Elemente der Algebra

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Elemente der Algebra
Dr. Theo Overhagen
Fakultät IV Dep. Mathematik
Universität Siegen
I
Vorbemerkung
In der folgenden Vorlesung werden zunächst die Mengenoperationen und die grundlegenden aussagenlogischen Operationen sowie die verschiedenen grundlegenden Beweismethoden in der Mathematik behandelt.
Im nächsten Abschnitt betrachten wir algebraische Gleichungen - lineare (und Systeme), quadratische
und höheren Grades und - damit zusammenhängend - Nullstellen von Polynomen.
Ausgehend von den als bekannt vorausgesetzten Mengen der natürlichen, ganzen, rationalen und reellen
Zahlen werden im 3. Abschnitt die algebraischen Grundstrukturen Ring“, Körper“ und Gruppe“
”
”
”
eingeführt und ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten an Beispielen verdeutlicht. Dabei führen wir
den Körper der komplexen Zahlen ein.
Literatur
J.Beetz: Algebra für Höhlenmenschen und andere Anfänger. Springer essentials 2014.
J.Beetz: 1+1=10. Mathematik für Höhlenmenschen. Springer 2013.
A.Beutelspacher: In Mathe war ich immer schlecht ...‘“. Vieweg 1996.
”
H.Dittmann: Algebraische Strukturen und Gleichungen. Bayer.Schulbuchverlag, München 1972.
A.Kirsch: Mathematik wirklich verstehen. Aulis 1987/1994.
H.Schichl-R.Steinbauer: Einführung in das mathematische Arbeiten. Springer 2009.
1
1
1.1
Mengen, Aussagen, Beweise
Der Mengenbegriff, Schreibweisen, Spezielle Mengen
In der Mathematik hat sich eine eigene Sprache entwickelt, die dazu hilft, die zu betrachtenden Objekte
und ihre Eigenschaften genauer und unmißverständlicher zu beschreiben, als es die übliche Umgangssprache vermag.
Ein wesentliches Element dieser Sprache ist der Begriff der Menge (Georg Cantor,1845-1918):
Definition 1.1.1 (a) Die Zusammenfassung bestimmter wohlunterschiedener Objekte heißt Menge,
die Objekte Elemente der Menge.
Will man ausdrücken, dass ein Objekt x Element einer Menge M ist, dann schreibt man x ∈ M .
Ist x nicht Element von M , dann schreibt man x 6∈ M .
(b) Zwei Mengen M , N heißen gleich (in Zeichen M = N ), wenn sie dieselben Elemente haben.
Man muß sorgfältig zwischen den Objekten, also den Elementen, und dem neuen Ganzen, der Menge,
unterscheiden. Weiter muß von jedem - wie auch gearteten - Objekt (unserer Umgebung oder unseres
Denkens) feststehen, ob es zu dieser Menge gehört oder nicht.
Wir haben ein natürliches, intuitiv richtiges Verständnis für Mengen. Unsere Definition führt jedoch zu
logischen Widersprüchen, wie die Russellsche Antinomie zeigt:
Betrachtet man die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten, dann kann man
nicht entscheiden, ob diese Menge sich selbst enthält oder nicht, denn beide Situationen führen auf einen
Widerspruch.
Dies war Ausgangspunkt zur Aufspaltung der Mengenlehre in die sog. naive Mengenlehre“ und die
”
axiomatische Mengenlehre“.
”
In der axiomatischen Mengenlehre werden Kalküle entwickelt, die ein Auftreten solcher Antinomien ausschließen, während die naive Mengenlehre im wesentlichen als Grundlage der mathematischen Sprechweise dient.
Endliche Mengen können (insbesondere wenn sie relativ wenig Elemente haben) durch Aufzählen ihrer
Elemente dargestellt werden:
M = {blau, gelb, rot}
oder M = {M ax, M oritz, W itweBolte}.
Dabei kommt es vereinbarungsgemäß nicht auf eine Reihenfolge an oder darauf, ob ein Element mehr
als einmal genannt wird. Die Mengen
{blau, rot, gelb},
{blau, gelb, rot},
{blau, blau, gelb, rot}
werden als gleich angesehen.
Mengen mit sehr vielen oder sogar unendlich vielen Elementen beschreibt man durch die Eigenschaften,
die die Elemente dieser Menge charakterisieren, d.h. alle Elemente dieser Menge haben diese Eigenschaften und kein anderes Objekt:
{x| x ist Einwohner Chinas}
oder {x| x ist Vielfaches von 3 und kleiner als 1000}.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
2
Für Mengen wie aus dem letzten Beispiel benutzt man auch die aufzählende Schreibweise mit Auslassungspunkten
{3, 6, 9, 12, . . . , 996, 999},
aber nur, wenn das Bildungsgesetz aus den angeführten Beispielen oder aus dem Zusammenhang klar
ersichtlich ist.
1 1 1
Entsprechend soll {1, , , , . . .} die Menge der Stammbrüche darstellen.
2 3 4
Im Zusammenhang mit Zahlen benutzt man oft eine Grundmenge und schränkt diese durch weitere
Eigenschaften ein.
Beispiele 1.1.2 Mit der Grundmenge IN = {1, 2, 3, 4, 5, 6, . . .} der natürlichen Zahlen ergeben sich z.B.
die Mengen
(1) M1 = {x ∈ IN | x ist prim} = {2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, . . .},
(2) M2 = {x ∈ IN | x ist größer als 10} = {x ∈ IN | x > 10} = {11, 12, 13, 14, 15, . . .},
(3) M3 = {x ∈ IN | x ist Teiler von 30} = {1, 2, 3, 5, 6, 10, 15, 30}.
Definition 1.1.3
”
Die“ Menge, die gar keine Elemente hat, heißt leere Menge. Schreibweise: ∅.
Manche (nicht alle) Mengen kann man untereinander vergleichen:
Definition 1.1.4 Es seien M und N Mengen.
(a) Ist jedes Element x ∈ M von M auch Element der Menge N , dann heißt M Teilmenge von N
und umgekehrt heißt N Obermenge von M .
Schreibweise: M j N .
(b) M heißt echte Teilmenge von N (bzw. N echte Obermenge von M ), wenn M Teilmenge von
N ist, aber von N verschieden. Jedes Element von M ist also auch Element von N , aber es gibt
(mindestens) ein Element in N , das nicht in M enthalten ist.
Schreibweise: M $ N .
Beispiele 1.1.5
(1) Die Teilmengen der Menge M = {0, 1, 2} sind die Mengen
∅, {0}, {1}, {2}, {0, 1}, {0, 2}, {1, 2}, {0, 1, 2}.
(2) Die echten Teilmengen der Menge M = {0, 1, 2} sind die Mengen aus Beispiel (1) außer M =
{0, 1, 2}.
(3) Jede Menge M ist Teilmenge von sich selbst, und die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge, d.h.
es gilt
M j M,
∅ j M.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
3
Die Teilmengen einer festen Menge kann man wieder als Objekte auffassen und zu einer neuen Menge
zusammenfassen:
Definition 1.1.6 Sei M eine beliebige Menge. Die Menge, deren Elemente die Teilmengen von M sind,
heißt Potenzmenge von M . Schreibweise: P(M ).
Bemerkungen und Beispiele 1.1.7
(1) Die Potenzmenge von M enthält immer die leere Menge und die Menge M.
(2) Für M = {0, 1, 2} ist
P(M ) = {∅, {0}, {1}, {2}, {0, 1}, {0, 2}, {1, 2}, {0, 1, 2}}.
(3) Speziell ist
P(∅) = {∅},
also eine einelementige Menge.
Die Potenzmenge einer einelementigen Menge {x} ist
P({x}) = {∅, {x}},
enthält also zwei Elemente.
Allgemein gilt: Besitzt M genau n Elemente, so hat P(M ) 2n Elemente.
Aus bekannten Mengen kann man durch Mengenoperationen“ neue Mengen bilden:
”
Definition 1.1.8
(a) Die Vereinigung der Mengen M und N ist die Menge
M ∪ N := {x| x ∈ M oder x ∈ N }.
(b) Der Durchschnitt der Mengen M und N ist die Menge
M ∩ N := {x| x ∈ M und x ∈ N }.
(c) Mehrere Mengen ohne gemeinsame Elemente heißen elementfremd oder disjunkt. Ihr Durchschnitt ist die leere Menge.
(d) Mehrere Mengen heißen paarweise elementfremd oder paarweise disjunkt, wenn je zwei der
Mengen disjunkt sind.
Bemerkungen und Beispiele 1.1.9
(1) Die Vereinigungs- und Durchschnittsbildung kann auch auf beliebig viele Mengen ausgedehnt
werden.
Für Mengen M1 , M2 , . . . , Mn schreibt man Vereinigung und Durchschnitt kurz
n
[
i=1
Mi := M1 ∪ M2 ∪ . . . ∪ Mn ,
n
\
i=1
Mi := M1 ∩ M2 ∩ . . . ∩ Mn .
1. Mengen, Aussagen, Beweise
4
(2) Für die Mengen
M1 := {1, 2},
M2 := {2, 3},
M3 := {1, 3}
gilt
M1 ∪ M2 = M1 ∪ M3 = M2 ∪ M3 = M1 ∪ M2 ∪ M3 = {1, 2, 3},
M1 ∩ M2 = {2},
M1 ∩ M3 = {1},
M2 ∩ M3 = {3},
M1 ∩ M2 ∩ M3 = ∅,
die Mengen sind also disjunkt, aber nicht paarweise disjunkt.
(3) Ist M1 Teilmenge von M2 , d.h. gilt M1 j M2 , dann gilt
M1 ∪ M2 = M2 ,
M1 ∩ M2 = M1 .
Speziell gilt für jede Menge M
M ∪ ∅ = M,
M ∩ ∅ = ∅.
Eine Möglichkeit, Beziehungen zwischen Mengen grafisch darzustellen, sind Venn-Diagramme. Dabei
werden Mengen z.B. durch Kreise dargestellt. Die Punkte innerhalb der Kreise werden als Elemente der
Mengen aufgefasst.
Da durch solche Skizzen nicht alle Situationen dargestellt werden können, sind Venn-Diagramme nur
zur Veranschaulichung geeignet, Beweise kann man mit ihnen im allgemeinen nicht führen.
Für die Teilmengenbeziehung, den Durchschnitt und die Vereinigung zweier Mengen erhält man folgende
Darstellungen:
X
N
X
M
N
M
N
M
M ∩N
M $N
M ∪N
In gewisser Weise das Gegenstück zu der Vereinigung ist die mengentheoretische Differenz:
Definition 1.1.10 Seien M1 und M2 Mengen. Dann heißt
M1 \ M2 := {x| x ∈ M1 und x 6∈ M2 }.
(mengentheoretische) Differenz der Mengen M1 und M2 .
Bemerkungen und Beispiele 1.1.11
(1) Für M1 = {1, 2, 3, 4, 5}, M2 = {3, 4, 5, 6, 7} ist
M1 \ M2 = {1, 2},
M2 \ M1 = {6, 7}.
Bei der Bildung der Differenz werden aus M1 nur die Elemente von M2 entfernt, die auch Element
in M1 sind. M2 kann weitere Elemente enthalten, die aber keine Rolle spielen.
Es gilt
M1 \ M2 = M1 \ (M1 ∩ M2 ).
1. Mengen, Aussagen, Beweise
5
(2) Ist M j N , dann nennt man die Differenz N \ M auch Komplement von M in N .
Dieser Begriff wird vor allem dann verwendet, wenn N eine Grundmenge ist, die Obermenge aller
in einer bestimmten Untersuchung in Frage stehenden Mengen ist. N \ M heißt dann einfach das
Komplement von M .
Übliche Schreibweise: M oder ∁M .
Ist ZZ die Menge der ganzen Zahlen, U der ungeraden und G der geraden ganzen Zahlen, dann gilt
G = ZZ \ G = U.
Natürlich gilt
N =∅
und
∅ = N.
(3) Mit Venn-Diagrammen stellen sich Mengendifferenz und Komplement folgendermaßen dar:
X
M
s
M
N
M
M
s
M \N
M
M
Eine weitere Mengenoperation ist das Bilden von Paaren, Tripeln bzw. n-Tupeln aus Elementen verschiedener Mengen, wie man sie von Koordinatensystemen kennt:
Definition 1.1.12 Sind M1 und M2 zwei Mengen, dann heißt
M1 × M2 := {(x, y)| x ∈ M1 und y ∈ M2 }.
(kartesisches) Produkt der Mengen M1 und M2 .
Bemerkungen und Beispiele 1.1.13
(1) Das kartesische Produkt M1 × M2 hat eine andere Gestalt als die Grundmengen M1 und M2 . Es
besteht aus geordneten Paaren.
Speziell ist die Reihenfolge der Objekte in (x, y) zu beachten, d.h. in IN × IN gilt z.B. (1|2) 6= (2|1).
(2) Zieht jede der Personen Albert, Maria und Uwe genau eine Karte aus einem Stapel Karten mit
Nummern 1, 2 oder 3, dann ergeben sich als mögliche Konstellationen
(Albert, 1), (Albert, 2), (Albert, 3), (M aria, 1), (M aria, 2), (M aria, 3), (U we, 1), (U we, 2), (U we, 3).
Die angezeigten Paare bilden das kartesische Produkt M1 × M2 der Mengen
M1 = {Albert, M aria, U we} und M2 = {1, 2, 3}.
(3) Für endlich viele Mengen M1 , M2 , . . . , Mn lässt sich das kartesische Produkt definieren durch
M1 × M2 × . . . × Mn := {(x1 , x2 , . . . , xn )| xi ∈ Mi , 1 ≤ i ≤ n}.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
6
(4) Im Fall M1 = M2 = . . . = Mn =: M setzt man analog zur Abkürzung der mehrfachen Multiplikation einer Zahl mit sich
M n := M
× . . . × M} .
| × M {z
n−mal
2
Beispiele sind die (reelle) Ebene IR und der Raum IR3 .
Für M = {1, 2, 3} ist
M 2 = {(1, 1), (1, 2), (1.3), (2, 1), (2, 2), (2, 3), (3, 1), (3, 2), (3, 3)}.
1.2
Schaltalgebra
Elektrische und elektronische Schaltungen bestehen aus Leitungen und Schaltern. In jeder Leitung kann
Strom fließen oder nicht, d.h. wir unterscheiden zwei Zustände. Entsprechend sind bei einem Schalter
die beiden Stellungen Ein“ und Aus“ möglich.
”
”
In der Mathematik beschreibt man den Zustand einer Leitung bzw. die Stellung eines Schalters mit
Hilfe einer (binären) Variablen, die die zwei Werte 0 oder 1 annehmen kann.
Mit Schaltern kann man steuern, ob Strom durch eine bestimmte Leitung fließt oder nicht, d.h. die
Schalterzustände steuern die Zustände von Leitungen.
Bei einer komplizierten Schaltung aus mehreren Schaltern, die durch Leitungen verbunden sind, ist oft
auf den ersten Blick nicht zu erkennen, welche Leitungen bei welchen Schalterstellungen Strom führen
und welche nicht. Man erhält einen Überblick über die Situation in den Leitungen durch Schaltwerttabellen.
Beispiele 1.2.1
(1) Bei einer Serienschaltung mit einer Stromquelle
✉ ✉ , einer Lampe
✗✔
und zwei hinterein-
✖✕
anderliegenden Schaltern a und b fließt dann und nur dann Strom, wenn beide Schalter auf Ein“
”
stehen. In der Mathematik spricht man von der und“-Verknüpfung a ∧ b.
”
✉ ✉
r
Schalter a
✗✔
✖✕
r
Schalter b
Serienschaltung
Die zugehörige Schaltwerttabelle ist
a
0 1 0 1
b
0 0 1 1
a∧b 0 0 0 1
1. Mengen, Aussagen, Beweise
7
(2) Bei einer Parallelschaltung von zwei Schaltern a und b reicht es aus, Schalter a oder Schalter b
einzuschalten. In der Mathematik spricht man von der oder“-Verknüpfung a ∨ b.
”
ACHTUNG: Beachten Sie, dass das bedeutet, dass a oder b oder beide eingeschaltet sind. Die
Situation a oder b, aber nicht beide, drückt man durch entweder ... oder“ aus.
”
✗✔
✉ ✉
✖✕
r
Schalter a
r
Schalter b
Parallelschaltung
Die zugehörige Schaltwerttabelle ist
a
0 1 0 1
b
0 0 1 1
a∨b 0 1 1 1
(3) Beschriftet man einen Schalter a verkehrt“, dann ergibt sich die Negation ¬ mit der Schaltwert”
tabelle
a 0 1
¬a 1 0
1.3
Aussagen, Boolesche Algebra
Zu Beginn der Entwicklung einer mathematischen Theorie (wie der Analysis, Geometrie, Algebra) steht
immer eine Reihe von Aussagen, die als wahr angenommen werden. Sie heißen Axiome. Von diesen
werden durch logische Schlüsse weitere wahre Aussagen abgeleitet, aus diesen weitere usw. Die dazu
notwendigen logischen Umformungsschritte nennt man einen mathematischen Beweis.
Dabei gilt ein wesentliches Grundprinzip:
Eine Aussage ist entweder wahr oder falsch (Tertium non datur).
Beispiele für Aussagen sind:
- 3 ist größer als 1.
- Es gibt 9 Millionen Fahrräder in Peking.
- Jede Schwedin hat blonde Haare.
Keine Aussagen in diesem Sinn sind
- Wer hat heute Geburtstag?
- 7 − 8 + 5.
- Diese Aussage ist nicht wahr.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
8
Wir bezeichnen im folgenden Aussagen durch große Buchstaben. Weiter bezeichnen wir mit 1 eine
Aussage, die immer wahr ist, und mit 0 eine Aussage, die immer falsch ist.
Aus mehreren Aussagen kann man eine komplexere Aussage bilden. Da Aussagen zwei mögliche Werte
(nämlich wahr“ oder falsch“) annehmen können, geht das entsprechend zu den Verbindungen von
”
”
Schalterzuständen in der Schaltalgebra. An Stelle der Schalter treten die Aussagen, wahr“ kann man
”
durch die Zahl 1 und falsch“ durch die Zahl 0 darstellen, und die Schaltwerttabelle nennen wir Wahr”
heitstafel.
Definition 1.3.1 Gegeben seien zwei beliebige Aussagen A und B. Durch die folgende Wahrheitstafel
werden Operationen definiert, die A und B neue Aussagen zuordnen, die
• Negation (Schreibw. ¬),
• die Konjunktion (Schreibw. ∧)
• und die Disjunktion (Schreibw. ∨):
A
B
¬A
A∧B
A∨B
w
w
f
w
w
w
f
f
f
w
f
w
w
f
w
f
f
w
f
f
Die Symbole ¬, ∧ und ∨ heißen Junktoren, das Ergebnis der Operation verneinte Aussage“, Und”
”
Aussage“ und Oder-Aussage“.
”
So werden aus den Aussagen
A := Herbert studiert Mathematik“,
”
B := Herbert ist 24 Jahre alt“
”
die Aussagen
- A ∧ B = “Herbert studiert Mathematik und er ist 24 Jahre alt“,
- A ∨ B = “Herbert studiert Mathematik oder er ist 24 Jahre alt“,
- ¬B = “Herbert ist nicht 24 Jahre alt“.
Die Aussage “Herbert ist 22 Jahre alt“ ist nicht die Negation von B.
Wie in der Umgangssprache wird das starre System, das nicht“ vor die√Aussage zu stellen,
oft aufge√
”
hoben. Man sagt z.B. es regnet nicht“ statt nicht es regnet“ oder x 6= 2 statt ¬(x = 2).
”
”
1. Mengen, Aussagen, Beweise
9
Stellt man aus mehreren Aussagen durch Benutzung aller dieser Verknüpfungen eine Aussage zusammen,
dann gelten folgende Rechenregeln für die Verknüpfungen:
Satz 1.3.2 (Rechenregeln für logische Operatoren) Für die Operationen ∧, ∨ und ¬ gelten die
folgenden Rechenregeln:
(a) A ∧ B = B ∧ A,
A ∨ B = B ∨ A.
(b) A ∧ (B ∧ C) = (A ∧ B) ∧ C,
A ∨ (B ∨ C) = (A ∨ B) ∨ C
(c) A ∧ (B ∨ C) = (A ∧ B) ∨ (A ∧ C),
(d) A ∧ (B ∨ A) = A,
Kommutativität
A ∨ (B ∧ C) = (A ∨ B) ∧ (A ∨ C),
A ∨ (B ∧ A) = A,
Assoziativität
Distributivität
Verschmelzung
(e) A ∧ A = A,
A ∨ A = A,
Idempotenz
(f ) A ∧ 1 = A,
A ∨ 0 = A,
Neutralität
(g) A ∨ 1 = 1,
A ∧ 0 = 0,
Absorption
(h) A ∨ ¬A = 1,
(i) ¬0 = 1,
A ∧ ¬A = 0,
¬1 = 0,
(j) ¬(A ∨ B) = (¬A) ∧ (¬B),
Komplementär
¬(¬A) = A
Doppelte Negation
¬(A ∧ B) = (¬A) ∨ (¬B),
DeMorgan
Bemerkungen und Beispiele 1.3.3
(1) Doppelte Verneinungen fallen also weg.
(2) Für
A := Herbert studiert Mathematik“,
”
B := Herbert ist 24 Jahre alt“
”
gilt
¬(A ∧ B) = Herbert studiert nicht Mathematik oder er ist nicht 24 Jahre alt“
”
.
¬(A ∨ B) = Herbert studiert nicht Mathematik und er ist nicht 24 Jahre alt“
”
(3) Gerade für Widerspruchsbeweise helfen die DeMorgansche Regeln, die zeigen, wie man eine Behauptung, die aus mehreren Aussagen zusammengesetzt ist, verneint.
(4) Eine Menge, für deren Elemente drei Operationen ∧, ∨ und ¬ definiert sind, und für die die Rechenregeln aus Satz 1.3.2 gelten, heißt Boolesche Algebra.
In der Mathematik, speziell der Algebra, betrachtet man oft sogenannte mathematische Strukturen, die für ganz verschiedene Mengen oder Situationen gleichartige Eigenschaften zusammenfassen. Damit kann man aus den Eigenschaften einer solchen Struktur einmalig Folgerungen ziehen,
und muss das nicht für jede einzelne Menge bzw. Situation durchführen.
Satz 1.3.4 Sei M eine nichtleere Menge. Die Potenzmenge P(M ) von M ist mit den Verknüpfungen
∩, ∪ und ∁ eine Boolesche Algebra.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
1.4
10
Aussageformen, All- und Existenzquantor
Wir haben zum Beispiel die Mengen
M1 = {x; x ist Einwohner Chinas}
oder M2 = {x; x ist Vielfaches von 3 und kleiner als 1000}.
durch die besondere Eigenschaft beschrieben, die die Elemente der Mengen charakterisiert. Die in der
Definition auftretenden Aussagen sind von einer Variablen abhängig und wahr für die Elemente der
Menge, falsch für die anderen.
Setzt man statt dieser Variablen also ein bestimmtes Element der Grundmenge ein (die Grundmenge
ist bei M1 die Menge der Menschen, bei M2 die der natürlichen Zahlen), dann erkennt man, ob die
Eigenschaft für dieses Element der Grundmenge erfüllt ist oder nicht.
Definition 1.4.1 Die Zusammenfassung von gleichartigen Aussagen für Elemente einer Grundmenge
heißt Aussageform.
Zum Beispiel ist
x ist eine Primzahl“
”
eine Aussageform auf der Grundmenge der natürlichen Zahlen.
3 ist eine Primzahl“ oder 16 ist eine Primzahl“ sind entsprechende Aussagen, die entstehen, wenn
”
”
man für die Variable x bestimmte Elemente der Grundmenge einsetzt. Wie das Beispiel zeigt, kann
die entstehende Aussage für bestimmte Variablenwerte wahr und für andere falsch sein.
Wir bezeichnen im folgenden Aussageformen durch A(x).
Mit Hilfe von Aussageformen A(x) lassen sich nun Teilmengen einer Grundmenge G in der Form
M = {x ∈ G | A(x)}
beschreiben. M heißt dann Erfüllungsmenge der Aussageform A(x) über der Grundmenge G.
Ist z.B. Q
I die Grundmenge, A(x) die Aussageform 4x = 5, dann ist die zugehörige Erfüllungsmenge
n5o
M = {x ∈ Q
I | A(x)} =
4
5
und die Aussage A
ist wahr, die Aussage A(27) ist falsch.
4
Bemerkungen und Beispiele 1.4.2
(1) Das Symbol A(x) soll keinen Funktionswert wie f (x) darstellen. Man kann natürlich jede Aussageform auch als Funktion auf der vorgegebenen Grundmenge und mit Wertebereich {wahr, falsch}
auffassen.
(2) Dieselbe Aussageform beschreibt i.a. bei verschiedenen Grundmengen auch verschiedene Erfüllungsmengen.
Zum Beispiel gilt für
A(x) = (−2 < x < 1)
bezüglich der Grundmengen IR, Q,
I ZZ bzw. IN
M4 = ∅
&
M1 ist das offene Intervall (−2|1).
und die Erfüllungsmengen M1 , M2 , M3 und M4
M3 = {−1, 0}
$
M2
$
M1 .
1. Mengen, Aussagen, Beweise
11
1
≥ 1} sind problematisch, da nicht entschieden werden kann, ob A(0)
x2
wahr oder falsch ist. Daher muss die Grundmenge auf IR \ {0} eingeschränkt werden.
(3) Ausdrücke wie {x ∈ IR |
(4) Man kann endliche Zahlenmengen mit Hilfe von Aussageformen darstellen.
Zum Beispiel ist
M=
{3, 5, 6, 9}
=
{x ∈ IR | x = 3 ∨ x = 5 ∨ x = 6 ∨ x = 9}
= {x ∈ IR | (x − 3) · (x − 5) · (x − 6) · (x − 9) = 0}.
(5) Zur Beschreibung von Mengen in der Ebene oder im Raum verwendet man Aussageformen mit
2 bzw. 3 Variablen, allgemein endlich vielen Variablen. Die Grundmenge ist dann entsprechend
IR2 = IR × IR, IR3 = IR × IR × IR bzw. IRn .
Zum Beispiel beschreibt
{(x, y) ∈ IR2 | y = 2x + 5}
eine Gerade in der Ebene,
{(x, y) ∈ IR2 | x2 + y 2 ≤ 4}
eine Kreisscheibe in der Ebene,
{(x, y) ∈ IR2 | x2 + y 2 = 0}
die einpunktige Menge {(0, 0)} in der Ebene,
{(x, y) ∈ IR2 | y ≤ x}
eine Halbebene,
{(x, y) ∈ IR2 | 2y + x = x + 2y}
die ganze Ebene,
1
{(x, y) ∈ IR2 | |x − 3| ≤ }
2
einen Streifen parallel zur y–Achse in der Ebene,
{(x, y, z) ∈ IR3 | y = 2x + 5}
eine Ebene im Raum.
Verschiedene Aussageformen können dieselbe (Erfüllungs-)Menge beschreiben. Es gilt z.B.
{x ∈ IR | x2 ≤ 4} = {x ∈ IR | x ≥ − 2
∧
x ≤ 2}.
Definition 1.4.3 Sei G eine Grundmenge. Die Aussageformen A(x) und B(x) heißen äquivalent,
wenn gilt
{x ∈ G | A(x)} = {x ∈ G | B(x)}.
Schreibweise: A(x) ⇔ B(x).
Bemerkungen 1.4.4
(1) A(x) ⇔ B(x)“ ist eine Aussage, die feststellt, ob die entsprechenden Aussageformen äquivalent
”
sind oder nicht.
(2) Die Queen ist im Buckingham-Palast anwesend genau dann, wenn dort die englische Fahne gehisst
ist.
(3) Gleichungen und Ungleichungen sind spezielle Aussageformen. Ihre Erfüllungsmengen heißen Lösungsmengen. Zum Beispiel ist die Lösungsmenge der reellen Gleichung
3x − 2 = 10
die Menge
L1 = {x ∈ IR| 3x − 2 = 10}.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
12
Durch Umformen der Gleichung erhält man eine Beschreibung von L durch eine äquivalente, aber
einfachere Aussageform
