Albert Einsteins Relativitätstheorie und die moderne Kosmologie In welchem Universum leben wir? Günter Wunner Institut für Theoretische Physik Universität Stuttgart Einsteins Wunderjahr 1905 09.06.1905 Lichtquantenhypothese „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“ 18.07.1905 Brownsche Molekularbewegung „Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen“ 26.09.1905 Spezielle Relativitätstheorie „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ 21.11.1905 Äquivalenz von Masse und Energie, E = m c2 „Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?“ Spezielle Relativitätstheorie Galilei, 1632: Ändern sich die physikalischen Gesetze beim Wechsel von einem ruhenden zu einem mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Beobachtungsstandpunkt? „Ufer“ Segelschiff in Ruhe konstante Geschwindigkeit v Antwort: Nein! Durch kein physikalisches Experiment ist ein Unterschied feststellbar. „Relativitätsprinzip“ Es gibt absolute Zeit, absoluten Raum, Geschwindigkeiten addieren sich. Spezielle Relativitätstheorie 1873: Maxwells Elektrodynamik; 1881 Michelson-Versuch: Die Lichtgeschwindigkeit hat in jedem Bezugsystem denselben konstanten Wert c = 299792,458 km/s. Einstein 1905: Das geht nur, wenn Raum- und Zeitkoordinaten sich beim Wechsel des Bezugssystems miteinander „vermischen“. y´ y Zeit t´ Lorentz-Transformation zwischen Inertialsystemen x´ = γ ( x - β c t) Zeit t v c t´ = γ ( c t - β x) γ = 1 / 1 − β2 β = v/c Es gibt keine absolute Zeit - Einheit von Raum und Zeit Kleine (Alltags-) Geschwindigkeiten: Galilei-Transformation: x x´ x´ = ( x - v t) v << c : γ = 1 t´ = t Spezielle Relativitätstheorie Einsteins revolutionäre Schlussfolgerungen: Gleichzeitigkeit ist relativ. Bewegte Maßstäbe sind verkürzt. (Lorentz-Kontraktion) Die Messung der Länge eines bewegten Stabes (Differenz von Anfangs- und Endkoordinaten) liefert einen um Faktor 1/ γ kleineren Wert als die eines ruhenden Stabes. Messung: gleichzeitig im jeweiligen Bezugssystem. Bewegte Uhren gehen langsamer. (Zeitdilatation) Im Ruhsystem der Uhr, am gleichen Ort: Zeitdifferenz Tik -Tak Messung der Zeitkoordinaten von Tik und Tak im System, in dem sich die Uhr bewegt, d.h. an verschiedenen Orten: Zeitdifferenz um Faktor γ größer Experimentell glänzend bestätigt. Auswirkungen: im Alltag gering (aber GPS), jedoch dramatisch bei Fortbewegung mit v ~ c . Im Widerspruch zur Alltagserfahrung! - Paradoxien Zwillingsparadoxon 2005 Sven und Nicole: 20 Jahre alt 2055 nach 50 Jahren: Sven: 70 J. Nicole: 22 J. Quelle: Nobel e-Museum Zeitreisen in die Zukunft erlaubt! aber: kostet viel Energie Der Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie: Die ahnungsvollen Jahre bis 1915 Bisher: Raum-Zeit ist fest vorgegebene Bühne, Massen, elektromagnetische Felder etc. sind die Schauspieler. Nun: Rückwirkung der Massen auf die Raum-Zeit, Gravitation 1908: Minkowski: 4-dimensionale Formulierung und Geometrisierung der SRT: invariant unter Lorentztransformationen nicht Längen dl und Zeitintervalle dt, aber die Differenz ihrer Quadrate: (ds)2 = (c dt)2 - (dl)2 = (c dt)2 - (dx)2 - (dy)2 - (dz)2 = gµν dxµ dxν ( xµ ) = (x0, x1, x2, x3 ) = (c t , x, y, z), E.: „überflüssige Gelehrsamkeit“ gµν = diag(1, -1, -1, -1) Minkowski-Metrik (Metrik: Vorschrift zur Abstandsmessung) Einsteins Fahrstuhlexperimente (1907) A B Hans Hans Fahrstuhl im Schwerefeld frei fallend „schwerelos“ Fahrstuhl im Raum fernab von allen Massen frei schwebend Kann Hans durch irgendein Experiment feststellen, ob Situation A oder B vorliegt? Nein! (Äquivalenz von schwerer und träger Masse) Einsteins Äquivalenzprinzip (1907) „In einem kleinen Labor, das im Schwerefeld fällt, sind die mechanischen Phänomene dieselben wie jene, die in Abwesenheit eines Schwerefeldes in einem Newtonschen Inertialsystem beobachtet werden.