Vorlesungsskript Integrierter Kurs III - spezielle Relativitätstheorie Marcel Indlekofer, Thomas Lauermann, Vincent Peikert und Raphael Straub 11. Januar 2005 2 Inhaltsverzeichnis 2 Spezielle Relativitätstheorie 2.1 Einschub: Konzepte & Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 (karthesische) Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Minkowski-Raum, Minkowski-Metrik und Einsteinsche Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Definition der Lorentz-Transformationen als ausgezeichnete Koordiantentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 (2.1.4) Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Newton’sche Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Galilei-Invarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Widerspruch der Galilei-Invarianz zur Wellengleichung und zu den Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Relativitätsprinzip & Lorentztransformation . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Einstein’sches Relativitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Konstanz von c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die spezielle Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Elementare Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.1 Addition von Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4.2 Raum-Zeit-Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Weltlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Lorenz-invariante Formulierung physikal. Gesetze: 1-tes Bsp. Dopplereffekt 2.5 Relativistische oder Einsteinsche Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Vierergeschwindigkeit uµ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Viererimpuls pµ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Einstein’sche Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Einsteinsche Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 (A) Minkowski-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 (B) Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 5 5 5 5 7 7 9 9 10 11 11 11 12 14 14 15 16 17 20 21 21 22 23 23 23 4 INHALTSVERZEICHNIS Kapitel 2 Spezielle Relativitätstheorie 2.1 2.1.1 Einschub: Konzepte & Definitionen (karthesische) Koordinaten Abbildung 2.1: Raumkoordinaten Jeder Punkt im Raum besitzt Raumkoordinaten (vgl. Abbildung 2.1): x x1 r = y = x 2 z x3 Jeder Punkt in Raum und Zeit besitzt Raum-Zeit-Koordinaten: 0 ct x x x 1 x= y := x2 z x3 2.1.2 (2.1) Minkowski-Raum, Minkowski-Metrik und Einsteinsche Inertialsysteme ct Alle Punkte (Ereignisse) in der Raum-Zeit x mit x = , xi ∈ R konstituieren einen r Minkowski-Raum M, wenn eine Metrik gegeben ist, so dass das Längenelement einer beliebigen Kurve lautet: µ 5 6 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE dl2 = gµν dxµ dxν (2.2) gµν heißt Minkowski-Tensor oder Minkowski-Metrik. Ein Minkowski-Raum mit einem Koordinatensystem, so dass gµν 1 0 0 0 0 −1 0 0 = 0 0 −1 0 0 0 0 −1 (2.3) lautet, heißt Inertialsystem. Denn dann gilt: dl2 = ( dx0 )2 − ( dx1 )2 − ( dx2 )2 − ( dx3 )2 (2.4) Bemerkung: Vergleichen wir M mit dem euklidischen Raum R3 , in dem gilt: dl2 = dx2 + dy 2 + dz 