pathologe aus dem Stanzgewebe
nicht nur den Tumortyp, sondern auch den
Grad der Bösartigkeit, das sog. Grading, wie
Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust
auch die Hormonrezeptoren und den HER2neu-Status. Liegen alle Untersuchungsergebnisse vor, wird das weitere operative Vorgehen
mit der Patientin gezielt besprochen.
Abklärungsbedürftiger Mikrokalk wird hingegen meist in Form einer stereotaktischen
Vakuum-Saug-Biopsie unter mammographischer Kontrolle entfernt. Hierbei kommt
eine spezielle dicke Hohlnadel zum Einsatz
(Mammotome-Verfahren). Dieses Verfahren
ist deutlich aufwändiger als eine sonographisch-gesteuerte Punktion, gestattet aber die
sichere Entfernung des Mikrokalks. Mit dem
sog. Mammotome-Freihandverfahren kann
Mikrokalk im Einzelfall auch in Form einer
ultraschallgesteuerten Vakuum-Saug-Biopsie
entfernt werden. In erster Linie wird dieses
traschalluntersuchung deutlich schwieriger
als bei der Mammographie ist.
Bei der Mammasonographie kommen heute unterschiedliche Techniken zum Einsatz.
Hierzu zählen die zweidimensionale (2D)
Sonographie, die dreidimensionale (3D) Sonographie, die Farbdopplersonographie und
die Strain- und Shear-wave-Sonographie.
Bei der 2D-Sonographie erhält man zweidimensionale Bilder (Abb. 1), wobei auffällige
Befunde nach bestimmten vom Arbeitskreis
der DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) erstellten Kriterien
beurteilt werden. Hierzu zählen z.B. Form,
Achse, Rand, Echogenität, Schallfortleitung
und Komprimierbarkeit eines Tumors wie
Abb. 3: 3D-Sonographie. Darstellung eines gelappten Fibroadenoms (16x9x11 mm) in den drei senkrecht aufeinander stehenden Schnittebenen. Unten rechts Oberflächendarstellung der
Schnittfläche des Tumors. Die glatte Begrenzung und das Verdrängen des umliegenden Gewebes (= Kompressionsmuster)
sprechen für einen gutartigen Tumor.
Verfahren jedoch zur Entfernung von Fibro­
adenomen in Lokalanästhesie herangezogen.
In der Tumor-Nachsorge hat die Ultraschalluntersuchung heute einen festen Stellenwert,
da sie problemlos und risikofrei in kürzeren
Abständen durchgeführt werden kann.
Die Nachteile der Mammasonographie sind
in der geringeren Standardisierbarkeit der
Untersuchung (die Brust wird zwar als Ganzes untersucht, aber nur in einzelnen Abschnitten abgebildet) und im höheren personellen Aufwand zu sehen. Dabei spielt vor
allem die Erfahrung des Untersuchers eine
große Rolle. Dies gilt insbesondere für die
Erkennung von Mikrokalk, die bei der Ul-
sondern Volumenblöcke gespeichert, aus denen sich dann zweidimensionale Schnittebenen oder dreidimensionale Bilder rekonstruieren lassen. Im Multiplanarmodus werden die
drei senkrecht zueinander stehenden Schnittebenen gleichzeitig auf dem Monitor abgebildet (Abb. 3 u. 4). Im Tomographiemodus
werden mehrere parallel zueinander angeordnete zweidimensionale Bilder wie bei der
Computertomographie oder der Magnetresonanztomographie auf dem Monitor angezeigt.
Bei der Unterscheidung zwischen gutartigen
und bösartigen Tumoren hat sich insbesondere
die dritte, parallel zur Körperoberfläche verlaufende Ebene als wichtigste Ebene gezeigt.
Diese lässt sich nur mit der 3D-Sonographie
darstellen. Bei gutartigen Tumoren findet
man in dieser Ebene in den meisten Fällen
Abb. 4: 3D-Sonographie. Darstellung eines Mammakarzinoms
(16x9x11 mm) in den drei senkrecht aufeinander stehenden
Schnittebenen und als Oberflächenbild in der dritten Ebene
parallel zur Körperoberfläche (unten rechts). In der dritten Ebene lässt sich das typische strahlenförmige Muster um den echoarmen Tumor herum erkennen (= Retraktionsmuster).
auch die Architekturstörung des umgebenden Gewebes. Mit der Farbdoppleruntersuchung wird das Durchblutungsmuster eines
Tumors oder auffälliger Lymphknoten in der
Axilla beurteilt.
Eine neuere zweidimensionale Technik stellt
die Shear-wave-Elastographie dar. Bei diesem Verfahren wird die Gewebeelastizität
eines Tumors farbkodiert dargestellt. Gutartige Tumoren zeigen dabei eher eine hohe
(Abb. 2), bösartige Tumoren eher eine niedrige Elastizität.
Bei der 3D-Ultraschalluntersuchung werden
im Vergleich zur herkömmlichen 2D-Sonographie nicht nur zweidimensionale Bilder,
ein verdrängendes Wachstum (= Kompressions-Muster) (Abb. 3). Bei malignen Tumoren
kann hingegen in ca. zwei Drittel der Fälle ein
strahlenförmiges Muster um den Tumor beobachtet werden (= Retraktions-Muster) (Abb. 4
u. 5). In ca. einem Drittel der Fälle findet man
andere Muster, wie z. B. eine unregelmäßige
Außenbegrenzung. Mit dem sog. Glass bodyModus lassen sich Gefäße, die einen Tumor
oder einen vergrößerten Lymphknoten versorgen, räumlich erkennen (Abb. 6).
Einen weiteren Vorteil bietet die 3D-Sonographie bei der ultraschallgesteuerten Biopsie von
Brusttumoren. Während man mit der 2D-Sonographie die Nadellage nur in zwei Ebenen
darstellen kann, lässt sich die Nadel mit der
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 5
Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der weiblichen Brust
Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 4/2013
1. Zum Diagnostikspektrum der weiblichen Brust zählen die
bildgebenden Verfahren
a) digitale Mammographie,
b) Ultraschall (2D- und 3D-Sonographie),
c)Szintigraphie,
d) Magnetresonanz (MR)-Mammographie.
2. Bei der Mammasonographie kommen folgende Techniken
zum Einsatz
a) Strain- und Shear-Wave-Sonographie,
b)Farbdopplersonographie,
c) dreidimensionale Sonographie,
d) zweidimensionale Sonographie.
3. Zu den Kriterien des Arbeitskreises der DEGUM, nach denen
auffällige Befunde bei der 2D-Sonographie beurteilt werden,
zählen u.a.
a)Echogenität,
b)Schallfortleitung,
c)Rand,
d) Architekturstörung des umgebenden Gewebes.
4. Die Domäne der Mammasonographie liegt u.a.
a) bei der dichten Brust (ACR-Grad 3 und 4).
b) beim Nachweis von Mikrokalk.
c) in der engmaschigen Tumornachsorge.
d) bei der jungen Patientin mit einem schmerzhaften oder tast­
baren Befund.
5. Mit dem „Automatischen Brustvolumenscanner“ (ABVS) wird
a) jedes Karzinom erkannt.
b) die gesamte Brust dreidimensional abgebildet.
c) die gesamte Brust automatisch sonographisch erfasst.
d) die Beurteilung durch den Arzt überflüssig.
Richtige Antworten zum Beitrag:
„Zur Qualität klinischer Studien aus pharmazeutischer
Sicht“ in Heft 2/2013
Frage 1: b
Frage 2: b, d
Frage 3: a-d
Frage 4: a-d
Frage 5: c
Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2013
Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in
der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder­
lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der
Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende FaxNummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig
sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg!
Name:
Vorname:
Einrichtung:
Straße:
Per Fax: +49-40-79 14 03 02
PLZ/Ort:
Aktueller Stellenwert der Ultraschalldiagnostik bei der
weiblichen Brust
(Onkologische Pharmazie Nr. 4/2013)
Meine Antwort (X) lautet bei:
Frage 1:
a
b
c
d
Frage 2:
a
b
c
d
Frage 3:
a
b
c
d
Frage 4:
a
b
c
d
Frage 5:
a
b
c
d
6 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die
Fragen persönlich beantwortet habe.
Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes
interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung
meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der
erreichten Punktzahl.
Datum:
Unterschrift:
Abb. 5: 3D-Sonographie. Darstellung
eines kleinen Mammakarzinoms (6x4
mm) als Oberflächenbild in der dritten
Ebene parallel zur Körperoberfläche.
Selbst bei dieser geringen Größe kann
bereits ein Strahlenmuster in der dritten Ebene erkannt werden.
Abb.6: 3D-Sonographie. a. 3D-Oberflächendarstellung zweier Lymphknotenmetastasen
in der Axilla. Typisch ist die kugelige Auftreibung der Lymphknoten mit Auflösung der
normalen Organstruktur. b. Glass body-Modus mit dreidimensionaler Darstellung einer
auffälligen Gefäßversorgung einer Lymphknotenmetastase in der Axilla.
Abb. 7: Stanzbiopsie eines Mammakarzinoms mit Lagekontrolle der Nadel
mittels 3D-Sonographie. Die Darstellung
der Nadel in allen 3 Ebenen wie auch im
Oberflächenmodus (unten rechts) zeigt,
dass der Tumor exakt erfasst wurde.
3D-Sonographie in allen drei Ebenen kontrollieren und gegebenenfalls die Nadelrichtung
korrigieren, bevor der Tumor selbst punktiert
wird. Damit kann gewährleistet werden, dass
der Tumor stets korrekt erfasst wird (Abb. 7).
nerhalb der letzten 20 Jahre eine enorme
Entwicklung erfahren hat und mit den unterschiedlichen Anwendungsmethoden ein
breites diagnostisches Spektrum im Bereich
der Brust und Axilla aufweist.
American College of Radiology (ACR). ACR-BI-RADS®
– Ultrasound. In: ACR Breast Imaging Reporting and
Data System. Breast Imaging Atlas. In: Reston VA (Hrsg)
2003; American College of Radiology
Im Vergleich zum zweidimensionalen Ultraschall bietet die dreidimensionale Sonographie noch den weiteren Vorteil, dass damit
nicht nur Bilder, sondern Volumina verlustfrei digital abgespeichert werden können.
Dadurch können auffällige Befunde jederzeit nochmals neu geladen und durch einen
Zweituntersucher ergänzend beurteilt werden, ohne dass die Patientin anwesend sein
muss (= sog. virtuelle Untersuchung).
Als optimales bildgebendes Verfahren zur
Früherkennung von bösartigen Brusttumoren wird nach wie vor die Kombination von
Mammographie und Ultraschalluntersuchung angesehen.
Mit dem „Automatischen Brustvolumenscanner“ (ABVS), einem seit wenigen Jahren auf
dem Markt befindlichen Gerät, wird im Vergleich zum handgeführten Schallkopf die gesamte Brust automatisch sonographisch erfasst und dreidimensional abgebildet.
Unklare Befunde in der Mammographie wie
auch in der Sonographie werden heute üblicherweise mit der Magnetresonanz (MR)Mammographie abgeklärt. Diese Technik
zeigt derzeit die höchste Entdeckungsrate
von bösartigen Brusttumoren als Einzeluntersuchung. Hilfreich ist diese Technik auch
bei der Differenzierung zwischen Narbe und
Lokalrezidiv. Als Nachteile dieser Methode
werden von Kritikern aufgeführt, dass sie eine
hohe Expertise des Untersuchers erfordert,
dass damit eine hohe Rate an falsch positiven
Befunden von ca. 30% erzeugt wird und dass
die Untersuchung im Vergleich zu den anderen
bildgebenden Verfahren sehr teuer ist und die
Kosten von den Krankenkassen nur bei besonderen Indikationen übernommen werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass
die Mammasonographie insbesondere in-
Die Domäne der Mammasonographie ist
derzeit bei der jungen Patientin mit einem
schmerzhaften oder tastbaren Befund, bei der
dichten Brust (ACR-Grad 3 und 4), bei Patientinnen, die eine Mammographie ablehnen,
in der engmaschigen Tumornachsorge und in
der Abklärung von Axillabefunden zu sehen.
Obwohl man in Deutschland von einem sonographischen Brustkrebs-Screening entsprechend dem Mammographie-Screening
noch weit entfernt ist, wird ein solches in
Österreich bereits getestet.
LITERATUR
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Metastases in Patients with Breast Cancer. Ultraschall
in Med 2011; 32: 393–399
AUTOR:
Prof. Dr. med. Prof. h.c. Eberhard Merz
Chefarzt der Frauenklinik
Zertifiziertes Brustzentrum
Mamma-DEGUM Stufe III
Krankenhaus Nordwest
Steinbacher Hohl 2-26
60488 Frankfurt/Main
Telefon: 069-7601-3579
Telefax: 069-7601-3613
E-Mail: [email protected]
E-Mail: [email protected]
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 7
Kommentar des Herausgebers
Kommentar des Herausgebers
Die Tat muss dem Worte folgen.
Klaus Meier
D
ie Apothekenbetriebsordnung erregt
noch immer die Gemüter. Die Aufsichts­
beamten sind noch immer dabei, die Worte
des Gesetzes richtig zu deuten. Alle maß­
geblich Betroffenen versuchen sich eben­
falls in ihrer vermeintlichen Deutungshoheit.
Dabei scheinen sie ganz zu übersehen, dass
nach den Wahlen ein großes Ringen um die
große Koalition begonnen hat und aufgrund
der Vielfalt der Themen die Öffentlichkeit
den Ausstieg aus der Problemdebatte zu
nehmen scheint. Wenn denn die Maut für
die Ausländer durchgesetzt ist und die Ab­
hörung der Kanzlerin ausgeschlossen bleibt,
der Mindestlohn nicht ausgeschlossen ist,
dann scheint doch alles sich zum Guten zu
wenden.
Weit ab von dieser Diskussion hat das Sta­
tistische Bundesamt interessante Ergeb­
nisse veröffentlicht: Die Gefahr an Krebs zu
sterben nimmt zu. Bei den ausländischen
Mitbürgern ist sie sogar zur Todesursache
Nr. 1 avanciert. Hinsichtlich der Krankheits­
kosten nahmen die krankhaften Neubildun­
gen (Krebs) jedoch nach Krankheiten des
Kreislaufsystems, der Verdauungsorgane,
der Psyche und Verhaltensstörungen und
des Muskel-Skelett-Systems schließlich mit
7,1 % aller Krankheitskosten den 5. Rang
ein. Demgegenüber aber hatten bei dem
Verlust der Erwerbstätigkeit die Krebser­
krankungen mit 12,4 % den Rang 3, nach
Verletzungen und psychischen Verhaltens­
störungen, inne¹.
In Kenntnis dieser Daten kann ich die Ver­
suche einzelner Krankenkassen, die Versor­
gung krebskranker Patienten mittels Aus­
schreibung kostengünstiger zu gestalten,
nicht nachvollziehen. Ist es doch bekannt­
lich so, dass ein Viertel aller zukünftigen
Neuzulassungen auf orale Krebsmedika­
mente zielt und der Anteil der parenteralen
Verabreichungen in Zukunft abzunehmen
scheint.
Was treibt diese Krankenkassen gerade­
zu mit krankhaftem Ehrgeiz dazu, die Aus­
schreibungen zu einer Glaubensfrage zu er­
klären? Offensichtlich in einer Allianz mit ei­
nem Teil der pharmazeutischen Firmen sind
die Krankenkassen gewillt, die Versorgungs­
landschaft grundsätzlich umzukrempeln.
Die Ausschreibungen haben ein wichtiges
Ziel, durch den alleinigen Fokus auf den
billigsten Preis, den industriellen Wettbe­
werb über die Inhaber geführten Apotheken
hereinbrechen zu lassen. In diesem Wett­
bewerb soll das Feld bereinigt werden. In­
haltlich mit dem Aufruf nach sicherer Her­
stellung gewappnet, sollen die Apotheken
vom Kriegsschauplatz verschwinden. In der
nachfolgenden Monopolisierung ließe sich
als Kriegsgewinnler dann eine eigene Preis­
politik erarbeiten.
Der Schreck der Mangelversorgung, der uns
das ganze Jahr nicht ruhen lässt und uns
täglich vor Augen führt, dass eine sichere
Versorgung seitens der Hersteller unter den
bestehenden Bedingungen nicht gewährleis­
tet wird, soll in Zukunft das Seinige tun, um
8 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
dieses langfristige Ziel zu erreichen. Takti­
sche Verluste werden dabei unter Getöse
akzeptiert.
Was lässt sich daraus ableiten?
Allianzen halten nicht ewig, wenn diese auf
den Augenblick gerichtet sind.
Zum einen, dass bei der Plünderung der Her­
stellungspauschale, dem einzigen wozu sich
das Ministerium für Gesundheit per Schnell­
schuss verleiten ließ. Sowie zum anderen,
die weitschweifige Formulierung zur Umset­
zung von Qualitätskriterien in der Apotheke,
die bei bösartiger Auslegung das Gegenteil
bewirken soll und die ortsnahe Versorgung
von Krebskranken wie Korn zwischen zwei
Mahlsteinen zu zerreiben drohen.
Es mag sich wohl zeigen, dass die zögerli­
che Zertifizierung von Apotheken, die mit
der Betreuung Krebskranker beschäftigt
sind, kein einheitliches und umfassendes
Bild der Qualitätsnorm zulässt und somit
die Diskussion um eine Dienstleistung, die
mehr als die reine Herstellung umfasst, nicht
zum aktuellen Gegenstand der Diskussion
- nicht einmal im engen Berufskreis - zählt.
Dabei bietet der Qualitätsstandard für den
pharmazeutisch-onkologischen Service
(QuapoS), der nunmehr in der 5. Fassung
seit 1996 vorliegt, den Handelnden eine bra­
vouröse Grundlage zur Präsentation spezi­
fischer pharmazeutischer Qualitätsarbeit.
Dienstleistung ist eben mehr als die Prü­
fung, Entwicklung, Herstellung und Abgabe
Kommentar des Herausgebers
von Arzneimitteln verbunden mit Beratung,
wie es die alte Apothekenbetriebsordnung
allein vorschrieb. Nunmehr ist laut § 1a Abs.
3 Nr. 6 das Medikationsmanagement hinzu­
gekommen, „mit dem die gesamte Medikati­
on des Patienten, einschließlich der Selbst­
medikation, wiederholt analysiert wird mit
den Zielen, die Arzneimitteltherapiesicher­
heit und die Therapietreue zu verbessern,
indem arzneimittelbezogene Probleme er­
kannt und gelöst werden.“
In diese Ausgangslage stößt ein gemeinsames
Thesenpapier nachfolgender Organisationen:
rungen im Gesundheitswesen“ sei. Sondern
„die Zahl von neu erkrankten Krebspatien­
ten wird in den nächsten 10 Jahren um etwa
15% steigen. Es besteht ein dringender ge­
sundheitspolitischer Handlungsbedarf, die
derzeitige onkologische Versorgung an die
bestehenden Realitäten anzupassen und auf
zukünftige Anforderungen im Sinne und im
Interesse der Patienten vorzubereiten.“
In diesem Papier der Berufsverbände von
Ärzten, Apothekern und des Krankenpfle­
gepersonals, wird unter anderem gefordert:
„Die Langzeitfolgen einer Krebserkran­
AkdÄ – Arzneimittelkommission der deut­
schen Ärzteschaft,
Allianz gegen Brustkrebs e.V.,
BNGO –Berufsverband Niedergelassener
Gynäkologischer Onkologen in Deutsch­
land e.V.,
BNHO – Berufsverband der Niedergelas­
senen Hämatologen und Onkologen in
Deutschland e.V.,
DGHO – Deutsche Gesellschaft für Häma­
tologie und Medizinische Onkologie e. V.,
DGOP – Deutsche Gesellschaft für Onkolo­
gische Pharmazie e.V.,
DKG – Deutsche Krebsgesellschaft e.V.,
KOK – Konferenz Onkologischer Krankenund Kinderkrankenpflege in der Deutschen
Krebsgesellschaft e.V.,
VZA – Verband der Zytostatika herstellen­
den Apothekerinnen und Apotheker e.V.
Dort wird festgestellt, dass nicht nur die Ver­
sorgung der steigenden Zahl von onkologi­
schen Patienten eine der großen Herausforde­
kung müssen evaluiert werden.
Die Betreuung der Patienten durch eine
qualifizierte Beratung durch den Arzt und
den spezialisierten Apotheker ist im Rah­
men der künftig zunehmenden oralen Che­
motherapie sicherzustellen.
Ausnahmeregelungen für Rabattverträge
und ein Ausschreibungsverzicht bzw. das
Verbot des Abschlusses von Selektivver­
trägen zur Sicherung einer durchgehenden
und verlässlichen Versorgung sind in die
Gesetze aufzunehmen (zur Vermeidung
von Arzneimittel-Engpässen).
Wir brauchen eine starke ambulante on­
kologische Versorgung in der Fläche.
Die intersektorale und interdisziplinäre
Kooperation muss ohne übermäßige Re­
glementierung ausgebaut werden.“
Wollen wir erreichen, dass die Möglichkei­
ten für die Umsetzung dieser Forderungen
ergriffen werden, sind wir als Betroffene
zusätzlich gefordert.
Denn nicht um unserer Willen treten wir als
onkologische Pharmazeuten für eine bes­
sere Versorgung ein. Die Krebspatienten,
die künftig zur größten Gruppe der behand­
lungsbedürftigen Erkrankten werden, bedür­
fen einer solchen qualifizierten Beratung.
Die Initiative, die im Juni mit der Dresdener
Erklärung² auf dem 5. NZW-Dresden begon­
nen wurde und die Parteien vor der Bundes­
tagswahl auch zu Aussagen herausforderte,
ist heute aktueller denn je. Noch haben diese
Gedanken keinen nachhaltigen Eindruck auf
die Parteien gemacht, die jetzt die Interes­
sen gegeneinander abwägen, um zu einem
gedeihlichen Miteinander zu kommen. Die
Dienstleistung, die gesetzlich eingefordert
wird, muss eine sachliche Grundlage haben!
Apotheken, ohne definierte Qualität, zig Ki­
lometer entfernt vom Patienten, sind nicht
in der Lage, nur dem billigsten Preis gehor­
chend, diesen Patienten sachgerecht und zu­
gewandt pharmazeutisch zu betreuen. Die­
sem Mißstand kann neben der Botschaft an
die Politiker mit einer verstärkten Umsetzung
der QuapoS-Zertifizierung begegnet werden.
Patienten erwarten von uns Redlichkeit und
Können. Dies können wir durch unsere Ak­
tionen unter Beweis stellen.
1Karin Böhm. Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung. Kap. 9.1 in Datenreport 2011: 215-39
2Onkologische Pharmazie, 15. Jg. Nr. 3/2013: 33
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 9
Primärprävention des Mammakarzinoms
Primärprävention des Mammakarzinoms
Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten und Günther J. Wiedemann, Ravensburg
Zusammenfassung
Einige Faktoren, die das Brustkrebsrisiko erhöhen, wie Übergewicht, körperliche Inaktivität, hoher Alkoholkonsum, Diabetes oder Hormonersatztherapie, können durch Änderungen des Lebensstils günstig beeinflusst werden. Bei erhöhtem Risiko aufgrund nicht
modifizierbarer Risikofaktoren, wie höheres Lebensalter, hereditäre Brustkrebsformen,
Kinderlosigkeit, frühe Menarche oder späte Menopause, kann nach individueller NutzenRisiko-Abwägung eine medikamentöse (Tamoxifen, Raloxifen, Aromatasehemmer) oder
chirurgische (bilaterale Mastektomie) Primärprävention in Betracht gezogen werden. Der
Stellenwert anderer medikamentöser Interventionen, z.B. mit nicht steroidalen Antirheumatika, Vitamin D oder Antidiabetika ist bisher noch nicht ausreichend geklärt. Da
medikamentöse und chirurgische Primärprävention gleichbedeutend mit einer Therapie
gesunder Frauen mit lediglich statistisch erhöhtem Risiko ist, kann eine entsprechende
Entscheidung nur gemeinsam mit der betroffenen Frau nach sorgfältiger Nutzen-Risikobewertung getroffen werden.
Summary
Some risk factors for breast cancer like obesity, sedentary lifestyle, diabetes, alcohol abuse or
hormone replacement therapy are modifiable by lifestyle interventions. In women highly at
risk with non modifiable risk factors, like age, hereditary risks, nulliparity, early onset of menarche or delayed menopause, the use of substances like tamoxifen, raloxifene or aromatase
inhibitors may be considered after evaluation of the risks and benefits. In hereditary forms of
breast cancer (like BRCA 1, 2 mutations) bilateral mastectomy reduces the risk considerably.
The benefit of interventions like non steroidal anti inflammatory drugs, vitamin D or antidiabetics remains unclear. As preventive medication and surgery means treatment of healthy
women at only statistically elevated risk, the decision must be discussed with the patient considering risks and benefits in a shared decision-making process.
Key words
breast cancer prevention, risk assessment, risk reduction, chemoprevention, lifestyle interventions
Im Jahr 2010 gab das amerikanische National
Comprehensive Cancer Network (www.nccn.
org) aktualisierte Leitlinien zur Primärprävention des Mammakarzinoms heraus (1).
Das größte Gewicht wird hier auf die medikamentöse Prävention mit Tamoxifen und
Raloxifen bei Frauen mit erhöhtem Karzinomrisiko gelegt, dazu gibt es mittlerweile eine solide wissenschaftliche Datenbasis.
Auch für die bilaterale prophylaktische Mastektomie bei Patientinnen mit BRCA 1 und
2 Mutationen gibt es genügend Evidenz für
eindeutige Empfehlungen. Der Stellenwert
weiterer Interventionen, wie beispielsweise
die Einnahme von Aromatasehemmern, Antidiabetika, Vitamin D oder Nichtsteroidalen Antirheumatika wie ASS, Coxiben oder
Ibuprofen ist bisher nicht eindeutig geklärt.
Hier sind aber in naher Zukunft weitere interessante Studienergebnisse zu erwarten, die
möglicherweise Eingang in die Leitlinien
finden werden.
Eher stiefmütterlich behandelt wird das weite
Feld wirksamer Lebensstiländerungen, das
nach unserer Überzeugung deutlich mehr
Beachtung verdient. Risikoreduktionen um 25
bis 30 Prozent, die durch Lebensstilinterventionen wie Gewichtsreduktion oder vermehrte körperliche Aktivität erzielbar sind, haben
bisher viel zu wenig Eingang in das Denken
und Handeln von Ärzten gefunden. Dabei
sind diese Maßnahmen nicht, wie medikamentöse Interventionen, durch unerwünschte
Arzneimittelwirkungen belastet. Das ist ein
entscheidender Punkt, denn in der Primärprävention geht es um die Behandlung gesunder Frauen, um ein lediglich statistisch
fassbares und damit letztlich hypothetisches
Risiko zu reduzieren. Eine sehr sorgfältige
10 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Abwägung von Nutzen und Risiko ist daher
von elementarer Bedeutung. Letztlich kann
nur die betroffene Frau selber die Entscheidung treffen, ob sie bereit ist, eine medikamentöse Dauertherapie oder eine chirurgische Intervention für eine mehr oder weniger
wahrscheinliche Krebsvermeidung in Kauf
zu nehmen.
Medikamentöse Prävention
Eine medikamentöse Prävention kommt nur
für Frauen in Frage, die ein deutlich erhöhtes
Brustkrebsrisiko haben. Etablierte Risikofaktoren sind höheres Lebensalter, familiäre/
genetische Risiken (Brustkrebs bei Verwandten 1. Grades, besonders bei prämenopausaler
Erkrankung; Mutation von BRCA 1 und
2, TP53 und PTEN), reproduktive Parameter (Menarche vor dem 12. Geburtstag,
Menopause nach dem 52. Geburtstag, Kinderlosigkeit oder erstes Kind nach dem 30.
Lebensjahr, nicht gestillt), Übergewicht, hoher Alkoholkonsum, auffällige Befunde der
Brustdrüse (hohe mammografische Dichte,
Biopsien aufgrund unklarer mammografischer
Befunde, atypische Hyperplasien, Lobuläres
Carcinoma in situ LCIS), mehrjährige Einnahme von Hormonersatztherapie.
Es ist schwierig, anhand all dieser Faktoren das individuelle Risiko einer Frau abzuschätzen. Hilfreich ist hier das so genannte
Gail-Modell, ein Risiko-Score für Frauen
ab 35, mit dem anhand weniger Fragen das
Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre an
Brustkrebs zu erkranken, in Prozent ermittelt
wird. Das Modell erfasst nicht das Risiko bei
BRCA-Mutationen und früherer thorakaler Strahlentherapie (stark erhöhtes Risiko,
z.B. nach M. Hodgkin im Jugendalter). Gemäß den amerikanischen Leitlinien wird eine
medikamentöse Prävention ab einem nach
dem Gail-Modell ermittelten 5-Jahresrisiko
von 1,7 Prozent empfohlen bzw. für Frauen
mit LCIS. Der Fragebogen wird online unter www.cancer.gov/bcrisktool ausgefüllt, die
Risikoberechnung erfolgt unmittelbar danach
automatisch. Tabellen 1 und 2 zeigen die on-
Primärprävention des Mammakarzinoms
line erzielten Ergebnisse für zwei verschiedene Frauen. Mit einem Gail-Score von 3,6
Prozent wäre die Frau in Beispiel 2 eine Kandidatin für eine medikamentöse Prävention.
Tamoxifen und Raloxifen
Tamoxifen ist in der Primärprävention für
prä- und postmenopausale Frauen ab 35 Jahren zugelassen. 20 Milligramm Tamoxifen pro
Tag, über fünf Jahre gegeben, reduzierten bei
prämenopausalen Frauen mit einem Gail-
Update 2013
Die aktuellen Empfehlungen der
American Society of Clinical Oncology
(ASCO) zur medikamentösen
Prävention von Mamma-Karzinomen
Im August 2013 veröffentlichte
die ASCO eine neue Clinical
Practice Guideline (J Clin Oncol
31:2942-2962). Die wesentlichen
Empfehlungen:
•Bei Frauen ab 35 Jahre, die ein
erhöhtes Brustkrebsrisiko haben
(5-Jahresrisiko mindestens 1,66 %),
ist Tamoxifen (20 mg pro Tag für 5
Jahre) eine Option, um das Risiko
eines Östrogenrezeptor-positiven
Mammakarzinoms zu reduzieren.
Tabelle 1
5-Jahresrisiko, an Brustkrebs zu erkranken:
Beispiel 1
Tabelle 2
5-Jahresrisiko, an Brustkrebs zu erkranken:
Beispiel 2
5 Year Risk
•This woman (age 53) 1.2%
•Average woman (age 53): 1.4%
5 Year Risk
•This woman (age 65) 3.6%
•Average woman (age 65): 2%
Explanation
Based on the information provided (see
below), the woman’s estimated risk for
developing invasive breast cancer over the
next 5 years is 1.2% compared to a risk
of 1.4% for a woman of the same age and
race/ethnicity. This calculation also means
that the woman’s risk of NOT getting breast
cancer over the next 5 years is 98.8%.