“ Konstant beschleunigtes Bezugssystem ist lokal Inertialsystem der SRT. Es gibt kein globales Inertialsystem, die Raum-Zeit ist aber lokal minkowskisch, die Form des invarianten Wegelements daher eine Funktion der globalen Raum-Zeit-Koordinaten („gekrümmte Raum-Zeit“): (ds)2 = gµν dxµ dxν , gµν = gµν (xµ) metrischer Tensor, lokal jeweils auf Minkowski-Form zu bringen Einfall 1912: gµν spielt die Rolle eines verallgemeinerten Gravitationsfeldes Problem: Wie berechnet man gµν aus Massen- und Energieverteilung? Einsteins Wundermonat November 1915 Plenarsitzungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin: 1) 4.11. 2) 11.11. 3) 18.11. 4) 25.11. : Die Feldgleichungen der Gravitation Allgemeine Relativitätstheorie „Matter tells space-time how to curve, and space-time tells matter how to move.“ (J. A. Wheeler) Einsteins Schlussfolgerungen: Periheldrehung des Merkur (fehlende 43‘‘ pro Jahrhundert erklärt) Lichtablenkung im Schwerefeld (Sonnenfinsternis 29.5.1919,1,75‘‘) Laufzeitverzögerung im Schwerefeld Uhren im Gravitationsfeld gehen langsamer. (Gravitationsrotverschiebung) Erde: (1 + 10-9) -fache Zeitlupe kompakte Massenansammlungen: Neutronenstern: 1,2-fache Zeitlupe Schwarzes Loch: bis unendl. Zeitlupe 1917: Kosmologische Betrachtungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie Wie wirken die im Universum vorhandene Materie und Energie auf die Struktur der Raum-Zeit zurück, in der sie sich befinden? Einstein findet nur zeitveränderliche Lösungen (expandierendes Universum), die er verwirft. Eine statische Lösung gelingt ihm, indem er in sein Feldgesetz ein kosmologisches Glied einführt: E.: „größte Eselei meines Lebens“ Expansion: Was kann man direkt messen? Scheinbare Helligkeit m, d.h. Intensität J Die scheinbare Helligkeit einer Galaxie von 28m entspricht etwa 10-11 der Strahlungsintensität von Wega Die relative Verschiebung einer Spektrallinie z ∆λ = z, λ v 2+ z = z ≈ z , für 2 c 2 + 2z + z z << 1 Messung: J = J(z) oder z = z (J) = z (m) Beobachtungsergebnis z << 1: Beobachtung: J prop. 1/z2 prop. 1/v2 Theorie: J prop. 1/d2 v = Ho d Ho HubbleKonstante Die Fluchtgeschwindigkeit wächst proportional zum Abstand Wir Evidenz für die Expansion des Universums „Urknall“ vor ca. tH ∼ 1/ Ho Jahren, tH Hubble-Zeit Heute: Ho = 71 +4 −3 km/s/Mpc 1/Ho ~ 14 Milliarden Jahre Kosmologie: Theorie Einstein 1917: Kosmologisches Prinzip Robertson-Walker-Metrik Kosmologische Grundgleichungen Materiedominiert: Druck vernachlässigbar, σ a3 = M = Gesamtmasse konstant Materiedominiertes Universum 1922 Effektives Potential Die kosmologischen Parameter Moderne Kosmologie: Beobachtung Supernova Cosmology Project Perlmutter et al., Berkeley 1998 Science Breakthrough of the Year High-z Supernova Search Team Garnavich, Riess, Schmidt et al. 7 Milliarden Jahre SN 1997ff, 10 Milliarden Jahre Kosmologie: Beobachtung Kosmische 2,7 Kelvin MikrowellenHintergrundstrahlung Entkopplung Strahlung - Materie 380.000 Jahre nach dem Urknall Protonen+Elektronen+Photonen T > 3000 K Wasserstoffatome + Photonen T < 3000 K Hohe Isotropie der Hintergrundstrahlung Cosmic Background Explorer (COBE) Satellit 1990-94 Photonentemperatur heute: 2,725 K Abweichungen nur im zig-Mikrokelvinbereich Rotverschiebung z ~ 1000 Τ = 2,725 Κ ∆α ∼ 7o 1990 ∆α ∼ 10´ 2003 Quelle: Wayne Hu Leistungsspektrum der Temperaturanisotropie WMAP 2003 WMAP Team, Spergel et al. 2003 =Λ ? ENDE