2 = gij dxi dxj 1 0 0 mit gij = 0 1 0 0 0 1 (2.5) für ein kartesisches Koordinatensystem. Krummlinige Koordinaten siehe später. gµν definiert ein Skalarprodukt: ha,bi = gµν aµ bν = a0 b0 − a1 b1 − a2 b2 − a3 b3 = aν bν (2.6) zweier kontravarianter Vektoren aµ und bµ mit dem Kovektor aν = gµν aµ = 3 X gµν aµ = (a0 , − a) (2.7) µ=0 Die Inverse zu gµν ist g µν , also gµν g νκ = δ µκ (2.8) mit dem Kroneckerdelta, und lautet in Inertialkoordinaten: 1 0 0 0 0 −1 0 0 = 0 0 −1 0 = gµν 0 0 0 −1 g µν (2.9) 2.1. EINSCHUB: KONZEPTE & DEFINITIONEN 2.1.3 7 Definition der Lorentz-Transformationen als ausgezeichnete Koordiantentransformationen 0 Eine homogene Koordinatentransformation x µ = Lµν xν heißt ausgezeichnet, wenn sie Inertialsysteme in Inertialsysteme überführt, d.h. wenn gilt: 0 gµν = Lµκ Lνλ gκλ = gµν (2.10) In Matrixschreibweise sieht das so aus: g = L g LT (2.11) δ σν = g σµ Lµλ Lνλ = Lσλ Lνλ (2.12) Dazu muss gelten: Also lautet L−1 = LT und daraus folgt det L = ±1. Eine andere Schreibweise ist: 0 Lµν ∂x µ = ∂xν (2.13) und so kommen wir auf 0 δ µν 0 ∂x µ ∂x µ ∂xκ = · 0 ν = Lµκ Lν 0ν = κ ∂x ∂x ∂x κ (2.14) Die Transformationsregel g = L g LT folgt aus der Betrachtung des Längenelementes: 0 0 0 0 0 dx σ dx τ dl2 = gµν dxµ dxν = gµν (L−1 )µσ (L−1 )ντ dx σ dx τ = gστ (2.15) Bemerkung: Die ausgezeichneten Koordinatentransformationen heißen Lorentztransformationen im Minkowskiraum. Im euklidischen Raum heißen sie Orthogonaltransformationen und sind durch eine Rotationsmatrix gegeben. 2.1.4 (2.1.4) Tensoren Tensoren sind Verallgemeinerung von Vektoren (Vektorfeldern, ...) Bsp.: Rotation (Abb.2.2): KS −→ KS’ 0 x cos ϕ − sin ϕ x = 0 y sin ϕ cos ϕ y 0 qx cos ϕ − sin ϕ qx = qy0 sin ϕ cos ϕ qy Ein Vektor erfüllt also bei einer KT x0i = Rij xj 8 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE Abbildung 2.2: Koordinatentransformation mit Rotationsmatrix R die Transfromationseigenschaft q 0i (x0 ) = Rij q i (x) Verallgemeinert mit der Matrix Dµν der KT (D=R ˆ für euklidischen R3 ; D= ˆ LorentzN Transformation für Minkowski-Raum) nennt man das d -Tupel (d = 3 in R3 ; d = 4 in M) von Zahlen tµ(1) µ(2) ···µ(N ) (x) (µi = 0,1,2,3 in M) kontravarianten Tensor N -ter Stufe, wenn er unter der KT transformiert gemäß µ µ (N ) ν(1) ···ν(N ) (x) t0µ(1) ···µ(N ) (x0 ) = d(D) D ν(1) (1) · · · D ν(N ) t genauer für Tensor 1 Det(D) = ±1 Pseudotensor d(D) = L00 0 = ±1 zeitartigen Pseudotensor |L 0 | Bsp.: • Im R3 : – sind Ladungsdichten ρ(r,t) ein Skalar (-feld) (Tensor 0-ter Stufe, der von r, t ∂ abhängt), j(r, t), E(r, t) und ∇ = ∂x Vektoren (Tensor 1-ter Stufe), B ein 0i Pseudovektor (d.h. unter Spiegelung x = −xi wird j 0 (r0 , t) = −j(−r, t) und ∂ ∇0 = ∂x∂ 0 = − ∂x = −∇ deswegen muss B 0 (r0 , t) = B(−r, t) damit j 0 (−r0 , t) = ∇0 × B 0 (−r0 , t) = −∇ × B(r, t) = −j(r, t) gilt) – ist das Kronecker-Delta δij ein Tensor 2-ter Stufe 2.2. NEWTON’SCHE MECHANIK 9 – ist der Levi-Civita-Tensor für ijk = xyz, zxy, yzx 1 −jik = −ikj = −kji ijk = 0 sonst ein Pseudotensor 3-ter Stufe. Mit ihm lautet das Vektorprodukt a = b × c ⇒ ai = ijk bj ck – ist ein antysymmetrischer Tensor 2-ter Stufe Mij = −Mji eindeutig