Explanation
Based on the information provided (see
below), the woman’s estimated risk for
developing invasive breast cancer over the
next 5 years is 3.6% compared to a risk of
2% for a woman of the same age and race/
ethnicity. This calculation also means that
the woman’s risk of NOT getting breast
cancer over the next 5 years is 96.4%.
Lifetime Risk
•This woman (to age 90): 9.4%
•Average woman (to age 90): 10.6%
Lifetime Risk
•This woman (to age 90): 13.1%
•Average woman (to age 90): 7.8%
Explanation
Based on the information provided (see
below), the woman’s estimated risk for
developing invasive breast cancer over her
lifetime (to age 90) is 9.4% compared to a
risk of 10.6% for a woman of the same age
and race/ethnicity.
Explanation
Based on the information provided (see
below), the woman’s estimated risk for
developing invasive breast cancer over her
lifetime (to age 90) is 13.1% compared to
a risk of 7.8% for a woman of the same age
and race/ethnicity.
These results are based upon the
following answers:
These results are based upon the
following answers:
•Bei postmenopausalen Frauen
sind Raloxifen (60 mg pro Tag für 5
Jahre) oder Exemestan (25 mg pro
Tag für 5 Jahre) weitere Optionen.
Does the woman have a medical
history of any breast cancer or of
ductal carcinoma in situ (DCIS) or
lobular carcinoma in situ (LCIS)?
No
Does the woman have a medical
history of any breast cancer or of
ductal carcinoma in situ (DCIS) or
lobular carcinoma in situ (LCIS)?
No
•Andere selektive
Östrogenrezeptor-Modulatoren
(Arzoxifen, Lasofoxifen) oder
Aromatasehemmer (Anastrozol)
sollten nur im Rahmen von Studien
zum Einsatz kommen.
What is the woman’s age?
53
What is the woman’s age?
65
What was the woman’s age at the
time of her first menstrual period?
12 to
13
What was the woman’s age at the
time of her first menstrual period?
7 to
11
What was the woman’s age at
the time of her first live birth
of a child?
25 to
29
What was the woman’s age at
the time of her first live birth
of a child?
No
births
How many of the woman’s
first-degree relatives – mother,
sisters, and/or daughters –
have had breast cancer?
0
How many of the woman’s
first-degree relatives – mother,
sisters, and/or daughters have had breast cancer?
1
Has the woman ever had a
breast biopsy?
No
Has the woman ever had a
breast biopsy?
No
a
How many breast biopsies
(positive or negative) has
the woman had?
n/a
a
How many breast biopsies
(positive or negative) has
the woman had?
n/a
b
Has the woman had at
least one breast biopsy
with atypical hyperplasia?
n/a
b
Has the woman had at
least one breast biopsy
with atypical hyperplasia?
n/a
White
What is the woman’s race/
ethnicity?
Score ab 1,7 Prozent das Brustkrebsrisiko
in fünf Jahren um 49 Prozent (absolut: 21,4
Fälle weniger pro 1000 Frauen) (2). Nach
weiteren 7 Jahren Follow-up lag die Risikoreduktion bei 43 Prozent (3). Neuere Untersuchungen konnten ähnlich positive Ergebnisse nur für Östrogenrezeptor-positive
Tumoren bestätigen (4), eine Reihe anderer
Studien sahen nur schwache primärpräventive Effekte. Die Nutzen-Risiko Bewertung
des Tamoxifens für prämenopausale Frauen
durch das National Comprehensive Cancer
Network fällt insgesamt positiv aus. Dennoch
entscheiden sich nur vier Prozent der Frau-
What is the woman’s race/
ethnicity?
White
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 11
Primärprävention des Mammakarzinoms
en, für die eine Prävention mit Tamoxifen in
Frage käme, tatsächlich für die Therapie (5).
Bisher ist die optimale Dauer der Therapie
nicht geklärt. Die number needed to treat
nach 5 Jahren beträgt 95; das heißt, 95 Frauen
müssten mit Tamoxifen behandelt werden,
um einen Fall von Brustkrebs zu verhindern.
Raloxifen ist in der Primärprävention ausschließlich für postmenopausale Frauen zugelassen. In der MORE Studie (6) reduzierte Raloxifen das Risiko eines invasiven
Mammakarzinoms gegenüber Placebo um
76 Prozent; dies ist vor allem der Abnahme Östrogenrezeptor-positiver Tumoren zu
verdanken, der Effekt auf Östrogenrezeptornegative Karzinome war gering (Risikoreduktion 12 Prozent). Die number needed to treat
betrug 126. Ein Update der MORE Studie
(CORE Studie, 7) kam zu folgenden Resultaten nach insgesamt acht Jahren Follow-up:
Reduktion des Risikos von invasivem Brustkrebs um 66 Prozent (wenn Östrogenrezeptor
– positiv: 76 Prozent).
Ein direkter Vergleich von Raloxifen und
Tamoxifen erfolgte in den NSABP STAR
Studien (8,9). Nach 8 Jahren erscheint Raloxifen etwas weniger effektiv vor allem in der
Verhinderung invasiver Karzinome als Tamoxifen. Thromboembolische Ereignisse
waren allerdings unter Raloxifen deutlich
seltener.
Unerwünschte Wirkungen
Bei postmenopausalen Frauen hängt die Nutzen-Risiko-Bewertung von Tamoxifen und
Raloxifen von Faktoren wie Alter, stattgehabter Hysterektomie und Komorbiditäten ab.
Eine äußerst umfangreiche statistische Untersuchung zur Nettobilanz der Chemoprävention hinsichtlich der Häufigkeit lebensbedrohlicher Erkrankungen (neben Brustkrebs
beispielsweise Lungenembolie, Endometriumkarzinom, Apoplex) bei unterschiedlichem
Risikoprofil der Patientinnen haben kürzlich
Freedman und Mitarbeiter vorgelegt (10); die
Details würden den Rahmen dieser Übersicht
sprengen, die Studie mit zahlreichen Risikotabellen ist aber im Internet als Volltext frei
zugänglich.
Bei der Beurteilung der Nutzen-Risiko-Relation sind unerwünschte Wirkungen und
Kontraindikationen zu beachten. Bekann-
te unerwünschte Wirkungen von Raloxifen sind Hitzewallungen, grippeähnliche
Symptome mit Gliederschmerzen, Muskelkrämpfe und periphere Ödeme. Tiefe
Venenthrombosen treten gehäuft auf (0,7
% unter Raloxifen, 0,2 % unter Placebo in
der MORE Studie), ebenso Lungenembolien (0,3 vs. 0,1 %). Hingegen steigt, im
Gegensatz zu Tamoxifen, nicht das Risiko eines Endometriumkarzinoms. Frauen,
die nicht hysterektomiert sind, werden sich
daher möglicherweise eher für Raloxifen
entscheiden. Hitzewallungen treten unter
Tamoxifen in 81 Prozent, unter Placebo in
69 Prozent auf. In der STAR Studie waren
Hitzewallungen unter Tamoxifen häufiger
als unter Raloxifen. Bei Tamoxifen ist von
einem erhöhten EndometriumskarzinomRisiko auszugehen (2,2 Fälle pro 1000 Frauenjahre unter Tamoxifen, 0,71 unter Placebo;
Herstellerangabe). Auch die Katarakthäufigkeit steigt leicht an. Das Thromboembolierisiko ist deutlich erhöht (11,12). Schlaganfälle treten unter Raloxifen und Tamoxifen
vergleichbar häufig auf.
Aromatasehemmer
Aromataseinhibitoren reduzieren den Plasma-Östrogenspiegel um rund 90 Prozent.
Aufgrund ihrer Bedeutung für die Reduktion von Rezidiven in der adjuvanten Therapie liegt eine relevante Wirkung in der Primärprävention nahe. Die Ergebnisse einer
großen randomisierten placebokontrollierten
Studie mit Exemestan erschienen 2011 (13).
Die jährliche Inzidenz invasiver Mammakarzinome sank für postmenopausale Frauen
mit moderat erhöhtem Risiko (Gail Score
im Mittel 2,3 Prozent) unter Exemestanbehandlung von 0,55 auf 0,19 Prozent; das
entspricht einer relativen Risikominderung
um 65 Prozent. Die number needed to treat
nach drei Jahren betrug 94. Unerwünschte
Wirkungen traten in der Interventionsgruppe in 88 Prozent auf, in der Kontrollgruppe
in 85 Prozent. Das sind erste Hinweise, dass
Aromatasehemmer eine günstigere RiskBenefit Ratio haben könnten als Tamoxifen
und Raloxifen.
Antidiabetika
Präklinische Studien haben gezeigt, dass
Metformin die maligne Zellproliferation
hemmt (14). Krebspatienten, deren Diabetes
mit Metformin behandelt wurde, zeigten eine
verminderte krebsspezifische Sterblichkeit
(15). Verlässliche Empfehlungen zu einem
12 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Einsatz von Antidiabetika in der Primärprävention sind zurzeit nicht möglich.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR),
COX-1 und 2 Inhibitoren
Die Datenlage zur Effektivität von NSAR
wie Coxiben, Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen ist widersprüchlich. Eine Metaanalyse
von Zhao und Mitarbeitern aus dem Jahr
2009 (16) zeigte eine relative Senkung des
Karzinomrisikos um rund 9 Prozent unter
ASS und rund 19 Prozent unter Ibuprofen,
wobei nur knapp Signifikanzniveau erreicht
wurde. Die Datenlage gibt es angesichts der
häufigen unerwünschten Wirkungen der
NSAR zurzeit nicht her, gesunden Frauen
solche Arzneimittel zur Primärprävention
zu empfehlen. Erst kürzlich wurde das nicht
unbeträchtliche Risiko gastrointestinaler Blutungen unter Dauertherapie mit ASS bestätigt (eine relevante Blutung pro 73 therapierten Patienten; 17) Anders erscheint die
Situation in der Sekundärprävention, im
Sinne einer adjuvanten Therapie. Hier zeigte sich im Rahmen einer prospektiven Beobachtungsstudie (18) unter Einnahme von
niedrig dosierter ASS eine beträchtliche Senkung der brustkrebsbedingten Mortalität um
bis zu 70 Prozent; gemessen an Effektivität
und Risiken herkömmlicher adjuvanter Therapien verdient dieser Ansatz sicher weitere
Aufmerksamkeit.
Bilaterale totale Mastektomie
Das Lebenszeitrisiko für Frauen mit BRCA
1 bzw. 2 Mutationen wird auf 56 bis 84 Prozent geschätzt. Die bilaterale Mastektomie
reduziert das Risiko bei Frauen mit hoher
familiärer Belastung oder BRCA-Mutation
um 90 Prozent (19,20). Die number needed
to treat liegt bei 6, es müssen also sechs Frauen mastektomiert werden, um einen Fall von
Brustkrebs zu verhindern (21). Psychische
Belastung, Körperbildstörungen und Partnerschaftsprobleme können auftreten. Sofern eine betroffene Frau die Mastektomie
wünscht, sollte sie auf die Möglichkeit des
unmittelbaren Wiederaufbaus der Brust hingewiesen werden.
Lebensstil
Vor fast zehn Jahren sprach das amerikanische National Cancer Institute erstmals von
Primärprävention des Mammakarzinoms
der Notwendigkeit, aussagekräftige Studien
durchzuführen, die die Rolle von Bewegung,
Ernährung und Gewichtskontrolle für Prävention und Prognose von Krebserkrankungen beleuchten (22). Zahlreiche retrospektive
und epidemiologische Studien haben gezeigt,
dass es Risikofaktoren für die Entstehung
eines Mammakarzinoms gibt, die durch den
persönlichen Lebensstil beeinflussbar sind.
Ein Bericht des World Cancer Research
Fund (23) über diese Zusammenhänge im
Jahr 2007 führte zur Durchführung weiterer
relevanter, auch prospektiver Studien, von
denen erste Ergebnisse vorliegen. Es wird
geschätzt, dass in Deutschland allein durch
eine weitere Eingrenzung der Hormonersatztherapie und eine Steigerung der durchschnittlichen körperlichen Aktivität die Inzidenz des postmenopausalen, insbesondere
des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms um fast 30 Prozent gesenkt werden
könnte (24).
Übergewicht
Adipositas stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Entstehung und die Prognose des Mammakarzinoms dar (25); dies gilt
insbesondere für postmenopausale Frauen.
Postmenopausale Frauen, die seit ihrem 18.
Lebensjahr mindestens 25 kg zugenommen
haben, haben ein 45 Prozent erhöhtes Brustkrebsrisiko (26). Ursächlich sind hier u.a. eine
vermehrte Östrogenbildung im Fettgewebe,
bestimmte Adipokine und eine begleitende
Insulinresistenz. Tatsächlich ist Diabetes Typ
2 mit einem höheren Brustkrebsrisiko vergesellschaftet (27). Die Rolle von Insulin bei
der Krebsentstehung ist Gegenstand neuerer
Studien (28,29), auch die Insulin-like Growth
Factors (IGF) als endokrine Mediatoren des
Wachstumshormons stehen zurzeit im wissenschaftlichen Fokus. Es gibt vermutlich
eine Vielzahl endokriner Faktoren im Zusammenhang mit Übergewicht und Metabolischem Syndrom, die das Tumorwachstum fördern. Alle Maßnahmen, die gegen das
Metabolische Syndrom gerichtet sind (u.a.
Gewichtsabnahme, Bewegung, Begrenzung
der Kalorien- und Kohlenhydratzufuhr, antidiabetische Arzneimittel (siehe dort) sind
daher gleichzeitig auch Präventivmaßnahmen
gegen das Mammakarzinom. Eine präventiv
wirksame Gewichtsabnahme bei Übergewicht sollte mindestens 10 Prozent des Ausgangsgewichts betragen, dies ist allerdings
bisher ein Schätzwert (30).
Bewegung
Körperliche Aktivität (Sport und Alltagsaktivitäten) senkt das Krebsrisiko über verschiedene Mechanismen, u.a. durch eine
Reduzierung der Östrogen- (31), Glukose-,
Insulin- und IGF-1 (Insulin Like Growth
Factor)- Spiegel. Eine Vielzahl epidemiologischer Studien legt eine Minderung des
Mammakarzinomrisikos um ca. 25 Prozent
gegenüber körperlich inaktiven Frauen nahe,
wenn wöchentlich 10-15 MET (siehe Kasten) an körperlicher Aktivität erbracht werden (32).
Bewegung ist nicht nur effektiv in der Primärprävention, sondern hat auch Einfluss auf
die Prognose von Mammakarzinompatientinnen. Bei Frauen, die nach einer Brustkrebserkrankung körperlich aktiv wurden (entsprechend zwei bis drei Stunden Walking pro
Woche), war die Mortalität um 45 Prozent
geringer als bei Frauen, die auch nach der
Krebserkrankung körperlich inaktiv blieben
(33). In einer großen prospektiven Untersuchung etablierten Michelle Holmes und
Mitarbeiter (34) eine Dosis-Wirkungs-Beziehung von sportlicher Aktivität und Brustkrebssterblichkeit. Verglichen mit körperlich
inaktiven Frauen sank das relative Mortalitätsrisiko auf 80 Prozent bei wöchentlich 3-9
MET, auf 50 Prozent bei 9-15 MET und auf
rund 60 Prozent bei darüber liegenden Belastungen. Eine optimale sportliche Aktivität
hinsichtlich der Prognose von Brustkrebspatientinnen stellen also drei bis fünf Stunden
Walking pro Woche (oder entsprechende Belastungen) dar.
Ernährung
Den Einfluss einzelner Komponenten der
Ernährung auf die Karzinomentstehung
zu erfassen, ist methodisch schwierig. Zunehmend wird daher ein bestimmtes Ernährungsmuster (z.B. mediterrane Kost) als
Kriterium herangezogen. Eine Metanalyse
aus dem Jahr 2010 (35) zeigte hinsichtlich
der Prävention einen Trend zugunsten einer
Ernährung, in der Obst, Gemüse, Geflügel,
Fisch, fettarme Milchprodukte und Vollkornprodukte überwiegen, im Vergleich zu
einer Ernährung, die reich an rotem Fleisch,
fetten Milchprodukten und schnell verwertbaren Kohlenhydraten ist. Hier ist allerdings
zu berücksichtigen, dass Personen, die auf
eine „gesunde“ Ernährung achten, in der Regel auch weniger rauchen, weniger Alkohol
trinken und sich mehr bewegen. Eine große
Interventionsstudie der Women´s Health
Initiative (36) zeigte, bei allerdings geringer
Compliance der Interventionsgruppe, eine
geringe, nicht signifikante Senkung des Karzinomrisikos durch Reduzierung des Fettkonsums. Diskutiert wird ein protektiver
Effekt von Vitamin D (37). Die Datenlage
ist hier aber noch zu inkonsistent, um Empfehlungen für die Primärprävention aussprechen zu können (38).
Metabolisches Äquivalent (MET)
MET ist ein Maß für die Intensität
körperlicher Belastung. Ein MET
entspricht einem Kalorienverbrauch
von 1 kcal pro Kilogramm Körper­
gewicht pro Stunde. Bei 3-6 MET
spricht man von moderater, darüber
von intensiver körperlicher Aktivität.
Einige Beispiele:
1 MET
= ruhiges Sitzen
2,5 MET = leichte Hausarbeit
3 MET
= zügiges Gehen
4 MET
= Gartenarbeit
6 MET
= mäßig schnelles Joggen
7 MET
= Schwimmen, langsam
8 MET
= Rad fahren (25 km/h)
11 MET = schnelles Joggen, schnelles
Schwimmen
Alkoholkonsum
Alkohol begünstigt die Entstehung von
Mammakarzinomen genauso wie von zahlreichen anderen malignen Tumoren. Als Faustregel kann gelten, dass 10 Gramm Alkohol
pro Tag das relative Brustkrebsrisiko um rund
10 Prozent steigern (23). Ein bis zwei Drinks
pro Tag sind mit einer rund 30-prozentigen
Steigerung des Brustkrebsrisikos verbunden
(39). Frauen sollten, neben vielen anderen
gesundheitlichen Aspekten, auch aus diesem
Grund maximal 100 ml Wein oder 200 ml
Bier pro Tag trinken.
Rauchen
Rauchen galt lange Zeit als protektiv hinsichtlich des Mammakarzinoms, da Raucherinnen
weniger Östrogene bilden. Dies trifft jedoch
nicht für prämenopausale Frauen zu, wie eine
prospektive Kohortenstudie im Rahmen der
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 13
Primärprävention des Mammakarzinoms
großen Nurses’ Health Study aus dem Jahr
2011 zeigte (40). Je jünger die Frauen waren, je länger und je mehr sie rauchten, umso
größer war ihr Karzinomrisiko. Dies galt insbesondere, wenn Frauen bereits vor der Geburt des ersten Kindes rauchten, ihr relatives
Mammakarzinomrisiko stieg nach 20 Jahren
(bei einer Packung pro Tag) um 18 Prozent.
Begrenzung der Hormonersatztherapie
Seit der Publikation der großen WHI
(Women´s Health Initiative) Studie 2002
(41), kurz darauf gefolgt von der britischen
Million Women Study (42), gilt als gesichert,
dass die auch zuvor schon bekannte Erhöhung des Brustkrebsrisikos durch eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Ersatztherapie
bei postmenopausalen Frauen nicht durch
eine Minderung des kardiovaskulären Risikos
kompensiert wird. Roussow und Mitarbeiter
(41) fanden für die Kombinationstherapie eine
relative Risikoerhöhung von 26 Prozent, allerdings nicht bei alleiniger Östrogentherapie bei
hysterektomierten Frauen. Im Gegensatz dazu
zeigte sich in der Million Women Study und
in der Nurses’ Health Study (43) auch für die
alleinige Östrogentherapie ein erhöhtes Risiko
(Risikosteigerung 30 bzw. 43 Prozent). Die
Risiken einer Hormonersatztherapie müssen
gegen den Nutzen, insbesondere bei der Linderung vasomotorischer Symptome (Hitzewallungen) abgewogen werden; generell gilt,
dass wegen des erhöhten Brustkrebsrisikos,
das mit der Hormonersatztherapie verbunden
ist, diese so kurz und so niedrig dosiert wie
möglich durchgeführt werden soll.
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Theo-Mülders-Straße 92,
47918 Tönisvorst,
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Dr. med. Sabine Thor-Wiedemann
Medizinpresse
Altdorfstraße 5
88250 Weingarten
[email protected]
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Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des
Karl Demeter Verlags im Georg Thieme Verlag,
Stuttgart.
Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen
der PTA-Weiterqualifizierung:
„PTA Onkologie (DGOP)“
Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden:
am 1. September 2013
Ahlroth, Luisa /Kassel
Ahrenberg, Nicki /Berlin
Epp, Anna /Porta-Westfalia
Fischer, Isolde /Fürth
Göckeritz, Nadine /Cottbus
Hecht, Katrin /Göttingen
Kanigowski, Sylvia /Kassel
Kohlmai, Svetlana /Dormagen
Krüger, Gabriele /Neuruppin
Tittlus, Christin /Berlin
Wafai, Diba /Hamburg
am 22. September 2013
Bukvarevic, Merisa /Osnabrück
Ertmer, Andrea /Hildesheim
Faltus, Julia /Halle
Frowein, Sabine /Schwelm
Hafner, Christine /Klagenfurt
Hautzel, Stephanie /Siegen
Hoffmann, Ines /Halle
Jähnig, Gabi /Klagenfurt
Kreidler, Stefanie /Baden-Baden
Oelke, Katharina /Hannover
Schiz, Nelli /Wolfsburg
Chefredakteurin:
Dr. Karla Domagk, Cottbus
Fotos:
Seite 49 oben: Knape/www.istockphoto.com,
Seiten 47 oben: Sasa/www.istockphoto.com
Redaktion:
Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen;
Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja
Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg;
Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur;
Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus,
Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem
Potenberg, Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover;
Thomas Schubert, Mönchen­gladbach; Wioletta
Sekular, Tönisvorst; Dr. Gisela SproßmannGünther, Berlin;
Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine ThorWiedemann, Ravensburg.
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut,
Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn;
Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für
Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie
und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik
Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader,
Universitäts­klinik für Innere Medizin I,
Medizinische Universität Wien; Sigrid RosenMarks, Hamburg; Carola Freidank, Hannover.
Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks,
der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungs­
anlagen sind vorbehalten und bedürfen der
schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt
eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf
vertrauen, dass Autoren und Redak­tion größte
Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche
Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung.
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unbedingt die Meinung der Redaktion dar.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 15
12. NZW-Süd
NZW Süd in Ravensburg 13. und 14. September 2013
12. NZW Süd in Ravensburg
13. und 14. September 2013
Adé und Grüß Gott
Viele Besucher des NZW Süd haben die
stilvolle Atmosphäre des Konzerthauses und
den Charme der lebendigen mittelalterlichen
Stadt Ravensburg zu schätzen gelernt. Dennoch bricht der Kongress zu neuen Ufern auf
und wird ab dem nächsten Jahr in München
stattfinden (12. und 13. September 2014).
Jetzt heißt es also: Adé Ravensburg, Grüß
Gott München!
Das passt zur generellen Aufbruchsstimmung
in der DGOP, die mit ihrer Oralia-Initiative ihren Wirkungskreis erweitert und mehr
onkologische Fachkompetenz auch bei den
Offizinapothekern anstrebt.
Kongresspräsident Prof. Günther Wiedemann
betonte in seiner Begrüßung, welche großen
Herausforderungen nicht nur auf onkologisch
tätige Ärzte, sondern auch auf Apotheker zu-
kommen. Die Zahl der Krebspatienten wird in
den nächsten 20 bis 30 Jahren stark ansteigen,
viele von ihnen werden orale Medikamente
erhalten. Die nötige Beratungskompetenz in
den Apotheken muss jetzt dringend geschaffen werden. DGOP-Präsident Klaus Meier
sieht die Fachgesellschaft dafür gut gerüstet: die DGOP bietet umfangreiche Fortbildung sowie seit kurzem auch eine OraliaDatenbank, auf die online zugegriffen werden
kann. Zurzeit gibt es bereits 90 Referenten
der DGOP, die bundesweit in den Apotheken über Oralia informieren – und es sollen
noch mehr werden.
Apropos: Auf dem Kongress konnte das 1000.
Mitglied der DGOP begrüßt werden, eine
Kollegin aus der
nahen Schweiz.
16 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
12. NZW-Süd Komedikationen
in Ravensburg
GastrointestinaleArzneimittelinteraktionenoralerAntitumortherapeutika:Essen,Trinken,Lebensstil,Einnahmezeitpunkte,
Gastrointestinale Arzneimittelinteraktionen
oraler Antitumortherapeutika: Essen, Trinken,
Lebensstil, Einnahmezeitpunkte, Komedikationen
Jürgen Barth, Gießen
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Oralia,
die in der onkologischen Therapie eingesetzt
werden (Abb. 1). Bei jeder dieser Substanzen
sind gastrointestinale Arzneimittelinteraktionen möglich.
→
→
→
→
→
→
•
→
Einnahme mit oder ohne Nahrung?
Alkylanzien:
Busulfan
Chlorambucil
Estramustin
Lomustin
Melphalan
Oxazaphosphorine
→
→
Procarbazin
Temozolomid
Treosulfan
Nahrung oder Nahrungsbestandteile können
zu nachteiligen Reaktionen führen, z.B. einer
verzögerten Magenpassage und entsprechender Verzögerung der Resorption. Dies ist ein
Problem, wenn schnelle Spitzenspiegel benötigt werden.
Reaktionen mit Nahrungsbestandteilen
vermindern die Bioverfügbarkeit; Beispiele
sind mehrwertige Kationen (Ca2+, Mg2+,
Fe2+/3+…) in Mineralwasser mit resultierender Unterdosierung durch Bildung unlöslicher Komplexe (Tetrazykline, Bisphosphonate, Gyrasehemmer, Eltrombopag).
Umgekehrt kann durch die Nahrung die
Auflösung von Substanzen auch verbessert
und die Bioverfügbarkeit gesteigert werden
(Toxizität?), möglich ist das z.B. bei Erlotinib, Lapatinib, Nilotinib, Pazopanib und
Posaconazol. Das bedeutet für den Apotheker, Einnahmevorschriften zwar zu beachten,
aber auch kritisch zu hinterfragen. Was bedeutet z.B. „Nüchterneinnahme“, wenn die
Magen-Darm-Transitzeit je nach Nahrung
zwischen 2 und 9 Stunden betragen kann?
Reicht die Einnahme eine halbe Stunde vor
einer Mahlzeit, um von „Nüchterneinnahme“
sprechen zu können?
So wird z.B. im Fall von Melphalan die Einnahme eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit
empfohlen. Es ist davon auszugehen, dass
dies keine Nüchterneinnahme ist. Je nach
L-Leucingehalt der Nahrung kann die Bio-
Cyclo-, Trofosfamid
→
→
→
→
→
Vinca-Alkaloide
→ Vinorelbin
Podophyllotoxinderivate
• Capecitabin
→ Etoposid
• UFT (Tegafur : Uracil)
• Tegafur : Gimeracil : Oteracil Topoisomerase I Hemmer
→ Topotecan
6-Mercaptopurin
Topoisomerase II Hemmer
6-Tioguanin
→ Idarubicin
Fludarabinphosphat
IMIDs®
Methotrexat
→ Lenalidomid
→ Thalidomid
Sonstige
→ Hydroxycarbamid
→ Mitotane
→ Hormone/Anti-Hormone
Antimetabolite:
5-FU-Derivate
Neu sm-KIs:
Afatinib
2.
Axitinib
3.
Bosutinib
4.
Crizotinib
5.
Dabrafenib
6.
Dasatinib
7.
Erlotinib
8.
Everolimus
9.
Gefitinib
10. Imatinib
11. Lapatinib
12. Nilotinib
13. Pazopanib
14. Ponatinib
15. Regorafenib
16. Sorafenib
17. Sunitinib
18. Trametinib
19. Vandetanib
20. Vemurafenib
21. Vismodegib
1.
Abb. 1
verfügbarkeit dann massiv eingeschränkt sein,
siehe Kasten:
Auch die Resorption von etlichen Tyrosinkinaseinhibitoren wird stark von der Nahrungsaufnahme beeinflusst (siehe Seite 30,
Vortrag Freidank, Abb. 8)
Womit wird am besten eingenommen?
Medikamente sollen in aufrechter Körperhaltung mit mindestens 100 ml, besser 250
ml (Leitungs-)Wasser in hinreichend großen
Schlucken, d.h. > 10 ml pro Schluck, eingenommen werden. Bei Einnahme im Liegen
besteht ein großes Risiko, dass Tabletten in
der Speiseröhre hängen bleiben (Abb. 2).
Verschiedene Einflussfaktoren auf
die Bioverfügbarkeit
Einfluss von Nahrung auf die
Bioverfügbarkeit von Melphalan
•Resorption durch Anwesenheit von
L-Leucin kompetitiv vermindert
–Adair CG, McElnay JC. Cancer
Chemother Pharmacol
1987;19:343-6.
•Reichhaltige Lebensmittel:
–Weizenkeime: 2170 mg
–Thunfisch: 2170 mg
–Erdnüsse: 2050 mg
–Lachs: 1770 mg
–Rindfleisch, Filet: 1700 mg
–Kichererbsen: 1460 mg
–Hüttenkäse: 1230 mg
–Reis, unpoliert: 690 mg
•BV im Mittel(!):
–nüchtern 85%
Ein Anstieg des Magen-pH-Wertes über 5
(Antacida, PPIs), kann die Resorption ver-
–mit Mahlzeit 58%
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 17
12.
NZW-Süd inArzneimittelinteraktionen
Ravensburg
Gastrointestinale
oralerAntitumortherapeutika:Essen,Trinken,Lebensstil,Einnahmezeitpunkte,Komedikationen
schiedener Tyrosinkinaseinhibitoren (Erlotinib, Dasatinib, Gefitinib, Lapatinib, Nilotinib, Sorafenib) in therapeutisch unwirksame
Bereiche drücken. Es gibt auch Hinweise,
dass Übergewicht zu einer schlechteren Resorption und zu reduzierten Plasmaspiegeln
beispielsweise von Sunitinib führen kann.
Grapefruitsaft ist Ursache zahlreicher In-
teraktionen, auch direkt bei der Einnahme,
und deshalb tabu bei allen oralen Medikationen. So können beispielsweise Transportsysteme im Gastrointestinaltrakt (OATP =Organisches-Anionen-Transporter Polypeptid)
durch Grapefruit gehemmt werden, dies führt
zur Unterdosierung zahlreicher Substanzen
(Abb. 3). Aber auch Überdosierungen durch
Körperhaltung und Schluckvolumen
• Testtablette mit 12,5 mm Durchmesser (BaSO4)
• Rückenlage
Trinkvolumen Wasser [ml]
Hängen gebliebene Tabletten [%]
0
91
15
61
30
44
60
30
100
18
Gallo et al. Gastrointest. Endosc. 1996; 44: 181-184.