L1 = {x ∈ IR| x = 4}.
Analog kann man die Lösungsmenge der reellen Ungleichung
5(4x − 2) < 15x − 2(x − 16),
d.h. die Menge
L2 = {x ∈ IR | 5(4x − 2) < 15x − 2(x − 16)}.
durch Umformen der Ungleichung durch eine äquivalente, aber einfachere Aussageform darstellen:
L2 = {x ∈ IR | x < 6}.
Erlaubt sind dabei natürlich nur Umformungen, die die Lösungsmenge nicht verändern, d.h Äquivalenzumformungen.
Definition 1.4.5 Ist bei einer Aussageform A(x) die Erfüllungsmenge gleich der Grundmenge, d.h.
A(x0 ) ist für jedes Element x0 ∈ G wahr, dann heißt A(x) allgemeingültig.
Beispiele und Bemerkungen 1.4.6
(1) Die Aussageform
wenn x < 3, dann x < 5“
”
wird sicher intuitiv in der Grundmenge IR als allgemeingültig erkannt.
Das beinhaltet auch wahre Aussagen der Form
4 < 3 ⇒ 4 < 5“
”
oder
6 < 3 ⇒ 6 < 5“.
”
(2) Die Aussageform
x < 3 ⇒ x2 < 10“
”
ist in IR nicht allgemeingültig, wie man durch Einsetzen von x = −4 erkennt. Sie hat aber eine
nichtleere Erfüllungsmenge.
(3) Die Aussageform
x+2<5⇔x<3
ist allgemeingültig in IR, denn die Fälle
(x + 2 6< 5) ∧ (x < 3)
und
(x + 2 < 5) ∧ (x 6< 3)
können wegen der Monotonieeigenschaft der Addition in IR nicht auftreten.
(4) Die Aussageform
x<5⇔x<3
ist nicht allgemeingültig in IR, denn z.B. für x = 4 ist die zweite Aussage falsch und die erste wahr.
(5) Die Aussageformen
A(x) = (x2 ≥ 0)
und
B(x) = (1 + 0 · x = 1)
sind in der Grundmenge IR allgemeingültig.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
13
(6) Man kann die Allgemeingültigkeit durch den Allquantor ausdrücken:
Die Aussage
{x ∈ G | A(x)} = G
ist gleichbedeutend mit
Für alle x ∈ G gilt A(x)“
”
(7) Die Allaussage
”
^
x∈IR
^
bzw.
A(x)
bzw.
x∈G
x2 ≥ 0“ ist wahr, die Allaussage
”
^
x∈IR
∀x ∈ G : A(x).
x2 ≥ 1“ ist falsch.
(8) Üblicherweise schreibt man etwas schlampig z.B.:
Man zeige die Gültigkeit von
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2
in IR.
Eine Aussageform (hier in den Variablen a und b) kann aber nicht gültig oder ungültig sein.
Genauer ist damit gemeint, daß man die Gültigkeit der Allaussage
^
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2
a,b∈IR
zeigen soll.
Bei manchen Aussageformen ist die Erfüllungsmenge leer, z.B. bei A(x) = (x2 = −1) über der Grundmenge IR.
Definition 1.4.7 Ist bei einer Aussageform A(x) die Erfüllungsmenge gleich der leeren Menge, d.h.
A(x0 ) ist für jedes Element x0 ∈ G falsch, dann heißt A(x) unerfüllbar, sonst heißt sie erfüllbar.
Man ist i.a. an erfüllbaren Aussageformen bzw. lösbaren Gleichungen und Ungleichungen interessiert.
Die zugehörige Erfüllungs- oder Lösungsmenge muß also mindestens ein Element enthalten.
Beispiele und Bemerkungen 1.4.8
(1) Man kann die Erfüllbarkeit einer Aussageform durch den Existenzquantor ausdrücken:
Die Aussage
{x ∈ G | A(x)} =
6 ∅
ist gleichbedeutend mit
Es gibt ein x ∈ G, für das A(x) gilt“
”
(2) Die Existenzaussage
”
_
x∈IR
bzw.
_
A(x)
bzw.
x∈G
x2 = 2“ ist wahr, die Existenzaussage
”
_
x∈IR
∃ x ∈ G : A(x).
x2 = −1“ ist falsch.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
14
(3) Durch Quantifizierung, d.h. durch Voransetzen eines Quantors vor eine einstellige Aussageform
entsteht eine Aussage. Für zweistellige Aussageformen kann man die Variablen unabhängig quantifizieren:
^ _
_ _
(i) Die Aussage
x + y = 0 ist wahr, die Aussage
x + y = 0 ist ebenfalls wahr.
x∈IR y∈IR
(ii) Die Aussage
_ ^
x∈IR y∈IR
^ ^
x + y = 0 ist falsch, die Aussage
y∈IR x∈IR
(iii) Die Aussage
_ ^
y∈IR x∈IR
x + y = 0 ebenfalls.
y∈IR x∈IR
x · y = 0 ist wahr, die Aussage
^ ^
y∈IR x∈IR
x · y = 0 ist falsch.
(4) An den ersten beiden vorigen Beispielen erkennt man, daß man die Quantoren
nicht vertauschen darf. Dagegen sind die Quantoren
_
^
und
x∈IR
^
y∈IR
und
x∈IR
sowie die Quantoren
y∈IR
jeweils vertauschbar und das Ergebnis wird auch kurz mit
^
^
bzw.
x,y∈IR
_
_
i.a.
y∈IR
_
und
x∈IR
bezeichnet.
x,y∈IR
Man kann auch Aussageformen negieren. Die Negation wirkt sich dann bei Einsetzen der speziellen
Elemente aus, die die Aussageform zu einer Aussage machen.
Will man eine Allaussage negieren, dann darf man nicht einfach die entsprechende Aussageform negieren:
Die Verneinung von Alle Schüler sind fleißig“ ist nicht Alle Schüler sind nicht fleißig“, sondern Es
”
”
”
gibt (mindestens) einen Schüler, der nicht fleißig ist“.
Entsprechendes gilt für die Verneinung von Existenzaussagen. Allgemein gilt:
Satz 1.4.9 Sei A(x) eine Aussageform (mit Grundmenge G). Dann gilt:
(a) Negieren einer Allaussage ergibt eine Existenzaussage mit der negierten Aussageform, d.h.
^
_
A(x)
ist äquivalent zu
¬
¬A(x) .
x∈G
x∈G
(b) Negieren einer Existenzaussage ergibt eine Allaussage mit der negierten Aussageform, d.h.
_
^
A(x)
ist äquivalent zu
¬A(x) .
¬
x∈G
x∈G
1. Mengen, Aussagen, Beweise
1.5
15
Implikation
In der Mathematik werden neue Aussagen aus bereits bekannten, als wahr angenommenen oder bestätigten
Aussagen abgeleitet. Die generelle Ausdrucksform ist der mathematische Satz in der Form
Satz ...: Aus den Voraussetzungen folgt die Behauptung
oder kurz
Satz ...: Voraussetzungen
⇒
Behauptung .
Ein solcher mathematischer Satz stellt für sich als Ganzes wieder eine Aussage dar, die immer wahr ist.
Um erkennen zu können, was mit ⇒ gemeint ist, betrachten wir folgende Aussage:
S := Es regnet, und daraus folgt: Die Straße ist nass“.
”
Die Aussage S ist aus den Aussagen
A := Es regnet“
”
und
B := Die Straße ist nass“
”
zusammengesetzt.
S ist offensichtlich wahr, wenn A und B beide wahr oder beide falsch sind.
Ist A wahr und B falsch, d.h. es regnet, aber die Straße ist nicht nass, dann ist die Aussage S falsch.
Ist A falsch und B wahr, dann ist das aber kein Widerspruch zu S, denn die Straße könnte aus anderen
Gründen nass sein. S ist also in diesem Fall auch wahr.
Definition 1.5.1 Gegeben seien zwei beliebige Aussagen A und B. Durch die folgende Wahrheitstafel
wird als Operation die Implikation ⇒ definiert, die A und B eine neue Aussage zuordnet.
A
B
A⇒B
¬A
¬A ∨ B
¬B
¬B ⇒ ¬A
w
w
w
f
w
f
w
w
f
f
f
f
w
f
f
w
w
w
w
f
w
f
f
w
w
w
w
w
Bemerkungen 1.5.2
(1) Vergleich mit den Werten der Aussage ¬A ∨ B zeigt, dass dieser Ausdruck gleichwertig zur Implikation A ⇒ B ist.
(2) Wichtig ist die Feststellung, daß die Implikation A ⇒ B nur dann falsch ist, wenn A wahr und B
falsch ist.
Wenn also A falsch ist, dann kann B wahr oder falsch sein. In beiden Fällen ist die Implikation
wahr.
Beweistechnisch bedeutet das, daß man mit Hilfe einer falschen Voraussetzung alles beweisen kann.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
16
(3) Die Implikation A ⇒ B wird auch folgendermaßen ausgedrückt:
• Aus A folgt B.
• Wenn A, dann B.
• A ist hinreichend für B.
• B ist notwendig für A.
Man bezeichnet i.a. A als Voraussetzung, B als Behauptung, wobei eigentlich die Gültigkeit der
gesamten Implikation die Behauptung ist.
(4) Die Implikation ist nicht symmetrisch, d.h. A ⇒ B ist i.a. nicht äquivalent zu B ⇒ A. Die zweite
Implikation heißt auch Umkehrung der ersten.
Zum Beispiel gilt
^
(q ≤ 0) ⇒ (die Gleichung x2 + px + q = 0 ist in IR lösbar) ,
p,q∈IR
aber nicht die Umkehrung.
(5) Natürlich kann der Junktor ⇒ auch auf Aussageformen angewendet werden. Dadurch entsteht
eine neue Aussageform A(x) ⇒ B(x), die nach Einsetzen genau der Werte x falsch wird, für die
A(x) wahr und B(x) falsch ist.
Allgemein interessiert man sich bei Implikationen von Aussageformen nicht für die zugehörige
Erfüllungsmenge, sondern dafür, ob die Aussageform allgemeingültig ist, d.h. ob die Aussage
^
A(x) ⇒ B(x)
x∈G
wahr ist.
(6) Betrachtet man zu zwei Aussageformen A(x) und B(x) die Erfüllungsmengen MA und MB , dann
entspricht der Implikation
A(x) ⇒ B(x)
die Mengen-Inklusion
MA ⊆ MB ,
d.h. es gilt die Inklusion genau dann, wenn
^
x ∈ MA ⇒ x ∈ MB .
x∈G
(7) Für die Negation der Aussage
^
x∈G
A(x) ⇒ B(x)
ergibt sich
^
_
_
_
A(x) ⇒ B(x) =
A(x) ∧ ¬B(x)
¬
¬ A(x) ⇒ B(x) =
¬ ¬A(x) ∨ B(x) =
x∈G
x∈G
x∈G
x∈G
und damit die logische Grundlage des Verfahrens zur Widerlegung einer Behauptung durch Auffinden eines Gegenbeispiels.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
17
Nach Definition 1.4.3 sind zwei Aussageformen A(x) und B(x) (mit derselben Grundmenge G) äquivalent,
wenn sie dieselbe Erfüllungsmenge MA = MB haben.
Wir wählen ein beliebiges x0 ∈ G und betrachten die Wahrheitstafel für folgende Aussagen
A(x0 )
B(x0 )
A(x0 ) ⇔ B(x0 )
A(x0 ) ⇒ B(x0 )
B(x0 ) ⇒ A(x0 )
(A(x0 ) ⇒ B(x0 )) ∧ (B(x0 ) ⇒ A(x0 ))
w
w
w
w
w
w
w
f
f
f
w
f
f
w
f
w
f
f
f
f
w
w
w
w
.
Offensichtlich ist x0 Element der Erfüllungsmenge der Aussageform A(x) ⇔ B(x)“ genau dann, wenn
”
x0 Element der Erfüllungsmenge der Aussageform (A(x) ⇒ B(x)) ∧ (B(x) ⇒ A(x))“ ist, d.h. die
”
entsprechenden Aussageformen sind äquivalent.
Satz 1.5.3 Für zwei Aussageformen A(x) und B(x) gilt
A(x)
⇔
B(x)
⇐⇒
(A(x) ⇒ B(x)) ∧ (B(x) ⇒ A(x)).
Bemerkungen und Beispiele 1.5.4
(1) Die Äquivalenz der Aussagen A(x) und B(x) für ein festes x0 ∈ G wird auch folgendermaßen
ausgedrückt:
• Es gilt A(x0 ) genau dann, wenn B(x0 ) gilt.
• Es gilt A(x0 ) dann und nur dann, wenn B(x0 ) gilt.
• A(x0 ) ist notwendig und hinreichend für B(x0 ).
(2) Man führt den Nachweis der Äquivalenz zweier Aussageformen oft, indem man die beiden Implikationen A(x) ⇒ B(x) und B(x) ⇒ A(x) zeigt.
^ (3)
(n ist teilbar durch 3) ⇔ (die Quersumme von n ist teilbar durch 3) .
n∈IN
(4)
^ (a = 0 ∧ b = 0) ⇔ (a2 + b2 = 0) .
a,b∈IR
(5)
^ p,q∈IR
(p2 ≥ 4q) ⇔ ( die Gleichung
x2 + px + q = 0
ist in IR lösbar ) .
1. Mengen, Aussagen, Beweise
1.6
18
Beweisverfahren
In einer mathematischen Theorie werden aus Aussagen, die als wahr angenommen oder erkannt sind,
durch Beweise neue wahre Aussagen hergeleitet.
Dabei sollte ein Beweis drei Forderungen erfüllen:
• Ein Beweis sollte dazu dienen, dass Sie sich selbst von der Wahrheit der Behauptung überzeugen.
Ihre Überzeugung muss unbezweifelbar sein, d.h. insbesondere nicht nur auf Intuition beruhen.
Formulierungen wie etwas sei offensichtlich“, klar“, unmittelbar einsichtig“ usw. sollten Sie
”
”
”
misstrauen.
• Ein Beweis sollte jeden anderen von der Gültigkeit der Behauptung überzeugen.
Er muss daher einerseits nachvollziehbar sein, d.h. das rechte Maß an Argumentation und an Details enthalten, so dass der Leser sich von der Richtigkeit der einzelnen Beweisschritte überzeugen
kann, aber nicht in Details erstickt. Andererseits muss ein Beweis lesbar sein und nicht durch
übertriebene Verwendung von Symbolen oder Formalismen unverständlich werden.
• Ein Beweis sollte drittens Einsicht darin vermitteln, warum die zu beweisende Aussage stimmt,
vielleicht sogar, wie man auf eine solche Aussage gekommen ist.
Dadurch wird der Leser des Beweises (und natürlich auch der Verfasser), in die Lage versetzt, eine
gewisse mathematische Intuition aufzubauen.
Die bezüglich der Beweisstruktur verständlichste Beweisform ist der direkte Beweis in der Form
Voraussetzung(en)
⇒
Behauptung.
Bemerkung und Beispiel 1.6.1
Im allgemeinen besteht die Implikation aus mehreren einzelnen Schritten. Oft wird die Voraussetzung
in eine äquivalente Aussage überführt und daraus die Behauptung gefolgert.
^
Wir zeigen:
n gerade ⇒ n2 gerade .
n∈IN
Beweis: Sei n ∈ IN beliebig.
Es gilt: n ist gerade
⇔
k :=
n
∈ IN
2
⇒
n2 = 4k2 = 2 · (2k2 ) ist gerade.
Grundlage des indirekten Beweises ist die Äquivalenz (siehe Wahrheitstafel aus Definition 1.5.1)
A(x) ⇒ B(x)
⇔
¬B(x) ⇒ ¬A(x) .
Beispiel 1.6.2
Wir zeigen:
^
n2 gerade
n∈IN
⇒
n gerade .
Beweis: Wir beweisen die Behauptung indirekt: Quadrate ungerader Zahlen sind ungerade.
Sei n nicht gerade, also ungerade, d.h. es gibt eine Zahl k ∈ IN0 mit n = 2k + 1. Dann ist
n2 = (2k + 1)2 = 4k2 + 4k + 1 = 2 · (2k2 + 2k) + 1
ungerade, also ist n2 nicht gerade.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
19
Bei einem Widerspruchsbeweis zeigt man, dass die Aussage A(x) ∧ ¬B(x) für kein x ∈ G erfüllt
wird. Wegen der Äquivalenz
A(x) ⇒ B(x)
⇔ ¬ ¬ A(x) ⇒ B(x)
⇔ ¬ A(x) ∧ ¬B(x)
heißt das, dass die Aussage A(x) ⇒ B(x) für alle x ∈ G wahr ist.
Bemerkung und Beispiel 1.6.3
(1) Der Vorteil bei einem Widerspruchsbeweis ist, dass man zusätzlich zu A(x) noch die Voraussetzung
¬B(x) nutzen kann. Psychologisch vorteilhaft ist, dass man einen Anfang hat für den Beweis in
der Form
Angenommen, es gilt die Voraussetzung und nicht die Behauptung, d.h. es gilt A(x) ∧ ¬B(x).“
”
(2) Wir zeigen: Es gibt unendlich viele Primzahlen.
Beweis: Angenommen, es gibt nur endlich viele Primzahlen, die wir mit p1 , p2 , . . . , pn bezeichnen
wollen. Es gibt also nach Widerspruchsannahme keine weitere Primzahl.
Dann ist keine dieser Primzahlen Teiler der Zahl
m := p1 · p2 · . . . · pn + 1.
Daraus folgt, dass m selbst eine Primzahl ist oder eine weitere Primzahl als Teiler hat, und wir
haben doch eine weitere Primzahl gefunden, d.h. die Widerspruchsannahme war falsch.
Bei der vollständigen Induktion hat man es mit einer Aussageform A(n) über der Grundmenge
G = IN (oder G = {n ∈ ZZ| n ≥ n0 }) zu tun, und es soll die Allgemeingültigkeit gezeigt werden.
Dabei zerfällt der Beweis in zwei Teile, den
• Induktionsanfang, bei dem die Gültigkeit der Aussage A(1) (bzw. A(n0 )) gezeigt wird, und den
^
• Induktionsschluß, bei dem die Gültigkeit der Aussage
A(n) ⇒ A(n + 1)
gezeigt wird.
n∈G
——————————————————————————————–
^
^
Insgesamt ergibt sich
A(n)
(bzw.
A(n)).
n∈IN
n∈Z
Z,n≥n0
Bemerkungen und Beispiel 1.6.4
(1) Durch den Induktionsschluß wird die Richtigkeit von A(n + 1) nur für solche n gesichert, für die
A(n) wahr ist, – sonst kann man über A(n + 1) keine Aussagen machen.
Dadurch wird deutlich, daß beide Teile – sowohl Induktionsanfang als auch Induktionsschluß –
wesentlich für die korrekte Durchführung des Verfahrens sind.
Natürlich ist beim Induktionsschluß darauf zu achten, daß man kein n ausläßt, d.h. daß die
Erfüllungsmenge ganz IN (bzw. G) ist.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
20
(2) Während beim Beweisprinzip des Widerspruchbeweises keine Einschränkung für die Grundmenge
der Aussageformen gilt, ist das Beweisprinzip der vollständigen Induktion fest mit der Zahlenmenge
IN verbunden.
Das Induktionsaxiom
^
Ist X ⊆ IN, 1 ∈ X und
”
n∈IN
n ∈ X ⇒ n + 1 ∈ X , dann ist X = IN“
ist ein wesentlicher Teil der Definition der Menge der natürlichen Zahlen mit Hilfe der PeanoAxiome und direkte Grundlage für die Durchführbarkeit des Beweisprinzips.
(3) Wir zeigen: Die Summe der ersten n ungeraden Zahlen ergibt genau das Quadrat von n.
Beweis mit vollständiger Induktion nach n:
Induktionsanfang n = 1: Die Summe“ der ersten ungeraden Zahl 1 ist 1, und das Quadrat von 1
”
ist auch 1, also ist der Induktionsanfang wahr.
Induktionsschluß: Wir betrachten ein n ∈ IN, für das A(n) wahr ist, d.h. es gilt
n
X
(2k − 1) = 1 + 3 + 5 + . . . + (2n − 1) = n2 .
k=1
Dann ist
n+1
X
k=1
(2k − 1) = 1 + 3 + 5 + . . . + (2n − 1) +(2n + 1) =
|
{z
}
n2
2
= n + (2n + 1) = (n + 1)2 ,
d.h. A(n + 1) ist wahr.
1.7
Der binomischer Lehrsatz
Die binomischen Formeln
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2
(a − b)2 = a2 − 2ab + b2
(a + b)(a − b) = a2 − b2
spielen in der Mittelstufenmathematik und bei der Umformung algebraischer Ausdrücke eine große Rolle.
Sie sind natürlich nur Zusammenfassungen der Ergebnisse, die beim Ausmultiplizieren entstehen, und
gelten für alle reellen a, b. Dabei ist die zweite Gleichung nur eine Abwandlung der ersten.
Wir betrachten nun höhere Potenzen. Multipliziert man z.B. (a + b)5 aus, dann entstehen Ausdrücke
der Form ai bj , 0 ≤ i ≤ 5, j = 5 − i, die zusammengefasst werden, also
(a + b)5 = a0 b5 + 5ab4 + 10a2 b3 + 10a3 b2 + 5a4 b + a5 b0 .
Die entstehenden Koeffizienten der Ausdrücke ai bj geben an, wie oft der entsprechende Ausdruck vorkommt. Sie sind also natürliche Zahlen.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
21
Definition 1.7.1 Sei n ∈ IN. Die Koeffizienten der Ausdrücke ai bj , 0 ≤ i ≤ n,
j = n − i, in der
n
.
ausmultiplizierten Potenz (a + b)n heißen Binomialkoeffizienten. Bezeichnung
i
Bemerkungen und Beispiele 1.7.2
(1) Es gilt
1
1
=
= 1,
0
1
3
= 1,
0
(2) Für alle n ∈ IN0 gilt
2
2
2
= 1,
= 2,
= 1,
0
1
2
3
3
3
= 3,
= 3,
= 1.
1
2
3
n
n
=
= 1.
0
n
(3) Die Binomialkoeffizienten sind symmetrisch, d.h. für festes n ∈ IN und alle 0 ≤ i ≤ n gilt
n
n
=
.
i
n−i
(4) Binomialkoeffizienten spielen in der Kombinatorik und damit in der diskreten Wahrscheinlichkeitstheorie eine große Rolle. Betrachtet man speziell
n X
n
n 2
n
n i
n−1
n
(1 + x) = 1 +
x+
x + ... +
x
+x =
x,
1
2
n−1
i
n
i=0
dann entsteht eine Potenz xi , wenn i Klammern ausgewählt werden, aus denen der Summand x
multipliziert
wird. Aus den restlichen n − i Klammern wird der Summand 1 multipliziert.
n
gibt also an, wie oft man aus n Objekten (hier Klammern) i Objekte auswählen kann. Zum
i
49
Beispiel beschreibt
die Anzahl der möglichen Lottotips, nämlich die Anzahl der Möglichkeiten,
6
6 Zahlen aus 49 Zahlen auszuwählen.
Kennt man die Koeffizienten zu (a + b)n , dann kann man die Koeffizienten zu (a + b)n+1 berechnen:
Satz 1.7.3 Für n ∈ IN und 1 ≤ k ≤ n gilt
n+1
n
n
=
+
.
k
k−1
k
1. Mengen, Aussagen, Beweise
22
Man kann die Binomialkoeffizienten in Dreiecksform, dem Pascalschen Dreieck, darstellen:
0
0
1
1
0
1
2
2
2
0
1
2
3
3
3
3
0
1
2
3
4
4
4
4
4
k
1
2
3
4
5
5
5
5
5
5
k
1
2
3
4
5
..
.
Mit Bemerkung 1.7.2 (2) und der Additionsformel aus Satz 1.7.3 ergibt sich
1
1 1
1 2 1
1
3 3
1
1 4 6 4 1
1 5 10 10 5 1
..
.
In vielen Situationen (auch im Falle des Binomischen Lehrsatzes) ist die rekursive Definition der Binomialkoeffizienten etwas unhandlich.
Wir suchen daher nach einer geschlossenen Darstellung derselben.
Dazu wollen wir zunächst eine Bezeichnung für das Produkt aller natürlichen Zahlen von 1 bis n
einführen:
Definition 1.7.4 Für n ∈ IN heißt
Weiter setzen wir 0! := 1.
1 · 2 · 3 · . . . (n − 1) · n
Fakultät von n. Bezeichnung: n!.
Bemerkungen und Beispiele 1.7.5
(1) Es ist 1! = 1,
2! = 2,
(2) Für alle n ∈ IN0 gilt
3! = 6,
4! = 24.
(n + 1)! = (n + 1) · (n!).
(3) Um möglichst wenig Klammern setzen zu müssen, legen wir fest, dass Fakultätsbildung n! stärker
sein soll als die Multiplikation, d.h.
(n + 1)! = (n + 1) · n!.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
23
Wir betrachten nun die aus Fakultäten zusammengesetzten Ausdrücke
b(n; k) :=
n!
.
k! · (n − k)!
Beispiele 1.7.6 Es gilt
b(0; 0) = 1,
b(1; 0) = b(1; 1) = 1,
b(3; 0) = 1,
Die Werte von
b(2; 0) = 1,
b(3; 1) = 3,
b(3; 2) = 3,
b(2; 1) = 2,
b(2; 2) = 1,
b(3; 3) = 1.
n
und b(n; k) stimmen für 0 ≤ n ≤ 3 und jeweils 0 ≤ k ≤ n überein. Es gilt allgemein
k
Satz 1.7.7 Für alle n ∈ IN und 1 ≤ k ≤ n gilt
(a)
(b)
1.8
b(n + 1; k) = b(n; k − 1) + b(n; k).
n
= b(n; k).
k
Kleiner Exkurs: Was ist Mathematik?
Als zukünftiger Mathematiklehrer sollte man auf die Frage vorbereitet sein, was die Mathematik als
Wissenschaft und auch als Schulfach ausmacht.
Im Gegensatz zur oft geäußerten Meinung gehört Mathematik nicht zu den Naturwissenschaften wie
Physik, Chemie, Biologie:
Sie beschäftigt sich nicht mit realen Objekten und Vorgängen, sondern mit geistigen Gegenständen wie
Zahlen, Punkten, Geraden.
Methodisch betrachtet sie ihre Aussagen nicht als gültig auf Grund hinreichend vieler Beobachtungen,
sondern leitet sie aus anderen (als gültig erwiesenen oder angenommenen) Aussagen ab.
Andererseits unterscheidet sich die Mathematik von den (anderen) Geisteswissenschaften dadurch, dass
man nicht über die Gültigkeit der Aussagen diskutieren kann (Gedichtinterpretation, historischer Wahrheitswert der Bibel).
In seinem Buch In Mathe war ich immer schlecht ...“ gibt Beutelspacher vier Sichtweisen der Mathe”
matik als Wissenschaft an, die unterschiedliche Aspekte betonen und sich gegenseitig ergänzen.
1. Mathematik ist der Versuch, logische Strukturen zu erkennen
Ziel der Mathematik ist, logische Abhängigkeiten zwischen Aussagen zu erkennen.
Eine Aussage B wird also auf eine Aussage A zurückgeführt, d.h. man beweist die Implikation
A ⇒ B.
Dieser Ansatz führt dazu, daß man versucht, die ganze Mathematik oder Teilgebiete auf wenige Grundaussagen, die Axiome, zurückzuführen.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
24
Euklid (ca. 300 v.Chr.) versuchte als erster, in seinen Elementen“ die Aussagen der euklidischen“
”
”
Geometrie auf wenige Axiome zurückzuführen. Vollendet hat das David Hilbert 1899 in seinem Buch
Grundlagen der Geometrie“.
”
Ein weiteres Beispiel sind die Zahlbereiche IN, Q,
I IR, C,
I die aus den Peano-Axiomen entwickelt werden.
Der Nachweis der Implikationen kann prinzipiell mit Hilfe von Wahrheitstafeln geführt werden, d.h.
Mathematik wird sehr formalistisch verstanden.
Ebenfalls untersucht man Abhängigkeiten zwischen Begriffen, z.B. in der Geometrie ( Jedes Quadrat
”
ist ein Rechteck“) oder der Analysis ( Jede differenzierbare Funktion ist stetig“).
”
Mathematik ist eine Sammlung von Ideen
Theoretisch ist Schach ein langweiliges, weil vorhersehbares Spiel:
Die Anzahl aller möglichen Partien ist endlich, d.h. wenn beide Spieler alle diese Möglichkeiten kennen,
können sie (ohne zu spielen) vorhersagen, ob der Spieler mit weißen Figuren gewinnt, verliert, es ein
Remis oder ein Patt gibt.
Andererseits ist diese Anzahl so groß, daß niemand alle Spielzüge kennt und praktisch der Spielausgang
offen ist. Gute Schachspieler ersetzen diese fehlende Kenntnis durch Strategien.
Analog ist es beim Beweis mathematischer Sätze: Theoretisch bedeutet ein Beweis, die entsprechende
Implikation mit Hilfe einer Wahrheitstafel nachzuprüfen oder eine Abfolge logischer Schlußregeln zu