verknüpft mit einem Pseudovektor m: 0 m3 −m2 0 m1 ⇔ Mij xj = (m × x)i Mij = −m3 m2 −m1 0 • Im M: – ist g µν ein Tensor 2-ter Stufe – ist tµν = gµν tµν ein gemischter kontra & kovarianter Tensor 2-ter Stufe und wird 0 transformiert wie t0µν = gµν t0µν = gµν Lµσ Lµτ tστ = Lµσ Lµτ tστ = (L−1 )σµ Lντ tσ Bsp.: Die Verjüngung eines Tensors 2-ter Stufe heißt Spur: • in M: gµν tµν = tνν = tνν = t00 − t11 − t22 − t33 • in R3 : tii = t11 + t22 + t33 (Summe der Diagonalelemente) (Bsp.: gµν g µν = gµµ = −2 ; δµµ = 4) 2.2 2.2.1 Newton’sche Mechanik Galilei-Invarianz Newton: ”Mechanische Vorgänge laufen in allen Inertialsystemen gleich ab.” Galilei: ”Zwei Inertialsysteme sind durch eine Galilei-Transformation miteinander verknüpft.” xi = 3 X 0 Rji x i γ + r0i + v i t (2.16) j=1 Rji ist eine Drehmatrix. Bemerkung: Die Indizes für Koordinaten xi stehen oben und werden mit den Indizes unten an Rji summiert. Abkürzung: Im folgenden verwenden wir häufig die Einstein’sche Summenkonvention: 3,4 X j=1 0 0 Rji x j = Rji x j (2.17) 10 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE Abbildung 2.3: Galileitransformation doppelt auftauchende Indizes werden absummiert. spezielle Galilei-Transformation: 0 xi = x i + v i t (2.18) 0 t=t Die spezielle Galilei-Transformation (Abbildung 2.4) ist eine Transformation auf ein Abbildung 2.4: spezielle Galilei-Transformation gleichförmig, geradlinig bewegtes Bezugssystem. 2.2.2 Widerspruch der Galilei-Invarianz zur Wellengleichung und zu den Maxwell-Gleichungen • A) Wellengleichung: 1 2 ∇ − 2 ∂t E(r,t) = 0 c 2 Die Wellengleichung ist eine Folge der Maxwell-Gleichungen im Vakuum mit der speziellen Lösung: E(r,t) = E 0 cos(ωt − k · r) 2.3. RELATIVITÄTSPRINZIP & LORENTZTRANSFORMATION 11 für ω = ck. Die Galilei-Transformation auf ein mitbewegtes Inertialsystem (mit v = k kc ) ergibt eine stehende Welle: 0 0 E(r ,t) = E 0 cos(ωt − k · r − k2 0 ct) = E 0 cos(k · r ) k welche keine Lösung der Wellengleichung ist. Daraus ”folgern” wir, dass sowohl die Wellengleichung als auch die Elektrodynamik nach Maxwell nicht Galilei-invariant sind. Dies ist der Ausgangspunkt der speziellen Relativitätstheorie. • B) Versuch von Michelson-Morley Man verwende ein Michelson-Intzerferometer und benutzt eine Rotation des Abbildung 2.5: Michelson-Interferometer Spektrometers, um Unterschiede in der Lichtgeschwindigkeit entlang der Wege 1 und 2 zu messen, welche auf Grund der Bewegung der Erde zustande kommen. L1 +L2 v 2 Erwarten würde man, dass die Interfernzmaxima N ≈ λ mit der Erdgec L1 +L2 schwindigkeit v auf Grund des großen Vorfaktors λ messbar sind. Durch den Vorfaktor sind selbst feinste Unterschiede messbar. Im Versuch wird aber kein Unterschied beobachtet, somit existiert keine Galilei-Transformation auf das Erdsystem. Diese Beobachtung ist durch die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit c im bewegten Koordinatensystem erklärbar. 2.3 2.3.1 Relativitätsprinzip & Lorentztransformation Einstein’sches Relativitätsprinzip Die gesamten physikalischen Vorgänge laufen in allen Inertialsystemen gleich ab und zwei Inertialsysteme sind durch eine Lorentztransformation verknüpft. 