2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 9 2 Grundlagen e lektromagnetischer Felder Seit mehr als 100 Jahren nutzt der Mensch nun schon elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder für sehr viele Anwendungen wie Netzstrom, Radio, Fernsehen und viele andere Anwendungen, die aus dem heutigen täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Die elektrischen und magnetischen Felder lassen sich in statische (zeitlich konstante), niederfrequente und hochfrequente Bereiche unterteilen. Das Merkmal zur Unterscheidung dieser Bereiche ist die Frequenz, d.h. die Zahl der periodischen Feldänderungen (Schwingungen) pro Zeiteinheit. Die Frequenz wird angegeben in der Einheit Hertz (Hz). Dabei gilt: 1 000 000 000 Hz = 1 000 000 kHz = 1 000 MHz = 1 GHz. Abb. 2 gibt einen Überblick über das gesamt elektromagnetische Spektrum, dessen einzelne Bereiche im Folgenden erläutert werden. Es gibt zwar keine natürliche Grenze zwischen Nieder- und Hochfrequenzbereich, üblicherweise spricht man aber bei Frequenzen unterhalb von etwa 30 kHz (=30000 Schwingungen pro Sekunde) vom Niederfrequenz-Bereich. Für viele technische Anwendungen wird besonders die Netzfrequenz von 50 Hz intensiv genutzt. Im Frequenzbereich oberhalb des sichtbaren Lichts und der UV-Strahlung schließt sich die ionisierende Strahlung an (z.B. Röntgen- und Gammastrahlung, s. Abb. 2). Die ionisierende Strahlung unterscheidet sich in ihrer Wirkung auf den Menschen erheblich von der nichtionisierenden Strahlung im Nieder- und Hochfrequenzbereich. Gerade bei der Frage der Exposition von Radartechnikern der Bundeswehr werden in den Medien häufig ionisierende und nichtionisierende Strahlung irrtümlich vermischt (s. a. Kap. 3.4.3). Im vorliegenden Bericht werden fast ausschließlich hochfrequente elektromagnetische Felder im Frequenzbereich von 30 kHz bis 300 GHz betrachtet1. Oft wird auch nur der Teilbereich von 30 kHz bis 300 MHz als eigentliche Hochfrequenz bezeichnet und Frequenzen von 300 MHz bis 300 GHz als Mikrowellen. Im Folgenden wird aber mit Hochfrequenz der beide Teilbereiche umfassende Frequenzbereich bezeichnet. Die niederfrequenten Felder und die ionisierende Strahlung sind nicht Gegenstand dieses Berichts. Jeder elektromagnetischen Welle mit einer bestimmten Frequenz ist eine Wellenlänge zugeordnet. Dabei werden die Wellenlängen mit steigender Frequenz kürzer (Abb. 2). Die Wellenlänge ist wichtig für die Unterscheidung zwischen den Nahfeld und dem Fernfeld eines Senders. Vom Nahfeld spricht man bis zu einer Distanz vom Sender, die etwa einer Wellenlänge entspricht. Bei größeren Entfernungen spricht man vom Fernfeld. 1 Ein Sender, der nicht in diesen Bereich fällt ist z.B. der Marinefunksender in Saterland-Ramsloh (Kap. 3.1.5). 10 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder Abb. 2: Elektromagnetisches Spektrum im nieder- und hochfrequenten Bereich (Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz, 1999. Broschüre „Strahlung und Strahlenschutz“). 