finden, mit deren Hilfe aus der Voraussetzung A die Behauptung B folgt.
Praktisch funktioniert das nur bei wenigen Sätzen. Im allgemeinen braucht man zu dem Beweis eine
oder mehrere (manchmal auch viele) Ideen.
Man kann aus der Behauptung nicht unbedingt erkennen, ob man zu dem Beweis viele solcher Ideen
benötigt, d.h. ob der Beweis schwer“ ist oder leicht“.
”
”
Ein Beispiel ist der sogenannte “große Satz von Fermat“ (1601-1665), der aussagt, daß für alle natürlichen
Zahlen n ≥ 3 die Gleichung
xn + y n = z n
keine Lösung mit natürlichen Zahlen x, y, z hat.
Fermat stellte diese Behauptung 1637 auf, der Beweis gelang aber erst 1994 Andrew Wiles (Princeton)
und er umfaßt mehrere hundert Seiten schwierigster Mathematik.
Natürlich versucht man, Ideen, die bei bestimmten Problemen zum Erfolg geführt haben, auch bei
Beweisversuchen anderer Behauptungen zu verwenden. Beispiele sind die Beweismethoden des Widerspruchsbeweises oder der vollständigen Induktion.
Eine weitere nützliche Idee vor allem bei kombinatorischen Problemen ist das Schubfachprinzip, das
aussagt, daß bei Aufteilung von n Elementen einer Menge in k < n Teilmengen eine dieser Teilmengen
mindestens 2 Elemente enthält.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
25
Beispiele 1.8.1
(1) Die Behauptung Es gibt keine rationale Zahl x ∈ Q,
I die Lösung der Gleichung x2 = 2 ist“, kann
”
man mit Hilfe eines Widerspruchsbeweises zeigen. Als weitere Idee benötigt man die Tatsache,
daß das Quadrat einer natürlichen Zahl genau dann gerade ist, wenn die Zahl selbst gerade ist.
(2) Formeln für Summen natürlicher Zahlen wie
n
X
k=1
n
X
k=1
n
X
k=1
k := 1 + 2 + 3 + . . . + (n − 1) + n =
k2 := 1 + 4 + 9 + . . . + (n − 1)2 + n2 =
n(n + 1)
,
2
n(n + 1)(2n + 1)
,
6
k3 := 1 + 8 + 27 + . . . + (n − 1)3 + n3 = (1 + 2 + 3 + . . . + n)2 =
n2 (n + 1)2
4
beweist man mit Hilfe der vollständigen Induktion.
Dieses Beweisprinzip ist auch auf andere Problemstellungen anwendbar:
Zerlegt man die Zeichenebene durch n Geraden in verschiedene Gebiete ( Länder“), dann läßt sich
”
die entstehende Landkarte mit zwei Farben so färben, daß Länder mit einer gemeinsamen Grenze
(die nicht nur aus einem Punkt besteht) verschiedene Farben haben.
(3) Mit dem Schubfachprinzip beweist man z.B.:
(a) In jeder Gruppe von mindestens 2 Personen gibt es zwei, die die gleiche Anzahl von Bekannten innerhalb dieser Gruppe haben:
Wir betrachten als Teilmengen die Menge aller Personen, die dieselbe Anzahl Personen kennen, d.h. K0 enthält alle Einsiedler und Kn−1 alle der n Personen, die jede andere der Personen
kennen. Als Zusatzidee benötigt man die Tatsache, daß eine der beiden Mengen K0 und Kn−1
gleich der leeren Menge ist.
(b) Unter je sechs natürlichen Zahlen gibt es stets zwei, deren Differenz durch 5 teilbar ist:
Hier teilt man die Menge IN der natürlichen Zahlen so in 5 Teilmengen auf, daß zwei Elemente
derselben Teilmenge bei Division durch 5 jeweils den gleichen Rest haben.
(c) Unter je 5 Punkten,
die in einem Quadrat der Seitenlänge 2 liegen, gibt es immer 2, deren
√
Abstand ≤ 2 ist:
Hier teilt man das Quadrat in 4 Teilquadrate der Seitenlänge 1 auf.
Mathematik ist ein Werkzeug, die Welt zu beschreiben
Ein wesentlicher Grund für die zentrale Stellung der Mathematik in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, aber in neuerer Zeit auch in den Sozialwissenschaften ist, dass sie eine Sprache ist, um die
auftretenden Phänomene und Probleme zu formulieren. Im Idealfall ergeben sich aus der Beschreibung
auch Ansätze für Lösungen.
Natürlich kann man nicht erwarten, daß die Mathematik alle Facetten des zu beschreibenden Vorgangs
wiederspiegelt - man erhält i.a. ein mathematisches Modell des realen Problems.
Ein Beispiel ist die Darstellung von Musik (oder Texten, Bildern) durch Zahlen in der Kommunikationsindustrie. Natürlich ist ein Ton etwas anderes als eine Folge von Nullen und Einsen und wird nur
unvollständig dadurch repräsentiert. Gleichwohl ergeben sich aus der digitalen Codierung hervorragende
Möglichkeiten, Musik zu speichern oder über Datenkanäle verlustfrei zu übermitteln.
1. Mengen, Aussagen, Beweise
26
Mathematik ist eine Weise, die Welt zu erfahren
Durch Beschreibung der Welt durch mathematische Begriffe bringen wir nicht nur eine Struktur in unsere
Beobachtungen, sondern wir schärfen unser Wahrnehmungsvermögen für bestimmte Phänomene.
• Macht man sich den Symmetriebegriff bewußt, dann erkennt man viel mehr symmetrische (und
asymmetrische) Objekte als zuvor. Man kann z.B. auch schlüssig erklären, warum wir mit Begriffen
wie oben - unten“ und vorn - hinten“ weniger Schwierigkeiten haben als mit links - rechts“.
”
”
”
• Das Studium der Stetigkeit von Funktionen schärft das Bewusstsein für stetige und unstetige
Prozesse in der Umwelt.
• Die Beschäftigung mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung lässt uns abschätzen, wie groß ein eventuelles Bedrohungspotential (Unfallgefahr bei Reisen mit Auto, Bahn, Flugzeug) ist.
27
2
2.1
Lösungen algebraischer Gleichungen
Gleichungen
Bei vielen mit Mathematik zu lösenden Problemen entstehen nach Umwandlung in mathematische
Formulierungen (Modellierung) eine oder mehrere Gleichungen oder Ungleichungen, die die Beziehungen
zwischen den zu betrachtenden Größen ausdrücken.
Beispiel 2.1.1
Eine Gruppe von Männern und Frauen umfasst 36 Personen. Die Zahl der Frauen ist um 2 größer als
die Zahl der Männer. Wie viele Männer und wie viele Frauen sind in der Gruppe?
Wir bezeichnen zuerst die Anzahl der Männer mit x, die der Frauen mit y.
Dann ergeben sich folgende Gleichungen
x + y = 36
y =x+2
Jede der beiden Gleichungen stellt offensichtlich eine Aussageform über der Grundmenge IN20 dar, und
gesucht sind die Paare (x|y), für die beide Aussageformen wahr sind.
Bemerkungen 2.1.2
(1) Nach der Umwandlung des Problems in z.B. ein System von Gleichungen muss natürlich klar sein,
welche Bedeutung die Unbekannten x, y usw. haben, denn nach Lösen der mathematischen Aufgabe muss die Lösung entsprechend interpretiert werden können.
Welche Probleme dabei auftreten können zeigt folgendes Beispiel
(Quelle: Von der propädeutischen Algebra zur elementaren Algebra, Publikation zu einem Workshop der Fortbildungsveranstaltung zum BLK-Programm SSteigerung der Effizienz im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht”vom 27.5.2002 in Ludwigsfelde, Gregor Wieland, Freiburg/Schweiz)
Beispiel: I Interviewer, H Helga (29, Akademikerin), Aufgabe:
In einem Saal sind x Männer und y Frauen. Was bedeutet die Formel
y = x + 2?
H: (schweigt minutenlang)
I: Vielleicht ist die Aufgabe leichter, wenn wir die Anzahl der Männer mit M und die Anzahl der Frauen
mit F bezeichnen. Dann lautet die Formel
F = M + 2.
Was bedeutet das?
H: (spontan) Die Frau hat einen Mann und zwei Kinder.
I: Muss denn diese 2 unbedingt 2 Kinder bedeuten. Können es nicht zwei Männer oder zwei Frauen sein?
H: Nein, denn sonst müsste ja hier stehen: F = M + 2M . Oder: F = M + 2F .
I: Wenn es zwei Kinder sind, dann müsste ja eigentlich F = M + 2K hier stehen.
H: Ja .... richtig.
(2) Eine Gleichung oder ein System von Gleichungen muss nicht unbedingt eine Lösung haben.
Wäre die Gesamtzahl der Personen in der Gruppe nämlich z.B. 37, dann gäbe es keine Lösung in
der Grundmenge IN20 .
In der Grundmenge IR2 hat das Gleichungssystem eine Lösung, nämlich (17, 5|19, 5). Die Frage
der Lösbarkeit und die Anzahl der Lösungen hängt also von der betrachteten Grundmenge ab.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
28
(3) Algebraische Lösungsverfahren beruhen darauf, zu den zu den Gleichungen bzw. Ungleichungen
zugehörigen Aussageformen äquivalente zu finden, aus denen die Lösungen leichter abzulesen sind.
In Beispiel 2.1.1 sind das die vier folgenden Gleichungssysteme
x + y = 36
2x + 2 = 36
y =x+2
2x = 34
y =x+2
x = 17
y =x+2
y = 19
und aus dem letzten ergibt sich, dass (x|y) = (17|19) die einzige Lösung ist.
Wichtig ist aber, dass man Äquivalenzumformungen benutzt, d.h. Umformungen, die die Lösungsmenge
nicht verändern.
Beispiel 1:
|·x
x=y
2
x = xy
2x2 = x2 + xy
2
2
2x − 2xy = x − xy
2 (x2 − xy) = x2 − xy
2=1
| + x2
| − 2xy
| : (x2 − xy)
Während offensichtlich die erste Gleichung Lösungen in IR2 hat, nämlich z.B. (1|1), ist die letzte
Gleichung für kein Paar (x|y) ∈ IR2 wahr. Die beiden Gleichungen können also nicht äquivalent
sein. Natürlich ist die Division durch x2 − xy keine Äquivalenzumformung, denn gerade für die
Lösungen der ersten Gleichung dividiert man dann durch Null.
Beispiel 2:
xy = xy
−xy = −xy
x2 − x2 − xy = y 2 − y 2 − xy
x+y 2
x+y 2
) = y 2 − y 2 − xy + (
)
2
2
x + y 2
x + y 2
x−
= y−
2
2
x+y
x+y
x−
=y−
2
2
x=y
2
2
| · (−1)
| + 0 = x − x = y2 − y2
x+y 2
)
|+(
2
x2 − x2 − xy + (
|Wurzelziehen
|+
x+y
2
Die erste Gleichung gilt für alle (x|y) ∈ IR2 , die letzte Gleichung nur für spezielle Paare. Auch
diese beiden Gleichungen sind also nicht äquivalent. Hier ist die Umformung Wurzelziehen“ keine
”
Äquivalenzumformung.
(4) Ein analytisches Lösungsverfahren wäre die Betrachtung der Funktionen
f1 (x, y) = x + y − 36,
f2 (x, y) = y − x − 2
und Bestimmung des Durchschnitts der Nullstellenmenge von f1 und f2 .
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
29
(5) Es ist sehr sinnvoll, möglichst vor Anwendung von Lösungsverfahren sich Gedanken zu machen,
ob das Problem überhaupt lösbar ist, und wenn, wie viele Lösungen es geben kann.
Z.B. ist es nützlich, die Lösungsmengen - wenn möglich - grafisch darzustellen.
Beispiel: Das Gleichungssystem
x2 + 4y 2 = 1,
2x + 3y = 6
hat in IR2 als Lösungsmenge den Durchschnitt der Lösungsmengen der beiden Gleichungen.
Die Lösungsmenge der ersten Gleichung kann man als Punkte einer Ellipse, die der zweiten Gleichung als Punkte einer Geraden darstellen.
Da eine Gerade eine Ellipse in 0, 1 oder 2 Punkten schneidet, kann es insgesamt höchstens zwei
Lösungen (x|y) geben.
Wir betrachten im Folgenden nur algebraische Gleichungen:
Definition 2.1.3 (a) Eine algebraische Gleichung in den Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn ist eine Gleichung, in der nur Summen von Produkten von Potenzen der Unbekannten mit natürlichen Exponenten und Zahlen auftreten.
(b) Die maximale Summe der Exponenten der Variablen in den einzelnen Produkten heißt Grad der
Gleichung.
Ist der Grad 1, dann heißt die Gleichung linear.
Ist der Grad 2, dann heißt die Gleichung quadratisch.
Ist der Grad 3, dann heißt die Gleichung kubisch.
Beispiele und Bemerkungen 2.1.4
(1) Die Gleichungen in den Beispielen 2.1.1 und 2.1.2 (5) sind algebraisch in den beiden Unbekannten
x und y und sie haben Grad 1 oder 2.
(2) Keine der Gleichungen
sin x + x2 = e2x ,
p
3x y 3 = 5x2 ,
2
x3 + = 25
x
ist algebraisch, aber die Gleichung
√
5 xy 3 + e2 z 3 =
π
3
ist algebraisch in den Unbekannten x, y, z und hat Grad 4.
(3) Die Lösungsmenge einer algebraischen Gleichung in den Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn mit Grad m
stimmt überein mit der Nullstellenmenge eines entsprechenden Polynoms mit den Variablen
x1 , x2 , . . . , xn und Grad m.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
2.2
30
Lineare Gleichungen
Eine lineare Gleichung mit einer Unbekannten kann man mit elementaren Operationen (Addition, Subtraktion, Division (außer durch Null)) lösen.
Satz 2.2.1 Wir betrachten als Grundmenge M = Q
I oder M = IR. Dann hat die Gleichung
a1 x + b1 = a2 x + b2
(a) im Fall a1 6= a2 die eindeutige Lösung x =
a1 , a2 , b1 , b2 ∈ M
mit
b2 − b1
∈ M,
a1 − a2
(b) im Fall a1 = a2 und b1 6= b2 keine Lösung und
(c) im Fall a1 = a2 und b1 = b2 unendlich viele Lösungen (nämlich jedes x ∈ M ).
Beispiel 2.2.2
Die lineare Gleichung mit zwei Unbekannten in IR
2x + 3y = 5
kann man entsprechend in die äquivalente Gleichung
y=
5 − 2x
3
überführen.
Betrachtet man die Lösungen (x|y) ∈ IR2 als Koordinaten von Punkten einer Ebene (mit einem
kartesischen Koordinatensystem), dann bilden die den Lösungen entsprechenden Punkte die Gerade
{(x, y) | y =
5 − 2x
, x ∈ IR}.
3
Jede lineare Gleichung mit zwei Unbekannten läßt sich durch geeignete Addition und Subtraktion in
eine äquivalente Gleichung in Normalform
ax + by + c = 0
überführen. Dann gilt
Satz 2.2.3 Die lineare Gleichung
ax + by + c = 0
mit
a, b, c ∈ IR,
a2 + b2 6= 0,
hat unendlich viele Lösungen (x|y) ∈ IR2 . Die ihnen zugeordneten Punkte einer Ebene mit kartesischem
Koordinatensystem bilden eine Gerade.
(a) Im Fall a = 0 ist das die zur x-Achse parallele Gerade mit der Gleichung
c
y=− ,
b
x ∈ IR,
(b) im Fall b = 0 ist das die zur y-Achse parallele Gerade mit der Gleichung
c
x=− ,
a
y ∈ IR,
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
31
(c) im Fall a 6= 0, b 6= 0 ist das die Gerade mit der Gleichung
a
c
y =− x− ,
b
b
x ∈ IR,
a
und Steigung − .
b
Bemerkungen 2.2.4
(1) Die zu den Gleichungen
ax + by + c1 = 0,
ax + by + c2 = 0,
c1 6= c2 ,
gehörenden Geraden sind zueinander parallel.
Dasselbe gilt für zwei Gleichungen der Form
ax + by + c1 = 0,
(ka)x + (kb)y + c2 = 0,
kc1 6= c2 ,
(2) Ist c = 0, dann ist die zugehörige Gerade eine Ursprungsgerade durch den Nullpunkt. Die
zugehörige Gleichung heißt dann homogen. Für c 6= 0 heißt die Gleichung inhomogen.
(3) Sucht man Lösungen in Teilmengen von IR, also z.B. in Q
I oder IN, dann entsprechen ihnen die
Punkte der angegebenen Geraden, deren Koordinaten beide rationale bzw. natürliche Zahlen sind.
Zum Beispiel sind die ganzzahligen Lösungen der Gleichung aus Beispiel 2.2.2 die Gitterpunkte“
”
(Punkte mit ganzzahligen Koordinaten) auf der Geraden, nämlich
(xk |yk ) ∈ ZZ
mit xk = −2 + 3k,
yk = 3 − 2k,
k ∈ ZZ.
Beispiel 2.2.5
Für die lineare Gleichung mit drei Unbekannten
2x + 3y + z = 5
erhält man die unendlich vielen reellen Lösungen
{(x, y, z) | z = 5 − 2x − 3y, x, y ∈ IR}.
Betrachtet man wieder die Tripel als Koordinaten in einem kartesischen Koordinatensystem des
Raums, dann bilden die entsprechenden Punkte der Lösungsmenge eine Ebene.
Satz 2.2.6 Die lineare Gleichung
ax + by + cz + d = 0
mit
a, b, c, d ∈ IR,
a2 + b2 + c2 6= 0,
hat unendlich viele Lösungen (x|y|z) ∈ IR3 . Die ihnen zugeordneten Punkte des Raums mit kartesischem
Koordinatensystem bilden eine Ebene.
(a) Im Fall a = b = 0 ist das die zur (x, y)-Ebene parallele Ebene mit der Gleichung
d
z=− ,
c
x, y ∈ IR.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
32
(b) Im Fall c = 0 ist das die zur (x, y)-Ebene senkrechte Ebene durch die Gerade mit der Gleichung
ax + by + d = 0.
(c) Die Ursprungsgerade durch den Punkt (a|b|c) ist senkrecht zu der Ebene.
Bemerkungen 2.2.7
(1) Für b = c = 0 bzw. a = c = 0 erhält man analoge Aussagen zu Satz 2.2.6 (a), für a = 0 bzw. b = 0
analoge Aussagen zu Satz 2.2.6 (b).
(2) Die zu den Gleichungen
ax + by + cz + d1 = 0,
ax + by + cx + d2 = 0,
d1 6= d2 ,
gehörenden Ebenen sind zueinander parallel.
Dasselbe gilt für zwei Gleichungen der Form
ax + by + cz + d1 = 0,
(ka)x + (kb)y + (kc)z + d2 = 0,
kd1 6= d2 ,
(3) Ist d = 0, dann ist die zugehörige Ebene eine Ursprungsebene durch den Nullpunkt. Die zugehörige Gleichung heißt dann homogen. Für d 6= 0 heißt die Gleichung inhomogen.
Allgemein gilt:
Bemerkungen 2.2.8
(1) Eine lineare Gleichung mit mehreren Unbekannten
a1 x1 + a2 x2 + . . . + ak xk = b
hat unendlich viele Lösungen in dem entsprechenden Koeffizientenkörper.
Die Lösungs-k-Tupel bilden eine (k − 1)-dimensionale Hyperebene in einem k-dimensionalen (rationalen bzw. reellen bzw. komplexen) Vektorraum.
(2) Ein wichtiger Spezialfall sind die homogenen linearen Gleichungen mit b = 0. (Die Gleichungen
mit b 6= 0 nennt man inhomogen.)
Ihre Lösungs-k-Tupel liegen in einer Hyperebene durch den Nullpunkt des Koordinatensystems,
also in einem (k − 1)-dimensionalen Untervektorraum.
(3) Bei verschiedenen Gleichungen mit denselben Koeffizienten a1 , . . . , ak und unterschiedlichen b’s
sind die zugehörigen Hyperebenen zueinander parallel.
Der Vektor (a1 , a2 , . . . , ak ) steht senkrecht auf allen diesen Hyperebenen (Hesse’sche Normalform).
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
2.3
33
Lineare Gleichungssysteme
Die Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems ist der Durchschnitt der Lösungsmengen der
einzelnen Gleichungen.
Beispiele 2.3.1
(1) Das lineare Gleichungssystem
5x + 3y = 3
10x + 7y = 12
mit zwei Unbekannten und zwei Gleichungen hat offensichtlich die Lösung (−3|6) (Probe durch
Einsetzen).
Die einzelnen Gleichungen entsprechen verschiedenen, nicht parallelen Geraden in der Ebene.
Da zwei solche Geraden sich in genau einem Punkt schneiden, ist die angegebene Lösung die
einzige, d.h. das Gleichungssystem ist eindeutig lösbar.
(2) Das lineare Gleichungssystem
5x + 3y = 3
10x + 6y = 5
mit zwei Unbekannten und zwei Gleichungen hat offensichtlich keine Lösung, denn aus der Existenz
einer Lösung würde 6 = 5 folgen.
Die einzelnen Gleichungen entsprechen verschiedenen parallelen Geraden in der Ebene, die sich
nicht schneiden, also keinen Punkt gemeinsam haben.
(3) Bei dem linearen Gleichungssystem
5x + 3y = 3
10x + 6y = 6
mit zwei Unbekannten und zwei Gleichungen sind beide Gleichungen äquivalent, haben also dieselbe Lösungsmenge, d.h. das Gleichungssystem hat im IR2 die unendliche Lösungsmenge
5
L = {(x|y)| y = − x + 1,
3
x ∈ IR}.
Die einzelnen Gleichungen entsprechen derselben Geraden in der Ebene.
Aus der Schule sind die drei Lösungsmöglichkeiten für lineare Gleichungssysteme bekannt,
• das Gleichsetzungsverfahren,
• das Einsetzungsverfahren und
• das Additionsverfahren.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
34
Beispiele 2.3.2 Wir betrachten das lineare Gleichungssystem
5x + 3y = 3
10x + 7y = 12.
(1) Gleichsetzungsverfahren: Das Gleichungssystem ist äquivalent zu
5
y = − x+1
3
10
12
y =− x+ .
7
7
Man setzt nun beide rechte Seiten gleich und behält zusätzlich eine der ursprünglichen Gleichungen.
Damit erhält man als neues äquivalentes Gleichungssystem
5
10
− x+1=− x+
3
7
10
y =− x+
7
12
7
12
7
und
x = −3
y = 6.
(2) Einsetzungsverfahren: Wie beim Gleichsetzungsverfahren wird eine Gleichung nach einer Unbekannten aufgelöst und der entsprechende Ausdruck an Stelle der Unbekannten in die zweite
Gleichung eingesetzt, die dann nur noch die andere Unbekannte enthält und gelöst werden kann.
Man erhält
5
y =− x+1
3
10x + 7y = 12,
nach Einsetzen
5
y =− x+1
3
5
10x + 7(− x + 1) = 12,
3
nach Lösen der zweiten Gleichung
5
y =− x+1
3
x = −3
und damit die Lösung (−3|6).
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
35
(3) Additionsverfahren: Ziel ist, durch äquivalente Umformungen ein Gleichungssystem zu gewinnen, bei dem die zweite (und weitere) Gleichungen eine Unbekannte weniger enthält.
Praktischerweise stellt man die Gleichungen so um, dass die Unbekannten jeweils auf einer Seite
stehen. Natürlich kann man jede der Gleichungen mit einem Faktor ungleich Null multiplizieren,
ohne die Lösungsmenge des Gleichungssystems zu verändern. Und auch das Addieren oder Subtrahieren einer Gleichung zu bzw. von der anderen verändert die Lösungsmenge nicht.
Multiplikation der 1. Gleichung mit 7 und der 2. mit 3 ergibt
35x + 21y = 21
30x + 21y = 36.
Subtrahieren der 1. Gleichung von der 2. ergibt als neue 2. Gleichung
35x + 21y = 21
−5x = 15
bzw. das i.a. einfachere System
5x + 3y = 3
−5x = 15.
Durch Lösen der 2. Gleichung und Einsetzen des Ergebnis für x in die 1. Gleichung erhält man
eine Gleichung mit der einzigen Unbekannten y, die man entsprechend löst.
Bemerkungen 2.3.3
(1) Beim Gleichsetzungsverfahren muss man zuerst die Gleichungen nach derselben Variablen auflösen,
bevor man die rechten Seiten gleichsetzt. Wenn man zum Beispiel für das Gleichungssystem
5x + 3y − 3 = 0
10x + 7y − 12 = 0.
die beiden linken Seiten gleichsetzt, ist das nicht falsch, ergibt aber wieder eine Gleichung mit
zwei Unbekannten.
(2) Beim Einsetzungsverfahren sollte man den Ausdruck, den man in der zweiten Gleichung für die
Unbekannte (beim Beispiel für y) einsetzt, jeweils in Klammern schreiben.
(3) Das Gleichsetzungsverfahren ist ein Spezialfall des Einsetzungsverfahrens.
(4) Bei dem Additionsverfahren hätte man bei dem speziellen Beispiel auch von der 2. Gleichung
das doppelte der 1. Gleichung abziehen und damit die Unbekannte x in der neuen Gleichung
eliminieren können.
(5) Oft lässt man bei der Auflösung der neuen Gleichung, in der nur eine Unbekannte vorkommt, die
andere Gleichung weg. Aber nur das Gleichungssystem mit beiden Gleichungen ist äquivalent zu
dem Ausgangsproblem, hat also dieselbe Lösungsmenge.
(6) Alle Lösungsverfahren sind auch für lineare Gleichungssystem mit k ≥ 2 Unbekannten und n ≥ 2
Gleichungen anwendbar. Man erhält in der 1. Stufe ein äquivalentes Gleichungssystem, bei dem in
der ersten Gleichung alle Unbekannten und in den anderen Gleichungen eine Unbekannte weniger
auftreten.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
36
Natürlich ändert sich die Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems nicht, wenn man die Reihenfolge der Gleichungen vertauscht. Kombination mit dem Additionsverfahren ergibt als standardisiertes
Rechenverfahren für beliebige lineare Gleichungssysteme das Gaußsche Eliminationsverfahren.
Die wesentlichen Informationen des Gleichungssystems
a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1k xk = b1
a21 x1 + a22 x2 + . . . + a2k xk = b2
..
.
an1 x1 + an2 x2 + . . . + ank xk = bn
stecken in den Koeffizienten aij und den Konstanten bi . Wir fassen diese Zahlen in Schemata zusammen,
der sogenannten Koeffizientenmatrix