2.3.2 Konstanz von c Die Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum ist unabhängig vom Inertialsystem und ändert sich also nicht bei Lorentz-Transformation. 12 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE 2.3.3 Die spezielle Lorentz-Transformation Abbildung 2.6: spezielle Lorentz-Transformation Die Wellenfront einer Kugel-Lichtwelle, die vom Ursprung in zwei Inertialsysteme ausgeht, muss gleich sein.(vgl. Abb 2.6): 0 2 2 0 0 0 r2 − c2 t2 = r2 − x0 = r 2 − c2 t 2 = r 2 − x 0 (2.19) Zur Vereinfachung wählt man: 0 x 1 = x1 0 und x 2 = x2 Licht, die Wellenfront einer elektromagnetischen Kugelwelle, breitet sich aus in einer Welle, die zum Zeitpunkt t = t0 = 0 am Ort r = r0 = 0 war. Das zweite Koordinatensystem KS’ bewege sich mit v = v ẑ Die Position der Wellenfront, der sogenannte Lichtkegel lässt sich mit folgender Formel beschreiben: r2 − c2 t2 = (r0 )2 − (ct0 )2 (2.20) Zur Vereinfachung nehmen wir Bewegung in z-Richtung an: x0 = x und y 0 = y z 2 − c2 t2 = (z 0 )2 − (ct0 )2 ∗ (2.21) Wenn wir nun die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen als konstant postulieren, wie lautet dann die zugehörige Koordiantentransformation(KT)? Wir postulieren weiterhin: 0 0 ct1 ct2 ct1 ct2 • KT sei linear: λ1 + λ2 = λ1 + λ2 0 z1 z2 z1 z20 • KT sei homogen: t = z = 0 wird auf t0 = z 0 = 0 abgebildet. Damit können wir KT als Matrix Λ schreiben, die Matrix der Lorenzransformation genannt wird und gegeben ist durch: 0 x µ = Λµν · xν als die Transformation von KS nach KS’ mit der Relativgeschwindigkeit v. (2.22) 2.3. RELATIVITÄTSPRINZIP & LORENTZTRANSFORMATION ct0 z0 = a b ct · f d z 13 (2.23) also ist zum Beispiel Λ00 = a oder Λ03 = b. Dann lautet die Rücktransformation von KS’ nach KS: 0 1 ct d −b ct = · z z0 ad − bf −f a (2.24) und beschreibt die Transformation mit der umgekehrten Relativgeschwindigkeit v 0 = −v: 0 xµ = Λµν (−v) · x ν (2.25) Vergleich von Λ(v) und Λ(−v) und die Isotropieforderung ergibt: det Λ = ad − bf = ±1 sowie a = ±d (2.26) Sei nun b = vb und f = vf , ergibt sich in Gleichung ∗ eingesetzt: 2 2 z 2 − c2 t2 = (vf ct + az)2 − (act + vbz)2 = (a2 − v 2 b )z 2 − (a2 − v 2 f ) + 2avc(f − b)zt (2.27) Daraus folgt b = f und somit fällt der gemischte Term weg. 2 ⇒ a2 − v 2 b = 1 (2.28) Damit können wir nun einen Winkel ϕ einführen, so dass a = d = cosh ϕ und b = f = sinh ϕ mit cosh2 ϕ − sinh2 ϕ = 1 gilt. cosh ϕ sinh ϕ 1 tanh ϕ µ ⇒ Λ ν (v) = = cosh ϕ (2.29) sinh ϕ cosh ϕ tanh ϕ 1 Ein winkel ϕ parametrisiert die Lorentztransformation. Mit β = tanh ϕ und γ = cosh ϕ = √ 1 2 erhalten wir: 1−β Λµν (v) 1 β =γ· β 1 (2.30) wobei |β| < 1 gelten muss. Aus dem Vergleich mit den Galilei-Transformationen für v → 0 folgt: b → vb(0) und damit ist β(0) = 1c . Aus der Hintereinanderschaltung mehrerer Lorentztransformationen kann man zeigen, dass gilt: β= v c Damit ist ϕ = artanh vc und wir haben die speziellen Lorentztransformationen: (2.31) 14 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE Abbildung 2.7: Plot der hyperbolischen Winkelfunktionen t + vz2 t0 = q c 2 1 − vc2 (2.32) (2.33) sowie z + vt z0 = q 2 1 − vc2 (2.34) welche bei v in die Galilei-Transformationen t0 = t und z 0 = z + vt übergehen. 