Enzymhemmung sind möglich. Da ein doppelt konzentrierter Grapefruitsaft auch verschiedene CYP in der Leber hemmt, sind
auch Parenteralia von den Interaktionen betroffen. Weniger bekannt für beträchtliche
Effekte auf Transporter und Enzymsysteme
ist Grüner Tee. Die darin enthaltenen Phenole wie Epigallocatechingallat (EGCG) sind
Enzymgifte (Abb. 4). Wegen des Interaktionspotenzials dürfen beispielsweise Bortezomib und Sunitinib nicht mit grünem Tee
kombiniert werden. Ein weiteres häufig unterschätztes Problem ist die Enzyminduktion
durch Rauchen („Raucher-Cytochrome“ wie
CYP 1A2 oder CYP 2E1). Sie haben Einfluss auf die Verstoffwechselung verschiedener in der Onkologie relevanter Supportiva
wie Aprepitant, Naproxen, Ondansetron oder
verschiedene Analgetika, beeinflussen aber
auch den Abbau von Erlotinib und können
zum Therapieversagen führen.
Stoffwechseleffekte von TKIs
In den Fachinformationen werden verschiedene Effekte der TKIs auf Glukose-, Lipidund Elektrolytstoffwechsel genannt (Abb.
Abb. 2
Mögliche Effekte von Grapefruitinhaltsstoffen auf
orale Medikamente
2. Hemmung von AM-Transportern im GI
•
•
OATP
Folge: Unterdosierung, Nicht-Resorption
–
Beispiele:
•
•
•
•
•
•
•
Fexofenadin – Antihistaminikum
Ciclosporin – Immunsuppressivum
Talinolol, Celiprolol,Atenolol – Betablocker
Etoposid oral – Zytostatikum
Ciprofloxacin, Levofloxacin
Quetiapin – Neuroleptikum
Itraconazol - Antimykotikum nachgewiesen
Abb. 3
18 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
12. NZW-Süd Komedikationen
in Ravensburg
GastrointestinaleArzneimittelinteraktionenoralerAntitumortherapeutika:Essen,Trinken,Lebensstil,Einnahmezeitpunkte,
Epigallocatechingallat (EGCG)
5). Diese Effekte fallen jedoch im klinischen
Alltag selten ins Gewicht. Bei Diabetikern
sollten hypoglykämische Effekte von TKIs
und hyperglykämische Effekte von mTORInhibitoren bei der antidiabetischen Dauermedikation berücksichtigt werden.
Hemmung durch EGCG
FAZIT: Es gibt eine Reihe therapierele­
vanter „physikalischer“ und pharma­
kodynamischer Interaktionen, schon
bevor ein Medikament den systemi­
schen Kreislauf erreicht. Die Bera­
tung von Patienten sollte im Rahmen
einer Gesamtschau erfolgen, zu der
die Interaktionen der eingenomme­
nen Substanzen, der Einnahmemo­
dus, aber auch Lebensstilfaktoren
wie Alkohol, Rauchen und Überge­
wicht gehören.
Steigerung durch EGCG
Cyp 3A
Cyp 2A6
Cyp 2C19
Cyp 2E1
Cyp 1A2
Cyp 2B
SULT1A1
SULT1A3
NDAPH-Cyp450-Reduktase-Aktivität
OATP1A2,
OATP1B1
OATP2B1
OATP1B3
PgP
OATP = organisches AnionenTransporterPolypeptid
PgP = P-Glykoprotein 170
SULT = Sulfotransferase
Abb. 4
INN
Afatinib
Medikamentös bedingte Elektrolyt-, Lipid-,
Glukoseentgleisungen
®
GILOTRIF
Stoffwechseleffekte
Hypokaliämie
Axitinib
INLYTA
Hyperkaliämie, Hyperkalziämie
Bosutinib
BOSULIF
Hyperkaliämie, Hypophosphatämie
Crizotinib
XALKORI
Hypophosphatämie
Dabrafenib
TAFINLAR
Hyperglykämie, Hypophosphatämie, Hyponatriämie
Dasatinib
SPRYCEL
Hypokalzämie, Hypokaliämie, Hypophosphatämie
Everolimus
AFINITOR
Erhöhte Glucose, erhöhter Cholesterinwert, erhöhte Triglyzeride, Hypophosphatämie, Hypokaliämie,
Hypokalzämie
Imatinib
GLIVEC
Hypokaliämie, Hypophosphatämie, Hyperkalzämie, Hyperglykämie, Hyponatriämie, Selten:
Hyperkaliämie, Hypomagnesiämie
Nilotinib
TASIGNA
Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie, Hyperglykämie, Hypomagnesiämie, Hyperkaliämie,
Gelegentlich: Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypokalzämie, Hypophosphatämie
Pazopanib
VOTRIENT
Hypophosphatämie, Hypomagnesiämie
Regorafenib
STIVARGA
Hypokalzämie, Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypophosphatämie
Sorafenib
NEXAVAR
Hypophosphatämie, Selten: Hyponatriämie
Temsirolimus
TORISEL
Erhöhte Glucose (Hyperglykämie/Diabetes mellitus), erhöhter Cholesterinwert, erhöhte Triglyzeride,
Hypokaliämie, Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie, Hypophosphatämie
Vandetanib
CAPRELSA
Hypokalzämie, Hypokaliämie, Hyperkalzämie, Hyperglykämie, Hyponatriämie (Schilddrüseneffekte?)
Vismodegib
ERIVEDGE
Hyponatriämie
Reihenfolge der Nennung in Effektstärke gemäß FI
Abb. 5
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 19
12.
NZW-Süd
in Ravensburg
Cancer
of Unknown
Primary (CUP): Sinnvolle radiologische Diagnostik
Cancer of Unknown Primary (CUP):
Sinnvolle radiologische Diagnostik
Prof. Dr. Martin Heuschmid, Ravensburg
Bei einem CUP-Syndrom, dem “cancer
of unknown primary”, handelt es sich um
eine Tumorerkrankung, deren primärer Ursprungsort nicht gesichert ist. Es betrifft ca.
3-5% aller Krebspatienten. Die Prognose ist
mit einer mittleren Überlebenszeit von 11
Monaten ungünstig. Die histologische Untersuchung der manifesten Tumoren (Metastasen) ergibt Adenokarzinome in 40-60%,
undifferenzierte Karzinome in 15-30%, Plattenepithelkarzinome in 15-20% und Kleinzellige Karzinome / Neuroendokrine Tumoren in 3-5%. Der Primärtumor kann nur in
10-20 % aller Fälle zu Lebzeiten identifiziert
werden (in Autopsien in 50-70%).
Eine extensive Primärtumorsuche ist aus
Zeit- und Kostengründen nicht immer sinnvoll. Die diagnostische und therapeutische
Strategie beruht bei unbekanntem Primärtumor auf der Histologie und Lokalisation der
Metastasen. Die Rolle der Bildgebung besteht
nicht nur in einer möglichen Diagnose des
Primärtumors, sie ist auch wichtig zur Differenzierung zwischen lokalisierter und disseminierter Erkrankung (Abb. 1) und damit zur
Erfassung potentiell kurativer bzw. therapiesensitiver Subgruppen. Auch im Rahmen des
Therapiemonitorings nimmt die Bildgebung
eine wichtige Rolle beim CUP ein.
Im Rahmen der Basisdiagnostik (Abb. 2)
wird ein Ganzkörper-CT durchgeführt. Diese
Untersuchung dauert heute nur noch 20-40
Sekunden (reine Scanzeit), der zeitliche Aufwand insgesamt beträgt 10 Minuten. Mithilfe des CT wird ein Primärtumor in etwa
20% der Fälle entdeckt (Abb. 3). Der Stellenwert eines zusätzlichen PET/CT (18FFDG, 68Ga-DOTATATE) in der klinischen
Bildgebung: lokal vs. disseminiert
Abgrenzung lokale vs. disseminierte Erkrankung,
Identifikation behandelbarer Subgruppen (solitäre Metastasen)
FDG-PET/CT bei
zervikalen LKMetastasen
Fall 1
- singuläre Metastase
- Möglichkeit der
lokoregionären Therapie
- bessere Prognose
Fall 2
- disseminierte Metastase
- schlechte Prognose
Abb.1 |1M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013
OBERSCHWABENKLINIK
Basisdiagnostik bei CUP
Abb. 2
Neben et al, Review DÄ 2008
2 | M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013
20 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
OBERSCHWABENKLINIK
12.radiologische
NZW-Süd in Ravensburg
Cancer of Unknown Primary (CUP): Sinnvolle
Diagnostik
Routine ist nicht abschließend geklärt. Eine
Indikation besteht am ehesten bei solitären
Metastasen oder zervikalen Lymphknoten.
Ein Beispiel der Detektion eines Mammakarzinoms mithilfe eines PET/CT aufgrund
zervikaler Lymphknoten zeigt Abb. 4. Ein
PET/CT kann auch helfen, gut erreichbare
Biopsieorte für die histologische Diagnostik zu finden. Eine ergänzende Bildgebung,
z.B. MRT oder Mammografie, ist nur in bestimmten Fällen sinnvoll.
FAZIT: Die radiologische StandardUntersuchung bei CUP ist ein
Ganzkörper-CT. Ergänzend oder alter­
nativ kann ein PET/CT durchgeführt
werden, fallbezogen sind eventuell
weitere bildgebende Verfahren wie
MRT Kopf / Hals, Mammographie
oder MRT Mamma sinnvoll. Konventi­
onelles Röntgen sowie Sonographie
spielen in der Primärdiagnostik bei
CUP eine untergeordnete Rolle.
Methoden der Bildgebung
Standarduntersuchung für alle Patienten mit CUP-Syndrom
ESMO Clinical Recommendations, Ann Oncol 2007
CT-Hals / Thorax / Abdomen / Becken (=Ganzkörper)
� schnelle, nahezu ubiquitäre Verfügbarkeit
� Ganzkörperuntersuchung
� häufigste Primärtumoren werden erfasst: Lunge 17-28%,
Pankreas 11-27%
� geringe Belastung für Patienten
� Kosten moderat
� Detektionsrate des Primärtumors ca. 20%
M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013
Abb.3 | 3
OBERSCHWABENKLINIK
Methoden der Bildgebung
18F-FDG
PET/CT
LK
Primär aufgefallen: Zervikale Lymphknoten
LK
Histologie: Adeno-CUP
PT
PET/CT: LK-Metastasen, PET: V.a. Mamma-Karzinom
links als Primärtumor
MR-Mammographie: Mamma-Ca links
Operation: T2 N2
Therapie: CTx, Rx, PD nach 14 Monaten
Abb. 4
4 | M. Heuschmid & C. Pfannenberg, Ravensburg, 14.09.2013
OBERSCHWABENKLINIK
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 21
12.
NZW-Süd
in Ravensburg
Cancer
of Unknown
Primary (CUP): Therapeutische Strategie
Cancer of Unknown Primary (CUP):
Therapeutische Strategie
Dr. Gerhard Fischer, Ravensburg
Mit nur 10% 5-Jahresüberleben ist das CUPSyndrom insgesamt eine prognostisch ungünstige Krebserkrankung. Allerdings verbergen sich hinter der Diagnose CUP sehr
heterogene Krankheitsbilder. Die Prognose
ist deshalb sehr variabel und reicht von wenigen Wochen bis zum Langzeitüberleben
(Abb. 1).
Die Zuordnung zu definierten Subgruppen
mit Hilfe pathologischer und klinischer Kriterien ermöglicht eine präzisere Prognoseabschätzung und ist entscheidend für die Auswahl der bestmöglichen Therapie.
Prognosegruppen und
Therapeutische
Prognosegruppen
und Therapeutische StrategieStrategie
I: Solitäre
Organmetastase
oder einer
Lymphknotenregion
II: Primär
disseminierter
Organbefall
III: Primär
disseminierter
Organbefall,
biol. Alter > 70,
ECOG > 2
Kriterien für
Therapieentscheidungen
G. Hübner 2006
OBERSCHWABENKLINIK
Prognosegruppen und
Therapeutische
Strategie
Prognosegruppen
und Therapeutische Strategie
Abb. 1
Die Entscheidung für eine bestimmte Therapie hängt von Ausdehnung und Lokalisation
der Metastasen sowie von ihrer Histologie
ab. Den Algorithmus für ein systematisches
Vorgehen zeigt Abb. 2. Prognostisch günstige
Subgruppen sind beispielsweise der „KopfHals-Typ“ (zervikale Lymphknotenmetastasen eines undifferenzierten oder Plattenepithel-Karzinoms), der Befall nur einer
Lymphknotenregion bzw. eine solitäre Organmetastase, z.B. in der Leber oder auch der
so genannte „Mamma-Typ“ (Axilläre LKMetastase eines AdenoCa, Abb. 3). Hier ist
durch Operation und/oder Strahlentherapie,
ggfs. in Kombination mit einer Chemotherapie, häufig ein kurativer Therapieansatz möglich. Die Identifizierung prognostisch günstiger bzw. sogar heilbarer CUP-Syndrome ist
essenziell für Therapieentscheidungen und
Verlauf. Ein systematisiertes Vorgehen ist
dabei unerlässlich (Abb. 4). Die Immunpathologie liefert gemeinsam mit klinischen
Informationen und der Bildgebung wesentli-
CUP
Zuordnung zu Prognosegruppen
I: Primär lokalisierte
Erkrankung
II: Primär disseminierte
Erkrankung
III: Primär infauste
Prognose
Eine solitäre Organmetastase
oder Metastasierung in nur
einer Lymphknotenregion
Primär disseminierter
Organbefall ± LK-Befall.
Keine Kriterien der Gruppe III
Primär disseminierter
Organbefall ± LK-Befall. biol.
Alter > 70, red. AZ (ECOG > 2)
Die mittlere Überlebenszeit
beträgt ca. 20 Monate, die 5Jahresüberlebensrate 30-35%
Die mittlere Überlebenszeit
beträgt ca. 7 Monate, die 5Jahresüberlebensrate ca. 5%
Die mittlere Überlebenszeit
beträgt ca. 3 Monate, kein
Patient lebt länger als 2 Jahre
Zuordnung zu spezifischen Subgruppen
Spezifische / empirische Therapie
Abb. 2
22 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Palliativmedizin
OBERSCHWABENKLINIK
12.Therapeutische
NZW-Süd in Ravensburg
Cancer of Unknown Primary (CUP):
Strategie
Prognostisch günstige
Prognostisch günstige Subgruppen Subgruppen
„Mamma-Typ“
Therapie analog nodal-positivem
Mammakarzinom
Axilläre Lymphknotenmetastasen
eines Adenokarzinoms bei Frauen
4-Stufen Diagnostik
4-Stufen-Diagnostik
OBERSCHWABENKLINIK
Abb. 3
1. Ausschluss eines gutartigen Tumors
Identifikation eines therapierbaren Primärtumors
2. Identifikation von potenziell heilbaren Tumorentitäten,
z.B. Lymphome, Keimzelltumoren
3. Identifikation von lokal begrenzten Tumorentitäten, z.B.
zervikaler LK
4. Identifikation von Eigenschaften eines systemischen
CUP, die neben der prognostischen Zuordnung eine
spezielle Therapie ermöglichen: Antihormonelle
Therapie, Herceptin-Therapie, EGFR-/ k-ras Mutation
Pathologie
OBERSCHWABENKLINIK
Abb. 4
Pathologie
C. Wittekind 2008
OBERSCHWABENKLINIK
Abb. 5
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 23
12.
NZW-Süd
in Ravensburg
Cancer
of Unknown
Primary (CUP): Therapeutische Strategie
Pathologie
Pathologie
A.Tannapfel
J Munding 2013
OBERSCHWABENKLINIK
Therapeutisches
Vorgehen
Abb. 6
che Informationen für die Charakterisierung
der Erkrankung als Grundlage zur Wahl der
systemischen Therapie (Abb. 5 und 6). Eine
molekulare Tumordiagnostik durch Genexpressionsanalysen ist ein vielversprechender
Ansatz, aber noch nicht als Standardmethode
etabliert. Nach Abschluss der Diagnostik erfolgt, falls indiziert, eine systemische Therapie
je nach identifiziertem Tumortyp (Abb. 7).
FAZIT: Auch ohne Identifizierung
eines Primärtumors können nach der
Analyse klinischer Kriterien (wie Zahl
und Ausbreitungstyp der Metasta­
sen, Alter und Allgemeinzustand des
Patienten) und nach histologischer
und pathologischer Charakterisie­
rung der Metastasen Aussagen über
die Prognose und sinnvolle thera­
peutische Entscheidungen getroffen
werden. In einem Teil der Fälle wird
so ein Langzeitüberleben oder sogar
eine Heilung möglich.
Therapeutisches Vorgehen
„Kopf-Hals-Typ“
„SCLC-Typ“
„NSCLC-Typ“
Cisplatin / 5-FU ±
Radiatio
Cisplatin /
Etoposid
Carboplatin /
Paclitaxel
„Magen-Typ“
„Pankreas /
CCC-Typ“
Oxaliplatin / 5-FU
Gemcitabin /
Cisplatin
Hormontherapie
Taxanhaltige
Kombination
Monotherapie
„Ovar-Typ“
Carboplatin /
Paclitaxel
„Kolorektal-Typ“
„Spezielle OberflächenAntigene oder Mutationen“
Oxaliplatin / 5-FU
Targeted Therapy
Abb. 7
LITERATUR
Abbildung 1: Hübner, G, Tamme C, Schöber C et al.
(1989) Prognostically different subgroups in patients
with carcinoma of unknown primary (CUP-Syndrome).
Z Antimikrob Antineopl Chemoth (Suppl 1) :A16
24 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
„Mamma-Typ“
OBERSCHWABENKLINIK
Abbildung 5: Wittekind, C., Horn, L.-C. (2008) Pathohistologische und molekulargenetische Diagnostik
beim CUP-Syndrom. Der Onkologe 2008 14:870-878
Abbildung 6: Munding, J., Tannapfel, A. (2013) Pathologie des CUP-Syndroms. Der Onkologe 2013 19:15-21
12. NZW-Süd inUpdate
Ravensburg
Hormontherapie beim Prostatakarzinom:
2013
Hormontherapie beim Prostatakarzinom:
Update 2013
Prof. Dr. Jürgen Breul, Freiburg
Für die Hormontherapie (Androgen deprivierende Therapie=ADT) des Prostatakarzinoms
werden heute routinemäßig Antiandrogene
und GnRH-Agonisten und –Antagonisten
eingesetzt. Die aktuelle Fachdiskussion beschäftigt sich vor allem mit optimalen Kombinationen, dem Timing der Therapie und mit
neuartigen Medikamenten.
Intermittierende versus
kontinuierliche Androgenblockade
Die Androgenblockade ist eine sehr wirksame
Therapie, hat aber den Nachteil, dass jeder
Tumor irgendwann hormonunabhängig (kastrationsresistent) wird; die Nebenwirkungen
der Dauertherapie können belastend sein;
die Therapie ist teuer. Mit einer intermittierenden Androgenblockade (IAD) soll diesen drei Aspekten entgegengewirkt werden.
In der neuesten Leitlinie der Europäischen
Gesellschaft für Urologie wird die IAD nicht
mehr als experimentelle Methode, sondern als
eine mögliche Therapieoption betrachtet. Die
S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
Urologie besagt, die IAD sei ohne Einschränkungen einsetzbar, wenn zuvor eine Aufklärung über die fehlende Evidenz erfolge. Diese
Einschätzung ist auf die Ergebnisse mehrerer
Phase III Studien zurückzuführen (Abb. 1).
Bei näherer Betrachtung der SEUG 9401
Studie zeigt sich, dass es zwischen Patienten, die kontinuierlich (CAD) vs. intermittierend (IAD) behandelt wurden, keinen
Unterschied in der Gesamtmortalität gibt.
Die Prostata-Ca spezifische Mortalität ist
jedoch bei intermittierender Therapie höher
(Abb. 2). Bezüglich der Lebensqualität war
die IAD allenfalls in Teilaspekten überlegen
(Hitzewallungen, allgemeine Aktivität, erektile Funktion).
In den Jahren 2012 und 2013 wurden zwei
„non inferiority“ Studien veröffentlicht,
NCIC CTG PR7 (Crook et al., NEJM
9/2012) und SWOG 9346 (Hussain et al.,
NEJM 4/2013). Sie kamen zu unterschiedlichen Bewertungen bezüglich der Gleichwertigkeit intermittierender vs. kontinuierlicher
Therapie (s. Tabelle 1); dies hat aber vor allem
methodische Gründe aufgrund unterschiedlich definierter Zielkriterien.
Tabelle 1 Vergleich von zwei aktuellen non inferiority Studien
NCIC CTG PR7 (NEJM 9/2012)
SWOG 9346 (NEJM 4/2013)
1.367 Pat. mit PSA Anstieg nach
Strahlentherapie
3.040 Pat. M+
PSA >3 ng/ml
PSA Abfall ≤ 4 ng/ml: Random (n= 1.535)
8 Monate ADT
Trigger für Re-Therapie: PSA 20,0 ng/ml
6 Monate Leu + CPA für 4 Wo
Trigger für Re Therapie: PSA 10,0 ng/ml
Ergebnis:
Ergebnis:
Survival IAD: 8.8 Jahre, CAD: 9.1 Jahre
medianes Überleben IAD: 5,1 J; CAD: 5,8
Jahre
IAD ist nicht unterlegen („non inferior“
7 Jahres Überleben IAD: 38%, CAD: 42%
IAD ist der CAD unterlegen!
(„Nicht-Unterlegenheit kann nicht
festgestellt werden“)
Was sagen die Phase III Studien ?
Was sagen die Phase-III-Studien?
Studie
Population
Ergebnis
507-AP06/95 (2007)
PSA Anstieg nach
radikaler Prostatektomie
Kein Unterschied im
progressionsfreien
Überleben
AUO AP 17/95 (2007)
Tx, N1-3, M0 oder TxNx,
M+
Kein Unterschied im
progressionsfreien
Überleben
EC210/AU0 19/96
(2012)
M+, PSA > 20 ng/ml
kein Unterschied im
survival
SEUG 9401 (2009,
2013)
lokal fortgeschritten oder
M+
kein Unterschied im
survival
Abb. 1
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 25
12.
NZW-Süd in Ravensburg
Hormontherapie
beim Prostatakarzinom: Update 2013
SEUG9401: Todesursachen
Bei der SWOG-Studie ist außerdem zu beachten, dass nur die Hälfte der Patienten
bei der zunächst durchgeführten kontinuierlichen Therapie auf PSA-Werte unter 4
ng/mL fiel – dies war Voraussetzung für die
Randomisierung in den Studien- und Kontrollarm. Ein solch starker PSA-Abfall unter
Hormontherapie ist per se ein günstigerer
Prognoseparameter. Die Lebensqualität war
unter intermittierender Therapie zunächst
besser, nach 15 Monaten bestand aber kein
signifikanter Unterschied mehr. Zu diesem
Zeitpunkt standen 78 % der Patienten ohnehin wieder unter Hormonentzug.
Es gibt keine eindeutige Empfehlung für eine
intermittierende Therapie in bestimmten Situationen. Nach sorgfältiger Aufklärung erfolgt eine individuelle Entscheidung mit dem
Patienten. Als Faustregel kann gelten, dass
die IAD in der metastasierten Situation der
CAD eher unterlegen ist, bei fortschreitendem Tumor ohne Metastasenbildung aber
verantwortet werden kann, da die Überlebenskurven hier erst spät auseinanderlaufen
(Abb. 3). Grundsätzlich sollte man den positiven psychologischen Aspekt für den Patienten nicht unterschätzen, wenn Aussicht
auf eine Therapiepause besteht. Nicht jeder
Patient fühlt sich aber während der Therapiepause auch tatsächlich besser.
FAZIT: Eine intermittierende Andro­
gendeprivation (IAD) führt nicht zu
einer Verlängerung der Zeit bis zur
Hormonresistenz. Sie ist der kontinu­
ierlichen Androgendeprivation (CAD)
im metastasierten Stadium hinsicht­
lich des Überlebens unterlegen, kann
im nicht metastasierten Stadium
aber erwogen werden. Die objektiven
Auswirkungen auf die Lebensqua­
lität sind marginal, die subjektiven
Auswirkungen der Therapiepause
dagegen oft positiv.
SEUG9401: Todesursachen
%
Abb. 2
Intermittierende vs kontinuierliche ADT
Abb. 3
26 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
12. NZW-Süd
in Ravensburg
Medikamentöse Behandlung von Tumoren des oberen
Gastrointestinaltrakts
Medikamentöse Behandlung von Tumoren
des oberen Gastrointestinaltrakts
PD Dr. Tobias Dechow, Ravensburg
In Deutschland erkranken jährlich rund
22 000 Menschen neu an einem Ösophagus- oder Magenkarzinom. Während Magenkarzinome leicht rückläufig sind, steigt die
Zahl der Ösophaguskarzinome. Dies betrifft
allerdings in erster Linie die Karzinome im
Bereich der Cardia (Adenokarzinome des
ösophago-gastralen Übergangs, AEG). Diese
Karzinome sind Folge einer chronischen Refluxerkrankung (Risikofaktor: Übergewicht!),
bei der über eine chronische Entzündung eine
Transformation des Epithels erfolgt (Abb. 1).
Pathogenese
Pathogenese
Gastroösophageale
Refluxkrankheit
50 %
(20% der Bevölkerung)
Reflux-Ösophagitis
= Entzündung der
Speiseröhre
10%
Symptome:
Barrett-Ösophagus
= „Magenähnliche“
Schleimhaut in der
unteren Speiseröhre
• Sodbrennen
• saures Aufstoßen
• Schmerzen hinter der Brust
• Schmerzen im Oberbauch
10%
• Schmerzen beim Schlucken
• Reizhusten
Resektable Tumoren ohne Fernmetastasen
können chirurgisch kurativ behandelt werden.
Nicht resektable Tumoren oder Fernmetastasen erlauben nur eine palliative Therapie.
Offene Fragen gibt es vor allem in der Therapie lokal fortgeschrittener Tumoren (T3),
bei Lymphknotenbefall (T2N+ oder T3N+)
bzw. in der metastasierten Situation.
Lokal fortgeschrittene Tumoren bzw.
Lymphknotenbefall
In dieser Situation stellt sich die Frage nach
zusätzlichen Therapieoptionen neben der
Operation. Möglich sind adjuvante oder neoadjuvante Chemo- oder Radiochemotherapie,
bzw. eine perioperative (vor und nach OP)
Chemotherapie. Hier gibt es weltweit unterschiedliche Präferenzen, in den USA wird
die adjuvante Radiochemotherapie bevorzugt.
Dieses Vorgehen stützt sich in erster Linie
auf die so genannte Mac Donald Studie (N
Engl J Med 2001;345:725-309). Diese hat-
Adenokarzinom des
Ösophagus (AEG I)
= Barrett-Karzinom
• Heiserkeit
Therapieoptionen bei AEG
• Asthma, Bronchitis
Abb. 1
Adjuvante RCTX
Adjuvante RCTX
SWOG 9008/INT0116
D0- Resektion 54%
D1- Resektion 36%
D2- Resektion 10%
Mac Donald JS et al. N Engl J Med 2001;345:725-30
Abb. 2
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 27
12.
NZW-Süd in Ravensburg
Medikamentöse
Behandlung von Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts
te ein deutlich besseres 3-Jahres Überleben
unter adjuvanter Therapie gezeigt (Abb.2).
Die Ergebnisse relativieren sich allerdings,
wenn man die Qualität der vorangegangenen Resektion berücksichtigt. Nur Patienten, die „schlecht“ operiert wurden (d.h., bei
denen keine oder nur wenige Lymphknoten
entnommen wurden, so genannter D0 oder
D1 Eingriff ), profitierten von der adjuvanten
Therapie. Bei vollständiger Entfernung lokaler Lymphknoten (D2; Standard in Deutschland) bietet die adjuvante Therapie keinen
Vorteil. Für Patienten mit R0 Resektion
(komplette Entfernung des Tumors) und
D2 Lymphadenektomie ist die adjuvante Radiochemotherapie kein Standard in
Deutschland.
In Asien hat sich nach einer Studie von Sakuramoto (N Engl J Med 2007;357:1810-20)
die adjuvante Chemotherapie durchgesetzt.
Die Ergebnisse zugunsten einer adjuvanten
Chemotherapie konnten in mehreren Studien
für westliche Patienten jedoch nicht bestätigt werden. Nach primärer R0 Resektion
(ohne präoperative Chemotherapie) sollte
keine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden.
perioperative
Perioperative Therapie
MAGIC Studie
3xECF
OP 3xECF
OP
Cunningham D et al. N Engl J Med 2006;355:11
Abb. 3
perioperative
Perioperative Therapie
Therapie
FNCC 94012-FFCD 9703
2xCF OP 2xCF
In Europa ist zurzeit die perioperative Chemotherapie Standard. Dies beruht auf zwei
Studien, MAGIC (Abb. 3) und FNCC (Abb.
4). Eine Alternative könnte die neoadjuvante
Radiochemotherapie sein (Abb. 5). Es ist aber
unklar, ob sie einer perioperativen Therapie
überlegen ist.
Palliative Therapie
Palliativ werden überwiegend Zweier- und
Dreierkombinationen auf der Basis von
5-FU eingesetzt (5-FU oder Capecitabin,
Cisplatin oder Oxaliplatin, Paclitaxel oder
Docetaxel, Irinotecan (v.a. second line), Epirubicin). Unter dieser Therapie hat sich das
mittlere Überleben in den letzten 15 Jahren
auf 11 Monate verdoppelt. Ein von van Cutsem ( JCO 2006; 24:4991-7) vorgeschlagenes
Behandlungsregime (Docetaxel 75 mg/qm
Therapie
OP
Abb. 4
28 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Ychou M et al. JCO 2011;29:1715-
12. NZW-Süd
in Ravensburg
Medikamentöse Behandlung von Tumoren des oberen
Gastrointestinaltrakts
d1, Cisplatin 75 mg/qm d1, 5-FU750 mg/
qm d1-5) ist zwar effektiv, wegen erheblicher
Grad ¾ Toxizitäten für die meisten Patienten
in der palliativen Situation jedoch inakzeptabel. Modifizierte taxanhaltige Therapien
wie Gastro-Tax (Lorenzen et al., GI-ASCO
2006), FLOT (Al-Batran et al., Ann Oncol 2008) und mDCF (Manish Shah et al.,
ASCO 2010) sind gleich effektiv, aber deutlich besser verträglich.
neoadjuvante
Neoadjuvante
Therapie (RCTX)Therapie
Carboplatin AUC2
Paclitaxel 50 mg/m2
41,4 Gy GD
RCTx OP
OP
Eine targeted therapy mit Trastuzumab
kommt für Patienten in Frage, deren Tumoren HER2neu positiv sind. In der TOGAStudie konnte damit das mediane Überleben
dieser Subgruppe auf 14 Monate (Abb. 6), bei
besonders starker HER2-Expression sogar
auf 16 Monate gesteigert werden.