a11 a12 . . . a1k
 a21 a22 . . . a2k 


A :=  .
..
.. 
 ..
.
. 
an1 an2 . . . ank
und der erweiterten Koeffizientenmatrix

a11
 a21

(A, b) :=  .
 ..
a12
a22
..
.
. . . a1k
. . . a2k

b1
b2 

..  .
.
an1 an2 . . . ank bn
Beispiel 2.3.4
Zum Gleichungssystem
−x1
2x1
−3x1

5x2
+ 8x2
+ 4x2
+ 9x2
0
−1
gehört die Koeffizientenmatrix A = 
2
−3
+ x3
+ 3x3
− x3
+ 5x3

=
=
=
=
0
2
1
2

5 1
0
−1
8 3
 und (A, b) = 
2
4 −1
9 5
−3

5 1 0
8 3 2
.
4 −1 1
9 5 2
Den Äquivalenzumformungen des Gleichungssystems entsprechen die elementaren Zeilenumformungen der erweiterten Koeffizientenmatrix, nämlich
• Vertauschung zweier Zeilen,
• Multiplikation einer Zeile mit einer Zahl ungleich 0,
• Addition einer Zeile zu einer anderen Zeile.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
37
Ziel des Algorithmus ist es zunächst, die erweiterte Koeffizientenmatrix (A, b) mit elementaren Zeilenumformungen so zu einer Matrix (A′ , b′ ) umzuformen, dass die Koeffizientenmatrix A′ Zeilenstufenform
hat: Dabei soll gelten:
• a11 6= 0,
ai1 = 0,
2 ≤ i ≤ n.
• Sind in einer Zeile die ersten j Koeffizienten Null, dann sind in allen Zeilen darunter die ersten
j + 1 Koeffizienten Null.



