C Chlamydien-Infektion S. Nemeth-Sommer Die Chlamydien-Infektion gehört zu den sexuell übertragbaren Krankheiten (STD= Sexuell Transmitted Disease). Frühere Bezeichnungen für die ChlamydienInfektionen sind: Neue Spezies Alte Spezies Chlamydia trachomatis Chlamydia muridarum Chlamydia trachomatis Chlamydia suis Miyagawanella, Bedsonien, TRIC = Trachom-Inclusion-Conjunctivitis. Chlamydien sind parasitäre Bakterien, die unbeweglich und gramnegativ sind. Sie leben intrazellulär und sind deshalb auf die intrazelluläre Vermehrung in Wirtszellen angewiesen.3 Chlamydien haben Strukturmerkmale der Bakterien: • Bakterienzellwand • Ribosomen • besitzen verschiedene Stoffwechselenzyme Chlamydien gehören zur der Familie: Chlamydiaceae und zu den Gattungen: Chlamydia (Chlamys griech. = Mantel) und Chlamydophila und umfassen 9 Spezies. Die Klassifizierung (taxonomische) Einteilung wurde im Mai 1999 geändert 4. Serotyp/Immunotyp Betroffene Zellen Erkrankungen A, B, Ba, C, Epithelzellen der Schleimhäute Trachom, Augenbindehautentzündung D, E, F, G, H, I, J, K Epithelzellen der Schleimhäute Urethritis, Zervizitis, Salpingitis, Endometritis, Proktitis, Epidymitis L1-L3 mononukleäre Leukos LGV: Lymphogranuloma venerum (Geschlechtskrankheit) Chlamydophila psittacia Chlamydophila abortus Chlamydia psittaci Psittakose (Papageienkrankheit; Ornithose) auf Menschen übertragbar Chlamydophila pecorum Chlamydia pecorum ausschließlich tierpathogen Chlamydophila pneumoniae Chlamydia pneumoniae Chlamydophila caviae Chlamydophila felis Infektion des oberen Respirationstraktes TWAR-Stämme Tabelle 1: Neue Nomenklatur (4) 48 Aus Cyto-Info 3/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Die Chlamydien-Infektion ist eine uralte Geißel der Menschheit: Übersetzungen von Papyrus berichten von der Körnerkrankheit, welche als Trachom in Ägypten bereits vor mehr als 3500 Jahren bekannt war und oftmals zur Blindheit führte.1 Heute ist die Chlamydien-Infektion aktueller denn je: Nach Vogelgrippe und Zunahme der Infektionen bei Jugendlichen wird die Infektion als heimliche Epidemie bezeichnet2, aber auch vielfältige andere Erkrankungen werden durch die verschiedenen Spezies ausgelöst und oftmals erst spät erkannt. Eine frühzeitige Diagnose, Behandlung mit dem „richtigen“ Antibiotikum, Dauer der Behandlung, Mitbehandlung des Partners und je nach Chlamydienspezies auch des Haustieres können eine Chronifizierung vermeiden. Aus Cyto-Info 3/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Chlamydia trachomatis (Sexuell übertragbare Krankheit) Chlamydien-Infektionen des Menschen werden in erster Linie durch die verschiedenen Stämme von Chlamydia trachomatis übertragen. Der Häufigkeitsgipfel ist bei sexuell aktiven Frauen und Männern (zwischen 15 und 25 Jahren). Erkrankungen: Okuläre und genitale Krankheiten: 1. Trachom (Infektion der Augen, die bei der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen wird und unbehandelt zu Blindheit führt), Einschlusskörperchen-Konjunktivitis 2. Erreger der heute häufigsten Geschlechtskrankheit – unspezifische nicht-gonorrhoische Urethritis Wirtszellen sind die Schleimhäute des Urogenitaltraktes, des Rektums, der Konjunktiven sowie einiger Zellen der nicht spezifischen Immunabwehr (mononukleäre Leukos) Chlamydien befallen Zellen: • der Harnröhre • der Prostata (Vorsteherdrüse) • der Samenbläschen • der Zervix (Gebärmutterhals) • des Salpinx (Eileiter) Symptome: Urethritis, Endometritis, Zervizitis, Salpingitis (mit/ohne Ausbreitung auf das Peritoneum) 3. Lymphogranuloma venerum: Erreger Chlamydia trachomatis, Serovar L1-L3, Geschlechtskrankheit 4. Rheumatologie: Chlamydien induzierte Arthritis (SARA = Sexuell Aquirierte Reaktive Arthritis) 1 – 3 Wochen nach Infektion kommt es zu akuten