2.3.4 Elementare Folgerungen 2.3.4.1 Addition von Geschwindigkeiten Begründung: β ist linear in v, weil damit Hintereinanderschaltung zweier LT zu den Geschwindigkeiten u und v wieder eine spezielle LT mit der Geschwindigkeit w ergibt. Dies ist die Gruppeneigenschaft der Lorentztransformationen: Abbildung 2.8: Wie groß ist w? Λµν (u) · Λνκ (v) = Λµκ (w) Für spezielle Lorentztransformationen gilt also: (2.35) 2.3. RELATIVITÄTSPRINZIP & LORENTZTRANSFORMATION 15 1 q 1− u2 c2 1 ·q 1− · v2 c2 1 uc 1 vc · v =q u 1 1 c c uv c2 1+ 2 1 − uc2 1 − 1 · v+u c(1+ uv ) v2 v+u c(1+ uv ) c2 1+ uv c2 c2 c2 1+ uv 2 1 c (2.36) weil gilt: − 12 uv u2 + 2uv + v 2 1+ 2 − c c2 1 1+ 2 c = v+u 1 + uv c2 2 !− 21 (2.37) Nun ist 1 Λ(w) = q 1− · w2 c2 1 w c w c (2.38) 1 mit der Geschwindigkeit w= u+v 1 + uv c2 (2.39) Die Transformationen KS → KS’ → KS” sind äquivalent zu einer Transformation KS → 1 gilt w = u + v KS” mit der nach Einstein additiven Geschwindigkeit w. Nur für uv c2 v 2 nach Galilei. Wäre β = vβ(v ) 6= c gewesen, hätten wir nicht zeigen können, dass wir KS → KS ” transformieren können, ohne KS’ zu kennen. 2β Bemerkung: für u = v haben wir w = 2vv2 = c · 1−β 2 , was in folgendem Plot veranschau1+ c2 licht wird. Also ist immer w < c für alle v < c, c ist die Grenzgeschwindigkeit. Abbildung 2.9: w-Diagramm 2.3.4.2 Raum-Zeit-Diagramme Zwei Punkte, sogenannte Ereignisse, x(1) und x(2) haben den Abstand: xµ = xµ(1) − xµ(2) (2.40) Ohne Beschränkung der Allgemeinheit setzen wir x1 = 0 = x2 fest, also ∆x = ∆y = 0. So ist 0 0 hx,xi = (x0 )2 − (x3 )2 = c2 ∆t2 − ∆z 2 = c2 ∆t 2 − ∆z 2 = hx0 ,x0 i (2.41) mit ∆t0 = γ(∆t + βc ∆z) und ∆z = γ(∆z + βc∆t). Wir können also die xµ nach ihren Skalarprodukten charakterisieren. Wir unterscheiden 3 Fälle: 16 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE Abbildung 2.10: Lichtkegel • 1. Fall: hx,xi > 0, dann heißt x zeitartig, liegt in dem Kegel und es gibt ein Inertialsystem, in dem beide Ereignisse am selben Ort stattfinden: ∆z = 0 mit einer Zeitdifferenz ∆t. In allen anderen Inertialsystemen gilt: ∆t0 = γ∆t > ∆t (2.42) Dieses nennt man Zeitdilatation. • 2. Fall: hx,xi = 0, der Vektor liegt direkt auf dem Lichtkegel. • 3. Fall: hx,xi < 0, dann heißt x raumartig. Der Bereich, in dem diese Ereignisse liegen, heißt Gleichzeitigkeitskegel. Es gibt kein Inertialsystem, in dem man mit einem Lichtsignal diese beiden Punkte verbinden könnte, da das Licht nicht schnell genug ist, um von x(1) nach x(2) zu kommen. Eine Länge l = ∆z|∆t =0 ist im bewegten Inertialsystem kürzer: p l c∆t0 0 0 − β∆z l = ∆z |∆0t =0 = γ ∆z + β = 1 − β 2 ∆z = < l (2.43) γ γ ∆0 =0 t Dieses Verhalten wird Längenkontraktion genannt. 