2
1 2 3
0
Beispiele 2.3.5 A = 0 0 4 und B = 
0
0 0 0
0


1 0 0 0
0 1 0 0

C=
0 1 1 1 hat keine Zeilenstufenform.
0 0 0 1

0 −1 4
1 1 0
 haben Zeilenstufenform.
0 0 2
0 0 0
Satz 2.3.6 Jede Matrix A kann durch elementare Zeilenumformungen in eine Matrix A′ in Zeilenstufenform überführt werden.
Beispiele 2.3.7
(1) Für das Gleichungssystem aus Beispiel 2.3.4 erhält man




0 5 1 0
−1 8 3 2
 0 5 1 0
−1 8 3 2
Vertauschung
Addition Vielfaches
 −


−−−−−−−→ 
−−−−−−−−−−−→


 2 4 −1 1 −
2 4 −1 1
1. und 2.Zeile
der 1.Zeile
−3 9 5 2
−3 9 5 2
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→
der 2.Zeile

−1
0

0
0

8 3
2
5 1
0

0 1
5
0 −1 −4


−1
8
3
2
0
5
1
0


0
20
5
5
0 −15 −4 −4
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→
der 3.Zeile

−1
0

0
0
8
5
0
0
3
1
1
0

2
0
.
5
1
(2) Für das Gleichungssystem
erhält

0
−1

2
−3
5x2
−x1 + 8x2
2x1 + 4x2
−3x1 + 9x2
man

5 1 0
8 3 2

4 −1 1
9 5 1
Vertauschung
−−−−−−−−→
1. und 2.Zeile

−1
0

2
−3
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→
der 2.Zeile
+ x3
+ 3x3
− x3
+ 5x3

8 3 2
5 1 0

4 −1 1
9 5 1

−1
0

0
0
=
=
=
=
0
2
1
1
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→

8 3
2
5 1
0

0 1
5
0 −1 −5
der 1.Zeile


−1
8
3
2
0
5
1
0


0
20
5
5
0 −15 −4 −5
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→
der 3.Zeile

−1
0

0
0
8
5
0
0
3
1
1
0

2
0
.
5
0
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
38
(3) Für das Gleichungssystem
−x1
2x1
−3x1
erhält