Gelenkentzündungen (Knie, Sprunggelenke, Zehengelenke); schwer von der chronischen Polyarthritis zu unterscheiden! Auch Infektionen außerhalb des okulären und genitalen Bereiches sind möglich: Entzündungssymptome und gelegentliche schwerwiegende Folgeschäden: Infektionen des Respirationstraktes, des Enddarmes und der Gelenke („ReiterKrankheit“: urethro-okulo-synoviales Syndrom, Arthritis, Urethritis, Konjunktivitis) 1 Chlamydia psittaci (Ornithose, Psittakose = Papageienkrankheit) Überträger sind vor allem Vögel und nahezu alle Haustiere (Katzen, Hunde, Ziegen, Schafe, Kühe) Stämme von Vögeln, insbesondere Psittaciden (Papageienartige), weisen eine höhere Humanpathogenität auf als Stämme von anderen Tierarten. Vögel, vor allem auch von Tierfarmen z. B. Truthühner oder Enten, aber auch Tauben spielen als Infektionsquelle für den Menschen die wichtigste Rolle.1 49 Infektionsweg: Kommt bei infizierten Tieren in respiratorischen Sekreten, Exkrementen und Federn vor und kann bei Raumtemperatur selbst bei Austrocknung ca. 4 Wochen infektiös bleiben. Inkubationszeit: etwa 1 – 4 Wochen Symptome: Fieberhafte Erkrankungen, Pneumonien, das klinische Bild kann außerordentlich vielfältig sein und fast jedes Organ betreffen. Chlamydia pecorum Diese als „Neu“ abgegrenzte Spezies ist ausschließlich tierpathogen. Sie verursacht bei Rindern und Schafen Pneumonien, Polyarthritis, Enzephalomyelitis und Diarrhöe. Chlamydia pneumoniae Rein humanpathogener Keim. Diese Spezies wurde erst 1989 beschrieben. Sie besteht aus den so genannten TWAR Stämmen, die ursprünglich C. psittaci zugeordnet wurden. TWAR = Tai Wan Acute Respiratory, eine erste Isolierung der Erreger erfolgte in Taiwan nach Verursachung von Atemwegserkrankungen 2. Über die Verbreitung ist in Deutschland wenig bekannt. Es ist jedoch ein sehr hoher Durchseuchungsgrad (etwa 60% der 20-Jährigen) zu beobachten, so dass jeder Mensch mindestens einmal in seinem Leben Kontakt mit C. pneumoniae haben dürfte. Überträger: Erregerreservoir für C. pneumoniae ist der Mensch. Symptome: Die Pneumonien sind häufig durch einen plötzlichen Beginn mit Schüttelfrost, hohem Fieber, trockenem Husten, Kopfschmerzen gekennzeichnet. Aber auch Erkrankungsbilder wie Endokarditits, Myokarditis, Perikarditis, Enzephalitis, reaktive Arthritis und Konjunktivitis sind möglich. Das klinische Spektrum von C.pneumoniae-Infektionen umfasst akute Pharyngitiden, Sinusitiden, Bronchitiden und Pneumonien. Außerdem steht Chlamydia pneumoniae in Verdacht an koronaren Herzerkrankungen und Multipler Sklerose (MS) beteiligt zu sein. Vermehrungszyklus der Chlamydien: Außerhalb von Zellen überleben Chlamydien nur kurzzeitig als so genannte Elementarkörperchen (ca. 0,3 m winzige Partikel, extrazellulär sind die Partikel infektiös und Stoffwechsel inaktiv). Ablauf der Vermehrung: • Die Elementarkörperchen werden von Wirtszellen phagozytiert (aufgenommen). • Elementarkörperchen sind in Vakuolen der Wirtszellen eingeschlossen und reorganisieren sich Als Elementarkörperchen können sie, wenn die akute Vermehrungsphase abgelaufen ist, in der Wirtszelle auch über längere Zeit überleben, ohne diese zu lysieren. D. h. sie können kurzfristige Antibiotikagaben unbeschadet überstehen. Elementarkörper (EB) Wirtszelle Lyse u. Freisetzung ElementarkörperAnlagerung Zellkern Endozytose Phagosom Retikularkörper (RB) Differenzierung Differenzierung Replikation Abb. 1: Entwicklungszyklus von Chlamydien Diagnostik: • Nachweis spezifischer Antikörper im Serum (Elisa) • Mikroimmunfluoreszenstest (MIF) • Kulturnachweis: In fibroblastischen Tumorzellen der Maus können nach Jodfärbung dunkelbraune, granulierte Zelleinschlüsse dargestellt werden. • Polymerasekettenreaktion (PCR) Nachweis von Chlamydien DNA • Zytologischer