2.3.5 Weltlinien Eine Kurve x(s) in der Raumzeit mit s als beliebigem Kurvenparameter (zum Beispiel der Zeit) heißt Weltlinie, wenn der infinitesimale Abstand dl2 = c2 dt2 − dx2 − dy 2 − dz 2 > 0 (2.44) ist, die Tangente also zeitartig ist und das Teilchen somit nie mit Überlichtgeschwindigkeit fliegt. Wenn das Teilchen eine eigene Uhr hat, so misst diese nach folgender Gleichung 1 2 v2 2 2 2 2 2 dl = c dt 1 − 2 ṙ = c dt 1 − 2 = c2 dτ 2 (2.45) c c die Zeit dt dτ = q 1− (2.46) v2 c2 2.4. LORENZ-INVARIANTE FORMULIERUNG PHYSIKAL. GESETZE: 1-TES BSP. DOPPLEREFF Abbildung 2.11: Beispiel einer Weltlinie τ ist seine Eigenzeit, die somit langsamer läuft. Das dτ entspricht einem Zeitelement, das eine auf der Kurve bewegte Uhr messen würde. Diese Formel spiegelt die Zeitdilatation wider. Wiederholung: Im Inertialsystem lautet die Metrik 1 0 0 0 0 −1 0 0 gµν = g µν = 0 0 −1 0 0 0 0 −1 so dass das Längenelement: dl2 = c2 dt2 − ( dx1 )2 − ( dx2 )2 − ( dx3 )2 = gµν dxµ dxν v= < t, t > > 0 2 dl > 0 ⇒ dr dt r 1 dτ = dl = dt c v2 1− 2 c ! Eigenzeit (Uhr des MP) die ausgezeichnete Koordinatentransformation erfüllt: gµν = Lµσ Lντ gστ ⇔ L−1 σ µ = Lµσ Bem.: • Die ausgezeichneten Koordinatentransformationen heißen im Minkowski-Raum Lorentztransformationen 1 0 0 • Im euklidischen R3 g = 1 = 0 1 0 heißen sie Orthogonaltransformatio0 0 1 T nen 1 = RR 2.4 Lorenz-invariante Formulierung physikal. Gesetze: 1-tes Bsp. Dopplereffekt Umsetzung der spez. Relativitätstheorie: Formulierung der physik. Gesetze mit Tensoren (vor allem 4-Vektoren). 18 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE Die Phase einer em-Welle ϕ = ωt − kr entspricht dem Skalarprodukt ϕ = gµν k µ xν 2 mit 4-er Wellenvektor k i (k 0 = ωc , k) der kµ k µ = 0 = ωc − k 2 erfüllt wegen der Dispersionsrelation. Bei Trafo auf bewegtes IS’ geht er über in 0µ k = Lµν k sLT ν ←→ ω 0 = j(ω + v kz ) kz0 = j(kz + ωv ) c2 0 kx = k x kz = kx = ω c ω c cos ϑ sin ϑ (A) Longitudinaler Dopplereffekt: s ω ϑ = 0 (kz = , kx = 0) c 0 ⇒ ω = 1+ 1− v c v c v . ω = 1+ ω c Frequenz erhöht sich wenn Abstand von Empfänger und Sender wegen der Relativbewegung abnimmt. Wiederholung: • Definition: Tensor N -ter Stufe: 0 t µ1 ...µN = d(D) · Dµν11 · · · DµνNN tν1 ...νN • Die spezielle Relativitätstheorie entspricht der Formulierung physikalischer Gesetze mit Vierertensoren. • erstes Beispiel: relativistischer Dopplereffekt: Eingeführt wurde der Viererwellenwektor k µ (Tensor 1. Stufe) folgendermaßen: ω ,k kµ = c 0 k µ = Lµ ν k ν 0 ⇒ ω = γ (ω + vkz ) ωv 0 kz = γ kz + 2 c 0 kx = kx Phase ϕ = kµ xµ spezielle LT: 0 Die Phase ϕ beschreibt jene Wellenfront, die bei xµ = x µ = 0 emittiert wurde. Der 0 Sender ruht im Koordinatensystem KS und bewegt sich relativ zu KS Der Winkel vartheta ist der Winkel zwischen k und v, dann gilt: ω cos ϑ c ω kx = sin ϑ c kz = A) longitudinaler Dopplereffekt Longitudinal bedeutet, dass der Wellenvektor k in die Richtung von v zeigt, d.h. ϑ = 0. 2.4. LORENZ-INVARIANTE FORMULIERUNG PHYSIKAL. GESETZE: 1-TES BSP. DOPPLEREFF Damit folgt, dass auch der Anteil des Wellenvektors in x-Richtung Null ist (kx = 0). s 0 ω = v 1 + v/c vc ω → 1+ 1 − v/c c (2.47) Dies gilt auf Grund den Taylorentwicklungen: √ ε 1+ε≈1+ 2 1 ε √ ≈1+ 2 1−ε Die Frequenz erhöht sich, wenn der Abstand zwischen Sender und Empfänger wegen der 0 Relativbewegung abnimmt. Es ist nur die Relaticgeschwindigkeit von KS und KS wichtig. B) transversaler Dopplereffekt π ϑ= 2 → k z = 0 kx = ω 0 ω =q 2 2 1 − v /c ω c 1 v2 . =ω· 1+ 2 2c (2.48) Man spricht vom quadratischen transversalen Dopplereffekt. Dieser fehlt in der klassischen Physik komplett. C) Aberation speziell bei Synchrotronstrahlung Ein beschleunigtes Elektron Abbildung 2.12: bechleunigtes Elektron strahlt. Sei der Winkel, unter dem das Elektron im Inertialsystem streut ϑ = 0 0 welchem Winkel ϑ ist das Licht dann im Laborsystem KS zu beobachten? r 0 c v2 kx 0 tan ϑ = 0 = ≈ 1− 2 kz γv c π . 