0
−1

2
−3
5x2
+ 8x2
+ 4x2
+ 9x2
+ x3
+ 3x3
− 2x3
+ 6x3
=
=
=
=
2
2
4
0
man

5 1 2
8 3 2

4 −2 4
9 6 0
Vertauschung
−−−−−−−−→
1. und 2.Zeile

−1
0

2
−3
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→
der 2.Zeile

8 3 2
5 1 2

4 −2 4
9 6 0

−1
0

0
0
8
5
0
0
3
1
0
0
Addition Vielfaches
−−−−−−−−−−−−→
der 1.Zeile


−1
8
3
2
0
5
1
2


0
20
4
8
0 −15 −3 −6

2
2
.
0
0
Es gilt
Satz 2.3.8 Ist (A, b) erweiterte Koeffizientenmatrix eines linearen Gleichungssystems und entsteht (A′ , b′ )
aus (A, b) durch elementare Zeilenumformungen, dann hat das zu (A′ , b′ ) gehörende lineare Gleichungssystem dieselbe Lösungsmenge wie das Ausgangssystem.
Hat A′ in (A′ , b′ ) Zeilenstufenform, dann erkennt man, ob das Ausgangssystem überhaupt lösbar ist und
kann in diesem Fall schrittweise von unten nach oben die Lösung bzw. die Lösungen berechnen.
Dazu ist es sinnvoll, die Matrizendarstellung zurück in die Gleichungsdarstellung zu überführen.
Beispiele 2.3.9
(1) Für das Beispiel 2.3.7 (1) erhält man das Gleichungssystem
−x1 + 8x2 + 3x3
5x2 + x3
x3
0
=
=
=
=
2
0
.
5
1
Da die 4. Gleichung für kein Tripel (x1 |x2 |x3 ) ∈ IR3 wahr ist, hat dieses Gleichungssystem und
damit auch das Ausgangs-Gleichungssystem keine Lösung.
(2) Für das Beispiel 2.3.7 (2) erhält man das Gleichungssystem
−x1 + 8x2 + 3x3
5x2 + x3
x3
0
=
=
=
=
2
0
.
5
0
Aus der 3. Gleichung ergibt sich x3 = 5. Einsetzen diese Wertes in die 2. Gleichung ergibt x2 = −1,
und Einsetzen der Werte von x2 und x3 in die 1. Gleichung ergibt x1 = 5, also ist das Gleichungssystem und damit auch das Ausgangs-Gleichungssystem eindeutig lösbar mit der Lösung (5|−1|5).
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
39
(3) Für das Beispiel 2.3.7 (2) erhält man das Gleichungssystem
−x1 + 8x2 + 3x3
5x2 + x3
0
0
=
=
=
=
2
2
.
0
0
Für beliebiges x3 ∈ IR ergibt sich aus der 2. Gleichung
1
2
x2 = − x3 + ,
5
5
und Einsetzen von x2 in die 1. Gleichung ergibt
x1 =
7
6
x3 + ,
5
5
also ist das Gleichungssystem und damit auch das Ausgangs-Gleichungssystem lösbar mit den
unendlich vielen Lösungen
7
6 1
2 (x1 |x2 |x3 ) =
a + − a + a ,
a ∈ IRbeliebig wählbar.
5
5
5
5
Es gilt allgemein
Satz 2.3.10
(a) Ein lineares Gleichungssystem
a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1k xk = b1
a21 x1 + a22 x2 + . . . + a2k xk = b2
..
.
an1 x1 + an2 x2 + . . . + ank xk = bn
hat keine, genau eine oder unendlich viele Lösungen (x1 , x2 , . . . , xk ) ∈ IRk .
(b) Ist (A′ , b′ ) mit A′ in Zeilenstufenform durch elementare Zeilenumformungen aus der erweiterten
Koeffizientenmatrix hervorgegangen, dann gilt
(i) Gibt es eine Zeile mit aij = 0 für alle 1 ≤ j ≤ k und bi 6= 0, dann ist das Gleichungssystem
nicht lösbar.
(ii) Ist k ≤ n, sind die Diagonalelemente“ aii 6= 0, und stehen in den Zeilen darunter nur
”
Nullen, dann ist das Gleichungssystem eindeutig lösbar.
Die Lösung erhält man durch schrittweises Auflösen der k-ten Gleichung nach xk , Einsetzen
von xk in die k − 1-te Gleichung und Bestimmung von xk−1 usw.
(iii) Sonst gibt es unendlich viele Lösungen. Stehen in der l + 1-ten bis zur n-ten Zeile nur Nullen,
dann können die Unbekannten xl+1 , xl+2 , . . . , xk beliebige reelle Werte annehmen. Die Werte
der anderen Unbekannten ergeben sich aus den ersten l Gleichungen.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
2.4
40
Quadratische Gleichungen
Eine quadratische Gleichung mit einer Unbekannten kann man immer in eine quadratische Gleichung
in Normalform umformen:
x2 + px + q = 0.
Die Lösungen stimmen mit den Nullstellen der Funktion
f (x) = x2 + px + q
überein. Da das Bild dieser Funktion eine Parabel mit Achse parallel zur y-Achse ist und eine Parabel
die x-Achse in zwei Punkten, einem Punkt oder gar nicht schneidet, ist anschaulich klar, dass eine
quadratische Gleichung mit einer Unbekannten zwei, eine oder keine Lösung besitzt.
Die Betrachtung der binomischen Formel
(x + a)2 = x2 + 2ax + a2
mit a ∈ IR
führt zur Idee der quadratischen Ergänzung:
Man wählt a so, dass der Ausdruck px in der algebraischen Gleichung mit dem gemischten Produkt 2ax
übereinstimmt, d.h. dass gilt
p
a := .
2
p 2
Addiert man
− q auf beiden Seiten der quadratischen Gleichung, erhält man die äquivalente Glei2
chung
p 2
p 2
x2 + px +
=
−q
2
2
bzw.
p 2
p 2
=
− q.
x+
2
2
x ist genau dann Lösung, wenn gilt
r
p
p 2
x+ =
−q
2
2
bzw.
p
x=− +
2
Das führt zu der pq-Formel
r
p 2
−q
2
x1,2
Bemerkungen und Beispiele 2.4.1
p 2
(1) D :=
− q heißt Diskriminante.
2
r
p 2
−q
2
r
p 2
− q.
2
oder
p
x+ =−
2
oder
p
x=− −
2
p
=− ±
2
r
p 2
− q.
2
p √
• Für D > 0 hat die quadratische Gleichung die beiden reellen Lösungen x1,2 = − ± D ,
2
p
• für D = 0 eine reelle Lösung, nämlich x = − ,
2
• für D < 0 keine reelle Lösung.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
41
Die quadratische Gleichung x2 + 6x + 5 = 0 hat Diskriminante D = 4 und die beiden Lösungen
x1 = −1 und x2 = −5.
Die quadratische Gleichung x2 + 6x + 9 = 0 hat Diskriminante D = 0 und die eindeutige Lösung
x = −3.
Die quadratische Gleichung x2 + 6x + 13 = 0 hat Diskriminante D = −4 und keine reelle Lösung.
(2) Um Gleichungen wie
x2 + 1 = 0
auch Lösungen zuzuordnen, erweitert man die Menge IR der reellen Zahlen um die Zahl“
”
√
i := −1
(imaginäre Einheit)
und die komplexen Zahlen
a + b · i,
a, b, ∈ IR.
Die Gleichung
x2 + 1 = 0
hat dann die beiden komplexen Lösungen x1 = i und x2 = −i und die Gleichung
x2 + 6x + 13 = 0
die beiden komplexen Lösungen
x1 = −3 + 2i
und
x2 = −3 − 2i.
Komplexe Lösungen treten genau dann auf, wenn die zur Gleichung zugehörige Parabel keine
Nullstellen hat, - sie sind also in der grafischen Darstellung nicht sichtbar.
(3) Eine quadratische Gleichung in der Form
ax2 + bx + c = 0,
a 6= 0
läßt sich leicht durch Division durch a in die äquivalente Normalform
x2 +
b
c
x+ =0
a
a
überführen. Nach quadratischer Ergänzung ergibt sich als direkte Lösungsformel der 1. Gleichung
b
1 p 2
x1,2 = − ±
b − 4ac.
2a 2a
Will man eine der beiden Formeln direkt zur Bestimmung der Lösungen nutzen, muss man sich
davon überzeugen, dass die quadratische Gleichung in der entsprechenden Ausgangsform vorliegt.
(4) Als Beispiele für quadratische Gleichungen in der Schule sind Gleichungen mit ganzzahligen Koeffizienten p und q interessant.
Aus der Teilbarkeitslehre folgt, dass die reellen Lösungen einer solchen Gleichung ganzzahlig oder
2
irrational sind, also eine rationale Lösung wie x = nicht auftreten kann.
3
Aus der pq-Formel folgt für die beiden Lösungen x1 und x2 der Koeffizientensatz von Vieta
x1 + x2 = −p
und
x1 · x2 = q,
d.h., dass die ganzzahligen Lösungen Teiler von q sein müssen.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
42
(5) Man kann die Beziehung des Vietaschen Koeffizientensatz
x1 + x2 = −p
und
x1 · x2 = q,
auch zur Probe verwenden.
Zum Beispiel hat die Gleichung x2 − 2x + 5 = 0 die Lösungen x1,2 = 1 ± 2i, und die Probe
ergibt
x1 + x2 = 2 = −p,
x1 · x2 = 5 = q.
Eine quadratische Gleichung mit zwei Unbekannten
au2 + bv 2 + eu + f v + guv + h = 0
kann man mit quadratischer Ergänzung in die äquivalente Gleichung
a′ x2 + b′ y 2 + cy + d = 0,
a′ , b′ , c, d ∈ IR,
a′ > 0,
umformen.
Wir betrachten
ax2 + by 2 + cy + d = 0,
a, b, c, d ∈ IR,
a > 0.
Für die verschiedenen Werte bzw. Vorzeichen von b, c, d ergeben sich folgende reelle Lösungsmengen:
• Die leere Menge ∅, wenn b ≥ 0, c = 0, d > 0.
• Nur der Nullpunkt (0|0), wenn b > 0, c = d = 0.
• Alle Punkte der y-Achse, d.h. {(0|y); y ∈ IR}, wenn b = c = d = 0.
r
d
• Alle Punkte der beiden zur y-Achse parallelen Geraden x = ± − , wenn b = c = 0, d < 0.
a
r
a
x,
• Die Vereinigung der Punkte der beiden sich im Nullpunkt schneidenden Geraden y = ±
−b
wenn b < 0, c = d = 0.
a
d
• Die zur y-Achse symmetrische Parabel y = − x2 − , wenn b = 0, c 6= 0.
c
c
r
• Die achsenparallele Ellipse mit Mittelpunkt (0|0) und Scheitelpunkten in
wenn b > 0, c = 0, d < 0.
r
−d −d |0 und 0|
,
a
b
r
d • Die achsensymmetrische Hyperbel mit Mittelpunkt (0|0), Scheitelpunkten in 0| ±
und
−b
r
a
Asymptoten y = ±
x, wenn b < 0, c = 0, d > 0.
−b
r
−d • Die achsensymmetrische Hyperbel mit Mittelpunkt (0|0), Scheitelpunkten in ±
|0 und
a
r
a
Asymptoten y = ±
x, wenn b < 0, c = 0, d < 0.
−b
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
43
Bemerkung 2.4.2
Auch quadratische Gleichungen mit drei Unbekannten müssen nicht lösbar sein, können eindeutig
lösbar sein oder unendlich viele reelle Lösungen haben. Die Lösungsmengen können im Raum darstellbar sein als
• Punkt,
• eine Gerade,
• eine Ebene,
• die Vereinigung zweier parallelen Ebenen oder zweier sich schneidenden Ebenen,
• ein elliptischer, parabolischer oder hyperbolischer Zylinder,
• ein elliptisches oder hyperbolisches Paraboloid,
• ein Kegel, Ellipsoid (speziell Kugel) oder ein- oder zweischaliges Hyperboloid.
2.5
Polynome
Wir betrachten im folgenden reelle algebraische Gleichungen mit einer Unbekannten x.
Jede solche algebraische Gleichung lässt sich in der Form
pn (x) = 0
darstellen, wobei
p(x) = a0 + a1 x + a2 x2 + a3 x3 + . . . + an xn =
n
X
ak xk
k=0
mit n ∈ IN0 ,
a0 , . . . , an ∈ IR
ein Polynom ist.
x heißt Unbestimmte, die Zahlen ak , 0 ≤ k ≤ n Koeffizienten des Polynoms.
Zwei Polynome betrachten wir als gleich, wenn sie - abgesehen von Summanden mit Koeffizienten 0 dieselben Summanden haben. Zum Beispiel sind
p1 (x) = 3 + 7x2 + 25x4
und
p2 (x) = 3 + 0x + 7x2 + 0x3 + 25x4 + 0x8
verschiedene Darstellungen desselben Polynoms.
Der größte vorkommende Exponent von x, dessen zugehöriger Koeffizient ungleich Null ist, heißt Grad
des Polynoms. Das obige Polynom hat also Grad 4.
Polynome der Form p(x) = a0 , a0 6= 0, haben Grad 0.
Dem Nullpolynom p(x) = 0 ordnen wir keinen Grad zu.
Die Menge der Polynome mit einer Unbestimmten x und Koeffizientenbereich ZZ (bzw. Q
I oder IR) nennen
wir ZZ[x] (bzw. Q[x]
I
oder IR[x]).
Polynome (mit Koeffizienten aus demselben Zahlenbereich) sind nicht nur Funktionen mit speziellen
Funktionsvorschriften, man kann auch mit ihnen rechnen ähnlich wie mit Zahlen, d.h. sie sind selbst
algebraische Objekte.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
44
Definition 2.5.1 Für die Polynome
Am (x) = am xm + am−1 xm−1 + . . . + a1 x + a0 ,
Bn (x) = bn xn + bn−1 xn−1 + . . . + b1 x + b0
mit m ≥ n, am 6= 0, bn 6= 0, und c aus dem zugrundeliegenden Zahlbereich heißt
(a)
Cm (x) := am xm + . . . + an+1 xn+1 + (an + bn )xn + . . . + (a1 + b1 )x + a0 + b0
Summe Am (x) + Bn (x) von Am (x) und Bn (x),
Dm (x) := c · am xm + c · am−1 xm−1 + . . . + c · a1 x + c · a0
(b)
Skalarprodukt c · Am (x) von Am (x) und c,
(c)
Em+n (x) := am xm + am−1 xm−1 + . . . + a1 x + a0 · bn xn + bn−1 xn−1 + . . . + b1 x + b0
Produkt Am (x) · Bn (x) von Am (x) und Bn (x).
Bemerkungen und Beispiele 2.5.2
(1) Für die Addition werden bei dem Polynom mit kleinerem Grad die fehlenden“ Koeffizienten mit
”
0 aufgefüllt.
Die Multiplikation entspricht dem Ausmultiplizieren der endlichen Summen (die die speziellen
Polynome darstellen,) und anschließendem Zusammenfassen gleicher Potenzen.
(2) Für A4 (x) = 3x4 + 2x3 − 2x + 5 und B2 (x) = 3x2 + 3x − 2 ergibt sich
A4 (x) + B2 (x) = 3x4 + 2x3 + 3x2 + x + 3
3 · A4 (x) = 9x4 + 6x3 − 6x + 15
A4 (x) · B2 (x) = 3x4 + 2x3 − 2x + 5 · 3x2 + 3x − 2 = 9x6 + 15x5 − 10x3 + 9x2 + 19x − 10
(3) In ZZ[x], Q[x]
I
bzw. IR[x] gelten für die Addition und Multiplikation dieselben Rechenregeln wie in
ZZ. Speziell gelten für Addition und Multiplikation jeweils das Assoziativgesetz, das Kommutativgesetz, das Nullpolynom p0 (x) = 0 ist das neutrale Element bezüglich der Addition und das
Einspolynom pe (x) = 1 das neutrale Element bezüglich der Multiplikation.
(4) Sind weder p1 (x), p2 (x) noch p1 (x) + p2 (x) gleich dem Nullpolynom, dann gilt
Grad p1 (x) + p2 (x) ≤ max Grad p1 (x), Grad p2 (x)
Grad p1 (x) · p2 (x) = Grad p1 (x) + Grad p2 (x).
und
Wir betrachten nun die Menge der Polynome mit Koeffizientenbereich Q
I oder IR.
Wie in ZZ gibt es eine Division mit Rest, die Polynomdivision:
Satz 2.5.3 Ist g(x) ein beliebiges festes Polynom, aber nicht das Nullpolynom, dann gibt es zu jedem
Polynom f (x) eindeutig bestimmte Polynome q(x) und r(x) mit
f (x) = q(x) · g(x) + r(x)
und
r(x) ist das Nullpolynom oder hat einen kleineren Grad als g(x).
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
45
Bemerkungen und Beispiele 2.5.4
(1) Ist das Restpolynom r(x) gleich dem Nullpolynom, dann nennt man g(x) Teilerpolynom von
f (x).
(2) Im Fall Grad f (x) < Grad g(x) muss r(x) = f (x) und q(x) das Nullpolynom sein.
(3) Sonst sortiert man sowohl bei f (x) als auch bei g(x) die Summanden absteigend nach der Höhe
des Exponenten von x und dividiert den 1. Summanden von f (x) durch den 1. Summanden von
g(x). Kommt eine Potenz, z.B. x4 , in einem der Polynome nicht vor, dann ist es nützlich, an ihre
Stelle z.B. den Ausdruck 0 · x4 zu setzen.
(4) Für f (x) = 18x4 + 15x3 − 2x + 1, g(x) = 3x2 + x − 1 erhält man mit
(18x4 + 15x3 + 0x2 − 2x + 1) : (3x2 + x − 1) = 6x2 + 3x + 1
18x4 + 6x3 − 6x2
9x3
9x3
+ 6x2 − 2x
+ 3x2 − 3x
3x2
3x2
+ x
+ x
+1
+1
−1
2
q(x) = 6x2 + 3x + 1 und r(x) = 2.
Uns interessieren die Lösungen einer algebraischen Gleichung, also die Nullstellen des zugehörigen Polynoms.
Wie das Beispiel der Gleichung
x2 + 1 = 0
zeigt, hat nicht jede algebraische Gleichung eine reelle Lösung bzw. nicht jedes Polynom mit reellen
Koeffizienten eine reelle Nullstelle.
Für Gleichungen mit ungeradem Grad liefert aber der Nullstellensatz der Analysis
Satz 2.5.5 Jedes Polynom mit reellen Koeffizienten und ungeradem Grad hat mindestens eine reelle
Nullstelle.
Kennt man nun schon eine Nullstelle des Polynoms, dann kann man das Ausgangsproblem mit Hilfe der
Polynom-Division vereinfachen:
Satz 2.5.6 Ist p(x) eine Polynom n-ten Grades und x1 eine Nullstelle von p(x), dann gibt es ein
Polynom q(x) vom Grad n − 1 mit
p(x) = (x − x1 ) · q(x).
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
46
Bemerkungen 2.5.7
(1) Ist p(x) ein Polynom vom Grad n mit reellen Koeffizienten und hat die k ≤ n (nicht notwendig
verschiedenen) Nullstellen x1 , . . . , xk , dann gibt es Polynom q(x) vom Grad n − k mit reellen
Koeffizienten und
p(x) = (x − x1 ) · (x − x2 ) · . . . · (x − xk ) · q(x),
d.h. das Polynom ist darstellbar als Produkt von k Linearfaktoren (x − xi ) und dem Polynom
q(x).
(2) Ein Polynom vom Grad n hat also höchstens n Nullstellen.
Erfolgreiches Erraten einer Nullstelle vereinfacht also das Problem der Bestimmung aller Nullstellen.
Im Fall von normierten Polynomen (d.h. an = 1) und mit ganzzahligen Koeffizienten gilt analog zu
Bemerkung 2.4.1 (4):
Satz 2.5.8 Bei einem normierten Polynom
p(x) = xn + an−1 xn−1 + an−2 xn−2 + . . . + a1 x + a0
mit ganzzahligen Koeffizienten ak ∈ ZZ, 0 ≤ k ≤ n, ist jede rationale Nullstelle ganzzahlig und Teiler von
a0 .
Bemerkung und Beispiel 2.5.9
(1) Der Satz behauptet nicht, daß jedes normierte Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten ganzzahlige Nullstellen besitzt, sondern nur, daß eine etwaige reelle Nullstelle entweder ganzzahlig oder
irrational ist.
(2) Das Polynom
p(x) = x3 + 5x2 + 11x + 15
hat Grad 3, also mindestens eine reelle Nullstelle x1 . Wenn x1 rational ist, dann ist x1 ganzzahlig
und Teiler von a0 = 15, also
x1 ∈ {±1, ±3, ±5, ±15}.
Das Polynom p(x) kann keine positive Nullstelle haben, und durch Testen der negativen Teiler
von 15 erhält man in der Tat eine Nullstelle x1 = −3. Polynom-Division ergibt
x3 + 5x2 + 11x + 15 = (x + 3)(x2 + 2x + 5).
Das verbleibende Polynom 2. Grades q(x) = x2 + 2x + 5 hat keine reellen Nullstellen, sondern nur
die komplexen Nullstellen
x2,3 = −1 ± 2i.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
2.6
47
Algebraische Gleichungen höherer Ordnung
Aus dem vorigem Abschnitt folgt
Satz 2.6.1
(a) Die algebraische Gleichung
an (x − x1 ) · (x − x2 ) · . . . · (x − xn ) = 0
hat die n Lösungen x1 , x2 , . . . , xn .
(b) Hat eine algebraische Gleichung vom Grad n genau n (nicht notwendig verschiedene) Lösungen
x1 , x2 , . . . , xn , dann kann man sie in der Form
an (x − x1 ) · (x − x2 ) · . . . · (x − xn ) = 0
darstellen.
(c) (Koeffizientensatz von Vieta) Hat eine normierte algebraische Gleichung vom Grad n
xn + an−1 xn−1 + an−2 xn−2 + . . . + a1 x + a0 = 0
genau n (nicht notwendig verschiedene) Lösungen x1 , x2 , . . . , xn , dann gilt
an−1 =
an−2 =
an−3 =
..
.
a0 =
−(x1 + x2 + . . . + xn )
x1 · x2 + x1 · x3 + . . . + xn−1 · xn
−(x1 x2 x3 + x1 x2 x4 + . . . + xn−2 xn−1 xn )
(−1)n x1 x2 x3 · · · xn .
Wie schon erwähnt, hat zwar jede algebraische Gleichung mit reellen Koeffizienten und mit ungeradem
Grad mindestens eine reelle Lösung, aber für geraden Grad muß das nicht gelten. Um auch für diese
Gleichungen Lösungen zu beschreiben, wurden die komplexen Zahlen eingeführt.
Es gilt nun sogar, daß auch jedes Polynom mit komplexen Koeffizienten vom Grad n genau n Nullstellen
in CI besitzt:
Satz 2.6.2 (Fundamentalsatz der Algebra) Sei
p(x) = an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0
ein beliebiges Polynom mit reellen oder komplexen Koeffizienten und Grad n.
(a) p(x) läßt sich in Linearfaktoren zerlegen, d.h. es gibt x1 , x2 , . . . , xn ∈ CI mit
p(x) = an (x − x1 )(x − x2 ) · . . . · (x − xn ).
(b) p(x) hat in CI genau die n (nicht notwendig verschiedenen) Nullstellen x1 , x2 , . . . , xn .
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
48
(c) Faßt man in der Linearfaktor-Zerlegung gleiche Faktoren zusammen, dann ergibt sich
p(x) = an (x − y1 )α1 (x − y2 )α2 · . . . · (x − yk )αk .
Die verschiedenen yj , 1 ≤ j ≤ k, heißen Nullstellen von p(x) der Ordnung αj .
Bemerkung 2.6.3
Gibt man umgekehrt n (komplexe) Zahlen x1 , x2 , . . . , xn vor, dann stimmt jedes Polynom p̃(x) mit
Grad p̃(x) = n, das genau diese Zahlen als Nullstellen hat, mit dem Polynom
p(x) = an (x − x1 )(x − x2 ) · . . . · (x − xn )
bis auf den Faktor an überein, ist also ein (skalares) Vielfaches von p(x).
Die komplexen, nicht reellen Nullstellen eines Polynoms mit reellen Koeffizienten sind nicht vollständig
von einander unabhängig:
Satz 2.6.4 Ist p(x) ein Polynom mit reellen Koeffizienten vom Grad n und z1 = x1 + iy1 eine komplexe
Nullstelle von p(x), dann ist auch z = x1 − iy1 eine Nullstelle von p(x).
Beispiel 2.6.5
Das Polynom
p(x) = x4 − 2x3 + 3x2 − 2x + 2 = 0
