Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips gemeinsame Arbeit mit V. Bach, S. Breteaux und E. Menge Hans Konrad Knörr LG Angewandte Stochastik FernUniversität in Hagen Ghiffa, 25. September 2014 1 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Inhalt Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Beweis des Theorems Zusammenfassung 2 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Wellenfunktionen I Die Arena der Quantenmechanik ist der Hilbertraum H. I Ein (normiertes) Element f des Hilbertraums wird als Wellenfunktion bezeichnet. I Skalarprodukt h·, ·i I Beispiel: L2 (R3 ; C) mit hf, gi := R R3 d3 x f (x)g(x) 3 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Observablen und Zustände I Die Observablen sind selbstadjungierte Operatoren auf H und repräsentieren physikalisch messbare Größen. I Zustände werden dargestellt durch selbstadjungierte Operatoren ρ auf H mit ρ ≥ 0, tr(ρ) = 1, die sogenannten Dichtematrizen (DM). Sie beschreiben die inneren Freiheitsgrade des Systems. I Der Erwartungswert der Observablen A im Zustand ρ ist gegeben durch tr(ρ A). I ρ heißt rein, falls ρ = Pf ist, d.h. die Projektion auf den von der Wellenfunktion f aufgespannten Unterraum. 4 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Energie Eine besondere Bedeutung hat der Hamiltonoperator H. I e−iHt ist der Generator der Zeitentwicklung. I Er repräsentiert die Energie des Systems; sein Spektrum σ(H) entspricht der Menge der möglichen Energiewerte. I Nach dem Rayleigh–Ritz’schen Variationsprinzip gilt für die Grundzustandsenergie Egs := inf{σ(H)} = inf{tr(ρH)| ρ ist DM} . 5 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Beispiele I ein Teilchen mit externem Potential U : ~2 ∆ + U (x) auf L2 (R3 ; C) H = − 2m I Molekül mit N Elektronen und K Kernen mit Kernladung Zk an festen Positionen Rk : H (N ) := N X i=1 K X gZk ~2 ∆i − − 2m |xi − Rk | k=1 ! + X 1≤i<j≤N g |xi − xj | auf L2− (R3N ; C) ⊂ L2 (R3N ; C). 6 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Zweite Quantisierung Quantenstatistik I Quantenmechanische Teilchen wie z.B. Elektronen sind ununterscheidbar, d.h.: für eine Vielteilchenwellenfunktion mit N Teilchen an Positionen x1 , . . . , xN gilt fN (x1 , . . . , xN ) = (±1)τ fN (xτ (1) , . . . , xτ (N ) ) für jede Permutation τ ∈ SN . I Teilchen mit symmetrischer Wellenfunktion heißen Bosonen, solche mit antisymmetrischer Wellenfunktion Fermionen. I Hier und im Folgenden ist jeweils das obere Vorzeichen für Bosonen und das untere für Fermionen gültig. 7 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Zweite Quantisierung Fockraum Der symmetrische bzw. antisymmetrische Fockraum ist F ± := ∞ M ± ⊗N SN H , S0± H⊗0 := C , S1± H⊗1 := H . N =0 Jedes Element ist von der Form Ψ = (f0 , f1 , f2 , . . . ) mit ± ⊗N fN ∈ SN H . Ω := (1, 0, 0, . . . ) heißt Vakuum. Hier ist durch ± (1) SN (g ⊗ · · · ⊗ g (N ) ) := 1 X (±1)τ g (τ (1)) ⊗ · · · ⊗ g (τ (N )) N! τ ∈SN der (Anti-) Symmetrisierungsoperator gegeben, g (k) ∈ H, N ≥ 2. 8 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Zweite Quantisierung Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren Auf F ± sind Erzeugungsoperatoren a∗ (f ) und Vernichtungsoperatoren a(f ), f ∈ H, gegeben durch a(f )Ω = 0 , a∗ (f )Ω = f , √ ± a∗ (f )fN = N ! SN +1 (f ⊗ fN ) , √ a(f )fN = N! N X (n) ± (±1)n+1 hf, fN i SN −1 n=1 O (i) fN . i6=n Es ist a∗ (f ) = (a(f ))∗ . Weiters gelten die kanonischen (Anti-)Vertauschungsrelationen a(f )a∗ (g) ∓ a∗ (g)a(f ) = hg, f i , a(f )a(g) ∓ a(g)a(f ) = 0 . 9 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Reduzierte Dichtematrizen und quasifreie Dichtematrix Erstes Moment und Einteilchendichtematrix Für eine Dichtematrix ρ auf F ± definieren wir ihr erstes Moment bρ ∈ H durch hf, bρ i := tr ρ a(f ) ∀f ∈ H . Ihre Einteilchendichtematrix (1-pdm) γρ ist definiert durch hf, γρ gi := tr(ρ a∗ (g)a(f )) und der Operator αρ durch hf, αρ gi := tr(ρ a(g)a(f )) , f, g ∈ H. 10 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Reduzierte Dichtematrizen und quasifreie Dichtematrix Verallg. Einteilchendichtematrix Die zu ρ gehörige verallgemeinerte Einteilchendichtematrix ist γρ αρ γ eρ := . αρ∗ 1 ± γ ρ I γ eρ ist ein positiv semidefiniter Operator auf H ⊕ H. Für Fermionen gilt ferner γ eρ ≤ 1. I γρ ist ein positiv semidefiniter Spurklasseoperator auf H, tr(γρ ) < ∞ ist gleich dem Teilchenzahlerwartungswert und γρ ≤ 1 für Fermionen. I αρ ist symmetrisch für Bosonen und antisymmetrisch für Fermionen: αρT = ±αρ . 