2 Unter (2.49) für v → c. Die Strahlung findet im Laborsystem unter sehr engen Winkeln statt. Beispielsweise werden in Grenoble (Frankreich) Forschungen durchgeführt, bei welchen γ ≈ 104 ist. Erinnerung: Wir waren bei der Beobachtung gestartet, dass eine spezielle Galilei-Transformation: 0 0 x i = xi + v i t ; t = t 20 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE eine spezielle Lösung der Wellengleichung: 1 2 ∇ − 2 ∂t E(r,t) = 0 c 2 nämlich: E(r,t) = E 0 cos(ωt − k · r) 0 in KS auf eine ”Nicht-Lösung” in KS abbildet: 0 0 0 0 E (r ,t ) = E 0 cos k · r 0 wobei: 1 02 0 ∇ − 2 ∂t0 E = · · · = −E 0 k 2 cos(k · r ) 6= 0 c 02 Dieser Widerspruch wird durch die spezielle Lorentztransformation gelöst, in dem nun: ωt − k · r = kµ xµ 0 0 = kµ x µ 0 0 0 =ω t −k ·r 0 0 k µ = Lµ ν k ν 0 x µ = Lµ ν x ν Ein Lorentzskalar (Tensor 0.ter Stufe) ist invariant in allen Intertialsystemen. Bemerkung: Wie sich c bzw. E 0 transformieren lässt, sowie die elektromagnetische Wellengleichung wird in Aufgabe 31 behandelt. 2.5 Relativistische oder Einsteinsche Mechanik Die Bewegung eines Massenpunktes mit Ruhemasse m entspricht einer Weltlinie im Minkowski-Raum (M). Abbildung 2.13: Bewegung eines Massenpunktes dτ 2 = c2 dl2 > 0 2.5. RELATIVISTISCHE ODER EINSTEINSCHE MECHANIK 2.5.1 21 Vierergeschwindigkeit uµ Wird die Weltlinie mit der Eigenzeit τ des Messenpunktes (Uhr am Massenpunkt) parametrisiert, dann heißt der Tangentenvektor: uµ (τ ) = d µ . x (τ ) = ẋµ (τ ) dτ (2.50) Vierergeschwindigkeit. Zwischen der Vierergeschwindigkeit uµ und der Geschwindigkeit im Raum v besteht folgender Zusammenhang: d r(t) = v(t) dt dxµ (τ ) dxµ (τ (t)) dt = · dτ dt dτ c ·γ §2.3.5 = v 1 c =r · v v2 1− 2 c (2.51) Das Skalarprodukt: uµ uµ = γ 2 (c2 − v 2 ) = c2 ist Lorentzinvariant. Das bedeutet, dass 1c uµ der ”normierte Tensor 0.ter Stufe ist, der sogenannte ”Tangentenvektor”. Bemerkung: Daraus folgt für die Viererbeschleunigung aµ : d µ u dτ d 2 d c =0= gµν uµ uν dτ dτ = gµν aµ uν + gµν uµ aν = 2gµν aµ uν ⇔ aµ uµ = 0 = u̇µ uµ ⇒ u̇ ⊥ u aµ = 2.5.2 (2.52) (2.53) Viererimpuls pµ A) Relativistische Emergie-Impuls Beziehung Der räumliche Impuls p wird durch die nullte Komponente zum Viererimpulsvektor: E µ p = c p mit Lorentzinvarianter Länge (Einstein 1905): 2 E µ pµ p = − p2 = (mc)2 c E c mit der totalen Energie E (2.54) (2.55) 22 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE mit der Ruhemasse m. Im Ruhesystem (p = 0) gilt also: E = mc2 Allgemein gilt: E= q (mc2 )2 + (cp)2 (relativistische e − p-Beziehung) Die verallgemeinerte Newton’sche Beziehung folgt für p c: E → mc2 + p2 2m Die Energie-Masse-Äquivalenz kann z.B. bei der Kernspaltung oder Kernfusion (Deuterium + Tritium → Helium +n mit m∆m ≈ 8 · 10−3 → 18MeV) beobachtet werden. He Bemerkung: Der