Chlamydien-Nachweis ist unzuverlässig. Therapie: • Antibiotika: Tetrazykline (Präp. Doxyzyklin) • Makrolid-Antibiotika • Bei Unverträglichkeit von Tetrazyklinen und bei Schwangeren: Erythromycin • Wichtig ist die gleichzeitige Mitbehandlung des Sexualpartners, um ständige gegenseitige Ansteckung zu vermeiden (Pingpong-Effekt). Bei positivem Chlamydien-Antigen-Nachweis sind ca. 60 % der Partner infiziert! Chlamydien und Zytologie In einer Studie wurden die Möglichkeiten der Zytologie, Chlamydien-Infektionen bei asymptomatischen Frauen zu entdecken, untersucht. Hierbei kam es zu keiner Übereinstimmung zwischen Zytologie und mit PCR und EIA nachgewiesenen Chlamydien-Infektionen bei Frauen 7. Auch wird in der internationalen Literatur die zytologische Diagnostik der Chlamydien-Infektion nicht empfohlen. Auf der anderen Seite gibt es eine Zunahme der Chlamydien-Erkrankungen in den letzten 4 – 5 Jahren. Diese Zunahme ist auf den zurückgehenden Gebrauch von Kondomen und mangelnder Aufklärung und Unkenntnis der Jugendlichen zurückzuführen 8. Da die Infektion bei Frauen und Männern häufig asymptomatisch abläuft, somit die Infektion unbemerkt verbreitet wird und dadurch insbesondere Frauen gefährdet sind, durch Eileiterentzündungen unfruchtbar zu werden, ist die Autorin der Meinung: • Dass dringend mehr Aufklärung in allen Altersgruppen der Bevölkerung und vor allem bei den niedergelassenen Ärzten (Hausärzte) erfolgen sollte. • Dass die Wissenschaft vielleicht heute noch nicht das richtige Instrument zum Nachweis der Chlamydien-Erkrankung hat. Auch hier der Hinweis auf den komplizierten Vermehrungszyklus und die lange Überlebensdauer der Elementarkörperchen. Auch sind die Nachweismethoden Enzymimmunoassays (EIAs) mit polyklonalen Antikörpern mit einer geringen Sensivität 9, deshalb wird empfohlen, positiv reagierende Proben mit einem IFT zu bestätigen (IFT= Immunfluoreszenztest). Abzulehnen sind die häufig in der ärztlichen Praxis verwendeten so genannten Schnelltests, die zu unsensitiv sind. • In der Studie von Antilla, Koskela et a. wurde geprüft, in welchem Maß verschiedene Serotypen eines Chlamydienstammes bei der Entstehung eines Plattenepithelkarzinomes der Zervix beteiligt sind. Die vorliegende Arbeit bestätigte frühere Berichte, wonach der Nachweis von Anti-Chlamydien-Antkörpern (speziell Serotyp G) mit einer erhöhten Rate von Plattenepithelkarzinomen der Zervix uteri in Verbindung gebracht wird. Der Zusammenhang, ob die Chlamydien-Infektion die 50 Aus Cyto-Info 3/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V innerhalb von etwa 8 Stunden zu Retikularkörperchen (intrazellulär /nichtinfektiös, Stoffwechsel aktiv 0,6-1,5 groß) der Chlamydien. • Unter Ausnutzung des Stoffwechsels der Wirtszellen vermehren sich die Retikularkörperchen, um sich wieder in kleine Partikel zu teilen. • nach etwa 30 Stunden füllen die Retikularkörperchen die Wirtszellenvakuolen vollständig aus, die Retikularkörperchen bilden sich zu Elementarkörperchen um. • Nach weiteren 10 Stunden sterben die Wirtszellen ab (Platzen!), so dass die kleinen infektiösen Partikel der Elementarkörperchen frei werden und der Entwicklungszyklus von vorn beginnt 5. • Der gesamte Stoffwechselzyklus dauert gewöhnlich 24 – 48 Stunden, zum Teil bis 72 Stunden 6. Nur während ihrer Replikationsphase (Retikularkörperchen) sind Chlamydien durch Antibiotika hemmbar. Immunabwehr herabsetzt und es deshalb zu Störungen der Zellteilung kommt, ist wissenschaftlich noch nicht bewiesen. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, warum Plattenepithelkarzinome gehäuft auftreten sollen, wo doch die betroffenen Zellen einer Chlamydien-Infektion Endozervikalzellen, Reservezellen und Metaplasiezellen sind 10. Verfasserin: Susanne Nemeth-Sommer CT-GYN, IAC-Gyn Bahnhofstr. 