Zweitlinientherapie
Eine Monotherapie mit einem Taxan oder
Irinotecan verlängert das Überleben im
Schnitt lediglich um ein bis zwei Monate.
Sie hat ihre Berechtigung vor allem wegen ihres günstigen Effekts auf die Lebensqualität.
(RCTX)
van Hagen, NEJM 2012
Abb. 5
ToGA-Studie
ToGA-Studie
FAZIT: Adenokarzinome des öso­
phago-gastralen Übergangs (AEG)
können in frühen Stadien chirurgisch
geheilt werden. Bei lokal fortge­
schrittenen Tumoren mit Lymphkno­
tenbefall gilt in Deutschland eine
perioperative Chemotherapie zu­
sätzlich zur Resektion als Standard,
eine Alternative ist die neoadjuvante
Radio-Chemotherapie. In der pallia­
tiven Situation werden verschiedene
kombinierte Chemotherapie-Regime
eingesetzt; im Fall einer HER2 neu
Überexpression verbessert die Zuga­
be von Trastuzumab das Überleben.
Abb. 6
Bang et al Lancet 2010; 376:687-
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 29
12.
NZW-Süd
in Ravensburg
Welcher
Patient
kommt in die Apotheke?
Welche oralen Wirkstoffe und gängigen
Therapieschemata gibt es?
Welcher Patient kommt in die Apotheke?
Dr. Annette Freidank, Fulda
Die Inzidenz von Krebserkrankungen nimmt
zu, die Patienten überleben immer länger. Die
Zahl der Krebspatienten nimmt daher zu.
Ihre Betreuung und Beratung bringt Herausforderungen mit sich: (lebens)lange Therapie/
Begleitung, Polypharmazie bei älteren und
multimorbiden Patienten, Berücksichtigung
von Arzneimittelinteraktionen und Adhärenzprobleme bei den oralen Chemotherapien.
Inzwischen können über die Hälfte der neu
zugelassenen Zytostatika, vorwiegend Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (Abb. 1), oral appliziert werden. Sie sind für rund 10-30% der
Patienten geeignet. Neuartige unerwünschte
Wirkungen der targeted therapies, für die
nicht immer eine befriedigende Supportivtherapie zur Verfügung steht, erfordern ein
besonders sorgfältiges Monitoring. Gerade
bei seltenen Tumorarten, mit denen man als
Apotheker nicht täglich zu tun hat, kann die
Beratung schwierig sein.
Wichtige Indikationen der
Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI)
Nierenzellkarzinom (RCC= Renal Cell
Carcinoma)
Die einzige kurative Therapie ist eine Operation im Frühstadium. Eine adjuvante Therapie erfolgt zurzeit nur im Rahmen von Studien. Im metastasierten Stadium ist i.d.R. nur
eine Palliativtherapie möglich. Bis 2005 war
hier die Immuntherapie (Interferon, Interleukin) Standard. Heute besteht die Erstlinientherapie aus Pazopanib, Sunitinib, (Bevacizumab + IFN) oder Temsirolimus (wenn
prognostisch ungünstig). Das mediane Überleben im metastasierten Stadium konnte von
6-10 Monate auf 24 bis 30 Monate erhöht
werden. Das Therapieschema des Sunitinibs
mit zweiwöchigen Einnahmepausen ist bezüglich der Adhärenz der Patienten problematisch. Hier wird sich in Zukunft möglicherweise eine durchgehende Therapie mit
INN
Präparat
Indikation
Ziel
Axitinib
Inlyta®
Markt
2012
mRCC
VEGFR
Bosutinib
Bosulif®
2013
CML
Ph+
Crizotinib
Xalkori®
2012
NSCLC
ALK+
Dabrafenib
Tafinlar®
2013
mMelanom
BRAF-V600 Mutation
Dasatinib
Sprycel®
2006
CML
Ph+
Erlotinib
Tarceva®
2005
NSCLC, Pankreas-Ca
(EGFR-Mutation)
Gefitinib
Iressa®
2009
NSCLC
EGFR-Mutation
Imatinib
Glivec®
2003
CML, GIST
Ph+
Lapatinib
Tyverb®
2008
Mamma-Ca
Her2+
Nilotinib
Tasigna®
2007
CML
Ph+
Pazopanib
Votrient®
2010
mRCC, Weichteilsarkom
Ponatinib
Iclusig®
2013
CML
Sorafenib
Nexavar®
2006
RCC, Leber-Ca
Ph+, T315I-Mutation
Regorafenib
Stivarga®
2013
mKolon-Ca
Sunitinib
Sutent®
2006
mRCC, GIST
Vandetanib
Caprelsa®
2012
Schilddrüse
Vemurafenib
Zelboraf®
2012
mMelanom
BRAF-V600 Mutation
CML-chronisch myeloische Leukämie; NSCLC-non-small-cell-lung-cancer;
GIST-gastrointestinaler Stromatumor; mRCC-metastasiertes Nierenzellkarzinom
der TKIs beim RCC
Einsatz der TKIsEinsatz
beim RCC
Oralia-Symposium - NZW Süd 2013
INN
Präparat
Indikation
Dosierung
N
Bemerkungen
Sorafenib
Nexavar®
2nd, fortgeschritten
2 x 400 mg
x1
Leberzellkarzinom
Sunitinib
Sutent®
1st, fortgeschritten
1 x 50 mg
--
4 Wochen Therapie, 2
Wochen Pause
Pazopanib
Votrient®
1st, fortgeschritten
1 x 800 mg
x
2nd, Weichteilsarkom
Axitinib
Inlyta®
2nd, fortgeschritten
2 x 5 mg
--
Abb. 1
Dr. Annette Freidank
N – Nüchterneinnaahme, 1 – keine fettreiche, sondern leichte Mahlzeit
Relative 5-Jahres-Überlebensrate: 65 – 75%
Mittlere Lebenserwartung: bisher 6 – 10 Monate
heute 24 – 30 Monate
Offene Fragen – optimale Sequenztherapie
Abb. 2
Einsatz beim NSCLC Einsatz beim NSCLC
Fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung
INN
Präparat
Stufe
Dosis
N
Alter
Keine speziellen
Studien
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
Ziel
© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
Erlotinib
Tarceva®
1st
1 x 150 mg
X
Gefitinib
Iressa®
1st
1 x 250 mg
-
--
EGFR-Mutation
-
> 65 Jahre begrenzte
Daten
> 85 Jahre keine
Daten
ALK+
Crizotinib
Xalkori®
2nd
2 x 250 mg
EGFR-Mutation
EGFR – epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor; ALK – anaplastische-Lymphom-Kinase
Therapie bis zum Progress oder nicht tolerierbarer Toxizität
5 – 15% der Patienten in Europa haben aktivierende Mutationen (Asien ca. 30%)
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
30 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
Abb. 3
12. kommt
NZW-Süd
in Ravensburg
Welcher Patient
in die
Apotheke?
täglich 37,5 mg durchsetzen. In der Zweitlinientherapie werden Axatinib, Everolimus,
Pazopanib und Sorafenib eingesetzt (Schemata siehe Abb. 2).
Nicht-kleinzellige Lungenkarzinome
(NSCLC=Non Small Cell Lung Cancer)
Im Stadium I und II erfolgt eine operative
Therapie. Im Stadium III wird die OP mit
adjuvanter und/oder neoadjuvanter Chemotherapie (Cisplatin + Docetaxel/Etoposid/
Gemcitabin/Pemetrexed/Vinorelbin/Paclitaxel) und Strahlentherapie kombiniert. Im
Stadium IV (multiple Metastasen) beträgt
die mediane Überlebenszeit 8 bis 12 Monate, die 5-Jahres-Überlebensrate 15-18%. Bei
entsprechenden Mutationen im Tumor (wie
EGFR, ALK+) verbessert sich die Überlebenszeit durch den Einsatz gezielter Therapien (TKIs, Abb. 3). In der Patientenberatung
ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass nur ein
kleiner Teil der Patienten Mutationen im Tumor hat, die eine TKI-Therapie ermöglichen
und dass es daher keine „Sparmaßnahme“
des Arztes oder der Krankenkasse ist, wenn
ein Patient eine solche Therapie nicht erhält.
Brustkrebs
Beim fortgeschrittenen Mamma-Ca ist bisher nur der TKI Lapatinib in der Erst- und
Zweitlinientherapie in einem Kombinationsregime zugelassen (Abb. 4). Zu beachten ist, dass Lapatinib je nach Kombinationspartner unterschiedlich dosiert wird. Als
kleines Molekül überwindet Lapatinib die
Blut-Hirnschranke und kann deshalb auch
gegen Hirnmetastasen eingesetzt werden.
Die Bioverfügbarkeit der Substanz steigt
bei Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit an (Abb. 5).
Chronisch Myeloische Leukämie (CML)
Bei Nachweis des Philadelphia-Chromosoms (BCR-ABL Fusionsprotein) stehen
mehrere TKIs zur Verfügung (Abb. 6 und
7). Die viele Jahre währende Therapie (Gesamtüberleben nach 8 Jahren 85%) führt
oft zu Adhärenzproblemen. Dies hat fatale
Folgen für den Therapieerfolg (bei Adhärenz >85% werden über 90% komplette zytogenetische Remissionen erzielt; liegt die
Adhärenz darunter, sinken die kompletten
Remissionen auf 65%).
Einsatz beim Mamma-Ca
Einsatz beim Mamma-Ca
Fortgeschrittene oder metastasierende Erkrankung
INN
Präparat
Indikation
Dosis (Lapatinib)
Lapatinib
Tyverb®
+ Capecitabine, 2nd
1 x 1250 mg
+ Aromatasehemmer, 1st
1 x 1500 mg
+ Trastuzumab, 2nd
1 x 1000 mg
Vorteil bei ZNS-Metastasen
Ausweitung der Indikationen?
neoadjuvant mit Trastuzumab
– gute Wirksamkeit, aber höheres Nebenwirkungsrisiko
adjuvant bisher nur in Studien
-
Abb. 4
CML-chronisch myeloische Leukämie; NSCLC-non-small-cell-lung-cancer; GIST-gastrointestinaler Stromatumor; mRCC© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
metastasiertes Nierenzellkarzinom
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
Einfluss der NahrungEinfluss
der Nahrung
Erhöhung der AUC von Lapatinib auf
425% mit fettreicher Nahrung
167% mit fettarmer Nahrung
Koch, JCO;27:1191-1196, 2009
Abb. 5
© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
Therapie der CML
Therapie der CML
CML mit BRC-ABL-Nachweis
Imatinib
40-800 mg/d
↓
Nilotinib
2x300 mg/d
Dasatinib
100 mg/d
↓
↓
Unzureichendes Ansprechen, Resistenz, Intoleranz
↓
Dasatinib
100 mg/d
↓
Nilotinib
2x300 mg/d
Dasatinib
100 mg/d
↓
Bosutinib
1x500 mg/d
↓
Nilotinib
2x400 mg/d
↓
Progress, Therapieversagen, T3151 Mutation
↓
Allogene
Stammzelltransplantation
Ponatinib
1 x 45 mg
Studien
Abb. 6
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 31
12.
NZW-Süd
in Ravensburg
Welcher
Patient
kommt in die Apotheke?
Beratung bei Abgabe von TKIs
Generell sollte immer die Einnahme mit
oder ohne eine Mahlzeit thematisiert werden
(Abb. 8). Bei einem Magen-pH-Wert über 5
kann die Resorption von TKIs beeinträchtigt
sein. Abhängig vom TKI kann die gleichzeitige Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI), H2-Blockern oder Antazida s problematisch sein, ihre Notwendigkeit
sollte kritisch hinterfragt werden (sie können
z.B. abgesetzt werden, wenn in der Schmerztherapie NSAR durch magenverträglichere
Substanzen ersetzt werden). Auch das hohe
Interaktionspotenzial der TKIs sollte beachtet
werden (Abb. 9). Außerdem sollte man sich
bewusst sein, dass es mit einer einmaligen Beratung bei Erstabgabe nicht getan ist, sondern
dass kontinuierlich nachgefasst werden muss.
Einsatz bei CML
Einsatz bei CML
INN
Präparat
Indikation
Dosis
N
Ziel
Imatinib
Glivec®
1st
1 x 400 mg
--
Ph+
Dasatinib
Sprycel®
1st
1 x 100 mg
--
Ph+
Nilotinib
Tasigna®
1st
2 x 300 mg
x
Ph+
Ponatinib
Iclusig®
2nd
1 x 45 mg
--
Ph+,
T315I-Mutation
Bosutinib
Bosulif®
2nd
1 x 500 mg
--
Ph+
Heute - Gesamtüberleben nach 8 Jahren 85%
Behandlung sollte immer innerhalb von Studien erfolgen
Offene Fragen/Studien
- Kombinationstherapie mit Interferon?
- kontrolliertes Absetzen 3 Jahren Therapie und molekularer Remission
-Sequenzen
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
Abb.
7
Nüchterneinnahme?
© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
Nüchterneinnahme?
Verbesserung der Adhärenz
Einige Patientengruppen sind mit der Eigenverantwortung im Rahmen einer oralen
Therapie zu Hause überfordert. Mentale und
körperliche Defizite v.a. im Alter, Verständnisschwierigkeiten (z.B. auch bei Sprachproblemen), komplizierte Dosierungsschemata,
Depressionen, mangelndes Vertrauen zu Arzt
und Apotheker bzw. abweichende Krankheitsauffassung, aber auch mangelnde soziale
Unterstützung z.B. durch die Familie, können den Erfolg der oralen Therapie gefährden. Gravierende Nebenwirkungen führen
nicht selten zu unregelmäßiger Einnahme
oder zum Therapieabbruch. All diese angesprochenen Schwierigkeiten sollte der Apotheker bei seiner Beratung im Blick haben.
FAZIT: Die Zunahme oraler Therapien
in der Onkologie stellt hohe Anforde­
rungen an die Beratungskompetenz
von Apothekern. Mehr Sicherheit für
die Beratung bietet eine Initiative der
DGOP und OPH in Zusammenarbeit
mit der DKG (Deutsche Krebsgesell­
schaft). Das Fortbildung- und Unter­
stützungsangebot umfasst ein phar­
mazeutisches Betreuungskonzept
speziell für die Abgabe von oralen
Chemotherapeutika, ein Curriculum
für Apotheker (8 Stunden) und eine
Datenbank (https://dgop-oralia.de).
Dabrafenib (AUC↓)
Nüchtern
Erlotinib (AUC↑)
(1 h vor bzw. 2 h nach einer
Lapatinib (AUC↑)
Mahlzeit)
Nilotinib (AUC↑)
Pazopanib (AUC↑)
Bosutinib
Mit einer „leichten“ Mahlzeit
Imatinib mit Wasser
Regorafenib
Sorafenib
unabhängig
Axatinib
Ponatinib
Crizotinib
Sunitinib
Dasatinib
Vandatanib
Gefitinib
Fachinformationen
Abb.
8
Oralia-Symposium
- NZW Süd 2013
Dr. Annette Freidank
Interaktionen
der TKIs über CYP
Interaktionen
der3A4
TKIs über CYP 3A4
Arzneimittel
Inhibitor
Effekt - AUC
Induktor
Effekt - AUC
Dasatinib
Ketoconazol
5fach �
Rifampicin
> 80% �
Erlotinib
Ketoconazol
> 85% �
Rifampicin
> 80% �
Gefitinib
Itraconazol
60-8% �
Rifampicin
> 80% �
Imatinib
Ketoconazol
80% �
Rifampicin
75% �
Lapatinib
Ketoconazol
3-6fach �
Carbamazpin
75% �
Nilotinib
Ketoconazol
3fach �
Rifampicin
Pazopanib
Ketoconazol
66% �
--
Sorafenib
Ketoconazol
---
Rifampicin
37% �
Sunitinib
Ketoconazol
50% �
Rifampicin
45% �
> 80% �
--
Abb. 9
Oralia-Initiative –Einführung – 2012 - Oktober
32 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
© Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie
12. NZW-Süd–inUpdate
Ravensburg
Medikamentöse Therapie des Dickdarmkarzinoms
2013
Medikamentöse Therapie des
Dickdarmkarzinoms – Update 2013
Prof. Dr. Dirk Jäger, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen, Heidelberg
In der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms stellt die Chemotherapie
(FOLFOX) nach wie vor den Therapiestandard im UICC-Stadium III des Kolonkarzinoms bzw. im Stadium II bei Risikokonstellation dar. Monoklonale Antikörper haben
hier in keiner der durchgeführten Studien
einen Überlebensvorteil gezeigt.
Toxizität neoadjuvanter Therapie
•
•
•
•
•
In der metastasierten Situation ergeben sich
zusätzliche Therapieoptionen aufgrund der
Zulassung von zwei neuen Substanzen (Aflibercept und Regorafenib).
5-FU:
Irinotecan:
Oxaliplatin:
Bevacizumab:
Anti-EGFR:
Steatose
Steatohepatitis
Sinusoidales Obstruktionssyndrom
Wundheilungsstörungen, Blutungskomplikationen
OP-Morbidität/Mortalität nach derzeitigem Stand nicht
signifikant beeinflusst)
Inzidenz postoperativer Komplikationen steigt mit Dauer der Systemtherapie
Steatohepatitis
Sinusoidales Obstruktionssyndrom
Therapie in metastasierter Situation
1. Resektion
Bei singulären oder wenigen Metastasen in
Leber und/oder Lunge besteht potenziell die
Chance einer kurativen Metastasenresektion.
In 15-20% sind Lebermetastasen resektabel,
das 5-Jahresüberleben liegt dann bei 20-50
%. Dagegen beträgt das 5-Jahresüberleben
bei nicht resektablen Metastasen nur 1-2%.
Die Aussicht auf Heilung verschlechtert sich
bei ungünstigen Prognosefaktoren:
Abb. 1
Neu: Oktober 2012
Krankheitsfreies Intervall < 12 Monate
Größe der Einzelmetastasen > 5 cm
Anzahl der Metastasen > 1
Nodal-positiver Primärtumor
CEA prä-operativ >200 ng/ml
Voraussetzungen für die Resektabilität von
Lebermetastasen sind: Eine vollständige
(R0) Resektion aller intra- und extrahepatischen Tumormanifestationen ist möglich;
Durchblutung und biliäre Drainage können
erhalten werden; eine adäquate Funktion
des verbleibenden Lebergewebes ist gegeben (mind. 20%; oder mehr bei Leberparenchymschädigung sowie nach neoadjuvanten
Therapien).
Abb. 2
Schmoll et al., Annals of Oncology 2012; 23: 2479-2516
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 33
12.
NZW-Süd in Ravensburg
Medikamentöse
Therapie des Dickdarmkarzinoms – Update 2013
Verbessererung systemischer Therapieoptionen
Verbesserung systemischer Therapieoptionen
Saltz1, 2000
12,6
5-FU/LV Bolus
Douillard2, 2000
14,1
5-FU/LV Infusion
Saltz1, 2000
14,8
IFL
Douillard2, 2000
FOLFIRI (de Gramont oder AIO)
Goldberg3, 2004
FOLFOX
Hurwitz 4, 2004
Bokemeyer 7, 2011
Van
19,5
20,3
21,3
XELOX/FOLFOX + Bevacizumab
Falcone6, 2007
Cutsem8,
17,4
IFL + Bevacizumab
Saltz5, 2008
2011
FOLFOXIRI
22,6
FOLFOX + Cetuximab
22,8*
23,5*
FOLFIRI + Cetuximab
Douillard9, 2011
23,9*
FOLFOX + Panitumumab
0
Das progressionsfreie Überleben kann durch
eine perioperative Therapie mit FOLFOX
verbessert werden. Die neoadjuvante Therapie ist aber relativ toxisch (Abb. 1), sodass sie
i.d.R. nur in komplexeren Situationen (z.B.
mehr als eine Metastase) eingesetzt wird.
Auch eine alleinige adjuvante Therapie kann
erwogen werden.
5
10
15
Gesamtüberleben (Monate)
Abb. 3
20
25
*KRAS-wt-Population
1. N Engl J Med 2000; 343:905–14; 2. Lancet 2000; 355:1041–7; 3. J Clin Oncol 2004; 22:23–30; 4. N Engl J Med 2004; 350:2335–42; 5. J Clin Oncol 2008;
26:2013–9; 6. J Clin Oncol 2007; 25:1670–6; 7. Ann Oncol 2011; 22:1535–46; 8. J Clin Oncol 2011; 29:2011–9; 9. J Clin Oncol 2011; 29(Suppl):3510.
Den zurzeit gültigen Algorithmus für Therapieentscheidungen in der metastasierten
Situation zeigt Abb. 2.
2. Alleinige systemische Therapie
In den letzten 15 Jahren haben die Erfolge der systemischen Therapie zugenommen
(Abb. 3).
Bei einer Peritonealkarzinose hat sich in
letzter Zeit ein zunehmend aggressiveres Vorgehen durchgesetzt (Peritonektomie, Organresektion wie Kolektomie, Hypertherme intraPEritoneale Chemoperfusion HIPEC).
Selbst bei einer Peritonealkarzinose können
so noch Langzeitremissionen erzielt werden
(Abb. 4).
Bei selektierten Patienten 16% Langzeitremissionen
bei Chirurgie plus IPC
Abb. 4
Ann Surg 2013
Im Jahr 2013 wurden Aflibercept (Zaltrap®)
und Regorafenib (Stivarga®) für die Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms zugelassen und erweitern das Spektrum
der Therapiemöglichkeiten. Beide wirken unter anderem über die Blockade des VEGFPathways (Abb. 5).
Regorafenib ist ein Multityrosinkinaseinhibitor für die „Letztlinientherapie“. Ein Überlebensvorteil von eineinhalb Monaten führte
zur Zulassung (Abb. 6).
Die Effektivität von Aflibercept ist ähnlich,
es ist aber weniger toxisch und für die Zweitlinientherapie in Kombination mit FOLFIRI
zugelassen.
Abb. 5
©Sanofi Oncology
34 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
12. NZW-Süd–inUpdate
Ravensburg
Medikamentöse Therapie des Dickdarmkarzinoms
2013
FAZIT: Aflibercept und Regorafenib
erweitern jetzt das Spektrum der
Therapiemöglichkeiten des metas­
tasierten kolorektalen Karzinoms.
Der individuellen molekularen und
immunologischen Charakterisierung
von einzelnen Tumorpatienten kommt
eine immer größere Bedeutung zu.
Zukünftige Therapiestrategien zielen
darauf, Tumor-Host-Immuninter­
aktionen therapeutisch nutzbar zu
machen.
Regorafenib – ein Multityrosinkinaseinhibitor
Regorafenib vs. Placebo nach Versagen Standardtherapie
CORRECT
Phase III
Regorafenib
1.00
Survival distribution function
3. Neue Therapieansätze
Es gibt bei verschiedenen Patienten große
Unterschiede im Grad der T-Zellinvasion
am Rand ihrer Lebermetastasen (Abb. 7).
Eine starke Zellinvasion verbessert das Ansprechen auf eine Chemotherapie. Es wird
vermutet, dass die Chemotherapie nicht nur
direkt zytotoxisch wirkt, sondern das Tumormilieu auch im Sinne einer besseren Angriffsmöglichkeit für Immunzellen verändert. Die
Modulation von Immunmechanismen, beispielsweise mithilfe der Blockade bestimmter
Chemokinrezeptoren (mit Substanzen wie
PD1-Antikörper, PD1-Ligand-Antikörper)
ist therapeutisch vielversprechend. Zukünftige Therapiestrategien zielen darauf, TumorHost-Immuninteraktionen therapeutisch
nutzbar zu machen durch Verstärkung der
Immunantwort gegen Tumoren oder durch
gezielte Beeinflussung des lokalen Tumormilieus.
Median
95% CI
Placebo
6.4 mo
5.0 mo
5.9–7.3
4.4–5.8
Hazard ratio: 0.77 (95% CI: 0.64–0.94)
1-sided p-value: 0.0052
0.75
0.50
0.25
Placebo N=255
Regorafenib N=505
0
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
Days from randomization
Abb.
6 Grothey et al., ASCO GI 2012
Mod. nach
T-Zellinfiltrate an der Invasionsgrenze: `Density Score´
0
1
2
3
4
4
Abb. 7
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 35
Leitlinien in der Onkologie
Leitlinien weisen den Weg
in schwierigem Gelände.
S3-Leitlinien besitzen den höchsten
Evidenzgrad. Derzeit liegen zehn
S3-Leitlinien zu onkologischen Themen vor.
Leitlinien in der Onkologie
Von Petra Jungmayr, Esslingen
Heute: S3-Leitlinie Mammakarzinom Update 2012
ier Jahre nach der ersten Überarbeitung liegt seit Juli 2012 die aktualisierte Version der S3 Leitlinie zum Mammakarzinom vor. Änderungen betreffen vor allem das
chirurgische und strahlentherapeutische Vorgehen. In den Abschnitten zur systemisch
adjuvanten und endokrinen Therapie finden sich wenige Aktualisierungen. Neu hinzugekommen sind das Kapitel zu den komplementären Heilmethoden und die Empfehlungen
zur sportlichen Aktivität.
Die neue S3-Leitlinie zum Mammakarzinom
ist mit dem Titel „Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ überschrieben
und liegt nunmehr in ihrer dritten Fassung
vor. Herausgeber sind die Leitlinienprogramme der AWMF (Arbeitsgemeinschaften der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften), der Deutschen Krebsgesellschaft
e.V. und der Deutschen Krebshilfe e.V. Als
federführende Fachgesellschaften zeichnen
die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. (DKG)
und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Die Leitlinie
ist im AWMF-Register unter der Nummer
032-045OL gelistet. Am Zustandekommen
dieser Leitlinie waren zahlreiche Autoren
sowie 30 wissenschaftliche medizinische
Fachgesellschaften beteiligt, um die Besonderheiten unterschiedlicher Therapiesituationen angemessen zu berücksichtigen. Bei
der Erstellung der Leitlinie wurden ferner
Aussagen und Empfehlungen mehrerer internationaler Leitlinien aufgenommen sowie
36 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
die Ergebnisse internationaler Studien und
Metaanalysen berücksichtigt.
Die vergebenen Evidenzgrade richten sich
nach den Kriterien des Oxford Centre of
Evidence-based Medicine. In der Leitlinie
werden alle evidenzbasierten Kernaussagen
und Empfehlungen hinsichtlich der Evidenzstärke mit dem Grad der Empfehlung ausgewiesen. Empfehlungsgrad „A“ bedeutet eine
starke Empfehlung, Empfehlungsgrad „B“
eine Empfehlung und der Empfehlungsgrad
„0“ lässt die Empfehlung offen. In der Regel
bestimmt die Evidenzstärke die Stärke der
Empfehlung, Abweichungen werden begründet. Statements und Empfehlungen, deren
Überarbeitung von der Leitliniengruppe beschlossen wurde, sind mit der Graduierung
„GCP“ gekennzeichnet.
Bild: Dr. Christian Öhlschlegel, St. Gallen
V
Leitlinien in der Onkologie
Die Leitlinie liegt in einer Lang- und einer
Kurzversion vor. Die Langversion beinhaltet
362 Seiten. Die 104 Seiten umfassende Kurzversion enthält im Wesentlichen die konsentierten und abgestimmten Empfehlungen
und Statements. Ferner wird auf ergänzende
Dokumente wie z.B. eine Patientenleitlinie
oder die Leitlinie des Ärztlichen Zentrums
für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hingewiesen.
Aufbau der Leitlinie
Die Leitlinie enthält 10 Kapitel, die folgendermaßen überschrieben sind:
Information zu der Leitlinie
Einleitung
Allgemeines
Lokoregional begrenzte Primärerkrankung
Das rezidivierte oder metastasierte Mammakarzinom
Behandlung, Betreuung, Begleitung (inklusive Nachsorge)
Versorgungskoordination, Qualitätsmanagement und Qualitätsindikatoren
Anhänge (hier finden sich unter anderem
Risikoeinteilungen, pathomorphologische
Klassifikationen sowie gängige Therapieschematas)
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
(duktalen Carcinoma in situ) 2 mm. Beim
frühen invasiven Mammakarzinom mit oder
ohne begleitendes DCIS sollte der Sicherheitsabstand mindestens 1 mm betragen. Bei
bis zu zwei befallenen Wächterlymphknoten
kann bei klinisch und bildgebend unauffälligen axillaren Lymphknoten und brusterhaltender Operation mit geplanter Nachbe-
Tumorbiologie zunehmend an Bedeutung.
Die Bestimmung des Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus sollte immunhistochemisch erfolgen. Der prognostische und prädiktive Wert des Proliferationsmarkers Ki-67
ist nicht ausreichend belegt und sollte daher
außerhalb von Studien nicht als Entscheidungsgrundlage für die systemische Thera-
Neue S3-Leitlinen im zweiten Quartal 2013
Im Rahmen des Leitlinienprogramms
Onkologie sind im zweiten Quartal 2013
neue S3-Leitlinien zum kolorektalen und
hepatozellulären Karzinom sowie zum
Ovarialkarzinom erschienen. Diese Leit­
linien enthalten neben evidenzbasierten
Entscheidungshilfen für den Arzt auch
Qualitätsindikatoren, das heißt Mess­
größen, die zur Beurteilung diagnosti­
scher und therapeutischer Vorgehens­
weisen eingesetzt werden können.
Kolorektales Karzinom: Eine S3-Leitli­
nie zum kolorektalen Karzinom wurde
erstmals 1998 veröffentlicht und
mehrere Male, zuletzt 2007, aktuali­
siert. Die vorliegende Überarbeitung
entstand unter der Federführung der
Deutschen Gesellschaft für Verdau­
ungs- und Stoffwechselerkrankungen
(DGVS); die wichtigsten Aktualisierun­
gen betreffen Prävention, Screening,
Risikogruppen, Diagnostik, Therapie
sowie Nachsorge.
Ovarialkarzinom: Die neue S3-Leitlinie
löst die bislang geltende konsens­
basierte S2-Leitlinie ab. Die Leitlinie
entstand unter der Federführung der
Deutschen Gesellschaft für Gynäko­
logie und Geburtshilfe (DGGG) und
umfasst alle Aspekte maligner Ovari­
altumoren.
Hepatozelluläres Karzinom: Die neue
S3-Leitlinie, die unter der Federfüh­
rung der Deutschen Gesellschaft für
Verdauungs- und Stoffwechselerkran­
kungen (DGVS) entstand, ist die erste
nationale Leitlinie für diese Tumoren­
tität. Ein Schwerpunkt liegt auf der
Prävention und den Risikofaktoren.