11 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Quantenmechanik von Vielteilchensystemen Reduzierte Dichtematrizen und quasifreie Dichtematrix Quasifreie Dichtematrix I Eine Dichtematrix ρ auf F ± wird quasifrei genannt, falls sie eindeutig durch ihr erstes Moment bρ und ihre verallgemeinerte 1-pdm γ eρ charakterisiert ist. I Für Fermionen schränken wir ein, dass Erwartungswerte von Termen, die eine ungerade Anzahl an Operatoren {a∗ (f ), a(f )}f ∈H enthalten, verschwinden. Insbesondere ist bρ = 0, d.h. fermionische Dichtematrizen sind zentriert. 12 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Bogoliubov–Hartree–Fock–Energie Sei H der Hamiltonoperator auf F ± , der nicht notwendig teilchenzahlerhaltend ist. Seine Grundzustandsenergie wird angenähert durch die Bogoliubov–Hartree–Fock–Energie1 EBHF := inf{tr(ρH)| ρ ist quasifreie DM}. Nach dem Rayleigh–Ritz–Prinzip ist dies eine obere Schranke an die Grundzustandsenergie. Beachte, dass für Fermionen immer noch tr(ρa(f )) = 0 gilt, während für Bosonen i. Allg. tr(ρa(f )) 6= 0. 1 Bach, Lieb, Solovej 1994; Solovej 2006, 2007; Nam 2011 13 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Theorem Sei H ein nach unten beschränkter Hamiltonoperator auf F ± . Dann gilt rein . EBHF = inf tr(ρH) ρ ist reine quasifreie DM =: EBHF I I I I Lieb 1981: Fermionensysteme mit rein abstoßender Paarwechselwirkung Bach, Breteaux, Tzaneteas 2013: Pauli–Fierz–Modell Der Satz gilt für Bosonen und Fermionen bei beliebiger“ ” Wechselwirkung. Der Hamiltonoperator muss nicht teilchenzahlerhaltend sein, für Fermionen aber gerade in {a∗ (f ), a(f )}f ∈H . 14 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Beweis des Theorems Beweisskizze (nur für Bosonen) I Es genügt, die Aussage für positiv semidefinite Hamiltonoperatoren zu zeigen. I rein EBHF ≤ EBHF I Da H ≥ 0 und ρ = κκ∗ ≥ 0, ist ⇒ rein Wir zeigen: tr(ρH) ≥ EBHF X 1 1 1 1 hκ∗ H 2 Ψk , κ∗ H 2 Ψk i , tr(ρH) = tr H 2 κκ∗ H 2 = k wobei {Ψk }k eine vollständige Orthonormalbasis von F + bezeichnet. 15 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Beweis des Theorems Zerlegung der Eins Sei (Hn )n eine aufsteigende Folge von n-dimensionalen Hilberträumen. Es gilt: Hn ∼ = Cn . Dann gibt Z hΨ,Ψi = lim |hΨ, Φz i|2 dµn (z) n→∞ H n eine Zerlegung der Eins in kohärente Zustände kzk2 ⊗2 Φz = e− 2 (1, z, z√2! , . . . ) ∈ F + , z ∈ Hn . Beachte, dass kohärente Zustände insbesondere rein und quasifrei (gemäß obiger Definition) sind. Somit haben wir: ∗ 1 2 ∗ 1 2 Z hκ H Ψk , κ H Ψk i = lim n→∞ H n 2 ∗ 12 hκ H Ψk , Φz i dµn (z) . 16 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Lieb’sches Variationsprinzip für Bogoliubov–Hartree–Fock–Theorie Beweis des Theorems Wir haben bisher gezeigt: tr(ρH) = X k I Z lim n→∞ H n 1 2 2 hH Ψk , κΦz i dµn (z) . Die k-Summation wird nach innen gezogen und ausgeführt: Z tr(ρH) = lim hκΦz , H κΦz idµn (z) . n→∞ H n I κΦz definiert einen quasifreien Zustand, sodass rein hκΦz , HκΦz i ≥ EBHF kκΦz k22 . I Damit: R 2 rein lim rein tr(ρH) ≥ EBHF n→∞ Hn kκΦz k2 dµn (z) = EBHF . 17 / 18 Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips Zusammenfassung Zusammenfassung I Beweis einer Verallgemeinerung des Lieb’schen Variationsprinzips I für Bosonen: Einführung des Begriffes der Quasifreiheit“ für ” allgemeinere Systeme I Verallgemeinerung der Hartree–Fock–Theorie Offene Fragen: I Unter welchen Voraussetzungen existiert ein reiner quasifreier Minimierer? I Gibt es eine einfache Klassifikation der verallgemeinerten 1-pdm reiner quasifreier Dichtematrizen? 18 / 18