88 71093 Weil im Schönbuch 08321/674457 [email protected] Aus Cyto-Info 3/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Glossar STD: Sexuell Transmitted Disease Sexuell übertragbare Krankheiten lysieren: Auflösen von Zellen Chlamydien: (Chlamys=Mantel); früher Miyagawanella, Bedsonien, TRIC = Persistenz: Erhaltenbleiben eines früheren Zustands; persistierend: anhaltend, Trachom-Inclusion-Conjunctivitis) dauernd DNS: Desoxyribonukleinsäure Bestandteil der Chromosomen Reinfektion: erneute Infektion; mit denselben Erregern nach bereits erfolgter Aus- Gattung (Genus): lat. Geschlecht; natürliche Gruppe von Arten in der Botanik und heilung - Sekundärinfektion Zoologie mit nur ihnen gemeinsamer Stammart Salpingitiden: Eileiterentzündung LGV: Lymphogranuloma venerum (Geschlechtskrankheit, meldepflichtig); Erreger C. Adnexitiden: ein oder beidseitige Entzündung der Tuben (Eileiter) und Ovarien trachomatis (Eierstöcke) RNS: Ribonukleinsäure Infertilität: Unfruchtbarkeit Spezies: lat. Anblick, Vorstellung, Gestalt; Art ektopische Schwangerschaft: Extrauterine Schwangerschaft: Schwangerschaft TWAR: Tai Wan Acute Respiratory. Serotypen von C. pneumoniae außerhalb der Gebärmutterhöhle (Tubargrav) Makrolid-Antibiotika: Gruppe von aus verschiedenen Streptomyzeten MPZ: Metaplasiezellen (umbilden) Reversible Umwandlung eines differenzierten gewonnenen (Erythromycin, Josamycin, Spiramycin) oder synthetisch hergestellten Gewebes in ein anderes differenziertes Gewebe (Drüsenepithel-Plattenepithel) (z.B Clarithromycin, Roxithromycin) Antibiotika; Wirkungsspektrum: grampositive (vz. EZZ: Endozervikalzellen, Drüsenepithelien der Endozervix auch gram. neg.) Bakterien, Mykoplasmen, Chlamydien, Rickettsien, Legionellen, Reservezellen: liegen in ein oder mehreren Schichten (Reservezellhyperplasie) Treponemen unter dem Zylinderepithel; durch Differenzierung entstehen aus Reservezellen Immunfluoreszenstest (IFT): Immunologische Methode zum mikroskopischen Metaplasiezellen, die in unterschiedlichen Reifegraden auftreten Nachweis von Antigenen und Antikörpern in histologischen oder zytologischen Prä- Vakuole: Hohlraum in Zellen, mit flüssigem Inhalt z.B. Eiweiß, Fett gefüllt paraten, zur Differenzierung von Zellen (z.B Tumorzellen) und verschiedenen Talkumkristalle: Talkumpuder von Handschuhen; Talkum: Grundlage für Puder Gruppen von Immunglobulinen Psammonbodies: sandartige Verkalkungen innerhalb eines Tumors (Schilddrüse, Polymerasekettenreaktion (PCR): molekulargenetisches Verfahren, bei dem Ovar) Zytologisch: kleine, konzentrisch geschichtete Körperchen selektiv bestimmte DNA-Abschnitte vervielfältigt werden Post-Partum-Zellen: Zellen nach der Entbindung, Hormonmangel Ornithose, Psittakose: Papageienkrankheit; schwer fieberhafte, grippeartige All- Literatur bei der Verfasserin gemeinerkrankung; Erreger: Chlamydia psittaci Pneumonien: Lungenentzündung Polyarthritis: Gleichzeitige Entzündung von fünf oder mehr Gelenken Enzephalomyelitis: Entzündung von Gehirn und Rückenmark Diarrhöe: Durchfall Trachom: Infektion der Augen, die bei der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen wird und unbehandelt zu Blindheit führt, Einschlusskörperchen-Konjunktivitis unspezifische nicht-gonorrhoischen Urethritis: Entzündung der Harnröhrenschleimhaut; nicht für einen bestimmten Erreger typische Entzündung Zervizitis: Entzündung der Schleimhaut des Zervikalkanals Proktitis: Mastdarmentzündung Epidymitis: Entzündung der Nebenhoden Psittakose: Ornithose durch Vögel übertragbare bakterielle Infektionskrankheit Chlamydien induzierte Arthritis: SARA Sexuell Aquirierte Reaktive Arthritis Reiter-Krankheit: urethro-okulo-synoviales Syndrom, Arthritis, Urethritis, Konjunktivitis 51