Ferner werden verschiedene Verfahren
der Diagnose sowie der operativen,
interventionellen und systemischen
Therapien erläutert.
Was ist neu?
Wichtige Änderungen im Vergleich zur Leitlinie von 2008 betreffen die operative Therapie, pathomorphologische Untersuchungen
und das Vorgehen bei der Bestrahlung. Bei
den adjuvant systemischen und endokrinen
Therapien ergaben sich wenige Änderungen.
In der metastasierten Situation wird mehr
Wert auf die Lebensqualität gelegt. Neu hinzugekommen sind die Abschnitte zur komplementären Therapie.
Operative Therapie und Bestrahlung
Die beiden wichtigsten Veränderungen
betreffen den Schnittrand und die Axilladissektion. Die Mindestabstände des Tumorgewebes zum gesunden Gewebe nach
brusterhaltender Operation mit nachfolgender Bestrahlung sind beim reinen DCIS
strahlung der Brust auf eine Axilladissektion
verzichtet werden.
Aktualisierungen zu den Indikationen für
eine Strahlentherapie betreffen Zielvolumina
bei lokoregionalem Befall, Teilbrustbestrahlungen einschließlich (alleiniger) intraoperativer Radiotherapie, Hypofraktionierungskonzepte, die Kombination mit systemischen
Therapien im Rahmen der Primärtherapie
sowie der Einsatz der Strahlentherapie bei
lokoregionalem Rückfall und Organmetastasierung.
Stärkere Berücksichtigung der
Tumorbiologie
Bei den Empfehlungen zu den pathomorphologischen Untersuchungen gewinnt die
pie dienen. Dasselbe gilt für den Einsatz von
Genexpressionsanalysen, die für den Routineeinsatz nicht empfohlen werden.
Wenig Neues in der adjuvanten
Therapie
Im Vergleich zur vorhergehenden Version
finden sich in der aktuellen Leitlinie keine
wesentlichen Änderungen im Hinblick auf
die zur Verfügung stehenden Wirkstoffe. Bei
der Indikationsstellung zu einer Chemotherapie wird die Tumorbiologie stärker gewichtet.
Die adjuvante und neoadjuvante Chemotherapie führen zu denselben Überlebensraten
und sind als gleichwertig anzusehen. Ältere
Patienten sollten dieselbe Therapie erhalten
wie jüngere. Bei jeder systemischen Therapie
ist eine optimale supportive Therapie obligat.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 37
Leitlinien in der Onkologie
Fernmetastasen
Neu ist die Empfehlung, den Hormonrezeptorstatus sowie den HER2-Status in der
Metastase erneut zu bestimmen, da sich der
Rezeptorstatus zwischen Primärtumor und
Metastase verändern kann. Ferner haben sich
einige Änderungen bei der Auswahl der einzusetzenden zytotoxischen Substanzen ergeben; so wurde etwa Halichondrin neu aufgenommen. Für die Therapie HER2-positiver
Tumore wird folgende Empfehlung ausgesprochen: Tritt unter einer Trastuzumabgabe
eine Progression auf, sollte die Folgetherapie
weiterhin eine Anti-HER2-gerichtete Komponente enthalten. Bei einer hormonrezeptorpositiven Erkrankung ist der endokrinen
Therapie der Vorzug zu geben.
Betreuung: Sport und Stärkung der
Compliance
Bereits im Abschnitt zur Supportivtherapie
wird auf den günstigen Einfluss sportlicher
Aktivitäten hingewiesen. Während der Chemo- und Strahlentherapie wirkt sich die körperliche Bewegung positiv auf die Fitness der
Patientin aus und erleichtert das Ausführen
täglicher Arbeiten. Auch in der Rehabilitation kann durch Bewegung die Fatigue verringert werden. Im Rahmen der Nachsorge
wird ebenfalls auf die Bedeutung körperlicher
Aktivität hingewiesen. So soll die Patientin zu
körperlicher Aktivität (zwei bis drei Stunden
pro Woche) sowie zur Normalisierung des
Körpergewichts motiviert werden.
Neu aufgenommen wurde der Hinweis, dass
die Compliance der Patientin zu stärken ist.
Dies gilt vor allem für endokrine Therapien
mit Tamoxifen oder Aromatase-Inhibitoren,
die mindestens fünf Jahre lang eingenommen
werden müssen.
Keine Empfehlung für
komplementäre Therapien
Neu hinzugekommen ist ein Absatz zur komplementären Therapie, nach der alle Patienten
befragt werden sollten. Laut Leitlinie gibt es
aber nur wenige alternative Therapiekonzepte, die den Betroffenen empfohlen werden
können. Diese Aussage wird mit Hilfe einer
Tabelle untermauert, in der die wichtigsten
komplementären Methoden im Hinblick auf
ihren propagierten Einsatz, Nebenwirkungen
und Interaktionen bewertet werden. Diagnostische Maßnahmen der Alternativmedizin
werden abgelehnt. Nahrungsergänzungsmittel während einer Chemo-, Hormon- oder
Strahlentherapie sollten über die natürliche
Ernährung und dem physiologischen Bedarf
entsprechend zugeführt werden.
LITERATUR
www.awmf-online.org
www.leitlinienprogramm-onkologie.de
Harbeck N et al. Aktuelle Veränderungen der S3-Leitlinie Mammakarzinom. Der Gynäkologe 2012;45:443447.
Souchon R et al. Strahlentherapie. Der Gynäkologe
2012;45: 448-452
AUTORIN
Dr. Petra Jungmayr
Fachapothekerin für Offizinpharmazie,
Onkologische Pharmazie
Esslingen
Pressemitteilung
PR ESS EM I TTEI LU N G
Brustkrebs: Bestrahlung von Lymphknoten hilft
Patientinnen mit mittlerem oder leicht erhöhtem
Rückfallrisiko
U
m bei Brustkrebspatientinnen zu prüfen, ob der Tumor bereits Krebszellen in
das umliegende Gewebe gestreut hat, untersuchen Ärzte benachbarte Lymphknoten und
entfernen sie. In den letzten Jahren zeigte
sich, dass die Entnahme einer ganzen Reihe
von Achsellymphknoten keinen Vorteil in Bezug auf das Überleben der Patientinnen bietet. Eine neue Studie weist jetzt aber darauf
hin, dass eine zusätzliche Bestrahlung der
Lymphknotenstationen den Frauen Überlebensvorteile bringt.
In den letzten Jahren wurde die operative
Entfernung der Lymphknoten bei Brustkrebs
immer weiter eingeschränkt, da die Eingriffe
das Leben der Frauen nicht verlängerten. Prof.
Dr. med. W. Budach, Direktor der Klinik und
Poliklinik für Strahlentherapie und Radioon­
kologie am Universitätsklinikum Düsseldorf
und Mitglied der DEGRO-Arbeitsgruppe Mam­
makarzinom: „Indirekte Hinweise ließen uns
aber vermuten, dass eine Bestrahlung der
Lymphknotenstationen für bestimmte Pati­
entinnengruppen Überlebensvorteile bringt.“
Die lang erwarteten Ergebnisse einer euro­
paweiten Studie der European Organisation
for Research and Treatment of Cancer (EORTC22922-10925) mit über 4.000 Patientinnen
und 43 beteiligten Zentren scheinen dies nun
zu bestätigen: Danach führt die zusätzliche
Bestrahlung zu einem statistisch signifikan­
ten besseren Gesamtüberleben.
Die Forscher um Philip Poortmans stellten
die Ergebnisse der EORTC-Studie auf dem
European Cancer Congress (ECCO) am 28.
September 2013 vor. An der Studie nahmen
Frauen teil, bei denen der Brustkrebs auch die
Lymphknoten befallen hatte. Einschlusskrite­
rien für die Studie waren ein Lymphknotenbe­
fall der Achsel und die Lage des Tumors. Nach
brusterhaltender Operation – bei drei Viertel
der Frauen – erhielten die Patientinnen eine
Bestrahlung der Brust. Bei Frauen, denen die
Brust komplett entfernt wurde, bestrahlten
die Ärzte in 73 Prozent der Fälle die Brust­
wand. 99 Prozent der nodal-positiven Pati­
entinnen, bei denen sich also in den Lymph­
knoten Krebszellen fanden, und 66 Prozent
der nodal-negativen Patientinnen erhielten
zusätzlich eine Chemo- oder Hormonthera­
pie. Deren Ziel ist es, vom Tumor gestreute
Mikrometastasen im ganzen Körper zu zer­
stören. Die Hälfte der Frauen erhielt eine zu­
sätzliche Bestrahlung der Lymphabflussregion
oberhalb des Schlüsselbeins und neben dem
Brustbein, die andere Hälfte bekam keine Be­
strahlung der Lymphabflusswege.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungs­
zeit von 10,9 Jahren erhöhte sich durch die
zusätzliche Bestrahlung der Lymphknoten
das krankheitsfreie Überleben von 69,1 auf
72,1 Prozent (p= 0,04), das metastasenfreie
Überleben von 75 auf 78 Prozent (p= 0,02)
und das Gesamtüberleben von 80,7 auf 82,3
Prozent (p= 0,056). Der Effekt der Lymphab­
flussbestrahlung auf das Gesamtüberleben
war statistisch signifikant (p= 0,03). Patien­
tinnen, die eine Chemotherapie benötigten
und zusätzlich eine Hormontherapie erhalten
haben, profitieren am stärksten von der Lym­
phabflussbestrahlung.
Prof. Dr. med. Michael Baumann, Direktor der
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und
Radioonkologie des Universitätsklinikums
Carl Gustav Carus in Dresden und Präsident
der DEGRO betont: „Eine wichtige und auf­
grund der sehr langen Nachbeobachtungszei­
ten sichere Erkenntnis ist, dass es durch die
zusätzliche Bestrahlung nicht zu mehr Herz­
schäden kommt.“ Diese Befürchtungen sei­
en – zumindest in den ersten elf Jahren nach
Strahlentherapie – unbegründet.
Der relativ kleine Überlebensvorteil von der­
zeit 1,6 Prozent nach über 10 Jahren wird die
Frage aufwerfen, welche Patientinnen eine
komplette Lymphabflussbestrahlung routine­
mäßig erhalten sollen. Prof. Budach: „Dazu
sind weitere Subgruppenanalysen erforder­
lich.“ Die neuen Erkenntnisse werden nach
Einschätzung der DEGRO-Experten in die Leit­
linien zur Behandlung des Mammakarzinoms
einfließen müssen und für die Behandlung
einiger Patientinnengruppen Änderungen in
der Behandlungspraxis nach sich ziehen.
LITERATUR:
Poortmans P, Struikmans H, Kirkove C, Budach W,
Maingon P, Valli MC, Collette S, Fourquet A, Bartelink
H, Van den Bogaert W: Irradiation of the internal
mammary and medial supraclavicular lymph nodes
in stage I to III breast cancer: 10 years results of the
EORTC Radiation Oncology and Breast Cancer Groups
phase III trial 22922/10925. Abstract online recherchierbar unter: Abstract search ECCO 2013
[nach der Pressemitteilung der DEGRO vom
02.10.2013]
Neue App zur Therapie des Mamma-CA
Die medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH bietet seit Kurzem eine neue
App zur Therapie des Mamma-CA an: den leitlinienbasierten Folder zur Therapie des Mam­
makarzinoms der medac gibt es ab sofort auch als App für iOS und Android im iTunes bzw.
GooglePlay Store oder unter www.medac.de/iPhone-Mamma-Ca bzw. unter www.medac.
de/Android-Mamma-Ca.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 39
Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum
Nachsorge (follow-up) von Patientinnen
mit Mammakarzinom
in einem Onkologischen Zentrum
Von Jochem Potenberg und Gisela Sprossmann-Günther, Berlin-Spandau
Einführung
Die Nachsorge nach der Primärtherapie eines Mammakarzinoms hat verschiedene Aspekte: die Betreuung der Patientinnen und die Qualitätssicherung der Behandlung. Aufgabe
eines Brustzentrums ist es, beiden Ansprüchen gerecht zu werden.
2008 erkrankten in Deutschland ca. 72.000
Frauen an einem Mammakarzinom (Inzidenz
171 pro 100.000 Einwohner und Jahr). Damit
ist Brustkrebs die häufigste bösartige Erkran­
kung der Frau. Die letzten Jahrzehnte haben
wesentliche Fortschritte in der Früherkennung (z.B. Mammographie Screening) und
in der multimodalen Therapie (Operation,
Bestrahlung, systemische Therapien) gebracht.
Somit zeigt sich trotz des Anstieges neu diagnostizierter Karzinome eine kontinuierliche
Senkung der altersstandardisierten Letalität
(Abb. 1; 5). Das 5-Jahres Überleben beträgt
beim Mammakarzinom 78% (Vergleich Lungenkarzinom 15%).
änderten Wahrnehmung der Körperlichkeit,
sondern bedürfen wegen der psychosozialen
Belastung des multiprofessionellen Therapieansatzes durch Sozialarbeiter, Psychoonkologen, Physio­therapeuten und onkologische
Pharmazeuten.
Während der initialen Behandlung der Primärerkrankung ist die Patientin durch die
Vielzahl der Maßnahmen (Operation, Chemotherapie, Radiatio) eher körperlich belastet. 3 Monate nach Abschluss der primären
Therapie beginnt die Nachsorge. In dieser
Phase erhält die Mehrzahl der Patientinnen
eine antihormonelle Therapie. Hier wird den
sachten Symptome zu erfassen und Angebote zur physischen, psychischen und psychosozialen Rehabilitation bereit zu stellen.
Der Wunsch der Patientinnen während der
Nachsorge nach Diagnostik und Angeboten
zur Betreuung ist erheblich (6).
Die Empfehlungen zur Nachsorge der Deutschen Krebsgesellschaft beruhen auf der Erkenntnis, dass technische Untersuchungsverfahren (Sonographie, Röntgen des Thorax,
Knochenszintigraphie) nicht zu einer Verbesserung des Überlebens geführt haben. Deshalb erfolgt die Nachsorge individualisiert
und symptom-orientiert (2).
Bei der Patientin mit Fernmetastasen liegt der
Schwerpunkt der Betreuung auf der Erhaltung der Lebensqualität. Patientinnen ohne
Fernmetastasen werden unter dem Gesichtpunkt der Früherkennung eines Lokalrezidivs
nachgesorgt. Die Mammographie ist das einzige bildgebende Verfahren in der Nachsorge,
das in der Routine empfohlen wird (Tab. 1).
Anamnese, Untersuchung, Beratung
Abb. 1:
Altersstandardisierte
Erkrankungs- und
Sterberate am
Mammakarzinom (5)
Die neugestellte Diagnose von Brustkrebs hat
einen erheblichen Einfluss auf die Lebens­
qualität betroffener Frauen. Medizinische
Maßnahmen führen nicht nur zu einer ver-
Frauen der Einschnitt in ihr tägliches Leben
stärker bewusst. Die Nachsorge hat die Aufgabe, die durch Behandlung der Erkrankung
und durch die systemische Therapie verur-
40 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Durch die Anamnese lassen sich Symptome einer Krankheitsprogression oder unerwünschte Wirkungen der Therapie erfassen.
Muskuloskelettale Beschwerden können
durch Aromata­se-Inhibitoren induziert oder
Ausdruck einer neu aufgetretenen ossären
Metastasierung sein.
Die körperliche Untersuchung schließt die
Palpation der Mamma und Axilla ein. Die
frühzeiti­ge Erkennung des Lokalrezidives
ermöglicht häufig einen erneuten kurativen
Ansatz. Oft ist es durch Operation und Bestrahlung zu einer Veränderung der Brustdrüse gekommen, sodass die Mammographie,
besonders im Verlauf, zur Erkennung intramammärer Verände­rungen hilfreich ist. Wich-
Nachsorge (follow-up) von Patientinnen mit Mammakarzinom in einem Onkologischen Zentrum
tige Therapie-verbundene Symptome sind
Lymphödeme des Arms, Funktionsstörun­
gen der Schulter und Nachwirkungen von
Bestrahlung und Chemotherapie.
Die Beratung soll sicherstellen, dass die
Patientin auch im Verlauf Zugang zur
Physiothera­pie, Psychoonkologie und Arzneimittelsprechstunde erhält.
Follow-up
Das Follow-up dient der wissenschaftlichen
Erfassung des Verlaufes nach Primärdiagnose einer Neoplasie. Dieses ist in den Erhebungsbögen für Brustzentren der Deutschen
Krebs­gesellschaft gefordert. Die aufwändige
Tumordokumentation dient der Qualitätssicherung der Behandlung und gewährleistet
die Vergleichbarkeit der Behandlung in den
verschiedenen Zentren (Benchmarking).
Die Prognose des individuellen Mammakarzinoms ist unterschiedlich. So haben Größe
des Primärtumors (T-Stadium), der nodale
Befall (N-Stadium) und der Nachweis von
Fernmeta­stasen (M-Status) Einfluss auf das
Gesamtüberleben. Darüber hinaus beeinflussen biologi­sche Faktoren (ER, PR, Ki67,
Her2-neu) die Prognose. Molekulargeneti-
Qualitätssicherung. So wird der Einfluss einer
neuartigen Therapie durch Darstellung auf
das progressionsfreie Überleben (PFS = progression free survival) und das Gesamtüberleben (OS = overall survival) im Vergleich
zur Standard Therapie darstellt und bewertet.
So erfolgte die Einführung von Trastuzumab
in die adjuvante Therapie des Her2-neu positiven Mammakarzinoms, da eine 12 monatige Therapie das PFS und das OS signifikant
verbesserte (1). Derartige Phase III Studien
werden mit erheblichem Aufwand durch einen pharmazeutischen Hersteller als Sponsor
durchgeführt.
Für die Tumordokumentation stehen derartige Mittel nicht in diesem Umfang zur
Verfügung. Das Entgelt für die Behandlung
des Mammakarzinoms erfolgt durch die
Einordnung in eine DRG (diagnosis related group). Dieses Entgelt schließt die Kosten einer mehrjährigen Nachsorge nicht ein.
Im Ev. Waldkrankenhaus werden ca. 400
Neuerkrankungen am Mammakarzinom
und 500 weitere Neoplasien pro Jahr neu
festgestellt. Das bedeutet am Beispiel des
Mammakarzi­noms, das innerhalb von 5 Jahren ca. 2.000 Patienten eine jährliche Nachsorge erhalten und diese in der Tumordoku-
Tab. 1: Nachsorge-Empfehlungen beim Mammakarzinom (Deutsche Krebsgesellschaft)
Jahre nach Primärtherapie
1.-3. Jahr
4.-5. Jahr
Ab 6. Jahr
Anamnese, Untersuchung,
Beratung
Alle 3 Monate
Alle 6 Monate
Alle 12 Monate
Mammographie
(betroffene Brust)
Alle 6 Monate
Alle 12 Monate
Mammographie
(andere Brust)
Alle 12 Monate
Bildgebene Verfahren,
Labor
Nur bei Verdacht auf einem Tumor
sche Analysen (Oncotype DX, Endopredict)
werden zunehmend eingesetzt.
Probleme der Nachsorge
Die Erfassung des Zeitpunktes von Rezidiv
und Tod nach Primärtherapie einer bösartigen Erkrankung ist das klassische Mittel der
vollständig gesichert. Der Nationale Krebsplan (4) zeigt jedoch die Wichtigkeit dieser
Qualitätssichernden Maßnahme auf und verspricht eine zukünftige Finanzierung.
Zusammenfassung
Das Mammakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor der Frau. Trotz steigender Inzidenz konnte ein Rückgang der Mortalität
erreicht werden. Für die individuelle Patientin
führt die multimodale Therapie zu krankheitsspezifischen und Therapie-assoziierten
Symptomen. Die Nachsorge dient der Erkennung dieser Symptome, die durch ein Angebot an Physiotherapie, Psychoonkologie,
Sozialmedizin und Arzneimittelsprechstunde
aufgefangen werden sollen.
Die Nachsorge wird 5 Jahre nach der Primärerkrankung durch die Früherkennung
abgelöst. Das Follow-up durch die Tumordokumentation dient der Qualitätssicherung
durch Vergleich­barkeit der Ergebnisse in
verschiedenen Institutionen. Der Nationale Krebsplan verspricht eine Finanzierung
dieser onkologisch notwendigen Strukturen.
LITERATUR
1. Hudis CA: Trastuzumab – Mechanism of action
and use in clinical practice. N Engl J Med 357. 2007.
39-51.
2. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik,
Therapie und Nachsorge des Mamma­karzinoms.
Deutsche Krebsgesellschaft 2012.
3. Meier F, Kneier R.: Zertrechner des Onkologischen
Zentrums des Ev. Waldkrankenhauses. 2013.
4. Nationaler Krebsplan. Handlungsfelder, Ziele und
Umsetzungsempfehlungen. Bundes­ministerium
für Gesundheit. Januar 2012.
5. RKI Robert Koch Institut. Krebs in Deutschland
2007/2008. 8. Ausgabe 2012.
mentation dokumentiert werden muss (3).
Dafür stehen in unserem Onkologischen
Zentrum 2,75 Vollzeitkräfte in der Dokumentation und ein medizi­nischer Koordinator zur Verfügung, die für die Qualität der
erhobenen Daten verantwortlich sind. Die
Finanzierung dieser Maßnahmen ist nicht
6. Sprossmann-Günther G, Potenberg J: Quality of
life in patients with breast cancer during followup. (submitted). Deutscher Krebskongress 2014.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 41
Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik
Neubau einer Apotheke mit aseptischer
Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik
und Raumlufttechnik
Von Heiner Schwenke, Weinböhla
N
ach dem Inkrafttreten der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) am 12. Juni
2012 /1/ gilt für die Umsetzung dieser Vorgaben eine Übergangsfrist bis spätestens
01.06.2014. An einem Beispiel für den Neubau einer Apotheke im Land Brandenburg wird
besonders auf die reinraumtechnischen Belange wie Reinraumkonzept, Qualifizierung,
Raumlufttechnik, Reinraumumschließungsflächen und technischen Anforderungen für
medizinische Ausrüstungen eingegangen. Die Kenntnis und Einhaltung dieser Grundlagen sind eine wichtige Voraussetzung für die aseptische Herstellung von Arzneimitteln
nach der neuen ApBetrO.
faden der Guten Herstellungspraxis (GMP)
/4/, DIN EN ISO 14 644 /5/ und VDI 2083
/6/ und QuapoS /7/ durchzuführen.
Die Herstellung sollte immer eine Einheit
mit den übrigen Apothekenräumen bilden
oder sich in angemessener Entfernung von
diesen befinden. Für die räumliche Umgebung existieren 3 Möglichkeiten:
Reinraumkonzept
Am Anfang steht die möglichst genaue Angabe über Art und Umfang der Herstellung durch den Apothekenleiter. Dabei sind
CMR-haltige Arzneimittel möglichst getrennt von sterilen Arzneimitteln (Antikörperlösungen, Parenterale Ernährungslösungen, Schmerzpumpen) herzustellen.
1. Herstellung in Sicherheitswerkbank RK
A in Raum RK B
2. Herstellung in Sicherheitswerkbank RK A
in Raum RK C und Nachweis der Arzneimittelsicherheit
Laut ApBetrO § 35 ist die Herstellung von
Zytostatika bzw. sterilen Ansätzen immer in
einer Sicherheitswerkbank nach DIN 12 980
/2/ (ZSW) oder DIN EN 12 469 /3/ (MSW)
der Reinheitsklasse (RK) A nach EG-Leit-
Tabelle 1: Reinheitsklassen in der Pharmazie
3. Herstellung im Isolator RK A im Raum
RK D mit Zusatznachweisen
In allen drei Fällen ist eine Abstimmung mit
dem Landesamt für Umwelt und Verbraucherschutz (LUGV) /8/ erforderlich.
Die erste Variante - RK A in RK B – ist
die sicherste Variante, da hier die geringsten
Partikel- und Keimzahlen in der Umgebung
vorliegen.
Die zweite Variante – RK A in RK C - bringt
Vorteile bei Invest- und Betriebskosten, erfordert aber einen zusätzlichen Nachweis der
Arzneimittelsicherheit.
Die dritte Variante – Isolator RK A in RK
D – bringt ebenfalls Kostenvorteile, ist aber
ungünstig bei häufig wechselnden Grundstoffen und erfordert zusätzliche Nachweise zur
Dichtheit und eine aufwendigere Desinfektion.
Tabelle 1: Reinheitsklassen in der Pharmazie /4/
max. zulässige Partikelzahl /m³ - Reinheitsklasse ISO 14644 (RK)
Reinheitsklasse
at rest
(RK)
ISO 14644
in operation
ISO 14644
≥ 0,5 μm
≥ 5,0 μm
RK
≥ 0,5 μm
≥ 5,0 μm
RK
A
3.520
20
5
3.520
20
5
B
3.520
29
5
352.000
2.900
7
C
352.000
2.900
7
3.520.000
29.000
8
D
3.520.000
29.000
8
at rest – Leerlauf
at rest –inLeerlauf
operation – Fertigung
in operation - Fertigung
42 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
nicht festgelegt nicht festgelegt keine Forderungen
Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik
Abb. 1: Reinraum-Layout Apotheke mit Personal- und Materialfluss (Beispiel /11/)
Bei dem hier beschriebenen Neubau einer
Apotheke wurde gemeinsam mit dem LUGV
die sicherste Variante 1 festgelegt. Es wurden
getrennte Herstellungsräume für Zytostatika und Sterile Lösungen mit einer Personalschleuse RK B mit „Druckfalle“ gewählt.
In Abbildung 1 ist zu sehen, dass Personal
und Material auch bei Apotheken auf getrennten Wegen in die Herstellungsräume
gehen, da Kleiderwechsel der Personen sowie
Auspacken und Desinfektion des Materials
unterschiedliche Abläufe sind. Die Personalschleusen und Materialschleusen müssen
bei RK B und C aktiv belüftet und können
bei RK D aktiv belüftet werden. Sie sind mit
einer Türverriegelung, optischen Anzeige,
Notaus und Zeitverriegelung auszustatten.
In Personal- und Materialschleusen muss die
Reinheitsklasse des nächsten Arbeitsraumes
erreicht werden.
Zum Reinraumkonzept gehört das DruckLayout. Hier gilt eine positive Druckstufe je
Verwendete Abkürzungen:
DQ – Design-Qualifizierung
RK – Reinheitsklasse
IQ – Installations-Qualifizierung
OQ – Funktions-Qualifizierung
URS –Betriebsbeschreibung (UserRequirement-Spezifikation)
PQ – Prozess-Qualifizierung
VE – Vollentsalztes (Wasser)
Reinheitsklasse von +10 bis 15 Pa. Schleusen
liegen in der Regel dazwischen. Im Herstellungsraum von Zytostatika wird zum Schutz
der angrenzenden Räume ein niedrigerer
Druck, z. B. +15 Pa, gewählt. Die Personalschleuse vor der Herstellung wird als Druckfalle, z.B. mit +45 Pa, ausgebildet.
Qualifizierung
Die Qualifizierung ist die dokumentierte Beweisführung, dass die technischen Anlagen
und die Umgebung einwandfrei arbeiten und
die Voraussetzungen zur Herstellung eines
Produktes gegeben sind /4/.
Apotheken müssen eine Qualifizierung
durchführen.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 43
Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik
Abb. 2: Qualifizierungsablauf
User Requirement
Spezifikation URS
Lastenheft
ProzessQualifizierung PQ
Risikoanalyse RA
FunktionsQualifizierung OQ
DesignQualifizierung DQ
InstallationsQualifizierung IQ
Die Validierung ist der Nachweis, dass das
in den qualifizierten Anlagen hergestellte
Produkt den vorgegebenen Anforderungen
entspricht.
Mit dem Reinraum-Layout sollte durch einen Mitarbeiter der Apotheke und einen
Qualifizierungsverantwortlichen eine Betriebsbeschreibung oder User Requirement
Spezifikation (URS) mit der Aufgabenstellung für die Planung und Realisierung erstellt werden.
Die Risikoanalyse hat die Aufgabe, kritische
Grenzwerte und Eigenschaften der Ausrüstungen zu bewerten und Fehler auszuschließen.
Zweck des Design-Qualifizierungs (DQ)Prüfplanes/-Berichtes ist die dokumentierte
Überprüfung, dass die Anforderungen aus
Betriebsbeschreibung und Risikoanalyse sowie die GMP-Vorgaben /4/ bei der Planung
eingehalten werden.
Zweck des Installations-Qualifizierings (IQ)Prüfplanes/-Berichtes ist die dokumentierte
Überprüfung, dass alle technischen Ausrüstungen sowie die Reinraumoberflächen von
Decke, Wand und Fußboden entsprechend
der Planung installiert sind und den künftigen Reinraumanforderungen entsprechen.
Der Funktions-Qualifizierungs (OQ)Prüfplan/-Bericht hat die Aufgabe, die Funktion der installierten Anlagen zu überprüfen und alle Betriebszustände, Alarme und
Sicherheitsverriegelungen im Zustand „at
rest“ ohne Personen und ohne Produktion
nachzuweisen.
Der Prozess-Qualifizierungs( PQ)-Prüfplan/Bericht dokumentiert, dass die Räume und
technische Anlagen bei simulierten Produktionsbedingungen alle Anforderungen für die
Herstellung von Arzneimitteln „in operation“ erfüllen.
Die Qualifizierungsunterlagen müssen rechtzeitig von einem erfahrenen Fachmann mit
Kenntnissen auf allen reinraumtechnischen
Gebieten erarbeitet werden, damit Fehler bei
der Neukonzeption und hohe Zusatzkosten für nachträgliche Änderungen vermieden werden.
Raumlufttechnik
Die raumlufttechnische Anlage hat die Aufgabe für eine Erneuerung der Außenluft zu
sorgen und die klimatechnischen Gesichtspunkte laut Annex 1 /4/ einzuhalten. In der
Regel wird im Reinraum von der raumlufttechnischen Anlage nur der Produktschutz,
jedoch bei Zytostatika auch der Personenund der Umweltschutz durch geeignete
Maßnahmen gefordert. Regelhaft werden
dafür 3 Filterstufen, F 7 und F 9 im Klimagerät und H 14 direkt am Luftauslass
erforderlich. Bei Sicherheitswerkbänken
gibt es insgesamt 3 Filter H14, wobei das
erste Filter für die Filterung der Zuluft,
das zweite Filter (Hauptfilter) für die Filterung der Umluft und das dritte Filter für
die Filterung der Fortluft zum Schutz der
Umgebung verantwortlich ist. Mit der Wahl
von 100 % Außenluft, speziellen Raumströmungsbedingungen in der Sicherheitswerkbank und dem richtigen Druckkonzept wird
Kreuzkontamination verhindert.