Ansatz pµ = Ec ,p soll hier nicht bis ins Detail begründet werden. Es wird lediglich eine Motivation für diesen Ansatz gegeben: Energie und Impuls charakterisieren die Bewegung eines Massenpunktes. Dieser hat als einzigen Parameter die Ruhemasse m. Laut Einstein ist die einzige physikalisch wichtige Konstante die Lichtgeschwindigkeit c. Also müssen diese beiden Dinge miteinander in Verbindung gebracht werden, was durch obigen Ansatz geschieht. B) Träge Masse Eine Verbindung zwischen Kinematik (xµ (τ ),uµ (τ )) und der Dynamik E,p ist gegeben durch: Ansatz wie bei Newton: pµ = muµ womit gilt: pµ pµ = m2 uµ uµ = m2 c2 m c c µ · und folgt: p = r = γm · v v v2 1− 2 c (2.56) (2.57) (2.58) Also taucht die träge Masse: m(v) := mγ(v) = r m v2 1− 2 c (2.59) im Impuls pµ = m(v) · v und in der Energie E = m(v)c2 auf, wenn der Massenpunkt die Geschwindigkeit v relativ zum Laborsystem hat. Bemerkung: Aus pµµ = gµν pµ pν folgt: gµν pµ 2.5.3 dpν =0 dτ (2.60) Einstein’sche Bewegungsgleichung A) Minkowski-Kraft F µ Die Definition der Minkowski-Kraft folgt in Analogie zur Newton’schen Mechanik (nur 2.6. EINSTEINSCHE BEWEGUNGSGLEICHUNGEN 23 dass Vierervektoren genommen werden): d µ p = Fµ dτ (2.61) Die ”eigenzeitliche Änderung” des Impulses erfolgt auf Grund einer Krafteinwirkung. Daraus und aus den Anfangsbedingungen folgt die Bahn des Massenpunktes. Bemerkung: Wegen (2.60) muss gelten: d ν p =0 dτ ⇒ uµ F µ = 0 u0 F 0 − u 1 F 1 − u2 F 2 − u 3 F 3 = 0 1 ⇒ F0 = v · F c pµ F µ = muµ F µ = gµν pµ 2.6 2.6.1 (2.62) (2.63) Einsteinsche Bewegungsgleichungen (A) Minkowski-Kraft In Analogie zu Newton: d pµ = F µ ”eigenzeitliche” Änderung des Impulses erfolgt aufdτ grund der Krafteinwirkung. Daraus und aus den Anfangsbedingungen folgt die Bahn des MP. Wegen g µν pµ F ν = 0 muss gelten mv µ F µ = 0 Es ergibt sich: F 0 = 1c vF 2.6.2 (B) Lorentz-Kraft Bsp. für F µ : Lorentz-Kraft beschreibt die Kraft, die em-Felder auf Massenpunkt mit Ladung q ausübt. F µLor = qF νµ v µ (2.64) Motivation: • prop zur Ladung • muss durch Feldgrößen ausgedrückt werden (Aufgabe 31: Feldtensor F µν ) • muss durch Teilchengrößen ausgedrückt werden (xµ v µ q µ geht nicht, da das Ergebnis von der Wahl des KS-Ursprungs abhängen würde • Lineare Auskopplung (einfachster Ansatz) 24 KAPITEL 2. SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE F µLor = γq E·v E + v×B 0 − Komponente Raumkomponenten (2.65) Wegen d d d =γ folgt mγc2 = qEv |{z} dτ dt dt (2.66) Leistung genauso: d d m q m(v)v = dt dt 1 − v = q(E + v × B) (2.67) v2 c2 relativistische Bewegungsgleichung für MP mit Ladung q in E und B Feldern Beispiel: Exp. Nachweis der relat. Bewegungsgleichung durch Ablenkung von e− im statischen homogenen B-Feld bestätigt unseren Ausdruck für F Lor Synchrotron: Abbildung 2.14: Synchrotron Anfangsbed: v(0) = v0 x̂⊥B E = 0 → m(v) d v = qv × B dt (2.68) → Kraft in Ebene senkrecht zu B → v(t) = v0 (x̂ cos ωL t − ŷ sin ωL t) (2.69) mit ωL der Lamorfrequenz. Ansatz in Bewegungsgleichung: m(v0 )v0 ωL sinωL t = qv0 B cosωL t r qB v2 qB ωL = = 1− 2 m(v0 ) m c − sin ωL t − cos ωL t Massenpunkt macht eine Kreisbahn mit Radius v0 ωL (2.70) (2.71)