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 11 Im Nahfeld einer Sendeanlage sind elektrisches und magnetisches Feld entkoppelt und müssen daher unabhängig voneinander betrachtet werden. Als Maß für die Stärke des elektrischen Feldes dient die elektrische Feldstärke, die in Volt pro Meter (V/m) angegeben wird. Die Stärke des magnetischen Feldes wird durch die magnetische Feldstärke in der Einheit Ampere pro Meter (A/m) beschrieben. Häufig wird anstelle der magnetischen Feldstärke auch die magnetische Flussdichte in der Einheit Tesla (T, 1 T = 1 000 000 µT) verwendet. Magnetische Flussdichte und magnetische Feldstärke sind linear miteinander verknüpft: 1 µT = 1.26 A/m. Im Fernfeld einer Sendeanlage sind elektrisches und magnetisches Feld eng miteinander gekoppelt. Bei Kenntnis des einen Feldes kann das jeweils andere berechnet werden. Man spricht daher im Hochfrequenzbereich auch von elektromagnetischen Feldern. Zur Beschreibung der Stärke eines elektromagnetischen Feldes wird die Leistungsflussdichte verwendet. Sie gibt die Leistung (= Energie pro Zeiteinheit) in Watt (W) an, die senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der elektromagnetischen Welle auf eine Fläche (in m²) trifft. Die Einheit der Leistungsflussdichte ist W/m². Dabei gilt: 1 W/m² = 1 000 mW/m² = 1 000 000 µW/m². Im Fernfeld kann die Leistungsflussdichte S und das elektrische Feld E ineinander umgerechnet werden, wobei die Kopplung über den Feldwellenwiderstand Z0 = 377 Ω für den freien Raum geschieht: (1) S= E2 377Ω mit S in W/m² und E in V/m. Je höher die Frequenz der elektromagnetischen Felder ist, desto mehr nähern sich die Ausbreitungseigenschaften denen des Lichts (Optik) an. Man spricht daher üblicherweise bei Frequenzen im kHz- und im MHz-Bereich (z. B. Rundfunk- und Fernsehsender, Mobilfunk) von elektromagnetischen Wellen und ab dem GHz-Bereich (z.B. Radaranlagen, Licht) von elektromagnetischer Strahlung. Im Fernfeld nimmt die elektrische Feldstärke reziprok mit dem Abstand zum Sender ab: Wenn sich der Abstand zum Sender verzehnfacht, beträgt die elektrische Feldstärke nur noch ein Zehntel des ursprünglichen Werts. Die Leistungsflussdichte folgt hingegen einer reziprok-quadratischen Entfernungsabhängigkeit. Im zehnfachen Abstand zum Sender ist die Leistungsflussdichte bereits auf ein Hundertstel des Ausgangswerts abgefallen. Die Leistungsflussdichte fällt somit wesentlich schneller mit zunehmender Entfernung ab als das elektrische Feld (Abb. 3). Diese unterschiedlichen Eigenschaften müssen beachtet werden, wenn Angaben zur „Stärke elektromagnetischer Felder“ beispielsweise im Vergleich mit Grenz- oder Richtwerten (s. Kap. 7) betrachtet werden. 12 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 1.0 Feldstärke Leistungsflussdichte 0.9 0.8 Elektrische Feldstärke (~ 1/r) 0.7 Leistungsflussdichte (~ 1/r²) 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Relative Entfernung r Abb. 3: Prinzipielle Entfernungsabhängigkeit des elektrischen Feldes und der Leistungsflussdichte (jeweils normiert) unter ungestörten Verhältnissen. Die Abstrahlung einer elektromagnetischen Welle von einer Sendeanlage erfolgt im Allgemeinen von einer Antenne. Je kleiner die Wellenlänge im Verhältnis zur Antennengröße ist (d.h. mit steigender Frequenz), desto mehr wird die Energie nicht mehr gleichmäßig, sondern in einzelne Raumrichtungen bevorzugt bzw. gebündelt abgestrahlt. Man spricht hier von einer Richtwirkung. Beispiele für bündelnde Antennen sind Parabolantennen für Richtfunkstrecken (Kap. 3.7) oder auch Sendeantennen für Mobilfunkbasisstationen (Kap. 3.2.1) (IMST, 1998). Die Stärke der Bündelfähigkeit einer Antenne wird