44 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Realisierung
Planung
Validierung
Produktion
Abb. 2: Qualifizierungsablauf
Es ist eine Klimaanlage mit allen 4 Aufbereitungsstufen, Heizen, Kühlen, Entfeuchten
und Befeuchten erforderlich /3/. Mit dem
Einsatz von Filter-Fan-Units, mit 50% Teillast bei Betriebsunterbrechung und mit Wärmerückgewinnung können Energiekosten
eingespart werden. Für die Raumlufttemperatur gilt für RK B 19/20°C +- 2K und für
die übrigen RK 21/22°C +- 2K. Eine kurzzeitige Überschreitung dieser Grenzwerte bei
extremen Sommerbelastungen bis 23/25°C
ist zulässig. Die Raumluftfeuchtigkeit muss
durch Be- und Entfeuchtung im Bereich 35
bis 65 % gehalten werden. Für den LaminarFlow-Bereich (LF-Bereich) mit turbulenzarmer Verdrängungsgeschwindigkeit gilt eine
Geschwindigkeit von 0,45m/s +- 20%. In der
Sicherheitswerkbank wird mit messtechnischem Nachweis meist nach unten abgewichen. Im Reinraum gilt wegen der besonderen
Kleidung der sonst übliche Grenzwert von
< 0,20m/s nicht. Die geforderte Reinheitsklasse wird durch die 3-Stufen-Luftfilterung
und den notwendigen Luftwechsel erreicht.
Die notwendige Druckdifferenz zur Umgebung wird durch Volumenstromregler mit
speziellen Antrieben durch die Regelung eingehalten. Es sollten für alle Klimaparameter
Warn- und Alarmwerte für Über- oder Unterschreitung festgelegt werden.
Den wesentlichen Einfluss auf die Reinheitsklasse und die Mikrobiologie hat der Luftwechsel mit der vorhandenen Partikelzahl, da
Mikroorganismen sich an Partikel anlagern.
Deshalb bringt ein großer Luftwechsel eine
bessere Reinheitsklasse und wenige Mikroorganismen. Die Forderungen nach GMP /4/,
FDA /9 / und die bei der realisierten Apotheke gewählten Luftwechsel sind in Tabelle
Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik
2 eingetragen. Die geforderten Mindestluftwechsel nach GMP und FDA sind besonders bei RK B im Zustand „at rest“ nicht
ausreichend, um alle Reinheitsklassen mit
Sicherheit einzuhalten. Einflussgrößen sind
hier noch Fortluft, Leckluft, Wärmelast und
kleinere Raumhöhen als 3,0m.
Alle im Raum freiwerdenden Wärmelasten
sind in der Betriebsbeschreibung genau anzugeben. Dabei sollen alle Wärmelasten von
Sicherheitswerkbänken, medizinischen Geräten und Kühlschränken direkt abgesaugt
werden. Ebenso sind die Personenbelegung
und die Beleuchtung anzugeben.
Die äußere Last ist durch den Planer zu ermitteln und ggf. mit dem Architekten ein
elektrisch betriebener äußerer Sonnenschutz
zu vereinbaren. Alle erforderlichen Fortluftvolumenströme sind in der Betriebsbeschreibung anzugeben. Die Leckluft ist
durch den Reinraumplaner nach Erfahrungswerten einzuschätzen. Deshalb sollten sowohl bei der Planung als auch bei der
Realisierung alle Reinraumgewerke in einer
Hand liegen! Bei dem vorliegenden Beispiel erfolgte die Realisierung durch einen
Reinraum-Generalunternehmer und die Gesamtkoordinierung der Planung durch einen
Reinraumberater.
Fragen zur Ausfallsicherheit, Notstromversorgung und Aufschaltung von Störmeldungen auf die Gebäudeleittechnik sind ebenfalls
von vorn herein zu klären. Ein Monitoringsystem ist für alle für die Herstellung notwendigen Parameter als vollautomatisches System
oder als System mit teilweise Handprotokollierung außer Partikelzähler erforderlich. Die
zu registrierenden Parameter sind:
Reinheitsklasse im Herstellungsbereich
RK A
Raumlufttemperatur und relative Raumluftfeuchtigkeit für alle Arbeitsräume
Luftgeschwindigkeit RK A oder Betriebsmeldung und jährliche Überprüfung
Druckdifferenz für alle Reinräume
Temperatur der Kühlschränke oder Kühlzellen
Ggf. weitere Parameter für Reinstwasser,
Vollentsalztes (VE)-Wasser oder andere
Medien
Bei dem Apothekenbeispiel wurde ein vollautomatisches Monitoringsystem mit Datenregistrierung und Datenspeicherung
eingesetzt. Alle Klima- und Reinraumparameter wurden bei den OQ-Messungen
nachgewiesen.
Reinraumumschließungsflächen
Bei Reinräumen handelt es sich in um eine
Raum im Raumkonstruktion. Die äußere
Hülle ist immer durch den Architekten zu
konzipieren, während die Reinraumhülle immer an einen Reinraumbauer gegeben werden
sollten. Dabei sind Metalloberflächen in verzinkter und pulverbeschichteter Ausführung
für Decke und Wände zu bevorzugen, da sie
nach den Regeln des Maschinenbaues mit
geringen Toleranzen, glatten Oberflächen,
Tab. 2: Erforderliche Luftwechselzahlen zur Einhaltung der Reinheitsklasse
Luftwechsel 1/h bzw. LF-Geschwindigkeit in m/s
min. Auslegungswert 1)
min. Auslegungswert ¹)
A
0,36 m/s
Auslegung Apotheke SKL
Auslegung
Apotheke SKL
FDA
0,35 m/s
0,45 m/s +/- 20 %
B
40 1/h
60 1/h
> 20 1/h
C
30 1/h
40 1/h
> 20 1/h
D
10 1/h
20 1/h
> 20 1/h
E, F
4 1/h
oder Auslegung nach Wärmelast
Die wesentlichen Merkmale der
Reinraumoberflächen von Decke,
Wand und Fußboden sind:
Oberflächen glatt, undurchlässig und
ohne Hohlräume oder Risse
Versiegelung aller Fugen mit
Reinraumsilikon und Werkstoff mit
GMP-Zulassung
Leichte Reinigung aller Oberflächen
durch Metall, Edelstahl oder
Kunstharz
Fußboden mit Hohlkehle ggf.
ableitfähig
Oberflächen mechanisch beständig,
Kanten oder Anfahrschutz
Lampen und Luftdurchlässe
deckenbündig
Fenster und Türen wandbündig
10 1/h
Verglasung, Senkdichtung,
Obentürschließer und bei Schleusen
mit Verriegelung, Ampel, Notaus und
Zeitsteuerung
keine Fliesen oder Holzoberflächen
FDA
≙ 430 1/h2)
1)
Sollten Trockenbauleistungen mit Zweifachbeplankung und mehrfacher Spachtelung
angewendet werden, sind hier nur speziell
geschulte Fachfirmen einzusetzen. Bei Malerleistungen im Reinraum sind besonders glatte
und desinfektionsmittelbeständige Farben
mit Zertifikat einzusetzen. Der Maler muss
hier exakt wie ein „Autolackierer“ arbeiten.
Betrachtet man den erhöhten Reinigungsaufwand bei Trockenbauarbeiten und die
schlechtere Beständigkeit gegenüber Desinfektionsmitteln, gibt es kaum noch Kostenvorteile für diese Lösung.
Türen mit Blockzargen und 2fach-
Tabelle 2: Erforderlicher Luftwechselzahlen zur Einhaltung der Reinheitsklasse
Reinheitsklasse
wenig Staubbelastung und Lasernivellierung
erstellt werden.
Decken können als pulverbeschichtete
Metalldecken mit Klemm-Kassetten ausgeführt werden. Flächenbündige Bandraster- oder Knotensystem-Decken sind teurer, aber stabiler. Gipskarton-Decken mit
2fach-Beplankung, glatter Spachtelung und
GMP-gerechter Farbe haben bei den vielen
Luftdurchlässen, Filter-Ventilator-Einheiten,
Leuchten und sonstigen Einbauten Nachteile.
2) bezogen auf 3 m Raumhöhe
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 45
Neubau einer Apotheke mit aseptischer Herstellung aus der Sicht der Reinraumtechnik und Raumlufttechnik
Wände in Metall mit Ständer-Riegelbauweise
und zweischaliger Konstruktion eignen sich
gut für die Unterbringung aller technischen
Medien, von Rückluftschächten oder Verkleidung von Maschinen und Ausrüstungen.
Monoblockelemente mit Installationskanälen
haben bei einfacheren Anforderungen Vorteile. Für Trockenbauwände gelten die oben
angegebenen Einschränkungen.
Fußböden aus Kunststoffbelägen oder Naturkautschuk mit Hohlkehle sind relativ einfach
herzustellen. Epoxydharzbeläge oder Pharmaterrazzo sind durch die Hohlkehle sehr
aufwendig.
Bei der hier erwähnten Apotheke wurden für
die RK B bis D alle Decken als Metall-Kassetten-Decken und alle Wände, Türen und
Fenster als Ständer-Riegel-System mit Metallwänden von einer Reinraumfirma gewählt.
Der Fußboden wurde in Mipolam-Kunststoff-Belag ausgeführt. Vorräume der Reinheitsklasse E wurden in Trockenbau erstellt.
Technische Anforderungen an
medizinische und technische Geräte
Sicherheitswerkbänke für die Zytostatikaherstellung sollten 3 Filterstufen H14 nach/2/
und für die Sterilherstellung 2 Filter H14
nach /3/ haben. Zytostatika-Sicherheitswerkbänke sind über einen über der Werkbank
liegenden Zugunterbrecher an jeweils eine
eigene Fortluftanlage anzuschließen, da Zytostatika mögliche dampfförmige Stoffe abgeben können. Der Fortluftvolumenstrom
ist 250 bis 350 m³/h größer als der Abluftvolumenstrom aus der Sicherheitswerkbank
/10/ zu wählen, damit keine Kontamination
im Raum eintritt. Die Abluft bei Sterilen
Ansätzen darf in der Regel in die normale
Abluft eingeleitet werden.
Für Sicherheitswerkbänke RK A ist ein Partikelzähler mit Probenahmesonde und einer
maximalen Schlauchlänge von 3 m erforderlich. Am günstigsten lässt sich der Partikelzähler über der Werkbank mit einer Revisionsöffnung einbauen.
Für Isolatoren ist eine Vielzahl von technischen Anforderungen zu beachten, auf die
hier nicht weiter eingegangen wird.
Bei Reinigungsautomaten sind 5 verschiedene
Medien (Kaltwasser, Warmwasser, VE-Wasser, Abwasser und Elektroanschluss) in der
Wand heranzuführen. Ein Abluftanschluss
ist ebenfalls erforderlich.
Bei Hoch-Druck-Dampf -Sterilisatoren sind
ebenfalls 5 verschiedene Medien (Kühlwasser,
VE-Wasser, Abwasser, Reine Druckluft und
Elektroanschluss) in der Wand erforderlich.
Ein Abzugsschrank für die Desinfektion mit
einer Fortluftanlage ist günstig, da die Desinfektionsmittel dann direkt ins Freie geführt
werden.
Kühlschränke in RK B und C müssen mit
GMP-Zulassung (Tauwasserwanne mit
Elektroheizung) sein und an einen Abluftkanal direkt angeschlossen werden. Damit
wird auch die Wärmelast direkt abgeführt.
Ein Bildschirm mit Reinraumtastatur sollte
bündig in der Sicherheitswerkbank eingebaut
sein. Auch im Vorbereitungsraum sollten nur
Bildschirm und Reinraumtastatur stehen. Der
eigentliche PC oder Server ist außerhalb des
Reinraumes anzuordnen. Damit werden die
nicht desinfizierbaren Hohlräume und die
Wärmelast im Reinraum vermieden.
wenn die technischen Gewerke einschließlich
Raumumschließungsflächen von einem Reinraumplaner mit guten Fachkenntnissen und
einem Realisierungsbetrieb mit Referenzen
für alle Reinraumgewerke vergeben werden.
Für die Qualifizierung sollte ebenfalls ein
Fachmann eingeschaltet werden. Bei dem
hier vorgestellten Apothekenprojekt wurden durch Einhaltung dieser GMP-Vorgaben
sehr gute Werte für die Reinheitsklasse „at
rest“ und „in operation“ gemessen, die Einhaltung aller mikrobiologischen Grenzwerte festgestellt und die Herstellungserlaubnis
durch die Behörde auf Anhieb erreicht.
LITERATUR
/1/ Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung ApBetrO),
12.06.2012
/2/ DIN 12980 Loboreinrichtungen – Sicherheitswerkbänke für Zytostatika, Juni 2005
/3/ DIN EN 12469 Biotechnik – Leistungskriterien für
mikrobiologische Sicherheitswerkbänke, Deutsche Fassung, September 2000
/4/ EU-GMP-Leitfaden zur Guten Herstellungspraxis
Anhang 1, Herstellung steriler Arzneimittel, 2007
/5/ DIN EN ISO 14 644 Blatt 1 bis 8 Reinräume und
zugehörige Reinraumbereiche
/6/ VDI 2083 Blatt 1 bis 18 Reinraumtechnik
Drucker sind nur mit Reinraumzulassung
einzusetzen.
/7/ QuapoS 4 Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service, Januar 2007
Fußbodeneinläufe im Reinraum nur als Reinraumeinlass mit VA-Deckel, Waschbecken
und Abwasseranschlüsse nur bei RK D und
mit Rückstauklappe und Waschbecken-Verkleidung.
/9/ US-Standard Food Drug Administration 209 E
Alle diese Anforderungen wurden in dem
vorliegenden Apothekenprojekt beachtet.
Zusammenfassung
Die technischen Anforderungen an Reinraumkonzept, Qualifizierung, Raumlufttechnik, Raumumschließungsflächen und
medizinischen Ausrüstungen sollten in der
URS für die Planung und Realisierung dokumentiert werden. Von großem Vorteil ist,
46 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
/8/ Abnahmeinspektion – Begehungsbogen für die
aseptische Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken LUGV Brandenburg, Juli 2012
/10/Firmenunterlage zu Sicherheitswerkbänke Fa.
Berner International GmbH , Elmshorn
/11/ Abb. 1 aus DQ-Dokument Firma WISAG Gebäudeund Industrieservice Dresden
AUTOR:
Dr. Heiner Schwenke, Weinböhla
[email protected]
Nuchbesprechung
Buchbesprechung
Rezension von Gisela Sproßmann-Günther
Überlebensbuch Brustkrebs
Von Ursula Goldmann-Posch und Rita Rosa Martin
Schattauer Verlag
5. Auflage 2012, 400 Seiten, 15 Abb.,
26 Tab., kart.
ISBN 978-3-7945-2862-2
€ 39,95
Wie man an der bereits fünften Auflage un­
schwer erkennen kann, handelt es sich um
das Buch: das Fachbuch für die mündige,
aktive Patientin.
Beide Autorinnen gehen in sehr gut ver­
ständlicher Weise sowie fachlich aktuell
und umfassend recherchiert auf alle Fra­
gen ein, die die betroffenen Frauen inter­
essieren könnten. Dabei begleiten sie die
Patientinnen von der Beunruhigung durch
einen Tumorverdacht bis in die Nachsorge.
In acht Kapiteln werden „Schritt für Schritt“
alle Themengebiete des Medizinischen Wis­
sens zum Mammakarzinom behandelt. Das
betrifft das Basiswissen vom Brustkrebs,
die Behandlungsmethoden genau so wie
biologische Tumoreigenschaften, die Be­
deutung von Tumormarkern, neueste Thera­
piestrategien u.ä. Durch die Tatsache, dass
die Qualitätsstandards der deutschen und
europäischen Leitlinien die Basis bilden und
die Inhalte durch Experten fachlich abgesi­
chert sind, ist dieses Buch ein verlässlicher
und hilfreicher Ratgeber.
Die Themenbereiche
sind aufgebaut wie ein
Beipackzettel von Arz­
neimitteln. Es ist von
Gegenanzeigen, Nebenund Wechselwirkungen
die Rede. Dieser Aufbau
des Textes führt neben
der Information selbst
auch immer wieder zum
Schmunzeln. Das führt
dazu, dass das Lesen,
das Infor mieren auch
Freude macht und dass
man dieses Buch – trotz
aller Sorgen und Fragen –
gerne in die Hand nimmt
und gerne liest.
Dabei scheuen sich die Au­
torinnen auch nicht, kritische
und umstrittene Dinge beim Namen zu nen­
nen: „Die Welt der Vitamine ist schillernd“
oder „Nutzen Sie die Wahlfreiheit und wech­
seln Sie die Kasse“.
Für alle Gebiete werden hilfreiche Adressen
und Ansprechpartner gleich mitgeliefert.
Das „Überlebensbuch Brustkrebs“ hilft beim
Überleben im Sinne des Wortes. Es ist in­
teressant, hilfreich und lesenswert für Pa­
tientinnen, für Angehörige und Frauen im
Allgemeinen und selbstverständlich auch
für Fachleute, die an Hand dieses Buches
die wirklichen Nöte und Bedürfnisse ihrer
Patientinnen verstehen lernen.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 47
Who is who
Who is who
Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin
Heute: Professor Dr. Eckart Laack, Hamburg
Prof. Laack ist in Hamburg geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Er studierte Medizin in Hamburg und promovierte auch dort. Ein waschechter Hamburger
eben, der bis heute eine sehr enge Bindung
zu seiner Heimatstadt hat.
Nach seinem Studium war er 2 Jahre als Arzt
im Praktikum und später als Assistenzarzt in
der Lungenabteilung des Allgemeinen Kran­
kenhauses Hamburg-Harburg
tätig, bevor er 1996 in die Me­
dizinische Klinik II (Hämatologie
und Onkologie) des Universi­
tätsklinikums Hamburg-Eppen­
dorf (UKE) wechselte und dort
seine Facharztausbildung unter
der Leitung von Prof. Hossfeld
absolvierte. Seine breite onko­
logische und hämatologische
Ausbildung komplettierte er
1998 durch eine Hospitation am M.D. An­
derson Center in Houston, Texas.
Prof. Laack schrieb seine Habilitation zum
Thema: „Das nicht-kleinzellige Bronchial­
karzinom – Optimierung der Chemotherapie
und Untersuchung neuer biologischer prog­
nostischer Faktoren“ und erhielt 2003 die
Lehrbefugnis „Venia legendi“. Von 2002 bis
2009 war er Oberarzt und Lehrbeauftragter
im UKE und ist heute Facharzt für Innere Me­
dizin mit den Schwerpunktbezeichnungen
Hämatologie und Internistische Onkologie
sowie Pneumologie und der Zusatzbezeich­
nung Palliativmedizin.
Seit dem Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit
liegt Prof. Laack die Behandlung von Patien­
ten mit Lungenkrebs besonders am Herzen.
Mehr als 10 Jahre war er Leiter der Lungen­
krebs-Sprechstunde des UKE, initiierte und
leitete große randomisierte Lungenkrebsstu­
dien mit einer von ihm aufgebauten Studi­
engruppe in Deutschland und der Schweiz.
Seit mehreren Jahren betreut er die Hambur­
ger Lungenkrebs-Selbsthilfegruppen. Nach
dem seine Lungenkrebspatienten immer jün­
ger wurden, gründete er 2004 das interdis­
ziplinäre Projekt „Nichtrauchen ist cool –
Prävention der Nikotinsucht bei Kindern und
Jugendlichen in Hamburg und Umgebung“.
Seit 2005 bis heute haben über 70.000
Schülerinnen und Schüler im Alter von 10
bis 13 Jahren aus ganz Norddeutschland an
seinem Projekt teilgenommen,
welches 2007 mit dem HanseMerkur-Preis für Kinderschutz
ausgezeichnet worden ist.
Der engagierte Mediziner infor­
miert über die Gefahren des ak­
tiven und passiven Zigaretten­
rauchens auch per Fernsehen
und Radio, um eine möglichste
große Anzahl Menschen zu er­
reichen. Dabei weist er auch immer auf die
Vorbildfunktion von Eltern bezüglich des
Nichtrauchens in allen Situationen des täg­
lichen Lebens hin.
Der Gesundheitsausschuss der Hamburgi­
schen Bürgerschaft hatte ihn mehrfach als
Sachverständigen geladen.
Einen Ruf auf die Professur für Innere Me­
dizin (Onkologie, Hämatologie, Pneumo­
logie) der Westfälischen Wilhelms-Univer­
sität Münster im Jahre 2006 lehnte er ab,
um 2007 die Bereiche „Krebsprävention“
und „Thorakale Tumore“ des UCCH (Univer­
sitäres Cancer Center Hamburg) des UKE
zu übernehmen. Seit dieser Zeit prüft Prof.
Laack auch den medizinischen Nachwuchs
in der Ärztekammer Hamburg in den Fächern
„Hämatologie und Internistische Onkolo­
gie“ und „Palliativmedizin“. Seit 2008 ist
er im Sachverständigenrat der Deutschen
Kinderhilfe.
48 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Trotz mehrerer Berufungen auf Chefarzt­
stellen entschied sich Prof. Laack ganz be­
wusst, in „seiner Stadt“ Hamburg zu blei­
ben. Am 1.1.2013 gründete er nach 3 jäh­
riger Tätigkeit in einem als Medizinisches
Versorgungszentrum (MVZ) strukturierten
ambulanten Krebszentrum die „HämatoOnkologie Hamburg – Prof. Laack und Part­
ner“, welche je einen Standort nördlich und
südlich der Elbe hat. Hier bietet er ein umfas­
sendes Spektrum an Prävention, Diagnos­
tik, Therapie und Nachsorge von Blut- und
Krebserkrankungen an. Die Hämato-Onkolo­
gie Hamburg ist eingebettet in ein interdis­
ziplinäres Netzwerk mit anderen Fachdiszi­
plinen, wie z.B. Chirurgie, Strahlentherapie,
Psycho-Onkologie, um für jeden einzelnen
Patienten das Optimum zu erreichen.
In „seinem“ Zentrum sind alle Patienten
willkommen. Bei ihm spielt es keine Rolle,
ob ein Patient gesetzlich oder privat kran­
kenversichert, reich oder arm ist. Er hilft
sehr vielen Patienten und einige kommen
sogar aus dem Ausland zu ihm. „Medizin
von Hand gemacht“ nennt der Hamburger
Professor sein persönliches Ziel, alle Patien­
ten umfassend und fürsorglich zu betreuen.
„Wir können immer etwas für unsere Patien­
ten tun. Man ist nie austherapiert“ sagt der
Arzt selbst, „sei es mit Hilfe von Gesprächen
oder der Behandlung von Nebenwirkungen
oder Symptomen“.
Seine Intention und Organisation ermög­
lichen, dass Patienten mit einer neu dia­
gnostizierten Krebserkrankung oder dem
Verdacht auf das Vorliegen eine Krebser­
krankung innerhalb von 24 bis 48 Stunden
einen Termin erhalten, wenn möglich sogar
noch am selben Tag, damit die Patienten so
schnell wie möglich einen Halt bekommen.
Prof. Laack ist Reviewer für medizinische
Fachjournale wie „Lung Cancer“, “Journal
Who is who
of Thoracic Oncology”, “Chest”, “Journal
of Cancer Research and Clinical Oncolo­
gy”, “Respiratory Medicine” und weiteren
Fachzeitschriften. Er ist Mitglied in diversen
Berufsverbänden wie der ESMO (European
Society for Medical Oncology), der IASLC
(International Association for the study of
Lung Cancer), der AIO und der DKG.
Wir kennen Prof. Laack als hochkompeten­
ten und versierten Referenten sowohl bei
der Weiterbildung zum Onkologischen Phar­
mazeuten als auch beim Pharmazeutischonkologischen Fachkongress NZW, der sein
fundiertes Fachwissen gern weitergibt.
Neben der Geburt seiner beiden Töchter war
eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg für den
gläubigen evangelisch-lutherischen Chris­
ten ein ganz besonderes Ereignis und Er­
lebnis in seinem Leben. Dass es das große
Glück nicht gibt, sondern dass das Glück
in den kleinen Dingen des Lebens liegt, hat
er von seinen Patienten und dem Leben ge­
lernt.
Zur Entspannung joggt Prof. Laack gerne
oder arbeitet in seinem Garten. Er hört gern
die fröhliche und beschwingte Musik von
Mozart. In seinem Privatleben erfreut er sich
besonders über seine beiden Töchter und
über die viel zu seltenen Siege des HSV im
Fußball („Hamburg, meine Perle“).
Prof. Laack wünscht sich, dass es in der
Onkologie durch die invidualisierte Thera­
pie in Zukunft noch besser gelingt, metas­
tasierte Krebserkrankungen in chronische
Erkrankungen zu überführen und dass der
Zeitgeist noch lange ein Nichtraucher blei­
ben möge.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 49
Onkologische Krankenpflegekräfte und onkologisch tätige Apotheker tauschen sich aus!
Neu auf dem NZW 2013: das KOK-Symposium –
Onkologische Krankenpflegekräfte und
onkologisch tätige Apotheker tauschen sich aus!
Von Susanne Rau, Hannover
A
uf dem diesjährigen NZW in Hamburg veranstalteten die KOK und die
OPH, zwei Arbeitsgruppen der Deutschen
Krebsgesellschaft (DKG), ein gemeinsames
Symposium. Unter der Überschrift „Sicherer Umgang mit Zytostatika im multiprofessionellen Team“ präsentierten vier Vortragende aus verschiedenen Berufsgruppen
ihre Aspekte zur Thematik.
Nachdem Klaus Meier, Vorstandsvorsitzender der OPH, die zahlreichen Teilnehmer
begrüßte, führten Frau Kerstin Paradies als
Sprecherin der KOK (Konferenz der Onkologischen Kranken- und Kinderpflege) sowie Frau Anita Margulies, Universitätsspital
Zürich, als Vertreterin der EONS (European
Oncology Nursing Society) durch die Veranstaltung.
Als erste Referentin stellte Frau Apothekerin
Dr. Yvonne Remane, Uniklinikum Leipzig, die Umsetzung der aktuellen QUAPOS
(Qualitätsstandards für den Pharmazeutisch-onkologischen Service) am Beispiel
ihrer Apotheke in einem kurzen Überblick
vor. „Umgang mit Zytostatika bedeutet nicht
nur, sich auf die Herstellung zu konzentrieren, sondern es gibt auch Schritte davor und
danach“, erläuterte die Referentin. Die jährliche Zytostatika-Unterweisung in der Apotheke muss deshalb auch die Beschäftigten
im Wareneingang, im Transportwesen und
in der Entsorgung einbeziehen. Ideal ist es,
alle Mitarbeiter zu schulen. Der Standort des
Spill-Kits muss allen bekannt sein. Das Verhalten im Havariefall in der Theorie zu verDie bereits im Januar 1987 in Frankfurt/
Main gegründete „Konferenz
Onkologischer Kranken- und
Kinderkrankenpflege“ (KOK) ist eine
Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen
Krebsgesellschaft e.V. mit gegenwärtig
ca. 1000 ordentlichen und fördernden
Mitgliedern.
http://kok-krebsgesellschaft.de/
tiefen und in der Praxis regelmäßig zu trainieren, erhöht die Sicherheit aller Mitarbeiter,
im Kontaminationsfall das Richtige zu tun.
Wichtig ist dabei, sich Hilfe zu holen und
die notwendigen Schritte dann gemeinsam
durchzuführen.
Im zweiten Vortrag ging Frau Carola Freidank, onkologisch tätige Krankenschwester
der MHH Hannover, auf die „Vermeidung
von Kontaminationen von CMR-Stoffen im
Pflegealltag“ ein. Der Nachweis zytostatischer
Substanzen im Urin von Pflegekräften bildete 1979 den Ausgangspunkt aller Überlegungen und Maßnahmen zur Erhöhung der
Arbeitssicherheit für das Personal. 2011 ergab eine Untersuchung mit Wischproben auf
Station Kontaminationen an diversen Orten
50 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
(z.B. Telefon, Türklinken, Infusionsständer,
Aufziehzimmer, Betten, Nachtschränke). Die
Zyto­statika aus der Apotheke müssen auf Station an einem definierten, ruhigen Ort (mit
oder ohne Werkbank) mit arbeitsplatznahen
Entsorgungsmöglichkeiten in Schutzkleidung
durch geschultes Personal zur Applikation
vorbereitet werden.
Bei der Applikation von Zytostatika-Lösungen ist die Information des Patienten sehr
wichtig zur Vorbeugung von Paravasationen
und einer Diskonnektion. Ein besonderer Fall
liegt bei zu teilenden oralen Zytostatika vor.
In Absprache mit der Apotheke und unter
Einhaltung des Arbeitsschutzes kann dort
eine Portionierung vorgenommen werden.
Die Entsorgung von gering- oder höhergradig kontaminierten Abfällen bzw. von Ausscheidungen des Patienten (Urin, Kot, Erbrochenem) muss standardisiert vorgenommen
werden. Die Patienten sind zu informieren,
wie sie damit zu Hause umgehen sollten.
Ansprechpartner in Havariefällen und die
Standorte der Spill-Kits im Haus müssen
bekannt sein, Spill-Kits dürfen nur durch
unterwiesenes Personal angewendet werden.
Als dritter Referent sprach Herr Prof. Robert
Mader, Medizinische Universität Wien, über
die Prävention von Paravasaten. Jeder 30. Patient ist durchschnittlich von einem Paravasat
Die Risikofaktoren für Paravasationen sind
entweder
a) arzneimittelbedingt (Schädigungspotential
der Substanz sowie Konzentration, pHWert etc.),
b)patientenbedingt (Anamnese, Polyneuropathie oder Gefäßerkrankungen, Situation der Lymphwege und Venen, aber auch
mangelnde Kommunikationsfähigkeit des
Patienten) oder
c)iatrogen (Zeitmangel bei Applikation/
Überwachung, ungünstig gewählte Gefäße etc.).
Zur Prävention von Paravasaten gehöre, nur
qualifiziertes Personal mit ausreichend Zeit
einzusetzen. Die Patienten sind zu informieren – mündlich und schriftlich – und damit
in die Überwachung einzubinden. Der Gefäßzugang sollte möglichst neu gelegt werden
und immer sichtbar bleiben (Fixierung des
Arms!). Es muss immer eine Lagekontrolle
des Venflons erfolgen. Dauerinfusionen sollten nur über Port-a-cath-Systeme infundiert
und engmaschig kontrolliert werden.
„Generell sollte mehr Wert auf Prävention
zum Wohle der Patienten gelegt werden und
die PflegerInnen und ApothekerInnen hierbei initiativ tätig werden“, so der Referent.
Im letzten Vortrag ging Herr Matthias Naegele als Pflegeexperte der Hämatologie/Onkologie am Uniklinikum Freiburg auf das
Die „Arbeitsgemeinschaft Onkologische
Pharmazie in der Deutschen Krebs­
gesellschaft“ (OPH) vertritt seit 2007
die Fachdisziplin Pharmazie in der
Deutschen Krebsgesellschaft (Sektion B).
