Ethische Positionen zum Verhältnis von Mensch und Natur

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7 Dürfen wir alles, was wir können?
S. 126, a| Forschung und Tierversuche – alles zum Wohle des Menschen?, Aufgaben 1 und 2
Ethische Positionen zum Verhältnis von Mensch und Natur
Die folgenden Zitate bekannter Philosophen erläutern beispielhaft die jeweilige
ethische Position.
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Anthropozentrismus
Immanuel Kant: Der Mensch als Maß
(deutscher Philosoph, 1724–1804)
Tieren gegenüber darf man keine Gewalt ausüben und sie grausam behandeln, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft
und dadurch eine für das menschliche Miteinander sehr dienliche natürliche
Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird. Der Mensch darf Tiere
aber töten, wenn es ohne Qual geschieht, und sie für sich arbeiten lassen,
wenn es nur nicht bis über die Grenzen ihrer Kraft geht (dergleichen auch wohl
Menschen sich gefallen lassen müssen).
Nach: Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten.
Hrsg. von Wilhelm Weischedel Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005
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Pathozentrismus
Jeremy Bentham: Alles, was empfindet
(englischer Philosoph, 1748–1832)
Es mag der Tag kommen, an dem man begreift, dass die Anzahl der Beine, die
Behaarung der Haut oder das Ende des Kreuzbeins gleichermaßen ungenügende Argumente sind, um ein empfindendes Wesen [den Launen eines Peinigers] zu überlassen. Warum soll sonst die unüberwindbare Grenze gerade
hier liegen? Ist es die Fähigkeit zu denken oder vielleicht die Fähigkeit zu reden? Aber ein ausgewachsenes Pferd oder ein Hund sind unvergleichlich vernünftigere sowie mitteilsamere Tiere als ein einen Tag, eine Woche, oder gar
einen Monat alter Säugling. Aber angenommen, dies wäre nicht so, was würde
das ausmachen? Die Frage ist nicht „Können sie denken?” oder „Können sie
reden?”, sondern „Können sie leiden?”.
Jeremy Bentham: Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung.
In: Einführung in die utilitaristische Ethik. Hrsg. von Otfried Höffe. Tübingen: Francke 2008
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Biozentrismus
Albert Schweitzer: Alles, was lebt
(Elsässer Arzt, Theologe und Philosoph, 1875–1965)
Der denkend gewordene Mensch erlebt die Nötigung, allem Willen zum Leben
die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegenzubringen wie dem seinen. Er
erlebt das andere Leben in dem seinen. Als gut gilt ihm, Leben erhalten, Leben
fördern, entwickelbares Leben auf seinen höchsten Wert bringen. Als böse:
Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten. Dies
ist das denknotwendige, universelle, absolute Grundprinzip des Ethischen. Die
bisherige Ethik ist unvollkommen, weil sie es nur mit dem Verhalten des Menschen zum Menschen zu tun haben glaubte. In Wirklichkeit aber handelt es
sich darum, wie der Mensch sich zu allem Leben, in seinem Bereich befindlichen Leben, verhält. Ethisch ist er nur, wenn ihm das Leben als solches heilig
ist, das der Menschen und das aller Kreatur.
Albert Schweitzer: Ehrfurcht vor den Tieren. Hrsg. von Erich Gräßer. München: C. H. Beck 2006,
S. 22
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Erstellt für: Leben leben 3
Autor: Sebastian Kluitmann
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Holismus
Martin Gorke: Alles, was nicht vom Menschen gemacht ist
(deutscher Umweltethiker, geb. 1958)
„Wozu ist die Brandseeschwalbe gut?“ Für einen ökonomischen Nutzen ist sie
zu selten. Das Absammeln von Eiern lohnt sich nicht mehr und würde auch
noch die letzten Bestände vernichten. Wegen ihrer Seltenheit […] ist auch ihr
ökologischer Nutzen nahezu gleich null. Als Spitzenart der Nahrungspyramide
wird sie für die Aufrechterhaltung ökologischer Systemfunktionen nicht ge1
braucht. […] Und was ist mit ihrem ästhetischen Nutzen? Dass die Brandseeschwalbe hier einiges in die Waagschale werfen könnte, ist für den kundigen
Naturfreund keine Frage. […] Was ließe sich zur Verteidigung der Brandseeschwalbe dann noch anführen? Die Suche nach einer Antwort auf diese
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Frage hat mich zur Beschäftigung mit der Umweltethik und mit dem Holismus
geführt. Denn der Holismus ist die einzige Ethikkonzeption, mithilfe derer der
Schutz von Arten direkt, also unabhängig von ihrem Nutzen für den Menschen,
begründet werden kann. […] Im Holismus verdienen alle Menschen, Tiere,
Pflanzen, Ökosysteme, Arten und natürlichen Prozesse um ihrer selbst willen
Achtung.
Martin Gorke: Was spricht für eine holistische Umweltethik? In: Martin Gorke: Was spricht für eine
holistische Umweltethik? © Dr. Dr. Martin Gorke. In: Natur und Kultur. Jg. 1/2 (2000), S. 86 ff.
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ästhetisch: stilvoll, schön
Holismus: griechisch holos = ganz; ethische Position, die die ganze Natur (belebt und unbelebt)
im Blick hat.
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