hat die komplexe Nullstelle x1 = i und damit die weitere komplexe Nullstelle x2 = −i.
Es hat damit den Teiler
q(x) = (x − i)(x + i) = x2 + 1.
Polynomdivision ergibt
x4 − 2x3 + 3x2 − 2x + 2 = (x2 + 1) · (x2 − 2x + 2)
und das zweite Polynom hat die Nullstellen x3 = 1 + i und x4 = 1 − i.
Für lineare und quadratische Gleichungen kann man die Lösungen direkt berechnen.
Eine Gleichung 3. Grades
x3 + ax2 + bx + c = 0
1
läßt sich durch kubische Ergänzung (bzw. durch die Substitution z := x + a) auf die etwas einfachere
3
Form
z 3 + 3p z + 2q = 0
(ohne quadratisches Glied) bringen. Die Nullstellen des neuen Polynoms werden durch die Cardanoschen Formeln(1545) beschrieben:
Eine Lösung ist z.B.
x1 =
q
3
−q +
p
q2
+
p3
+
q
3
−q −
p
q 2 + p3 .
Auch für eine Gleichung 4. Grades lassen sich Formeln für die Lösungen aufstellen, allerdings sind sie
noch komplizierter und damit ohne praktische Bedeutung.
2. Lösungen algebraischer Gleichungen
49
Natürlich lassen sich spezielle algebraische Gleichungen oft einfach lösen, z.B. Gleichungen wie
(x − a)n = 0
oder biquadratische Gleichungen
x4 + 2ax2 + a2 = 0.
Günstig ist es auch, wenn man die linke Seite als Produkt schreiben kann. Zum Beispiel ist die Lösungsmenge
von
x3 − 7x2 + 10x = x · (x2 − 7x + 10) = 0
die Vereinigung der Lösungsmengen der beiden Gleichungen
x=0
und x2 − 7x + 10 = 0
und die Lösungsmenge von
x4 + 2x3 − 3x2 − 8x − 4 = (x2 − 4) · (x2 + 2x + 1) = 0
die Vereinigung der Lösungsmengen der beiden Gleichungen
x2 − 4 = 0
und x2 + 2x + 1 = 0.
Die Bestimmung der Lösungen einer beliebigen algebraischen Gleichung nur mit Hilfe der algebraischen
Operationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division sowie des Wurzelziehens nennt man
Auflösbarkeit der Gleichung durch Radikale.
Gleichungen vom Grad 5 oder höher lassen sich, wie Abel 1820 zeigte, nicht mehr allgemein durch Radikale auflösen.
Auf Galois (1811-1832) geht die Charakterisierung der algebraischen Gleichungen zurück, die durch
Radikale auflösbar sind. Dabei werden Körpererweiterungen und spezielle Gruppen betrachtet.
50
3
Algebraische Strukturen
3.1
Ringe
3.1.1
Der Ring der ganzen Zahlen
Bei der Erweiterung der Menge IN der natürlichen Zahlen zur Menge ZZ der ganzen Zahlen fordert man
das Permanenzprinzip:
Die Grundgesetze des Rechnens sollen auch in dem erweiterten Zahlbereich Gültigkeit
haben.
Diese Grundgesetze sind:
(1) Axiom der Verknüpfung: Für beliebige a, b ∈ ZZ gibt es eindeutig bestimmte c, d ∈ ZZ mit
a + b = c (Summe)
und
a·b =d
(Produkt).
(2) Axiom der Kommutativität: Für beliebige a, b ∈ ZZ gilt
a+b=b+a
a·b =b·a
und
(3) Axiom der Assoziativität: Für beliebige a, b, c ∈ ZZ gilt
(a + b) + c = a + (b + c)
und
(a · b) · c = a · (b · c)
(4) Axiom der Existenz des Einselements: Es gibt in ZZ genau eine bezüglich der Multiplikation
neutrale Zahl e, so daß für alle a ∈ ZZ gilt a · e = a. Bezeichnung für e: 1.
(5) Axiom der Distributivität: Für beliebige a, b, c ∈ ZZ gilt
a · (b + c) = a · b + a · c.
(6) Axiom der Lösbarkeit der Subtraktionsaufgabe: Für beliebige a, b ∈ ZZ ist die Gleichung
a + x = b in ZZ eindeutig lösbar.
Bemerkung 3.1.1 Die ersten fünf Rechenregeln gelten auch schon in IN, das letzte ist i.a. falsch.
Diese Grundgesetze legen schon das Addieren und Multiplizieren in ZZ vollständig fest. Die meisten
anderen Rechenregeln lassen sich daraus herleiten, z.B. die folgenden Regeln für das Rechnen mit der
(in den Axiomen nicht besonders hervorgehobenen) Zahl 0:
Satz 3.1.2
(a) Es gibt in ZZ genau eine neutrale Zahl e′ , so daß für alle a ∈ ZZ gilt
a + e′ = a.
Bezeichnung für e′ : Nullelement 0.
3. Algebraische Strukturen
51
(b) Zu jeder Zahl a ∈ ZZ gibt es eine eindeutig bestimmte Gegenzahl (−a) ∈ ZZ, so daß gilt
a + (−a) = 0.
(c) Für alle a ∈ ZZ gilt
−(−a) = a,
d.h. die Gegenzahl der Gegenzahl ist die ursprüngliche Zahl.
(d) Für beliebige a, b ∈ ZZ erhält man die Lösung der Subtraktionsaufgabe
a+x=b
als Summe von b und der Gegenzahl (−a) von a.
(e) Für alle a ∈ ZZ gilt
3.1.2
a · 0 = 0.
Der allgemeine Ringbegriff
Im vorigen Abschnitt zeigte sich, daß nur wenige Axiome ausreichten, um die Rechenregeln bezüglich
Addition und Multiplikation in ZZ (fast) vollständig als Folgerungen der Gültigkeit dieser Axiome herzuleiten. Dabei spielte die genaue Additions- und Multiplikationsvorschrift bei den Folgerungen keine
Rolle.
Das bedeutet, daß diese Folgerungen für jede Menge mit zwei Verknüpfungen gelten, für die die Axiome
gültig sind. Man kann daher das vertraute Rechnen mit ganzen Zahlen in gewisser Weise auf allgemeinere
Mengen übertragen.
Definition 3.1.3 Sei R eine beliebige nichtleere Menge und f1 , f2 : R × R → R zwei Verknüpfungen.
Gelten dann für (R, f1 , f2 ) die Axiome des vorigen Abschnittes, dann heißt (R, f1 , f2 ) kommutativer
Ring mit Addition f1 , Multiplikation f2 und Einselement e.
Bemerkungen 3.1.4
(1) Die Addition im allgemeinen Ring wird i.a. wie in ZZ mit + und die Multiplikation mit · bezeichnet.
Die Rechenvorschriften müssen aber (außer der Gültigkeit der Axiome) nichts mit der gewohnten
Addition bzw. Multiplikation in ZZ zu tun haben.
(2) Wir legen wieder wie in ZZ fest, daß Punktrechnung vor Strichrechnung“ durchzuführen ist. Das
”
spart das Setzen von Klammern (z.B. im Vergleich zu dem Rechnen in der Mengenalgebra mit
Durchschnitt und Vereinigung).
(3) Gilt für die Multiplikation f2 nicht das Kommutativgesetz, dann nennt man (R, f1 , f2 ) Ring mit
Einselement. Allerdings muß man – da die Reihenfolge bei der Multiplikation jetzt eine Rolle
spielt – das Distributivaxiom ersetzen durch die
Axiome der Distributivität: Für beliebige a, b, c ∈ ZZ gilt
a · (b + c) = a · b + a · c
und
(b + c) · a = b · a + c · a.
(4) Gilt außerdem nicht das Axiom der Existenz des neutralen Elements bezüglich der Multiplikation,
dann nennt man R einfach Ring.
3. Algebraische Strukturen
52
Beispiele 3.1.5
(1) Die Menge GI := {. . . , −4, −2, 0, 2, 4, . . .} der geraden ganzen Zahlen ist mit der üblichen
Addition und Multiplikation ein kommutativer Ring (ohne Einselement).
(2) Die Menge der ungeraden Zahlen {. . . , −5, −3, −1, 1, 3, 5, . . .} ist mit der üblichen Addition und
Multiplikation kein Ring.
(3) Sei G eine nichtleere Menge. Die Potenzmenge P(G) := {X | X j G} erfüllt mit Vereinigungsund Durchschnittsbildung alle Axiome bis auf das Subtraktionsaxiom, ist also kein Ring.
(4) Aus Bemerkung 2.5.2 (3) und Satz 2.5.3 folgt
(a) ZZ[x], Q[x]
I
und IR[x] sind kommutative Ringe mit Einselement und heißen Polynomring
über ZZ bzw. Q
I bzw. IR.
(b) In Q[x]
I
und IR[x] existiert wie in ZZ eine Division mit Rest.
3.1.3
Der Restklassenring ZZ/m
Wir betrachten die Menge M := {0, 1, 2, . . . , 11}. Um ähnlich wie in ZZ eine Addition und Multiplikation
zu definieren, ordnen wir die Elemente (statt auf der Zahlengeraden) auf einem Kreis an:
0
11
1
10
2
9
3
❪
8
4
7
6
5
Die Summe s := a + b werde folgendermaßen errechnet:
Man geht, ausgehend von a, b Schritte in Pfeilrichtung und liest an der Stelle, an der man ankommt,
die Summe s ab.
Das Produkt p := a · b werde (analog zum Produkt in IN auf dem Zahlenstrahl) folgendermaßen
bestimmt:
Man geht, ausgehend von 0, a Schritte in Pfeilrichtung der Schrittlänge b und liest an der Stelle, an der
man ankommt, das Produkt p ab.
Natürlich kann man dieselbe Konstruktion für jede Menge mit m > 1 Elementen durchführen, d.h. man
kann zu beliebigen endlichen Mengen mit mindestens 2 Elementen eine entsprechende Addition“ und
”
eine Multiplikation“ definieren. Im obigen Beispiel wurde m = 12 in Anlehnung der Darstellung der
”
Tageszeit durch analoge Uhren gewählt.
Grundsätzlich kann man Verknüpfungen auf endlichen Mengen {a0 , . . . , am−1 } auch durch Verknüpfungstafeln mit m Zeilen und m Spalten beschreiben, bei denen an der Kreuzungsstelle der i-ten Zeile
und der j-ten Spalte das Ergebnis der Verknüpfung von ai−1 und bj−1 steht.
3. Algebraische Strukturen
53
Für die oben definierte Addition und Multiplikation ergibt sich zum Beispiel
für m = 4
und für m = 5
·
0
1
2
3
3
0
0
0
0
0
3
0
1
0
1
2
3
3
0
1
2
0
2
0
2
0
1
2
3
0
3
2
1
·
0
1
2
3
4
+
0
1
2
3
0
0
1
2
1
1
2
2
2
3
3
und
+
0
1
2
3
4
0
0
1
2
3
4
0
0
0
0
0
0
1
1
2
3
4
0
1
0
1
2
3
4
2
2
3
4
0
1
2
0
2
4
1
3
3
3
4
0
1
2
3
0
3
1
4
2
4
4
0
1
2
3
4
0
4
3
2
1
und
.
Wir betrachten nun die Division der ganzen Zahlen durch m mit Rest. Es treten nach Definition genau
die m Reste {0, 1, 2, . . . , m − 1} auf. Durch
a≃b
:⇔
bei Division von a bzw. b durch m ergibt sich derselbe Rest r
wird auf ZZ eine Äquivalenzrelation definiert, die ZZ in m Restklassen zerlegt.
Jeder der Reste liegt in genau einer Restklasse, d.h. man kann die Restklassen durch die Reste eindeutig
beschreiben. Es sei nun
a := {x ∈ ZZ | x dividiert durch m ergibt Rest a}.
Auf der Menge der Restklassen definieren wir eine Addition und eine Multiplikation:
Definition 3.1.6 Sei m ∈ IN, m > 1, und ZZ/m := {0, 1, . . . , m − 1} die Menge der Restklassen in ZZ
bezüglich m.
Für a ∈ a1 , b ∈ b1 sei
s := a + b,
p := a · b,
s1
der Rest von s,
p1
der Rest von p
bei Division durch m. Dann heißt
s1 := a + b
Summe
und
p1 := a · b
Produkt
von a und b.
Für diese beiden Rechenvorschriften gelten die Ring-Axiome, d.h.
Satz 3.1.7 Mit den beiden Rechenvorschriften aus der vorigen Definition ist (ZZ/m, +, ·) ein kommutativer Ring mit Einselement 1. Man nennt ihn den Restklassenring nach dem Modul m.
3. Algebraische Strukturen
54
Bemerkungen 3.1.8
(1) Zwei ganze Zahlen a und b liegen genau dann in derselben Restklasse, wenn a − b durch m teilbar
ist. Zwei derartige Zahlen nennt man auch kongruent modulo m.
In der Restklasse 0 liegen genau die Vielfachen von m.
(2) Das Beispiel m = 4 zeigt, daß nicht alle Rechenregeln in ZZ aus den Axiomen des kommutativen
Rings mit Einselements hergeleitet werden können.
In ZZ gilt die Nullteilerfreiheit, d.h. aus a · b = 0 folgt a = 0 oder b = 0.
In ZZ/4 gilt das nicht, denn 2 + 2 = 0, aber 2 6= 0.
Man zeigt leicht:
In ZZ/m gilt die Nullteilerfreiheit genau dann, wenn m eine Primzahl ist.
3.2
Körper
3.2.1
Der allgemeine Körperbegriff
In der Menge der ganzen Zahlen kann man nicht dividieren - deshalb erweitert man sie zur Menge der
rationalen Zahlen unter Beibehaltung der Regeln für die Addition, Multiplikation und für das Rechnen
mit Ungleichungen. Verallgemeinernd erhält man
Definition 3.2.1 Sei K eine beliebige Menge mit mindestens zwei Elementen, f1 , f2 : K × K → K zwei
Verknüpfungen und (K, f1 , f2 ) ein kommutativer Ring mit Einselement 1 und Nullelement 0. Zusätzlich
gelte
(7) Axiom der Lösbarkeit der Divisionsaufgabe: Für beliebige a, b ∈ K mit a 6= 0 ist die
Gleichung
a · x := f2 (a, x) = b
in K eindeutig lösbar.
Dann heißt (K, f1 , f2 ) Körper mit Addition f1 und Multiplikation f2 .
Beispiele 3.2.2
(1) Q
I und IR sind Körper.
(2) Streicht man in der Multiplikationstafel von ZZ/5 die 0-Zeile und die 0-Spalte, dann steht in jeder
Zeile und in jeder Spalte eine Permutation der Restklassen 1, 2, 3 und 4, d.h. das Axiom der
Lösbarkeit der Divisionsaufgabe ist erfüllt, ZZ/5 ist also ein Körper.
Genauso erkennt man aus der entsprechenden Multiplikationstafel, daß ZZ/4 kein Körper ist.
√
√
(3) Für die Menge Q[
I 2] := {a1 + a2 2 | a1 , a2 ∈ Q}
I werde durch
√
√
√
(a1 + a2 2) + (b1 + b2 2) := (a1 + b1 ) + (a2 + b2 ) 2,
√
√
√
(a1 + a2 2) · (b1 + b2 2) := (a1 b1 + 2a2 b2 ) + (a1 b2 + a2 b2 ) 2
√
eine Addition und eine Multiplikation definiert. Dann ist Q[
I 2] ein Körper.
Für einen Körper muß man das Axiom der Existenz des Einselements nicht voraussetzen, denn wie im
Ring die Existenz des Nullelements aus der Lösbarkeit der Subtraktionsaufgabe folgt, gilt dies analog
für das Einselement und die Lösbarkeit der Divisionsaufgabe.
3. Algebraische Strukturen
55
Satz 3.2.3 (a) Es gibt in K genau eine neutrale Zahl e′ bezüglich der Multiplikation, so daß für alle
a ∈ K gilt a · e′ = a.
Bezeichnung für e′ : Einselement 1.
(b) Zu jeder Zahl a ∈ K, a 6= 0, gibt es eine eindeutig bestimmte Gegenzahl a−1 ∈ K, so daß gilt
a · a−1 = 1.
Bezeichnung: inverses Element.
(a−1 )−1 = a, d.h. die Gegenzahl der Gegenzahl ist die ursprüngliche
(c) Für alle a ∈ K, a 6= 0, gilt
Zahl.
(d) Für beliebige a, b ∈ K, a 6= 0, erhält man die Lösung der Divisionsaufgabe
von b und der Gegenzahl a−1 von a.
(e) K ist nullteilerfrei, d.h. für alle a, b ∈ K folgt aus
ist.
a · b = 0,
a·x = b
als Produkt
daß einer der beiden Faktoren 0
Analog zur Konstruktion von Q
I aus ZZ kann man allgemeine nullteilerfreie kommutative Ringe zu einem
Körper erweitern:
Satz 3.2.4 Sei R ein nullteilerfreier kommutativer Ring mit mindestens 2 Elementen.
In R × (R \ {0}) betrachten wir die Äquivalenzrelation
(a, b) ≃ (c, d)
Dann bilden die Äquivalenzklassen
:⇔
ad = bc.
a
mit Addition und Multiplikation
b
a c
ad + bc
+ :=
,
b d
bd
a c
ac
· :=
b d
bd
einen Körper.
Beispiel 3.2.5 Zu dem Polynomring ZZ[x] erhält man den Körper der (gebrochen) rationalen Funktionen
{
3.2.2
p(x)
| p(x), q(x) ∈ ZZ[x], q(x) 6= 0}.
q(x)
Der Körper der komplexen Zahlen
Da Quadrate reeller Zahlen stets nichtnegativ sind, hat die Gleichung x2 = −1 keine (reelle) Lösung.
Es besteht also eine ähnliche Situation wie bei der Lösbarkeit der Gleichung 3x = 7 innerhalb ZZ.
Für die Lösbarkeit der letzten Gleichung führte man die rationalen Zahlen ein. Analog erweitert man
IR:
√
Definition 3.2.6 (a) i := −1, d.h. die Zahl“ i mit i2 = −1, heißt imaginäre Einheit.
”
(b) Die Menge
CI := {z = a + bi | a, b ∈ IR} heißt Menge der komplexen Zahlen.
Re z := a heißt Realteil, Im z := b Imaginärteil von z = a + bi.
Zwei komplexe Zahlen z1 = a1 + b1 i und z2 := a2 + b2 i heißen gleich, wenn a1 = a2 und b1 = b2 ,
d.h. wenn sie in Real- und Imaginärteil übereinstimmen.
Eine Zahl der Form bi (mit b ∈ IR) heißt Imaginärzahl.
3. Algebraische Strukturen
56
(c) In CI seien folgendermaßen Addition und Multiplikation definiert:
z1 + z2 = (a1 + b1 i) + (a2 + b2 i) := (a1 + a2 ) + (b1 + b2 )i
z1 · z2 = (a1 + b1 i) · (a2 + b2 i) := (a1 · a2 − b1 · b2 ) + (a1 · b2 + a2 · b1 )i.
Bemerkungen 3.2.7
(1) Man rechnet also in C,
I als ob i eine durch einen Buchstaben vertretene reelle Zahl sei, und ersetzt
2
jeweils i durch −1.
(2) Die Nichtlösbarkeit der Gleichung x2 = −1 in IR wird einfach durch Definition neuer Symbole
behoben. Allerdings wäre es möglich, daß eine solche Lösung grundsätzlich nicht existiert bzw. zu
nicht auflösbaren Widersprüchen führt. Schließlich kann man die Gleichung 0 · x = 1 auch nicht
lösen und die Einführung eines Reziproken j := 0−1 von 0 führt bei Anwendung des Distributivgesetzes zu
1 = 0 · j = (0 + 0) · j = 0 · j + 0 · j = 1 + 1 = 2.
Für die Definition von CI könnte man die Menge
IR2 := IR × IR := {(a, b) | a, b ∈ IR}
betrachten mit folgender Addition und Multiplikation
(a1 , b1 ) + (a2 , b2 ) := (a1 + a2 , b1 + b2 )
(a1 , b1 ) · (a2 , b2 ) := (a1 · a2 − b1 · b2 , a1 · b2 + a2 · b1 ).
Identifiziert man jetzt ein Zahlenpaar (a, 0) mit der reellen Zahl a, dann hat man ohne Definition
eines neuen Symbols eine Menge eingeführt, die genau dieselben algebraischen Eigenschaften hat
wie C,
I also als andere Darstellung derselben Menge aufgefaßt werden kann. (Addition und Multiplikation sind natürlich so definiert, daß sie genau der Addition und Multiplikation in CI entsprechen.
Das Paar (0, 1) entspricht der imaginären Einheit.)
CI kann man als 2-dimensionalen reellen Vektorraum auffassen.
(3) Mit Einführung der Imaginärzahlen werden alle in IR nicht lösbaren reinquadratischen Gleichungen
x2 = −a
mit a ∈ IR, a > 0,
√
lösbar. Die Lösungen sind nämlich x1,2 = ± a i.
Zu in IR nicht lösbaren gemischtquadratischen Gleichungen der Form
x2 + bx + c = 0,
b, c ∈ IR,
b2 − 4c < 0,
erhält man mit quadratischer Ergänzung die Lösungen x1,2 =
b
ip
±
4c − b2 .
2
2
Satz 3.2.8 Die Menge CI bildet mit der Addition und Multiplikation aus der vorigen Definition einen
Körper.
3. Algebraische Strukturen
57
Bemerkung 3.2.9
Bei dem Nachweis der Lösbarkeit der Divisionsaufgabe zeigt man, daß das Reziproke einer komplexen
Zahl z = a + bi 6= 0 gleich
a
b
z −1 = 2
−
i
a + b2 a2 + b2
ist. Dabei wird die 3. binomische Formel
(a + bi) · (a − bi) = a2 − b2 i2 = a2 + b2
benutzt. Die beiden Faktoren nennt man (zueinander) konjugiert komplexe Zahlen.
Ist z = a + bi, dann bezeichnet man die dazu konjugierte Zahl mit z, d.h. es gilt z = a − bi.
Es gilt z = z genau dann, wenn z ∈ IR, und z = −z genau dann, wenn z imaginär.
3.2.3
Darstellung der komplexen Zahlen in der Zahlenebene
Die reellen Zahlen und die Rechenoperationen konnten sehr anschaulich auf der Zahlengeraden dargestellt werden. Verwendet man ein rechtwinkliges (kartesisches) Koordinatensystem, dann kann man
jeder komplexen Zahl z = a + bi umkehrbar eindeutig den Punkt der Ebene mit den Koordinaten (a, b)
zuordnen.
Die reellen Zahlen entsprechen den Punkten der x-Achse (auch reelle Achse genannt), die imaginären
Zahlen der y-Achse (imaginäre Achse genannt).
Die den Zahlen z und −z entsprechenden Punkte liegen symmetrisch bezüglich des Nullpunkts, die den
konjugierten Zahlen z und z entsprechenden Punkte symmetrisch bezüglich der reellen Achse.
−−
→
Stellt man die Punkte der komplexen Zahlenebene durch Ortsvektoren dar, d.h. durch Pfeile OP vom
Nullpunkt O zu dem entsprechenden Punkt P , dann läßt sich die Summe zweier komplexer Zahlen
−−→
durch Vektoraddition der zugehörigen Ortsvektoren darstellen, d.h. der Ortsvektor OP zu der Summe
−−→
−−→
von OP1 und OP2 ist die Diagonale des Parallelogramms OP1 P2 P .
y ✻
Im (z1 + z2 )
Im z2
Im z1
O
✸
P
P1
✁✕
✁
z1 + z2
z1✁
✿ P2
✘
✘
✁
✘✘
✘
✘
✘
✁
✘✘ z2
✘
✁ ✘✘
Re z1
Re z2
✲
Re (z1 + z2 )
x
Der Ortsvektor, der in der komplexen Zahlenebene die komplexe Zahl z = a + bi beschreibt, ist durch
die kartesischen Koordinaten eindeutig bestimmt.
3. Algebraische Strukturen
58
Man kann ihn aber auch mit Hilfe der Polarkoordinaten festlegen: Dabei sei ϕ der Winkel zwischen der
positiven reellen Achse und dem Ortsvektor und r = |z| die Länge des Ortsvektors. ϕ heißt Argument
und |z| Betrag der komplexen Zahl z.
y ✻
Im z
✯ P
✟
✟
✟
✟
z✟✟
✟
✟
✟✟
✟
✟ ϕ ▼
✲
O
Re z
x
Aus dem Satz des Pythagoras und der Trigonometrie folgt der Zusammenhang zwischen kartesischen
und Polar-Koordinaten
a = r cos ϕ = |z| cos ϕ,
b = r sin ϕ = |z| sin ϕ
bzw.