Sie kooperiert zu diesem Zweck eng mit
der Deutschen Gesellschaft für Onko­
logische Pharmazie (DGOP e.V.).
„Freiburger Modell“ ein, in welchem Pflegende Zytostatika applizieren. 1994 wurde
dies zwischen dem Ärztlichen Direktor und
der Pflegedirektion beschlossen und in einer Dienstanweisung festgelegt. Ziel war die
Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs
durch das Einhalten der vorgegebenen Zeitpunkte bei den verschiedenen Schemata für
die Patienten. Dies führte zu einer höheren
Patientenzufriedenheit. Das Modell wurde
seither mehrfach modifiziert und erfolgreich
umgesetzt.
Voraussetzung dafür ist eine entsprechende
Qualifikation der Pflegekräfte: Mindestanforderungen an Berufspraxis, das Durchlaufen
eines definierten Schulungskonzeptes und
der Nachweis von praktischen Kenntnissen
in mehrfachen Praxischecks. In den nachfolgenden zwei Jahren müssen vier weitere
Aufbauseminare absolviert werden. Die Applikation durch Pflegepersonal erfolgt nur
mit Einverständnis des Patienten, der Arzt
muss immer erreichbar sein, und es dürfen
nur Zytostatika einer klinikinternen Positivliste appliziert werden.
Der Arzt ordnet die Chemotherapie schriftlich an, und er muss vor der Applikation
schriftlich bestätigen, dass der zentralvenöse Zugang ordnungsgemäß funktioniert. Die
Stationsärzte müssen informiert sein, welche
PflegerInnen die Qualifikation zur Zytostatika-Gabe haben. Die examinierte Pflegekraft
http://www.krebsgesellschaft.de/
arbeitsgemeinschaft_onkologische_
pharmazie,80451.html
hat die Durchführungsverantwortung. Diese
Tätigkeiten sind durch die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses abgedeckt.
Die Teilnehmer des Symposiums stellten
fest, dass durch die Auseinandersetzung mit
diesen Fragen nicht nur das Bewusstsein
für mögliche Probleme und erforderliche
Konsequenzen im eigenen Arbeitsalltag
geschärft wird, sondern auch neue Optionen für eine fachübergreifende Zusammenarbeit zur Erhöhung der Therapiesicherheit
in der Onkologie aufgezeigt wurden.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 51
Bild: © Fitzer/iStockphoto.com
betroffen. Ein Paravasat stellt immer einen
Notfall dar.
Brustkrebs in der Schwangerschaft
Brustkrebs in der
Schwangerschaft
Von Sibylle Loibl, Neu-Isenburg
Einleitung
Die Diagnose Mammakarzinom in der Schwangerschaft wird häufiger.1 Ca. 1% aller Mammakarzinome wird während der Schwangerschaft
diagnostiziert. Im Folgenden werden die Therapiemöglichkeiten der Patientinnen dargelegt mit
einem Fokus auf die Systemtherapie. Das Mammakarzinom kann während der Schwangerschaft
behandelt werden, und sollte sich dabei an den
Richtlinien für junge Nichtschwangere Mammakarzinompatientinnen orientieren. Dabei gilt der
Grundsatz so viel wie nötig und so wenig wie möglich.
Eine systematische Erfassung der Daten sollte in der Registerstudie der GBG erfolgen. Unterlagen hierzu finden
Sie unter http://www.germanbreastgroup.de/studien/adjuvant/
brustkrebs-in-der-schwangerschaft/127-unterlagen-brustkrebs-inder-schwangerschaft.html. Mithilfe der Registerstudie konnten bereits
Erkenntnisse gewonnen werden, die in die Therapieempfehlungen
Eingang gefunden haben.
52 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Bild: © ingret/iStockphoto.com
Das Mammakarzinom tritt bei ca. 1% der Frauen während der
Schwangerschaft auf. Aufgrund der Seltenheit und der besonderen Umstände stammen die meisten Daten aus Fallserien und
Kohortenstudien. Die Frauen sollen und können so nah wie
möglich am Standard für junge nicht-schwangere Mammakarzinompatientinnen behandelt werden. Alle Patientinnen
mit Mammakarzinom in der Schwangerschaft sollten in
der Registerstudie der GBG gemeldet werden. www.
germanbreastgroup.de/pregnancy
Brustkrebs in der Schwangerschaft
Epidemiologie
Nach den Daten des Robert Koch Instituts ist
das Mammakarzinom mit einem Drittel aller
Malignome die häufigste Krebserkrankung
bei Frauen unter 35 Jahren.2 Stensheim et
al. konnten in einer Auswertung des norwegischen Krebsregisters der Jahre 1967-2000
zeigen, dass das Mammakarzinom neben dem
Melanom und dem Zervixkarzinom die häufigste Erkrankung in der Schwangerschaft
ist.¹ Die Inzidenzen der Karzinomerkrankungen haben sich jedoch in den letzten 10-15
Jahren verschoben, so dass anzunehmen ist,
dass das Mammakarzinom die häufigste eine
Schwangerschaft verkomplizierende, maligne Erkrankung darstellt. Geschätzt werden
ca. 1% aller Mammakarzinome während der
Schwangerschaft diagnostiziert. Epidemiologische Daten haben suggeriert, das Risiko
ein Mammakarzinom in der Schwangerschaft
zu entwickeln sei größer, wenn die Frauen in
jungen Jahren vor der ersten Schwangerschaft
mit dem Rauchen beginnen. Eine neue Metaanalyse mit 15 Studien konnte einen zwar signifikanten Zusammenhang zeigen, der aber
sehr schwach war, mit einer Risikosteigerung
von ca. 10%.3
Das Mammakarzinom, das in der Schwangerschaft diagnostiziert wird, hat heute,
wenn man es Stadien gerecht und am biologischen Subtyp orientierend behandelt keine schlechtere Prognose als ein Karzinom
gleichen Typs bei einer Frau gleichen Alters,
die nicht schwanger ist. Dies konnte an den
Daten aus dem Register zum Mammakarzinom in der Schwangerschaft gezeigt werden.4
Insgesamt haben junge Mammakarzinompatientinnen eine schlechtere Prognose als
ältere Patientinnen.5, 6
Diagnostik
Die überwiegende Mehrheit der Mammakarzinome wird in der Schwangerschaft durch
die Patientin selbst entdeckt. Eine physiologische Hypervaskularisation und eine damit
einhergehende Brustvergrößerung während
der Schwangerschaft können die Karzinome maskieren oder aber Zeichen einer Karzinomerkrankung werden nicht als solche
verstanden. Jedoch konnten die Daten aus
der Registerstudie keinen Hinweis für eine
verzögerte Diagnosestellung liefern.7 Eine
erste Abklärung sollte per Ultraschall erfol-
Inoperabel
gen. Nach gesichertem Mammakarzinom
sollte jedoch auch eine Mammographie beidseits mindestens in einer Ebene durchgeführt
werden, um weitere Herde auszuschließen.8
Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahme wie Bleischürze wird die
Grenzdosis für das ungeborene Kind von 10
rad (100mGy) weit unterschritten und stellt
zu keinem Zeitpunkt während der Schwangerschaft eine Gefahr für das Ungeborene
dar. Die MRT-Untersuchung, die um wirklich aussagekräftig zu sein mit Kontrastmittel
durchgeführt werden muss, wofür aber in der
Schwangerschaft Bedenken bestehen, sollte
Einzelfällen vorbehalten bleiben und ist nicht
indiziert.9 Die Daten aus dem Register haben
gezeigt, dass ein Ultraschall bei 83%, eine
Mammographie bei 51% und das MRT bei
16% der Patientinnen zur Anwendung kam.7
Besteht der Verdacht einer malignen Veränderung, muss die histologische Abklärung
erfolgen. Eine Core-Biopsie kann in Lokalanästhesie erfolgen.
Untersuchungen bei (Verdacht auf ) Mammakarzinom in der Schwangerschaft:
Jede verdächtige Veränderung der Brust,
die länger als einen Monat besteht, muss
abgeklärt werden.
Ultraschalluntersuchung der Brust
Bei Verdacht auf Malignität muss eine histologische Sicherung mittels Stanzbiopsie
erfolgen
Nach histologischer Sicherung des Mammakarzinoms Staging mit
• beidseitiger Mammographie (mindestens
in einer Ebene) zum Ausschluss bilateraler oder multifokaler Karzinome
• Ultraschall der Leber
• Röntgen der Lunge mit entsprechendem
Schutz
• Ggfs. Kernspinntomographie ohne Kontrastmittel der Wirbelsäule zum Ausschluss von Knochenmetastasen.
• Kein Knochenszintigramm wegen der
Strahlenbelastung – zu komplettieren
nach der Entbindung
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 53
Brustkrebs in der Schwangerschaft
Tabelle 1: Histopathologische Kriterien bei Patientinnen mit einem Mammakarzinom in der Schwangerschaft im Vergleich zu nicht schwangeren Mammakarzinompatientinnen (German Breast Group
data on file)
Vergleich
T-stage
N-stage
Histologie
Grading
ER und PR
Her-2/neu
Mammakarzinom in
der Schwangerschaft
(n=403)
T1: 21%
T2: 51%
T3: 21%
T4: 8%
N0: 44%
N+: 57%
Ductal
invasiv:
97%
G1: 3%
G2: 21%
G3: 76%
HR+: 47%
HER2+:
35%
Patientinnen <= 35 Jahre
aus der neoadjuvanten
Meta-Datenbank der
GBG (n=704)
T1: 10%
T2: 68%
T3: 14%
T4: 8%
N0: 53%
N+: 47%
Ductal
invasiv:
82%
G1: 4%
G2: 47%
G3: 50%
HR+: 36%
HER2+:
33%
Um ein Mammakarzinom während der
Schwangerschaft frühzeitig zu identifizieren oder die Koinzidenz von Schwangerschaft und Mamma-Ca zu vermeiden kann
folgendes empfohlen werden.
• Die Untersuchung der Brust bei der ersten Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung
• Vor Beginn einer Sterilitätsbehandlung
sollte eine Brustuntersuchung in Kombination mit einer Mammographie und
ggfs. einer Ultraschalluntersuchung erfolgen, da diese Frauen in der Regel älter
sind und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit einer malignen Erkrankung der
Brust haben.
des Paares nicht aus. Der Kinderwunsch ist
in jedem Falle zu respektieren. Die Patientin und deren Familie sollen über die Therapiemöglichkeiten, die Risiken für Mutter
und Kind, die Möglichkeit einer Erfüllung
des Kinderwunsches nach der Brustkrebserkrankung aufgeklärt werden. Aber auch
darüber, dass nach heutigem Wissen, eine
Beendigung der Schwangerschaft die Prognose der Erkrankung nicht verbessert. Es
gilt der Grundsatz, so viel wie nötig und so
wenig wie möglich.
Pathologie
Die Rate der nodal-positiven Mammakarzinome lag im Register bei 57% und damit
deutlich unter den 80% aus der älteren Literatur.⁷ Die Tumorcharakteristika der schwangeren und nicht-schwangeren Mammakarzinompatientinnen gleichen Alters sind
durchaus vergleichbar (vgl. Tabelle 1).
Therapie
Frauen mit einem Mammakarzinom in der
Schwangerschaft sollten möglichst genauso
behandelt werden, wie Frauen gleichen Alters und mit vergleichbarem Tumorstadium
außerhalb der Schwangerschaft. In Abb. 1a
und 1b sind Therapieempfehlungen vorgestellt. Diese Empfehlungen schließen ein individuelles Vorgehen in Abhängigkeit von
der Schwangerschaftswoche bei Erstvorstellung, dem Erkrankungsstadium, dem Kinderwunsch sowie den Wünschen der Patientin/
54 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Lokale Therapie
Eine Operation kann zu jeder Zeit
während der Schwangerschaft sicher für das Ungeborene durchgeführt werden. Im ersten Trimenon
besteht dadurch ein leicht erhöhtes Abortrisiko. Die Indikation zur
Mastektomie oder brusterhaltenden Operation orientiert sich an den
geltenden Richtlinien außerhalb der
Schwangerschaft.10 Ist eine Brustrekonstruktion vorgesehen, sollte
diese auf die Zeit nach der Schwangerschaft verschoben werden.
Die Methodik der Lymphknotenentfernung
aus der Axilla orientiert sich ebenfalls an den
generellen Empfehlungen. Die Sentinel-Node-Biopsie, mittlerweile der Standard außerhalb der Schwangerschaft, kann auch
während der Schwangerschaft durchgeführt
werden. Die geschätzte radioaktive Dosis lag
bei Nichtschwangeren am Epigastrium, Nabel und Hypogastrium nach Injektion von
92.5 MBq 99 mTc Kolloid unter der Grenze von 0,1 Gy für den Fötus.11, 12 Die Ent-
Brustkrebs in der Schwangerschaft
fernung des Wächterlymphknotens anstelle
der klassischen Axillaoperation wurde auch
an schwangeren Patientinnen untersucht. Es
wird empfohlen eine leichte Modifikation
des Ablaufes vorzunehmen und ein 1-Tagesprotokoll anzuwenden, bei dem geringere radioaktive Dosen verwendet werden.
Ein Blasenkatheter vermindert zusätzlich
die Strahlenbelastung. Auf Patentblau sollte
wegen der erhöhten Gefahr anaphylaktoider
Reaktionen verzichtet werden.13
In der Regel ist eine Radiatio der Brust/
Thoraxwand in der Schwangerschaft nicht
indiziert, da im Anschluss oder noch vor
der Operation die Chemotherapie durchgeführt wird. Dies ist in der Regel der Ablauf der Standardtherapie und eine Verzögerung der Bestrahlung um bis zu 6 Monaten
ist nicht von Nachteil und daher möglich14
(Tabelle 2). Für eine Radiatio während der
Schwangerschaft gelten strenge Indikationsstellungen.15
Systemische Therapie
In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien sollte auch während der Schwangerschaft einer
neoadjuvanten Chemotherapie der Vorzug
gegeben werden (Abb. 1a-b). Aber das gewählte Vorgehen hängt natürlich sehr von
der Schwangerschaftswoche ab. Grundsätzlich kann mit einer Chemotherapie ab der
13. SSW, also nach Beendigung der Organogenese begonnen werden. Die häufigsten
in der Schwangerschaft eingesetzten Regime
sind die anthrazyklinhaltigen Regime wie
(F)AC oder (F)EC. Diese Standardregime
(F)E(A)C sind gut beschrieben, hierzu gibt es
die beste Datenlage. Sie werden auch in den
Leitlinien der AGO Kommission Mamma
empfohlen (www.ago-online.de).16
Die Daten zum Einsatz der Taxane mehren sich.6, 17, 18 Daten aus dem GBG-Register
und einer Publikation von Cardonick zeigen auch für die Taxane eine gute Verträglichkeit für das Kind. Meistens erfolgt die
Gabe eines Taxans beim Mammakarzinom in
der Schwangerschaft in der Sequenz zu den
Anthrazyklinen und eine Gabe während der
Schwangerschaft entfällt, v.a. dann wenn die
Diagnose im 2. Trimenon gestellt wurde. Die
Plazenta verfügt über potente Mechanismen,
um Medikamente zu blockieren, z.B. können
das P-Glykoprotein oder das BCRP (Breast
Cancer Related Protein), Tubulin bindende
Zytostatika wie die Taxane und Vinkaalkalo-
ide abfangen, die daher wahrscheinlich auch
während der Schwangerschaft im 2. und 3.
Trimenon gefahrlos appliziert werden können.19 Insgesamt zeigt das, dass eine Standardtherapie mit z.B. EC-Paclitaxel auch bei
einem Mammakarzinom in der Schwangerschaft machbar ist und die Patientin bezüglich ihrer Therapie keine Kompromisse eingehen muss. Ob eine Chemotherapie in der
Schwangerschaft das Risiko einer Präeklampsie erhöht ist nicht bewiesen, auch wenn es
Einzelfälle hierzu gibt.20 Im GBG-Register
konnte hier kein Zusammenhang hergestellt
werden.
Die Dosierung der Zytostatika richtet sich
nach dem aktuellen Gewicht in der Schwangerschaft. Die supportive Therapie wird wie
gewohnt durchgeführt. Mit der Gabe von
Kortikosteroiden sollte etwas zurückhaltender
Auf eine endokrine Therapie mit Tamoxifen sollte während der Schwangerschaft verzichtet werden, da hierunter Fehlbildungssyndrome wie das sog. Goldenhar Syndrom,
bei welchem es zu Gesichtsfehlbildungen
kommt, oder Fehlbildungen des Genitales
beschrieben wurden.22
Trastuzumab kann im Primatenmodel die
Plazentaschranke passieren, es konnten aber
keine Veränderungen der Affen beobachtet
werden. Trastuzumab kann die VEGF Expression hemmen, daher ist es möglich, dass
auf diesem Weg, die Bildung des Fruchtwassers verhindert wird. Diese unerwünschte Nebenwirkung wurde auch klinisch beobachtet:
am häufigsten wurde über ein Oligohydramnion bis hin zum Anhydramnion unter
Trastuzumab berichtet, das sich meist nach
Absetzen der Therapie zurückgebildet hat.
Tabelle 2: Risiko der Bestrahlung während der Schwangerschaft (nach Kal et al. 2005)
Zeit nach
Konzeption
in Wochen
Effekt
Grenzwert
Risiko pro
0,1 Gy
Spontane
Häufigkeit
0-2
Abort
Unbekannt
0,1
0,3-0,6
3-8
Fehlbildung
0,1-0,2
0,05
0,06
8-15
Mentale Retardierung
IQ-Abfall
0,1
0,1
0,04
0,005
16-25
Mentale Retardierung
0,01
0,005
IQ-Abfall
0,3
0,1
0-38
Leukämie oder solide
Tumoren in der Kindheit
Kein
Grenzwert
0,02-0,03
0,002-0,003
verfahren werden. Im ersten Trimenon sind
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten beschrieben
und in der fortgeschrittenen Schwangerschaft
kann es zu neurologischen Beeinträchtigungen kommen. Methylprednisolon sollte nach
den Empfehlungen der Vorzug gegeben werden, aber die meisten Patientinnen erhalten
eine Standardsupportivtherapie. Ondansetron ist in der Schwangerschaft am besten
untersucht,21 die anderen 5-HT3 Antagonisten sind allesamt schlechter untersucht,
während es zu den Neurokinin-1 Rezeptoren
wie z.B. Aprepitant keine Daten während
der Schwangerschaft gibt. Insgesamt scheint
die Chemotherapie während der Schwangerschaft subjektiv besser verträglich zu sein als
bei Nicht-Schwangeren. G-CSF muss, wenn
nötig appliziert werden, ist bei den angezeigten Sequenzregimen aber nicht üblich.
Trotzdem ist der Einsatz von Trastuzumab in
der Schwangerschaft aber nach wie vor nicht
indiziert.23 Eine Analyse aus der HERA-Studie zeigt, dass in der Gruppe, die direkt nach
Absetzen des Trastuzumab schwanger wurde, eine höhere Abortrate beobachtet wurde, sonst aber keine Auffälligkeiten bei den
Kindern oder während der Schwangerschaft
zu sehen waren.24
Das Neugeborene
Kurzzeit- ebenso wie die Langzeitnebenwirkungen sind bei Kindern, die in utero
einer Chemotherapie ausgesetzt waren als
gering zu betrachten.7, 25, 26 Mögliche frühe
Nebenwirkungen der Therapie auf das Kind
betreffen das blutbildende System und einen
eventuellen Haarverlust, von denen sich die
Neugeborenen erholen. Die Daten aus dem
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 55
Brustkrebs in der Schwangerschaft
Register zeigen, dass die Kinder ein geringeres Geburtsgewicht aufweisen, ohne weitere
Konsequenzen.7 Alle potentiellen Nebenwirkungen sind gegen durch Frühgeburtlichkeit
bedingte Morbidität und Mortalität abzuwägen, die mit abnehmendem Geburtsgewicht
steigen.27 Die Gabe von Zytostatika auch in
der Schwangerschaft ist nach Abschluss des
ersten Trimenon eine relativ sichere therapeutische Option.
Ausblick in die Zukunft
Aufgrund der Fortschritte und der Erfahrungen im Umgang mit schwangeren Karzinompatientinnen, muss und sollte aufgrund
des Mammakarzinoms, keine Abruptio erfolgen. Eine Beratung und Betreuung dieser Patientinnen sollte in jedem Falle in
einem ausgewiesenen Zentrum erfolgen,
mit Erfahrung in der Systemtherapie dieser Patientinnen. Um mehr über diese seltene Koinzidenz zu erfahren, wurde eine
Registerstudie der German Breast Group
(GBG-29/BIG 02-03) ins Leben gerufen.
Bis zum 1.10.2013 wurden 574 Patientinnen registriert, davon stammt allein knapp
die Hälfte aus Deutschland. Aufgrund der
Heterogenität der Patientinnen und um
auch Subgruppenanalysen durchführen
und Langzeiteffekte beobachten zu können, ist es wichtig das Register möglichst
flächendeckend weiterzuführen. Paraffingewebe des Karzinom und der Plazenta wird
für translationale Fragestellungen asserviert.
Weitere Informationen hierzu erhalten Sie
unter www.germanbreastgroup.de/pregnancy oder [email protected] und bei
der Autorin.
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AUTORIN:
Prof. Dr. med. Sibylle Loibl
German Breast Group und Sana Klinikum Offenbach
Martin-Behaim-Straße 12
63263 Neu-Isenburg
[email protected]
Tel.: +49-6102-7480-426
Fax.: +49-6102-7480-126
Interessenskonflikt: Es besteht kein
Interessenskonflikt
Arzneimittelinnovationen in der Onkologie: kurz gefasst
Arzneimittelinnovationen in der Onkologie:
kurz gefasst
Von Brigitte Hübner, Quedlinburg
D
as Antikörper-Wirkstoff-Konjugat
BrentuximabVedotin (Adcetris®)
wurde im Jahre 2012 zugelassen zur Therapie des fortgeschrittenen CD30-positiven
Hodgkin-Lymphoms sowie zur Behandlung
des rezidivierten anaplastischen großzelligen
Lymphoms (ALCL). Es handelt sich um einen monoklonalen CD30-Antikörper (AK)
ohne antitumorale Eigenschaften und das
Zytostatikum Monomethyl-Auristatin E
(MMAE), die über ein Linkermolekül miteinander verknüpft sind. Der Antikörper bindet an CD30-positive Tumorzellen. Dadurch
wird die Internalisierung des AK-WirkstoffKonjugates ausgelöst, das dann in das lysosomale Kompartiment eingeschleust wird. In
der Zelle wird der Linker durch lysosomale
Enzyme gespalten und das Zytostatikum freigesetzt. Dieses bindet an Tubulin und verhindert die Tubulinpolymerisation, wodurch der
Zellzyklus unterbrochen und programmierter
Zelltod (Apoptose) ausgelöst wird.
In mehreren Phase-II-Zulassungsstudien an
102 Patienten mit Hodgkin-Lymphom und
58 Patienten mit ALCL wurde BrentuximabVedotin in einer Dosis von 1,8 mg/kg KG
alle 3 Wochen untersucht. Beim HodgkinLymphom sprachen 94% der Patienten an
(75% komplette bzw. partielle Remission),
beim ALCL lag die Ansprechrate bei 86%
(57% komplette Remission, 97% der Patienten zeigten eine Reduktion des Tumor-
volumens). Das mediane progressionsfreie
Überleben lag bei 5,6 bzw. 13,3 Monaten.
Als häufigste unerwünschte Ereignisse traten sensorische Neuropathien, Nausea, Infusionsreaktionen und Neutropenien auf. Die
empfohlene Dosierung beträgt 1,8 mg/kg KG
als intravenöse Kurzinfusion alle 3 Wochen.
Cave: Wechselwirkungen von BrentuximabVedotin mit CYP3A4 Inhibitoren und Induktoren sind möglich (Anstieg an Neutropenien).
Vemurafenib (Zelboraf®) ist ein oral zu verabreichender BRAF-Inhibitor, der als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen
Patienten mit BRAF-V600-Mutation-positivem metastasiertem Melanom zugelassen ist. V600-Mutationen treten bei 50% der
malignen Melanome auf und kodieren die
BRAF-Serin-Threonin-Kinase. Diese Genmutationen führen somit zu verstärkter Zellproliferation und verhindern den programmierten Zelltod (Apoptose).
In der randomisierten multizentrischen Phase-III-Studie BRIM-3 an 675 nicht vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Melanom und positiver BRAF-V600-Mutation
wurde Vemurafenib (n=337; 960 mg zweimal
täglich) mit Dacarbazin (n= 338; 100 mg/
m2 alle 3 Wochen) verglichen. Nach einer
Interims-Analyse wurde das Studienproto-
koll aufgrund des deutlichen Zugewinns an
overall survival geändert, so dass DacarbazinPatienten in den Vemurafenib-Arm wechseln konnten. Zum Zeitpunkt des Cut-off
betrug das mediane Gesamtüberleben (OS)
13,2 Monate im Vemurafenib-Arm im Vergleich zu 9,6 Monaten im Dacarbazin-Arm
(HR=0,62). Vemurafenib führte im Vergleich
zu Dacarbazin zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) im Median
um 3,7 Monate (HR=0,26), was einer relativen Risikoreduktion von 74% entspricht.
Die Ansprechrate lag im Vemurafenib-Arm
bei 48,8% und damit deutlich höher als im
Chemotherapie-Arm (5,5%). Die empfohlene
Dosis beträgt zweimal täglich 960 mg. Die
bessere Wirksamkeit von Vemurafenib geht
einher mit höherer Toxizität (häufigeres Auftreten von kutanen Plattenepithelkarzinomen,
Keratoakanthom, Athralgie und Rash). Bei
schweren Überempfindlichkeitsreaktionen
und dermatologischen Nebenwirkungen sollte
die Therapie abgebrochen werden.
Cave: Zahlreiche Interaktionen von Vemurafenib mit CYP1A2 und CYP3A4 metabolisierten Wirkstoffen sind bekannt. Gleichzeitige Gabe von P-Glykoprotein-Induktoren
führen zu veränderten, suboptimalen Plasmaverfügbarkeiten.
(Literatur bei der Verfasserin)
Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen
Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche
oder Das Kreuz mit den Kontaminationen
Von Jan Thesenvitz, Fürstenwalde
Mainz I
Sonntag, 22.08.2010 – 18:59 Uhr, SPIEGELONLINE PANORAMA:
„Uniklinik Mainz: Zwei Säuglinge sterben nach verseuchter Infusion
Auf der Intensivstation der Mainzer Universitätsklinik sind zwei Babys gestorben – wahrscheinliche Ursache: eine mit Bakterien verschmutzte Infusionslösung. Fünf weitere Kinder sind in kritischem Zustand, die Staatsanwaltschaft ermittelt.“
Freitag, 14.01.2011 – Post vom Landesamt für
Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz:
Schwerpunktprüfung 2011
„Herstellung von sterilen Arzneimitteln in
öffentlichen Apotheken
Sehr geehrter Herr Thesenvitz,
die Ereignisse in der Krankenhausapotheke
des Universitätsklinikums Mainz aus dem
vergangenen Jahr im Zusammenhang mit
der Herstellung von sterilen Arzneimitteln
haben dazu geführt, dass das LUGV in 2011
eine Schwerpunktprüfung „Herstellung von
sterilen Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken“ durchführt. Ihre Apotheke ist mir
als „Apotheke mit erweitertem Herstellungsspektrum (Sterilherstellung)“ bekannt. … Zur
Erfassung des Ist-Standes der Herstellung
von sterilen Arzneimitteln in Ihrer Apotheke
bitte ich Sie um Zusendung folgender Unterlagen: … (bis) 11.02.2011
Im Auftrag Volker Gieskes“
Donnerstag, 16.06.2011 – Post vom LUGV
„… musste ich leider feststellen, dass in Ihrer
Apotheke von gesetzlich definierten Mindeststandards abgewichen wird… . … (da die) zu
tätigenden aufwändigen Umbaumaßnahmen
kurzfristig durch Sie nicht realisiert werden
(können), schlage ich Ihnen eine vorübergehende Auslagerung Ihrer Herstellungstätigkeiten… vor… .
Mit freundlichem Gruß Gieskes“
Mein Ego schreit: “Nein! Das gibt´s doch nicht!
Die komplette MiBi war immer in Ordnung!
Aufgeben? Nie! Jetzt erst recht; was ich will,
schaff ich auch! Koste es, was es wolle … Du
kannst mich mal…“
... kurzfristig am Freitag (Ego voll in Rage!) in
Deinem Büro zu einem klärenden Gespräch
begrüßen…
Und siehe: Reden hilft. Man lernte sich
kennen, Standpunkte wurden ausgetauscht,
Lösungsmöglichkeiten angedeutet, Übergangsfristen ausgehandelt. Der Beginn eines
langen, anstrengenden, holprigen aber letztendlich zielführenden Weges war geschafft.
In den Wirren um die neue, damals noch
unveröffentlichte Apothekenbetriebsordnung
sandte Herr Gieskes uns betroffenen Apothekern ein vielseitiges Schreiben zu: „Abnahmeinspektion - Begehungsbogen für die
aseptische Herstellung von Arzneimitteln in
Apotheken“. Heute sage ich dankenswerter
Weise, damals wollte ich mich ganzkörper­
rasieren, weil mir alle Haare zu Berge standen.
Aber so hatten wir, mein Planer und ich, eine
anspruchsvolle aber hilfreiche „Bastelanleitung“ in der Hand.
Aufgrund der räumlichen Situation vor Ort
und des sich abzeichnenden Unterschieds im
Investitionsvolumen und bei den Folgekosten war zeitnah der Entschluss gereift, ein
RK-D-Labor mit Isolator zu bauen. Das war
Neuland, auch für Herrn Gieskes. Dank der
58 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
OMNICARE-Kollegen war es mir kurzfristig möglich, 3 entsprechende Labore zu besichtigen. Nach vielen Irrungen und Wirrungen konnten wir im September 2012 mit dem
Labor-Neubau beginnen. Und am 14.02.2013
trafen sich die beteiligten, geschafften aber
stolzen Leistungserbringer, ein gut gelaunter neugieriger und erwartungsvoller Herr
Gieskes und ein erschöpfter, in der Bauphase
öfter am Rande des Nervenzusammenbruches
gestandener Apotheker zur Abnahmeinspektion. Im Laufe dieser mehrstündigen, vor allem mit angeregten teils kontrovers geführten
Diskussionen gefüllten, aber immer freundlich-konstruktiven Veranstaltung schälten
sich zwei zu lösende Probleme heraus:
1) Ist anstatt eines Absenkbetriebes in den
Nicht-Betriebsstunden das komplette Ausschalten der raumlufttechnischen
Anlage ohne Gefährdung der Reinraumklasse D möglich?