als Antennengewinn bezeichnet. In Richtung der stärksten Bündelung (Hauptstrahlrichtung) ist die von einer Antenne abgestrahlte Leistungsflussdichte größer als die von einer schwach bündelnden Antenne. Die alleinige Angabe der Sendeleistung einer Anlage ist somit zur Beurteilung der von ihr erzeugten Leistungsflussdichte nicht mehr hinreichend. Man verwendet statt dessen eine bewertete Größe, die äquivalente isotrope Strahlungsleistung (EIRP). Die EIRP gibt an, mit welcher Sendeleistung man eine in alle Raumrichtungen gleichmäßig abstrahlende Antenne (Kugelstrahler) speisen müsste, um im Fernfeld dieselbe Leistungsflussdichte zu erzeugen wie in Hauptstrahlrichtung einer bündelnden Antenne (IMST, 1998). Spezielle Informationen über die Abstrahleigenschaften von Antennen kann in der Fachliteratur oder im Internet (z.B. www.kathrein.de) nachgelesen werden. Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Ausbreitung der elektromagnetischen Felder im freien Raum stattfindet. Treffen die Felder aber auf Materie, können sie zu einem gewissen 2 Grundlagen elektromagnetischer Felder 13 Teil reflektiert oder beim Durchgang durch die Materie abgeschwächt werden (Dämpfung). Auf diese Eigenschaft und deren Konsequenzen wird in Kap. 4.2 näher eingegangen. Um Informationen mit elektromagnetischen Wellen zu übertragen, muss eine der Eigenschaften diese Welle (Amplitude, Frequenz oder Phase) zeitlich verändert (moduliert) werden. Für jede Übertragungstechnologie ist das zu verwendende Modulationsverfahren vorgeschrieben. So verwendet der Mittelwellen–Rundfunk (Kap. 3.1.2) eine Amplitudenmodulation, der UKW–Rundfunk (Kap. 3.1.1) eine Frequenzmodulation und der Richtfunk (Kap. 3.7) eine Phasenmodulation. Um auf einer Frequenz mehrere unterschiedliche Informationen gleichzeitig übertragen zu können, werden zusätzlich digitale Kodierungsverfahren angewendet. Die zwei wichtigsten Verfahren hierfür sind • das Zeitschlitzverfahren, das die GSM-Netze (D- und E-Netz, Kap. 3.2.1), die digitalen Haustelefone (DECT, 3.3) und das neue Betriebsfunksystem TETRA (Kap. 3.2.3) einsetzen und • das Frequenzspreizverfahren (CDMA), das die UMTS-Netze (Kap. 3.2.1) und die Bluetooth-Technologie (Kap. 3.8.2) verwenden bzw. zukünftig verwenden werden. Die genauere Spezifikation der einzelnen Technologien kann nicht Gegenstand dieses Berichts sein. Es wird an dieser Stelle daher auf die zahlreiche Fachliteratur und Informationen im Internet (z.B. zu GSM: www.gsmworld.com, zu UMTS: www.umts-forum.de, zu TETRA www.tetra.com, zu DECT: www.dectweb.com) verwiesen. Die Vergabe von Frequenzen für bestimmte Nutzungen wie beispielsweise Rundfunk, Fernsehen, Mobilfunk und Radar wird auf internationaler Ebene verbindlich geregelt. Dabei wird nicht nur die Frequenz sondern auch die maximale Sendeleistung, die zu verwendende Modulation und weitere funktechnische Parameter festgelegt. In Deutschland ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) für die Vergabe und Überwachung der Frequenznutzung verantwortlich. Auf den Internet-Seiten der RegTP (www.regtp.de) finden sich dazu nähere Informationen. Die Vorgaben für die verwendeten Technologien (z.B. GSM) werden in internationalen oder europäischen Normen (z.B. ETSI-Normen (www.etsi.fr)) im Detail festgelegt und können in Deutschland national nicht mehr verändert werden.