b


für a > 0
arctan


a


π


p
für a = 0, b > 0
2
2
|z| = a + b ,
.
ϕ= 2
b


arctan
+
π
für
a
<
0


a


π

−
für a = 0, b < 0
2
Aus den Additionstheoremen der trigonometrischen Funktionen folgt
z1 · z2 =
|z1 |(cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) · |z2 |(cos ϕ2 + i sin ϕ2 )
= |z1 | |z2 | cos(ϕ1 + ϕ2 ) + i sin(ϕ1 + ϕ2 ) .
Bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen multiplizieren also sich die Beträge und addieren sich
die Argumente. Damit ergibt sich eine geometrische Konstruktion des Produktes:
y ✻
z = z1 · z2
✗
z2
✸
✒ ✑✑
✑
❨ ϕ1
✑
✑
✑
■
✑ ϕ2
✑ ❑
✑ ϕ1
0
1
z1
✲
x
Man verbinde z1 mit dem Punkt 1 (auf der reellen Achse) und konstruiere den Punkt z so, daß die
Dreiecke 01z1 und 0z2 z ähnlich sind.
3. Algebraische Strukturen
3.2.4
59
Moivre-Formeln und Kreisteilungsgleichung
Als Verallgemeinerung der Multiplikationsformel zweier komplexer Zahlen in Polarform
z1 · z2 = |z1 | |z2 | cos(ϕ1 + ϕ2 ) + i sin(ϕ1 + ϕ2 )
ergibt sich für die n-te Potenz einer komplexen Zahl
Satz 3.2.10 (Moivre-Formel) Für n ∈ IN, z = r(cos ϕ + i sin ϕ) gilt
n
z n = r(cos ϕ + i sin ϕ) = r n cos(nϕ) + i sin(nϕ) .
Die n-te Potenz einer komplexen Zahl mit Betrag r und Argument ϕ hat also das n-fache Argument nϕ
und als Betrag r n .
Für die Umkehrung der Potenzierung, d.h. das Bestimmen der n-ten Wurzel einer komplexen Zahl
Z := R(cos α + i sin α) nutzen wir diese Formel aus.
In IR hat eine Gleichung der Form xn = a keine, eine oder zwei Lösungen. In CI gilt
Satz 3.2.11 Sei n ∈ IN, Z = R(cos α + i sin α) ∈ C.
I Dann hat die Gleichung
zn = Z
genau n komplexe Lösungen, nämlich
√
n
zk = R(cos ϕk + i sin ϕk )
mit ϕk =
α
360o
+k
,
n
n
0 ≤ k ≤ n − 1.
Bemerkungen 3.2.12
(1) Man erhält alle Lösungen der Gleichung in der komplexen Zahlenebene, indem man um den Null√
α
n
punkt einen Kreis mit Radius R zeichnet und darauf den Punkt z0 mit Argument bestimmt.
n
Die weiteren Lösungen sind die Punkte, die entstehen, wenn man, ausgehend von z0 , den Kreis in
n gleiche Teile teilt.
(2) Ist a reell, dann hat die
Gleichung z n = a genau n komplexe Lösungen. Da der Kreis um den
p
Nullpunkt mit Radius n |a| die reelle Zahlengerade (d.h. die reelle Achse) in genau zwei Punkten
schneidet, können höchstens zwei der komplexen Lösungen reell sein.
(3) Bei der Gleichung
zn = 1
ist die erste Lösung immer z0 = 1. Die n Lösungen heißen n-te Einheitswurzeln.
(4) Aus der Moivre-Formel folgt, daß sich bei Potenzierung einer komplexen Zahl mit Betrag 1 das
Argument ver-n-facht, d.h. es gilt ein entsprechendes Verhalten wie beim Exponenten einer Potenz.
Man kürzt daher die Polarform einer komplexen Zahl mit Betrag 1 oft durch eiϕ ab, also
eiϕ := cos ϕ + i sin ϕ.
(Euler-Formel)
Es gilt dann
z = r(cos ϕ + i sin ϕ) = reiϕ ,
e2πi = 1,
1
cos ϕ = (eiϕ + e−iϕ ),
2
z n = r n einϕ
e−iϕ = cos ϕ − i sin ϕ,
1
sin ϕ = (eiϕ − e−iϕ ).
2i
3. Algebraische Strukturen
3.3
Gruppen
3.3.1
Der allgemeine Gruppenbegriff
60
Bisher haben wir (bei den Ringen und Körpern) Mengen betrachtet, für die zwei verschiedene Verknüpfungen gegeben waren. Beschränkt man sich auf die Betrachtung einer Verknüpfung, und gelten
die entsprechenden Axiome, dann nennt man die Menge Gruppe bezüglich dieser Verknüpfung.
Definition 3.3.1 Sei M eine nichtleere Menge, ◦ eine Abbildung auf M × M . Gelten das
(1) Axiom der Verknüpfung: Für beliebige a, b ∈ M gibt es ein eindeutig bestimmtes c ∈ M mit
a ◦ b = c,
(2) Axiom der Assoziativität: Für beliebige a, b, c ∈ M gilt (a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c),
(3) Axiom der Lösbarkeit der Aufgabe der Umkehrverknüpfung: Für beliebige a, b ∈ M sind
die Gleichungen a ◦ x = b und y ◦ a = b in M eindeutig lösbar,
dann heißt (M, ◦) Gruppe. Gilt zusätzlich das
(4) Axiom der Kommutativität: Für beliebige a, b ∈ M gilt a ◦ b = b ◦ a,
dann heißt die Gruppe kommutativ (oder abelsch).
Beispiele 3.3.2
(1) Natürlich ist jeder Ring und jeder Körper kommutative Gruppe bezüglich der Addition, speziell
z.B. (ZZ, +), (IQ, +), (IR, +), (IC, +). Weiter ist für jeden Körper K mit Nullelement 0 die Menge
(K \ {0}, ·) kommutative Gruppe bezüglich der Multiplikation, speziell z.B. ({x ∈ IR|x 6= 0}, ·).
(2) Die 6. Einheitswurzeln
ǫ0 = 1,
√
1
ǫ1 = (1 + i 3),
2
√
1
ǫ2 = − (1 − i 3),
2
ǫ3 = −1,
√
1
ǫ4 = − (1 + i 3),
2
√
1
ǫ5 = (1 − i 3)
2
bilden bezüglich der Multiplikation (in C)
I eine kommutative Gruppe.
(3) Die Funktionen fn : IR \ {0, 1} → IR \ {0, 1}, 1 ≤ n ≤ 6, mit
f1 (x) = x,
f2 =
1
,
x
f3 (x) = 1 − x,
f4 (x) =
x
,
x−1
f5 (x) =
x−1
,
x
f6 (x) =
1
1−x
bilden eine Gruppe bezüglich der Hintereinanderausführung von Funktionen, d.h. bezüglich der
Verknüpfung
(fi ◦ fj )(x) := fi fj (x) .
Die Gruppe ist nicht kommutativ.
(4) Sei m ∈ IN, m > 1. Im Restklassenring ZZ/m heißt eine Restklasse a prim, wenn a und m
teilerfremd sind, d.h. 1 der größte gemeinsame ganzzahlige Teiler ist.
Es gilt dann nämlich, dass jedes Element b ∈ a zu m teilerfremd ist.
Die primen Restklassen in ZZ/m bilden bezüglich der Multiplikation in ZZ/m eine kommutative
Gruppe.
Ist speziell m eine Primzahl, dann besteht diese Gruppe aus den Restklassen 1, 2, . . . , p − 1.
3. Algebraische Strukturen
61
(5) Die Bewegungen der Ebene, die eine vorgegebene Figur in der Ebene auf sich abbilden, heißen
Deckbewegungen der Figur.
Für ein gleichseitiges Dreieck sind das die 3 Geradenspiegelungen an den Mittelsenkrechten des
Dreiecks, die 2 Drehungen um den Mittelpunkt (Umkreismittelpunkt, Schwerpunkt) des Dreiecks
um 1200 bzw. 2400 gegen den Uhrzeigersinn und die identische Abbildung.
Die Abbildungen kann man untereinander durch die Bilder der Dreiecksecken unterscheiden:
Sind die Dreiecksecken durch 1, 2 bzw. 3 bezeichnet, und kennzeichnet man durch (a b c) (mit
a, b, c ∈ {1, 2, 3}) die Deckbewegung, die die Ecke 1 auf die Ecke a, 2 auf b und 3 auf c abbildet,
dann werden die obigen Abbildungen in der angegebenen Reihenfolge beschrieben durch
b1 = (2 1 3),
b2 = (3 2 1),
b3 = (1 3 2),
b4 = (2 3 1),
b5 = (3 1 2),
b0 = (1 2 3).
Die Deckbewegungen des gleichseitigen Dreiecks bilden eine nichtkommutative Gruppe.
Bemerkungen 3.3.3
(1) Sei (G, ◦) eine Gruppe, a ∈ G.
Eine Lösung der Gleichung a ◦ x = a heißt rechtsneutrales Element, eine Lösung der
Gleichung x ◦ a = a linksneutrales Element.
Wie beim Nullelement bzw. Einselement in Ringen und Körpern kann man zeigen:
Es gibt genau ein e ∈ G, so daß für alle a ∈ G gilt a ◦ e = a und e ◦ a = a. e heißt neutrales
Element.
Es gilt weiter: Ist für ein a ∈ G das Element e′ linksneutral oder rechtsneutral, dann ist e′ das
neutrale Element von G.
(2) Die Lösung der Gleichung a ◦ y = e heißt zu a rechtsinverses Element, die Lösung von x ◦ a = e
linksinverses Element.
Es gilt wieder: Ist x ∈ G zu a ∈ G rechtsinvers, dann ist x zu a auch linksinvers und umgekehrt.
x heißt inverses Element. Bezeichnung: a−1 .
−1
Wie bei Ringen und Körpern gilt: a−1
= a.
(3) Das zu dem Produkt“ a ◦ b inverse Element ist b−1 ◦ a−1 , und allgemein erhält man das Inverse
”
zu einem Produkt von n Elementen in G, indem man die Inversen der einzelnen Elemente in
umgekehrter Reihenfolge miteinander verknüpft.
Die Gruppen aus Beispiel (3) und (5) unterscheiden sich in ihren Elementen.
Ersetzt man allerdings formal in der Verknüpfungstafel von Beispiel (5) die Deckabbildung bj durch
fj+1 , 0 ≤ j ≤ 5, dann stimmt die Tafel mit der Verknüpfungstafel von Beispiel (3) überein. Zwischen
den beiden Gruppen gibt es also eine Zuordnung, die jedem Element der einen Gruppe genau ein
Element der anderen Gruppe zuordnet und umgekehrt (d.h. eine bijektive Abbildung), und die mit den
Gruppenverknüpfungen verträglich ist, d.h. es ist im Ergebnis gleichgültig, ob man zuerst in der ersten
Gruppe zwei Elemente miteinander verknüpft und das Produkt in die andere Gruppe abbildet, oder
ob man zuerst die beiden Elemente in die andere Gruppe abbildet und dann die Bilder miteinander
verknüpft.
Definition 3.3.4 Seien (G1 , ◦) und (G2 , •) Gruppen. Eine bijektive Abbildung f : G1 → G2 heißt
Isomorphismus, wenn für alle a, b ∈ G1 gilt f (a ◦ b) = f (a) • f (b). Die Gruppen heißen zueinander
isomorph.
3. Algebraische Strukturen
62
Bemerkungen 3.3.5
(1) Da in der Gruppentheorie die spezielle Gestalt der Gruppenelemente keine Rolle spielt, sondern
nur die Eigenschaften der Verknüpfung, kann man also zueinander isomorphe Gruppen mit Mitteln
der Gruppentheorie nicht voneinander unterscheiden. Das erklärt die Bezeichnung (isomorph =
von gleicher Gestalt, griech.).
(2) Isomorphismus“ bedeutet in den verschiedenen mathematischen Teildisziplinen nicht genau das”
selbe. Es bezeichnet aber immer eine bijektive Abbildung zwischen zwei Mengen, die mit den für
die Teildisziplin wesentlichen Eigenschaften der Mengen verträglich ist.
Zum Beispiel ist in der Körpertheorie ein Isomorphismus eine bijektive Abbildung
f : K1 → K2
mit f (a + b) = f (a) ⊕ f (b) und f (a · b) = f (a) ⊙ f (b),
in der reellen Vektorraumtheorie (Linearen Algebra) eine bijektive lineare Abbildung
f : V1 → V2
mit
f (a + b) = f (a) ⊕ f (b) und f (α a) = α f (a),
α ∈ IR,
und in der Analysis eine bijektive stetige Abbildung, deren Umkehrabbildung auch stetig ist.
(3) Zwei endliche Gruppen (d.h. mit endlich vielen Elementen) können nur dann zueinander isomorph
sein, wenn sie gleich viele Elemente haben. Für unendliche Gruppen müssen ihre Kardinalzahlen
übereinstimmen.
Die Anzahl der Elemente einer Gruppe nennt man Ordnung der Gruppe.
(4) Eine nichtkommutative Gruppe kann nie zu einer kommutativen Gruppe isomorph sein. Die Gruppen aus den Beispielen (2) und (3) sind also nicht zueinander isomorph.
(5) Ist e das neutrale Element in G1 , e′ das neutrale Element in G2 , a ∈ G1 beliebig und sind G1 und
G2 isomorph (mit Isomorphie f : G1 → G2 ), dann gilt
f (e) = e′
und
−1
f (a−1 ) = f (a) .
(6) Alle Gruppen der Ordnung 2 sind zueinander isomorph, und desgleichen alle Gruppen der Ordnung 3. Weiter gibt es zwei Isomorphieklassen von Gruppen der Ordnung 4, und jede Gruppe der
Ordnung 4 liegt in einer der beiden Klassen.
Beispiel 3.3.6
Die Menge {10n |n ∈ ZZ} ist bezüglich der Multiplikation eine Gruppe, die isomorph
zur Gruppe (ZZ, +)
ist. Analog ist die Gruppe (IR, +) isomorph zur Gruppe {x ∈ IR | x > 0}, · .
3.3.2
Die Untergruppe
Hat eine Menge eine besondere Eigenschaft (Struktur), dann untersucht man Teilmengen, die dieselbe
Eigenschaft haben. Für Gruppen heißt das:
Definition 3.3.7 Sei (G, ◦) eine Gruppe, U ⊂ G eine Teilmenge. U heißt Untergruppe von G, wenn
(U, ◦) Gruppe ist.
3. Algebraische Strukturen
63
Beispiele 3.3.8
(1) Jede Gruppe (und damit auch Untergruppe) enthält das neutrale Element e, ist also nichtleer.
{e} ist die kleinstmögliche Untergruppe jeder Gruppe.
G ist ebenfalls Untergruppe und natürlich die größtmögliche Untergruppe von G.
(2) ZZ ist Untergruppe von (IQ, +), (IR, +) und (IC, +).
Q
I \ {0} ist Untergruppe von {x ∈ IR|x 6= 0}, ·) und {x ∈ C|x
I 6= 0}, ·).
(3) Die 3. Einheitswurzeln {ǫ0 , ǫ2 , ǫ4 } bilden eine Untergruppe der Gruppe der 6. Einheitswurzeln.
(4) Die Teilmenge der Drehungen {b0 , b4 , b5 } ist Untergruppe der Deckabbildungen des gleichseitigen
Dreiecks.
Bemerkung 3.3.9
Eine Teilmenge U ist Untergruppe der Gruppe (G, ◦) genau dann, wenn die Teilmenge gegenüber der
Verknüpfung und der Inversenbildung abgeschlossen ist, d.h. wenn für alle a, b ∈ U gilt
a◦b∈ U
b−1 ∈ U.
und
Beide Bedingungen kann man auch zusammenfassen zu:
Für alle a, b ∈ U ist
a ◦ b−1 ∈ U .
Wichtige und einfache Beispiele für Untergruppen sind die zyklischen Gruppen:
Satz 3.3.10 Sei (G, ◦) eine Gruppe, a ∈ G ein festes Element,
a0 = e,
an := a
. . ◦ a},
| ◦ .{z
n
Dann ist
−1
a−n := a
. . ◦ a−1}
| ◦ .{z
n
für n ∈ IN.
U := {an | n ∈ ZZ}
eine kommutative Untergruppe von G.
Sie heißt die von a erzeugte zyklische Gruppe.
Ist U endlich, dann heißt die Ordnung von U Ordnung des Elements a.
Beispiele 3.3.11
(1) (ZZ, +) ist eine von dem Element 1 erzeugte unendliche zyklische Gruppe.
(2) {ǫ0 , ǫ2 , ǫ4 }, · ist eine von ǫ2 erzeugte zyklische Gruppe. ǫ2 hat Ordnung 3.
(3) Ist (G, ◦) eine endliche Gruppe, a ∈ G, dann bildet schon die Menge {an | n ∈ IN} der Potenzen
von a mit positivem Exponenten die von a erzeugte zyklische Untergruppe.
Sie ist endlich, d.h. es gibt mindestens zwei Potenzen mit am = an und 0 < m < n.
Es gibt weiter ein n ∈ IN mit an = e, und der kleinste dieser Exponenten ist gleich der Ordnung
von a.
3. Algebraische Strukturen
64
Wir betrachten nun eine Gruppe (G, ◦) und eine Untergruppe U . Sei a ∈ G ein beliebiges festes Element.
Dann ist die Menge der Produkte
a ◦ U := {a ◦ b| b ∈ U }
eine Teilmenge von G.
a ◦ U heißt die (Links-)Nebenklasse von a bezüglich U .
Beispiel 3.3.12
Sei U die Untergruppe der Drehungen in der Gruppe der Deckabbildungen des gleichseitigen Dreiecks.
Dann ergeben sich die Nebenklassen
b0 ◦ U = {b0 , b4 , b5 },
b1 ◦ U = {b1 , b2 , b3 },
b4 ◦ U = {b0 , b4 , b5 },
b5 ◦ U = {b0 , b4 , b5 }.
b2 ◦ U = {b1 , b2 , b3 },
b3 ◦ U = {b1 , b2 , b3 },
Die Nebenklassen in Beispiel 3.3.12 sind entweder identisch oder disjunkt, und ihre Vereinigung ist ganz
G, d.h. sie haben dieselben Eigenschaften wie Äquivalenzklassen. In der Tat lassen sie sich auch durch
eine Äquivalenzrelation erzeugen:
Satz 3.3.13 Sei (G, ◦) eine Gruppe, U eine Untergruppe von G. Weiter gelte
a∼b
a−1 ◦ b ∈ U.
⇔
Dann ist ∼ eine Äquivalenzrelation auf G und die zugehörigen Äquivalenzklassen sind die Nebenklassen
bezüglich U .
Bemerkungen 3.3.14
(1) Zwei Nebenklassen sind also gleich oder disjunkt. Ist a ∈ U , dann ist
a ◦ U = U.
(2) Durch
f :a◦U →b◦U
mit f (x) := b ◦ a−1 ◦ x
wird eine bijektive Abbildung zwischen a ◦ U und b ◦ U definiert.
Zwei verschiedene Nebenklassen bezüglich U sind also gleichmächtig und haben dieselbe Kardinalzahl wie U .
Hat U n Elemente, dann haben alle Nebenklassen n Elemente.
Satz 3.3.15 (a) Ist (G, ◦) eine endliche Gruppe mit Ordnung n, hat U die Ordnung m und gibt es k
verschiedene Nebenklassen bezüglich U , dann gilt
n = km,
die Ordnung der Untergruppe U ist also Teiler der Ordnung von G.
(b) Die Ordnung jedes Elements a einer endlichen Gruppe G ist Teiler der Ordnung von G.
(c) In einer Gruppe mit n Elementen gilt
an = e
für jedes Element a ∈ G.
3. Algebraische Strukturen
3.3.3
65
Symmetriegruppen
Wir haben schon die Gruppe der Deckabbildungen eines gleichseitigen Dreiecks kennengelernt.
Ist statt des Dreiecks eine beliebige Figur (in der Ebene oder im Raum) gegeben, dann ist immer die
identische Abbildung (der Ebene oder des Raums) eine Abbildung, die die Figur (sogar punktweise)
auf sich abbildet. Es kann andere solcher Abbildungen geben, und die Menge der Abbildungen bildet
immer eine Gruppe bezüglich der Hintereinanderausführung. Diese Gruppe heißt Symmetriegruppe
der entsprechenden Figur.
Für ein regelmäßiges Fünfeck enthält die zugehörige Symmetriegruppe T10
• die identische Abbildung id der Ebene,
• die Drehungen d1 , d2 , d3 , d4 um den Umkreismittelpunkt um 720 , 1440 , 2160 und 2880
• sowie die 5 Spiegelungen s1 , s2 , s3 , s4 und s5 .
Für die Verknüpfungstafel ergibt sich
id
d1
d2
d3
d4
s1
s2
s3
s4
s5
id
id
d1
d2
d3
d4
s1
s2
s3
s4
s5
d1
d1
d2
d3
d4
id
s3
s4
s5
s1
s2
d2
d2
d3
d4
id
d1
s5
s1
s2
s3
s4
d3
d3
d4
id
d1
d2
s2
s3
s4
s5
s1
d4
d4
id
d1
d2
d3
s4
s5
s1
s2
s3
s1
s1
s4
s2
s5
s3
id
d2
d4
d1
d3
s2
s2
s5
s3
s1
s4
d3
id
d2
d4
d1
s3
s3
s1
s4
s2
s5
d1
d3
id
d2
d4
s4
s4
s2
s5
s3
s1
d4
d1
d3
id
d2
s5
s5
s3
s1
s4
s2
d2
d4
d1
d3
id
s4
s3
s5
s2
s1
Außer der trivialen Untergruppe {id} enthält T10 die Drehgruppe D5 := {id, d1 , d2 , d3 , d4 } sowie die 5
von je einer Spiegelung erzeugten Untergruppen Sk := {id, sk }, 1 ≤ k ≤ 5. Weitere Untergruppen gibt
es nicht.
Jede der Untergruppen kann wieder als Symmetriegruppe einer ebenen Figur aufgefaßt werden. Diese
Figuren weisen weniger Symmetrien als das regelmäßige Fünfeck auf. Mögliche zugehörige Figuren zu
D5 und S1 sind
s1
3. Algebraische Strukturen
66
Zur trivialen Untergruppe gehört schließlich eine unsymmetrische Figur.
Die Symmetriegruppe T12 eines regelmäßigen Sechsecks hat analog Ordnung 12 und besteht
• aus der identischen Abbildung id der Ebene,
• den Drehungen d1 , . . . , d5 um den Sechseckmittelpunkt um 600 , 1200 , 1800 , 2400 und 3000 ,
• sowie den Spiegelungen s1 , . . . , s6 an den 3 Diagonalen und den 3 Mittelsenkrechten der Seiten.
Sie hat als Untergruppen
• die triviale Untergruppe,
• 3 Untergruppen, die nur aus Drehungen bestehen, nämlich die volle Drehgruppe D6 , die Dreiecksdrehgruppe D3 = {id, d2 , d4 } und die Rechtecksdrehgruppe D2 = {id, d3 }.
• Weiter gibt es wieder die Untergruppen Sk , die aus der Identität und der Spiegelung sk bestehen
(mit 1 ≤ k ≤ 6).
• Je 2 Spiegelungen an zueinander senkrechten Achsen bilden zusammen mit der Identität und der
Drehung um 1800 jeweils eine Gruppe, nämlich V4 = {id, s1 , s4 , d3 }, V4′ = {id, s2 , s5 , d3 } und
V4′′ = {id, s3 , s6 , d3 }.
Jede dieser Untergruppen ist isomorph zu der Symmetriegruppe eines allgemeinen Rechtecks.
• Schließlich gibt es 2 Untergruppen der Ordnung 6 mit jeweils 3 Spiegelungen an den Diagonalen
bzw. an den Mittelsenkrechten, der Identität und den Drehungen um 1200 und 2400 , nämlich
T6 = {id, d2 , d4 , s1 , s3 , s5 } und T6′ = {id, d2 , d4 , s2 , s4 , s6 }.
Die letzten beiden Untergruppen sind isomorph zu der Symmetriegruppe des gleichseitigen Dreiecks.
67
Inhaltsverzeichnis
1 Mengen, Aussagen, Beweise
1.1 Der Mengenbegriff, Schreibweisen, Spezielle Mengen
1.2 Schaltalgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Aussagen, Boolesche Algebra . . . . . . . . . . . . .
1.4 Aussageformen, All- und Existenzquantor . . . . . .
1.5 Implikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Der binomischer Lehrsatz . . . . . . . . . . . . . . .
1.8 Kleiner Exkurs: Was ist Mathematik? . . . . . . . .
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1
1
6
7
10
15
18
20
23
2 Lösungen algebraischer Gleichungen
2.1 Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Lineare Gleichungen . . . . . . . . . . . . .
2.3 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . .
2.4 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . .
2.5 Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Algebraische Gleichungen höherer Ordnung
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27
27
30
33
40
43
47
3 Algebraische Strukturen
3.1 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Der Ring der ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2 Der allgemeine Ringbegriff . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.3 Der Restklassenring ZZ/m . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Der allgemeine Körperbegriff . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Der Körper der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . .
3.2.3 Darstellung der komplexen Zahlen in der Zahlenebene
3.2.4 Moivre-Formeln und Kreisteilungsgleichung . . . . . .
3.3 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Der allgemeine Gruppenbegriff . . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Die Untergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3 Symmetriegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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50
50
50
51
52
54
54
55
57
59
60
60
62
65
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Index
∈, 1
6∈, 1
∅, 2
6j, 2
j, 2
$, 2
P(M ), 3
∪,
S 3
,3
∩,
T 3
,3
\, 4
×, 5
M, 5
∧,
V 6, 8
, 13
∀, 13
∨,
W 7, 8
, 13
∃, 13
¬, 7, 8
i, 41
Äquivalenzrelation, 53
Abel, 49
Absorption, 9
Addition, 50–54, 56
Additionsverfahren, 33
Allaussage, 13
Allquantor, 13
Argument, 58
assoziativ, 9, 50, 60
Aussage, 7
Oder-, 8
Und-, 8
verneinte, 8
Aussageform, 10
äquivalente, 11
allgemeingültige, 12
erfüllbare, 13
unerfüllbare, 13
Betrag, 58
Beweis
direkter, 18
durch Widerspruch, 19
indirekter, 18
vollständige Induktion, 19
Binomialkoeffizient, 21
binomische Formel, 40
binomische Formeln, 20
biquadratisch, 49
Boolesche Algebra, 9
Cantor, 1
Cardanosche Formeln, 48
Deckbewegung, 61
deMorgan, 9
Differenz von Mengen, 4
disjunkt, 3
paarweise, 3
Disjunktion, 8
Diskriminante, 40
distributiv, 9, 50, 51
Durchschnitt, 3
Einheitswurzel, 59
Einselement, 50, 51, 55
Einsetzungsverfahren, 33
Einspolynom, 44
Element, 1
inverses, 61
linksinverses, 61
linksneutrales, 61
neutrales, 61
Ordnung, 63
rechtsinverses, 61
rechtsneutrales, 61
elementfremd, 3
paarweise, 3
Erfüllungsmenge, 10
Euklid, 24
Euler-Formel, 59
Existenzquantor, 13
Fakultät, 22
Fermat, 24
Fundamentalsatz der Algebra, 47
Galois, 49
Gauß’sches Eliminationsverfahren, 36
Gleichsetzungsverfahren, 33
Gleichung
algebraische, 29
68
INDEX
inhomogene lineare, 32
kubische, 29
lineare, 29
lineare homogene, 32
normierte, 46
quadratische, 29
Gleichungssystem
lineares, 33
Grad, 43
einer algebraischen Gleichung, 29
Gruppe, 60
abelsche, 60
kommutative, 60
Ordnung, 62
zyklische, 63
Gruppenisomorphismus, 61
Hilbert, 24
homogene lineare Gleichung, 31, 32
Idempotenz, 9
imaginäre Achse, 57
imaginäre Einheit, 41, 55
Imaginärteil, 55
Imaginärzahl, 55
Implikation, 15
Induktion
vollständige, 19
Induktionsanfang, 19
Induktionsaxiom, 20
Induktionsschluß, 19
inhomogene lineare Gleichung, 31, 32
Inklusion, 2
invers, 61
inverses Element, 55
isomorph, 61
Junktor, 8
Körper, 54
Körperisomorphismus, 62
kartesisches Produkt, 5
Koeffizient, 43
Koeffizientenmatrix, 36
erweiterte, 36
kommutativ, 9, 50, 60
Komplement, 5
komplementär, 9
komplexe Zahl, 41
kongruent, 54
konjugiert komplex, 57
Konjunktion, 8
lineare Abbildung, 62
Linearfaktor, 46, 47
linksinvers, 61
linksneutral, 61
Menge, 1
leere, 2
Mengendifferenz, 4
Mengenlehre
axiomatische, 1
naive, 1
Modul, 53
Moivre-Formel, 59
Multiplikation, 50–54, 56
Nebenklasse, 64
Negation, 8
neutral, 9, 61
Nicht, 7
nicht, 8
Normalform
einer linearen Gleichung, 30
quadratische Gleichung, 40
Nullelement, 50, 54
Nullpolynom, 43, 44
Nullstelle
Ordnung einer, 47
nullteilerfrei, 54
Obermenge, 2
echte, 2
oder, 7, 8
Oder-Aussage, 8
Ordnung, 47, 62, 63
paarweise disjunkt, 3
paarweise elementfremd, 3
Pascalsches Dreieck, 22
Peano-Axiome, 20, 24
Permanenzprinzip, 50
Polarkoordinaten, 58
Polynom, 43
Teiler-, 45
Zerlegung in Linearfaktoren, 44
Polynomdivision, 44
Polynomring, 52
Potenzmenge, 3, 52
69
INDEX
pq-Formel, 40
Produkt, 50–53, 56
von Polynomen, 44
quadratische Ergänzung, 40
Quantor, 13
Radikale, 49
Realteil, 55
rechtsinvers, 61
rechtsneutral, 61
reelle Achse, 57
Restklasse, 53
prim, 60
Restklassenring, 53
Ring, 51
kommutativer, 51
mit Einselement, 51
Russellsche Antinomie, 1
Skalarprodukt
von Polynomen, 44
Subtraktion, 50
Summe, 50–53, 56
von Polynomen, 44
Symmetriegruppe, 65
Teilerpolynom, 45
Teilmenge, 2
echte, 2
Unbestimmte, 43
und, 6, 8
Und-Aussage, 8
Untergruppe, 62
Ursprungsebene, 32
Ursprungsgerade, 31
Vektorraumisomorphismus, 62
Venn-Diagramm, 4
Vereinigung, 3
Verknüpfungstafel, 53
Verschmelzung, 9
Vietascher Koeffizientensatz, 41, 47
vollständige Induktion, 19
Wahrheitstafel, 8
Zahl
komplex, 55
Zeilenstufenform, 37
Zeilenumformungen
elementare, 36
Zerlegung in Linearfaktoren, 47
zyklisch, 63
70
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