2) Sind beim Einsatz von Isolatoren Festlegungen zur Häufigkeit des Wechsels der
Handschuhe (mind. alle 20 min) und der
Stulpen/Stulpenüberzieher (arbeitstäglich)
getroffen?
Warum ich doch kein Windrad
brauche
Ego: „Bei 2 Stunden Herstellung am Arbeitstag lass ich doch nicht die RLT-Anlage 7 Tage
die Woche 24 Stunden laufen! Ich hab doch kein
Kraftwerk und ich hasse die Windräder, die unser
Land verschandeln und dank EEG und anderem Politiker-Wahnsinn den Strom schier unbezahlbar machen… Ich hab mir doch was bei
der Entscheidung für A in D, für Isolator gegen
LAF gedacht… niedrigere Betriebskosten… und
natürlich Umweltschutz dank Energieeinsparung…“
Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen
Und siehe: Reden hilft! Der konstruktiv beratende Aufsichtsbeamte Herr Gieskes baute
mir die Brücke, den Nachweis zu führen, dass
bei Abschaltung der raumlufttechnischen
Anlage nicht die versammelten Fürstenwalder Bakterien, Viren, Sporen und sonstigen
Elemente das Labor stürmen, um die Reinraumklasse D zu zerstören. Gefordert – getan. Auch wenn Ego quietschte: „Bloß weil
der am längeren Hebel sitzt…“ Aber solange
der längere Hebel auch an einer qualitativen
und realisierbaren Lösung interessiert ist ….
Nach Absprache mit Herrn Gieskes wurden
am 19.07.13 die Partikelzahlen im Labor bei
laufender RLT-Anlage (Messreihe 1), am
23.07.13 nach 4 Tagen Abschaltung ohne
Betreten des Labors (Messreihe 2) und nochmals nach der im Vorfeld ermittelten Erholzeit von 7 Minuten (Recovery Test gem. DIN
EN 14644 Teil 3) nach Wiederinbetriebnahme der Lüftungsanlage (Messreihe 3) an 4
Messpunkten durch einen Sachverständigen
des Ingenieurbüros Xaver Beer ermittelt.
Da staunt der Fachmann und das Ego wundert und freut sich: „Statt RK D haben wir
gar RK C!“
Doch jetzt kommt die Antwort auf die spannende Frage: Was ist in 4 Tagen Stromsparen passiert?
Im Bereich der „großen“ Partikel bleiben
wir im C-Bereich, ihre Gesamtzahl sinkt im
Messreihe 1
wahrsten Sinne des Wortes sogar (zu Boden), die Anzahl der kleinen Partikel nimmt
stark zu (Konvektion?), bleibt aber immer
noch weit unter dem erlaubten Grenzwert
von 3,52 Mio/m².
Die raumlufttechnische Anlage kann folglich in Nicht-Betriebszeiten abgeschaltet
werden, ohne die Qualität der geforderten
RK-D-Umgebung zu gefährden, zumal
wenn sie, wie in unseren SOP festgelegt,
mindestens 10 Minuten vor Wiederaufnahme der Arbeit im Labor wieder in Betrieb
genommen wird, denn nach nur 7 Minuten
Erholzeit wurden folgende Werte festgestellt
(Messreihe 3):
Messreihe 3
Die GMP-Klasse D wurde während der gesamten Messreihe erreicht.“
Ego: „Hab ich doch gewusst! Schade um das
schöne Geld!“
Und ich freu mich, dass meinen Augen ein
weiteres, von mir verursachtes Windrad erspart bleibt…
Und Herr Gieskes ist froh, dass er seiner
Pflicht Genüge getan und die Wissenschaft
angeregt hat.
Partikel 0,5µm
Partikel 5,0 µm
Messpunkt 1
32.902/m²
743/m²
Messpunkt 2
9.259/m²
318/m²
Messpunkt 3
12.157/m²
531/m²
Messpunkt 4
3.039/m²
212/m².
Und so schreibt (und ich find’s toll) mir Herr
Beer ins Protokoll:
„Auch nach 4 tägigem Ausschalten der Lüftungsanlage wurde die GMP-Klasse D erreicht. Die Partikelwerte sind zwar im Vergleich erhöht, jedoch NICHT im oberen
Grenzbereich. Nach Einschalten der Lüf-
Partikel 0,5µm
Partikel 5,0 µm
Messpunkt 1
7.881/m²
354/m²
Messpunkt 2
9.471/m²
531/m²
Messpunkt 3
44.988/m²
2.332/m²
Messpunkt 4
10.991/m²
955/m²
Partikel 0,5µm
Partikel 5,0 µm
Messpunkt 1
869.046/m²
495/m²
Messpunkt 2
1.100.735/m²
707/m²
Messpunkt 3
519.788/m²
2.262/m²
Messpunkt 4
1.266.361/m²
71/m²
Messreihe 2
tungsanlage reicht eine 7minütige Erholzeit
aus, um auf die sehr guten Standard-Werte
(im Bereich GMP-Klasse C) zu kommen.
Das Kreuz mit den Kontaminationen
Als Begründung für diese (eigenartigerweise)
nur für den Isolator im Abnahmeinspektionsbogen aufgestellte Forderung des Handschuhwechsels alle 20 Minuten führte Herr
Gieskes die Gefahr von Kreuzkontaminationen an, die von mir vehement in Zweifel
gezogen wurde. Die Gefahr von Kreuzkontaminationen sah und sehe ich als nur theoretisch existent und praxisirrelevant an. Ich
fand im Vorfeld keinerlei herstellungsbezogene Literatur über dieses „kreuzgefährliche
Phänomen“ im www. Im Rahmen der Abnahmeinspektion stellte ich demgegenüber
ausführlich die Gefahr der Öffnung des Systems Isolator beim Handschuhwechsel dar
und führte die Idee des Einsatzes eines dritten Paares Handschuhe (unsterile Nitril-Unterhandschuhe + an den Isolatorstulpen montierte sterile Neopren-Handschuhe + darüber
Latex-Zytostatikaschutzhandschuhe (alle 20
Minuten wechseln!))aufgrund des Totalverlustes jeglicher Taktilität ad absurdum.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 59
Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen
60 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013
Mainz, Warum ich doch kein Windrad brauche oder Das Kreuz mit den Kontaminationen
Und siehe: Reden hilft! Im Laufe der Diskussion schlug Herr Gieskes vor, eine Versuchsreihe dahingehend durchzuführen, dass
wir verschiedene Zytostatikalösungen herstellen und jeweils danach Aqua ad injectabilia in
Leerbeutel abfüllen sollten, die anschließend
im Landeslabor im Auftrag des LUGV auf
Spuren von Zytostatika untersucht würden.
In Vorbereitung auf den GeKkbdZhtU-Tag
(Gibt-es-Kreuzkontaminationen-bei-derZytostatikaherstellung-tatsächlich-Untersuchungs-Tag) haben Herr Gieskes und ich
uns letztendlich auf folgendes Prozedere verständigt:
1) Herstellung von zytostatikahaltigen Lösungen aus 10 unterschiedlichen Substanzen in jeweils 50 ml Aqua ad Injectabilia
in 100-ml-Leerbeuteln.
2) Nach jeder Dummy-Herstellung erfolgt
die Abfüllung von 50 ml Aqua ad Injectabilia in einen 100-ml-Leerbeutel für die
Laboruntersuchung.
3) Manipulation enstprechend der Mitarbeiter-Revalidierung nach QuapoS 4 mit
5 Beutelpaaren.
4) Wiederholung der Schritte 1 - 3 mit jeweils absichtlich kontaminierten Handschuhen, Abtupfen der Kontaminationen
mit einem Gazetupfer ohne Handschuhwechsel (Worst Case Scenario).
Das Landeslabor Berlin-Brandenburg
(LLBB) würde also 40 wirkstofffreie Beutel
zur Untersuchung erhalten und dürfte (so
meine Hoffnung) keine Zytostatika nachweisen.
Gesagt, getan. Am 27.05.2013 war es soweit.
Herr Gieskes organisierte freundlicherweise
den Transport der 40 Prüfbeutel ins LLBB
und deren Analyse dort.
Die Untersuchung aller Prüfbeutel erfolgte
mittels HPLC-QTof (PV 3673-01) auf Carboplatin (Nachweisgrenze (= NG) 50 ng/ml),
Cisplatin (NG 100ng/ml), Cyclophosphamid
(NG 580 pg/ml), Docetaxel (NG 120 ng/ml),
Doxorubicin (NG 97 ng/ml), Epirubicin (NG
50 ng/ml), Fluorouracil (NG 1,0 ng/ml), Paclitaxel (NG 41 ng/ml) und Vinorelbin (NG
120 ng/ml).
Am 04.07.2013 wurde uns vom Landeslabor
Berlin-Brandenburg folgendes mitgeteilt: „In
keinem der 40 untersuchten Prüfbeutel konnte
eine der 10 Substanzen nachgewiesen werden.“
Herr Gieskes schrieb daraufhin am 11.7.2013:
„Sehr geehrter Herr Thesenvitz,
als Anlage erhalten Sie eine Kopie des Berichtes des Landeslabors Berlin-Brandenburg mit
der Auswertung der Ergebnisse. Als Schlussfolgerung kann bei Ihnen ein Handschuhwechsel zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen alle 20 Minuten unterbleiben.“
Ego jubilierte: „Hab ich´s doch gewusst: Es gibt
Kreuzspinnen, Kreuzschnäbel, Kreuzottern aber
keine Kreuzkontaminationen, wenn man sie
nicht absichtlich macht!“
Oder wie Herr Menges bei der Podiumsdiskussion auf dem 5. NZW in Dresden sinngemäß sagte: „Sie arbeiten ja ordentlich in
den Apotheken und wechseln Spritzen und
Kanülen, wenn Sie einen anderen Wirkstoff
verarbeiten.“
Ego kommentiert: „Ja, das machen wir so, schon
immer, auch ohne GMP, QMS, SOP und Apothekenbetriebsordnung – einfach wegen gesundem Menschenverstand - weil wir das Gehirn
nicht ausschalten können und wollen…“
Mainz II
Freitag, 27.08.2010 – 12:22 Uhr, SPIEGEL­
ONLINE PANORAMA:
…Flasche mit dem stark verkeimten Inhalt…
Den Mitarbeitern in der Universitätsapotheke und in der Kinderklinik könne kein
Schuldvorwurf gemacht werden, unterstrich
der Oberstaatsanwalt. … Die Vermutung sei
deshalb nun, dass die Flasche eine nicht erkennbare Beschädigung wie einen Haarriss
aufwies und die Bakterien auf diesem Weg
eindringen konnten. … Der Vorfall hat eine
Diskussion über Hygiene an Kliniken ausgelöst.“
Ego sinniert: „… und Anlass und eben nur Anlass für diverse Änderungen in der Apothekenbetriebsordnung gegeben. Dahinter stecken ganz
andere Kräfte, denn die tragischen Mainzer Geschehnisse hätte die neue Apothekenbetriebsordnung auch nicht verhindert… Wer legt hier wem
mit wessen Hilfe auf wessen Kosten mit welchen
(langfristigen) Folgen warum die Latte höher –
oder kurz: Wem nützt das?“
Mittwoch, 04.09.2013 – E-mail von Herrn
Gieskes (Landesamt für Umwelt, Gesundheit
und Verbraucherschutz):
„Sehr geehrter Herr Thesenvitz,
…Fachlich habe ich keine Ergänzungen. Ich
möchte nur herausstellen, dass die von Ihnen
erbrachten Nachweise nicht ohne Weiteres
auf Herstellungsbereiche anderer Apotheken übertragbar sind, da sich die dortigen
Verhältnisse grundsätzlich von denen Ihrer
Apotheke unterscheiden dürften.“
Was lernen wir daraus?
Reden hilft!: Der Aufsichtsbeamte sitzt fast
immer am längeren Hebel; deshalb empfiehlt sich ein proaktiver, konstruktiver und
informativer Dialog – dann findet sich in
der Regel auch eine Lösung mit der Aufsicht und Apotheke leben können!
„Mainzer Infusion offenbar bei Transport
verseucht
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 61
Ernährung nach Gastrektomie
Ernährung nach Gastrektomie
Erfahrungsbericht von E. M., Berlin
enn ich nach einer Magenkrebs-Erkrankung wegen Gastrektomie keinen Magen mehr habe, ist dies für meinen Körper bzw. den Organismus ein erheblicher
Einschnitt. Mir wurde mit 39 Jahren im Januar 2011 der komplette Magen entfernt und
seitdem hat es im Grunde keinen einzigen Tag mehr gegeben, an dem ich mich richtig fit
gefühlt habe oder einmal so zurecht war wie vor der Gastrektomie.
kommen, um zumindest das Gewicht konstant zu halten.
Aber: Man muss nicht den Kopf unbedingt
in den Sand stecken. Wenn ich mich als Patient an die entsprechenden Spielregeln bei
der deutlich veränderten Ernährung halte,
konnte ich mit der neuen Situation sehr gut
klar kommen. Mir war es sogar möglich, in
meinem Beruf als Journalist in Vollzeit zu
arbeiten.
Freunde und Familienangehörige waren aber
immer wieder erstaunt, welch große Portionen ich trotz fehlenden Magens essen kann
und konnte. Allerdings sind dabei verschiedene Dinge zu beachten, um mit viel Freude
durchs Leben zu kommen.
Erst die immer stärker werdenden Nebenwirkungen der Peritonealkarzinose mit Nierenstau, Gelbsucht und Juckreiz haben schließlich dazu geführt, dass ich meine Tätigkeit an
den Nagel hängen musste.
Sehr viel geholfen hat mir die Ernährungstherapie in der Tumornachsorge-Klinik
„Bergisch-Land“ in Wuppertal bei Therapeut Herman Mestrom. Ich rate jedem Betroffenen, bei ihm in die Schule zu gehen,
auch wenn Mestrom sehr rabiat vorgeht. Aber
lieber etwas zu viel als zu wenig.
Mit den Küchen deutscher Krankenhäuser
machte ich die Erfahrung, dass sie nicht auf
gastrektomierte Patienten eingestellt sind.
Hier empfehle ich allen Betroffenen schnellstmöglich ein Gespräch mit einer Diätassistentin zu suchen (eventuell auch hier unter Zuhilfenahme des Mestrom-Buches), um im
weiteren Verlauf eines Krankenhausaufenthaltes wenigstens halbwegs mit der Ernährung hinzukommen.
Sollte es gar nicht funktionieren, etwa weil
nach einer Narkose der Hunger eingeschränkt ist, wäre parenterale Ernährung
(etwa über den Port) eine Alternative, um
das Gewicht stabil zu halten. So war dadurch
der Druck, essen zu müssen, nicht so hoch.
Mir ist es nicht gelungen, nach der Magenentfernung an Gewicht zuzunehmen. Mit
der parenteralen Ernährung konnte ich die
für mich so wichtigen Kalorien hinein be-
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Alles essen, was schmeckt? Das stimmt bei
Weitem nicht!
1. Obst und Gemüse schälen, Pelle
von der Wurst entfernen
So kann einem lebensgefährlichen Darmverschluss vorgebeugt werden.
Einfach ist dies etwa bei Tomaten, deren
Haut man abziehen kann, nachdem man sie
mit kochend heißem Wasser übergossen hat.
Für das Schälen von Paprika gibt es spezielle
Messer im Fachhandel. Das Schälen von Äpfeln, Birnen, Gurken, Kartoffeln oder Zucchini ist im Handumdrehen gemacht.
Bild: © robynmac/fotolia.com
W
Ernährung nach Gastrektomie
Wichtig ist es, darauf zu achten, dass man
bei Bock,- Grill- oder Bratwürsten die Pelle entfernt – am besten, bevor man sie brät
oder kocht, dann geht es erfahrungsgemäß
einfacher.
Darüber hinaus rate ich allen, sich konsequent an die Lebensmittel-Liste zu halten,
die Ernährungstherapeut Herman Mestrom
in seinem Buch „Essen und Trinken nach
Magenentfernung“ angibt: Also keine Hülsenfrüchte, keine Nüsse, keine Artischocken,
Muscheln oder Pilze usw. Der Erfolg liegt in
der Konsequenz!
Probleme mit einem Darmverschluss durch
Ernährung habe ich bislang nicht gehabt. Er
drohte mir allein auf einer anderen Baustelle,
nämlich durch einen weiteren Tumor.
2. Fette sparsam verwenden
Nach der Gastrektomie ist die Verdauung
gestört und wenn Fette nicht verdaut werden, haben sie abführende Wirkung. Daher
ist es ratsam, beim Kochen Fette nur sehr
sparsam zu verwenden. Ohne an dieser Stelle
Werbung für den Bioladen zu machen, empfehle ich qualitativ gute Fette zu gebrauchen.
Es gilt: Je mehr Fette der Körper aufnimmt,
desto geringer ist die Gewichtszunahme, je
weniger Fette, desto größer.
ten ab. Kleine Mahlzeiten können sein: eine
Kiwi, ein kleiner Joghurt, eine halbe Scheibe
Brot etwa mit Käse, eine Banane. Aus meiner Sicht sollte man spätestens um zehn Uhr
morgens mit der ersten Mahlzeit beginnen,
damit man bis (spät) abends hinkommt.
trägt. Ich musste sie regelmäßig auswürgen
und habe dann Abstand davon genommen.
Ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen
bitte nichts mehr essen, eventuell nur eine
halbe Tasse Fenchel-Anis-Kümmel-Tee trinken, damit es nachts nicht zum Sodbrennen
kommt. Denn: Dieses ist weder mit Säure­
blockern noch mit Säurebindern zu behandeln.
Natürlich ist es möglich, einmal ein bisschen
Weingummi zu kauen oder mal eine Kugel
Eis zu essen. Der Betroffene sollte allerdings
darauf achten, zuckerhaltige Lebensmittel
nur sehr sparsam in den Nahrungsplan aufzunehmen, weil er sonst sehr schnell in eine
Unterzuckerung kommen kann. Bei mir ist
dieses Problem noch relativ gering ausgeprägt,
allerdings bin ich immer wieder unterzuckert
gewesen. Behoben habe ich das Problem in
der Regel, indem ich ein Plättchen Traubenzucker verzehrte und anschließend eine
Scheibe Brot mit Marmelade aß. Wenn der
Patient selbst kocht, kann er in der Regel sehr
gut dosieren, wie viel Zucker er in das Essen
einbringt, etwa beim Pudding.
Um das Körpergewicht stabil zu halten, kann
man sich auch 150 g Maltodextrin in einen
Liter schwarzen Tee mischen, wenn man es
verträgt. Das sind rund 600 Kalorien. Die
Frage ist allerdings, ob man durch den MaltoTee nicht in eine Unterzuckerung kommt.
Eine Möglichkeit wäre es, den Tee über zehn
Stunden in kleinen Portionen zu trinken.
Eine Alternative dazu ist hochkalorische
Trinknahrung – wenn der Patient das ver-
Generell ist es ratsam, langsam zu essen und
gut zu kauen, damit der Nahrungsbrei besser verdaut wird – auch wenn gelegentlich
das Essen dabei kalt wird. Dann muss man
es eben wieder erwärmen. Die Folge des guten Kauens: Es drückt und schmerzt weniger
oder gar nicht hinter dem Brustbein.
Wichtig ist es, dem Rat zu folgen, konstant
über den Tag verteilt viele kleine Mahlzeiten
zu konsumieren. Ob es sechs, acht oder zehn
Mahlzeiten sind, hängt am Ende vom Patien-
5. Selbst kochen statt
Fertigprodukte kaufen
Es empfiehlt sich, sein Essen jeden Tag selbst
zu kochen – sofern es der Gesundheitszustand und die Kraft zulassen. Viele der Fertigprodukte aus dem Supermarkt sind leider für
mich und andere Gastrektomierte vollkommen ungeeignet: zu fettig, zu süß oder weil
das Obst und Gemüse noch Schalen haben.
Kocht der Patient, entscheidet er selbst: Wie
viele Fette und wie viel Zucker kommt in
das Essen?
3. Langsam essen und gut kauen
Essen sollte der Betroffene nach Möglichkeit
in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre.
Stress sollte der Gastrektomierte im Allgemeinen weitgehend vermeiden, da es dadurch
zu Übelkeit und Krämpfen im Oberbauch
kommen kann und dann Mahlzeiten ausgelassen werden müssen.
4. Zuckerhaltige Lebensmittel
sparsam einsetzen
Denjenigen, die nie gekocht haben, sei die
Scheu genommen. Auch ich habe erst im
Zuge meiner Erkrankung das Zubereiten von
Mahlzeiten erlernt und komme mittlerweile
bestens damit zurecht.
Herman Mestrom, unter Mitarbeit von Cerstin Grabandt
und Ute Lindenbeck
Essen und Trinken nach
Magenentfernung
Eine Anleitung zur Selbsthilfe.
Informationen für Betroffene und
Angehörige
Broschiertes Buch
ISBN-10: 3930896044;
ISBN-13: 978-3930896042
Meiden sollte man auf jeden Fall Fast-FoodRestaurants und irgendwelche Essens-Buden
auf Volksfesten, da der Fettanteil im Essen
zu hoch ist. Geht man in ein Restaurant, so
sollte man mit dem Koch absprechen, was auf
den Teller kommt. Hierbei habe ich in den
vergangenen Monaten sehr gute Erfahrungen
gemacht, meistens verlief die Absprache unkompliziert, und ich musste dem Koch auch
nicht jeweils meine komplette Krankheitsgeschichte erzählen.
Krebserkrankung und Partnersuche. Ein persönliches Abenteuer
KO L U M N E
Vom GEHEN, SUCHEN, FINDEN oder BLEIBEN
Krebserkrankung und Partnersuche.
Ein persönliches Abenteuer
Von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg
s begann alles ganz harmlos. Ich fuhr
zur Nachuntersuchung nach Essen.
Dort machte mich mein Arzt auf eine soziologische Studie* aufmerksam, die belegt,
dass Männer häufig das Weite suchen, wenn
die Ehefrau an Krebs oder einer anderen
schweren Krankheit leidet. Eigentlich verlässt man erfreuliche Nachuntersuchungen
beschwingten Schrittes, doch dieses Mal
war es anders. Ich war betroffen und meine Neugierde war geweckt. Nach einer leitenden frauenpolitischen Tätigkeit bin ich
auch heute, 23 Jahre später, immer noch für
das Thema sensibilisiert. Konnte es wirklich
sein, dass Frauen in dieser Situation so offensichtlich benachteiligt sind?
Auf jeden Fall belegte bei der letzten Re­
daktionssitzung der „Onkologischen Phar­
mazie“ die überaus lebhafte Reaktion der
männlichen Redaktionsmitglieder auf mei­
nen Vorschlag, einen Text zu diesem Thema
zu schreiben, dass es hier um ein heißes
Eisen ging. Und dann fiel mir auch noch die
Frage meines Vaters ein, der mich nach der
Ovarialkarzinom-OP ernsthaft fragte, ob
denn mein Mann nun bei mir bliebe. Schließ­
lich könne ich jetzt keine Kinder mehr be­
kommen! Aber mein Vater hatte meine Mut­
ter bis zu ihrem Tod gepflegt – sie war zehn
Jahre lang an Krebs erkrankt.
Männer
Da fragt sich frau doch: Sind Männer wirklich
so schlimm? Der Professor in Essen hat die
Sache ganz kurz zusammengefasst: „Wenn
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Sie als Frau krebskrank sind, dann haben Sie
am besten eine Tochter!“. Die bleibe und ste­
he der erkrankten Mutter zuverlässig bei. Ich
war innerlich aufgerüttelt und wollte es nun
wissen. Die Zahlen der Studie sprechen hier
eine klare Sprache: Frauen trennen sich nur
in 2,9 Prozent der Fälle vom schwerkranken
Partner; Männer hingegen in 20,8 Prozent
der Fälle.
Da mein Mann hinsichtlich der Krebserkran­
kung immer felsenfest zu mir gestanden hat­
te, konnte ich zu diesem Thema nichts Per­
sönliches beitragen. Aber wie stand es mit
der Suche? Frau mit überstandener Krebs­
erkrankung auf dem Partnermarkt – diese
Frage ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und
wie würde es erst Frauen ergehen, die chro­
nisch an Krebs erkrankt sind? Denen es zwar
Bild: © goodluz/fotolia.com
E
Krebserkrankung und Partnersuche. Ein persönliches Abenteuer
noch lange Zeit erträglich gut geht, die aber
keine Aussicht auf Heilung haben? Müssen
diese Frauen zwangsläufig alleine bleiben?
Und wie erging es den 20,8 Prozent der Frau­
en, die während der Erkrankung verlasse­
nen wurden? Konnten die, wenn es Ihnen
irgendwann besser ging, auf einen neuen
Partner hoffen?
Fragen über Fragen. Mein Kopf rauchte und
Antworten mussten her. Eine Studie konnte
ich nicht in Auftrag geben. Aber der Gedanke
an eine sehr persönliche Recherche wurde
mir immer vertrauter.
nommen. Einem Mann – übrigens der Ver­
waltungsleiter einer Klinik – sagte ich, als
wir nach einigen Telefonaten auf das Thema
kamen, dass ich vor langer Zeit krebskrank
gewesen sei. Obwohl er vorher vor Begeis­
terung sprühte und ich schon überlegt hat­
te, wie ich die Sache anständig beenden
könnte, war dann alles sofort vorbei. Keine
Meldung mehr. Nichts. Aus. Ich bat ihn per
Mail um eine Begründung seines Verhaltens
und ob seine Reaktion an der Erwähnung der
überstandenen Krebserkrankung gelegen
hatte. Nichts. Die Sache war klar. Ich konnte
sein Verhalten nur dahingehend interpre­
tieren, dass die Erwähnung von Krebs sein
Interesse im Keim erstickt hatte.
Das Abenteuer
Gedacht, getan. Ich melde­
te mich bei einer bekannten
Internetplattform für Part­
nersuche für drei Monate
an. Trotz allen Forscher­
drangs – auf den ersten
Blick erkannt werden wollte
ich auch nicht. Also wählte
ich ein Foto aus dem Urlaub
in Südfrankreich mit Stroh­
hut und großer Sonnenbril­
le. Ich bin 1,78 m groß – ich
schrieb 1,76 m in meinen
Steckbrief. Das klang we­
niger einschüchternd!
Um den Versuch realistisch zu gestalten,
musste ich mich natürlich als Single ausgeben
und meine 23 Ehejahre unterschlagen (etwa­
ige Gewissensbisse in dieser Sache verflüch­
tigten sich schnell, als in den Gesprächen
klar wurde, dass auch nicht alle Männer mit
ehrlichen Karten gespielt hatten).
Und dann erwartete ich mit Spannung, was
passieren würde.
Und dabei blieb es nicht.
Den anderen Kandidaten
sagte ich daraufhin erst
gar nicht, dass ich krank
gewesen war. Ich teilte Ih­
nen aber meinen vollen Na­
men mit. Und danach war
dann auch bei fast allen
sofort Schluss. Ich kann
nur mutmaßen, dass die­
se Männer meinen Namen
gegoogelt haben und dann
beim Lesen der Artikel im
Internet erfuhren, dass
ich eine Krebserkrankung
überstanden hatte. Ich
schreibe in den Artikeln immer: Überstan­
dene Erkrankung (für mich ist das wichtig:
Körper und Seele hören schließlich immer
mit!).
Nur Einer hätte mich sofort genommen: ein
Mann, der seine eigene Krebserkrankung
gerade überstanden hatte! Dieser Mann
hat seine Krankengeschichte im ersten Ge­
spräch offengelegt und es stellte sich her­
aus, dass er immer wieder auf Frauen traf,
die bereit waren, seine Krankengeschichte
zu akzeptieren.
Die Erlebnisse
Es meldeten sich fünfzehn Männer in einem
akzeptablen Alter zwischen 54 und 60 Jah­
ren. Ich war zu diesem Zeitpunkt 54 Jahre
alt. Deutlich ältere Männer oder gar ganz
junge meldeten sich auch. Aber eher als
Ausnahme.
Mit fünf Männern habe ich über das Mai­
len hinaus Kontakt über das Telefon aufge­
Da ich keinen der Männer persönlich treffen
wollte – hier war meine Grenze – war ich
auf den Eindruck angewiesen, den mir die
Mails und die persönlichen Gespräche ver­
mittelten. Auffallend war bei allen vierzehn
Männern die sich gemeldet hatten, wie sehr
die Fitness und körperliche Unversehrtheit
betont wurden (mit Ausnahme des Krebspa­
tienten). Ich kann mir kaum vorstellen, dass
vierzehn Männer zwischen 54 und 60 Jah­
ren keinerlei Zipperlein haben. Wirklich un­
glaubwürdig. Aber demzufolge erwarteten
diese Männer dann auch völlige Unversehrt­
heit beim weiblichen Gegenüber. Ebenso
unrealistisch. Ganz zu schweigen von der
Erwähnung einer Krebserkrankung!
Moral von der Geschichte
Natürlich weiß ich, dass meine sehr persön­
liche Recherche nicht repräsentativ ist und
unter subjektiven Bedingungen stattfand.
Dennoch spiegelt sie die Ergebnisse der Stu­
die und den von mir erweiterten Gedanken
der Partnersuche anschaulich wider. Der
immer noch latent vorhandene gesellschaft­
liche Chauvinismus zeigt sich an der Part­
nerproblematik bei einer Krebserkrankung
leider deutlich. Laut Studie falle es Männern
schwer, sich mit der Rolle des Umsorgenden
zurechtzufinden.
Bei der Partnersuche scheint es keinen Un­
terschied zu machen, ob die Frau den Krebs
überstanden hat oder noch erkrankt ist. Das
Stigma der Krebserkrankung an sich ist hier
vorherrschend. Es zeigt sich: Frauen mit die­
ser Krankengeschichte haben es auf dem
Markt der Partnersuche schwer.
Und seien wir ehrlich, das Diktat der weib­
lichen Attraktivität wird auch eine Rolle
gespielt haben. Kein Körper bleibt auf dem
Lebensweg für immer gesund und unver­
sehrt. Das Leben und seine Ereignisse hin­
terlassen ihre Spuren. Es ist eine Frage der
persönlichen Reife, sich diesem Thema zu
stellen – auch in der Partnerschaft und bei
der Partnersuche.
Zum Abschluß noch ein lobender Hinweis
auf den Ex-Beatle Sir Paul McCartney. Sei­
ne zweite Ehefrau Heather war vor der Ehe
an Gebärmutterhalskrebs erkrankt und hat
zudem eine Beinprothese. Angesichts der
Studie ist diese Partnerwahl ein leuchten­
des Gegenbeispiel. Zumal McCartneys erste
Ehefrau Linda an Brustkrebs erkrankt war
und er daher mit dem Leid einer Krebser­
krankung vertraut war. Schön, dass es auch
anders geht!
*Die erwähnte Studie erschien im Fachblatt
„Cancer“, 2009; 115: 5237-5242
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 4/2013 | 65
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